Die Kapitalisten wollen ihre Krise auf uns abwälzen – das ist Klassenkampf von oben. Die Arbeiterbewegung in Österreich muss radikaler werden.
Im allgemeinen Chaos, das der Kapitalismus ständig produziert, stechen zwei besonders signifikante Entwicklungen hervor:
- Das Ausmaß der globalen Verschuldung beträgt 350% der jährlichen Weltwirtschaftsleistung. Diese historisch hohen Schulden wurden aufgehäuft, um die Krise von 2008–09 zu bewältigen. Dies schien zu funktionieren, solange die Zinsen an der Null-Linie waren. Doch dann begann die Inflation, weswegen die Zentralbanken nun die Zinsen anheben. Schuldenrückzahlungen und neue Schulden werden dadurch teurer. Deutschland, das heuer noch 4 Mrd. € an Zinsen für die Staatsschulden zahlt, muss im kommenden Jahr dafür bereits 37 Mrd. € an die Banken abliefern. Die Krise war nie überwunden, jetzt kommt sie mit neuer Gewalt zurück und wird neue Sparpakete für die Massen bringen.
- Der freie Weltmarkt spaltet sich in konkurrierende Staaten und Blöcke, die um Einflusszonen und Märkte kämpfen. Um in der Konkurrenz zu bestehen, fließen Milliardengeschenke an die „eigenen“ Kapitalisten. Gleichzeitig wird durch diese Maßnahmen die Weltwirtschaft destabilisiert: Schutzzölle, Subventionen für heimische Produzenten, Sanktionen… Kurz: Der Protektionismus ist zurück. Die dominanten Nationen versuchen strategische Technologien und Produktion (Green Tech, Daten, Rohstoffe) unter ihre eigene Kontrolle zu bringen. Die EU etwa möchte unabhängig von russischer Energie werden und fürchtet sich schon jetzt, abhängig von chinesischer Technologie zu sein. Die USA lockt mit Milliardensubventionen Industriebetriebe ins Land, Deutschland antwortet mit 200 Mrd. € an Energie-Subventionen für die heimischen Industriebetriebe. Dies ist gegen die Regeln der EU, aber in der Krise heißt es wieder: alle Nationalstaaten gegen alle. Dazu gehört auch die weltweite Erhöhung von Militärbudgets, in Österreich mittels eines Sonderprogramms von 16 Mrd. €.
Die relativ stabile Nachkriegsordnung wandelt sich in ihr Gegenteil. Gesellschaftlicher Reichtum wird in Profitsubventionsschlachten und militärische Abenteuer, nicht in Bildung, Gesundheit oder Pensionen investiert. Offene Kriege, wie in der Ukraine, und Staatsstreiche in Afrika sind nur die momentane Spitze der imperialistischen Neuverteilung von Profiten und Einflusszonen.
Die Kapitalbesitzer verdienen kräftig an diesen Krisen, 2022 war ein absolutes Profit-Rekordjahr für die Kapitalisten (siehe S. 3 und 4). Gleichzeitig bedeutet dies weder sichere Jobs noch Wachstum. Zwei bereits fixierte Großinvestitionen in Österreich (Boehringer Ingelheim und Magna) wurden wieder abgesagt. Der LKW-Bauer Steyr Automotive entlässt weiter Arbeiter, und die Raika-Banker sind trotz Verdreieinhalbfachung ihres Gewinnes unglücklich, weil sie ihre Kriegsprofite nicht von Moskau nach Wien überweisen können. Die Energieversorgung Österreichs (Erdgas) bleibt in den kommenden Jahren unsicher und teuer.
In dieser ganzen Instabilität zählt für die Kapitalisten vor allem eines: ihre Profite zu sichern. Die Grundlage ihres Profits ist die Ausbeutung der Beschäftigten. Je länger, intensiver und billiger wir arbeiten, desto höher ist ihr Gewinn. Das ist der Kern dessen, was wir Klassenkampf nennen!
Dies wird gerade während der Lohnverhandlungen akut: Im Herbst stehen in vielen Branchen die Kollektivvertragsverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Kapitalvertretern an. Die Jahresinflation von 9,6% hat ein tiefes Loch in unsere Geldtaschen gebrannt, die Arbeit ist überall intensiver geworden, nicht zuletzt, weil überall Arbeitskräfte fehlen. Jetzt, wenn es darum geht, dass die Lohnabhängigen einen Teil des von ihnen erarbeiten Reichtums zurückwollen, stellen sich Unternehmer, ihre Wirtschaftsinstitute und die Medien taub. Sie verlangen Lohnzurückhaltung, um den „Standort Österreich attraktiv zu halten“.
Wir lehnen die Ideologie des „Standorts Österreich“ rundweg ab, weil sie ein Betrug an den Arbeitern ist. Sie behauptet, dass ein profitabler Wirtschaftsstandort auch den Arbeitern hilft und dass Arbeiter Mitschuld haben, wenn es nicht profitabel genug läuft. Doch Arbeiter haben weder die Inflation verursacht noch von ihr profitiert, noch leiten sie den Krieg in der Ukraine, sie haben keine Sanktionen verhängt, keine Pipelines gesprengt, und sind nicht an politischer Korruption und der imperialistischen Bündnispolitik mit EU und USA beteiligt. All das sind Auswüchse des Kapitalismus und politische Entscheidungen seiner Profiteure, Arbeiter werden dazu nicht gefragt. Unsere Position ist: Unsere Löhne sind nicht so fett, dass wir auch noch eure Probleme damit bezahlen könnten. Der Beweis ist die oben genannte LKW-Fabrik Steyr. Um 2021 das von der Schließung bedrohte Werk von einem „Austro-Investor“ (dem Sebastian-Kurz-Freund Sigi Wolf) „retten“ zu lassen, verzichteten die Beschäftigten auf 10% ihrer Löhne. Hat es ihnen jemand gedankt? Natürlich nicht. So sieht die „Standortlogik“ der Kapitalisten aus.
Der Gewerkschaftsbund ÖGB gibt leider keine so klare Antwort. Er organisierte eine Menschenkette mit dem Slogan „Die Preise runter“. Der ÖGB schürt Illusionen, dass er das wirtschaftliche Rezept habe, die Interessen von Kapitalisten und Arbeitern gleichermaßen zu befriedigen. Das ist jedoch in der kapitalistischen Krise unmöglich. Entweder wir greifen die Profite an – oder wir verlieren. Was es tatsächlich braucht, ist das Signal für einen mutigen, rücksichtslosen Klassenkampf zur Stabilisierung unseres Lebens.
Die Spitzengewerkschafter und die Spitzen der Arbeiterparteien SPÖ und KPÖ haben aber kein Vertrauen, dass sie einen Kampf organisieren könnten (oder sollen), in dem die Arbeiter tatsächlich gewinnen. Stattdessen versuchen sie ständig den Spagat zwischen der Arbeiterklasse und den Kapitalisten.
Andi Babler und Julia Herr (SPÖ) attackierten im Sommer richtigerweise den Dosenmilliardär Mateschitz und die Kristallerbin Swarovski – aber leider nur auf Twitter. Das ist zu wenig. Eine wirkliche Umverteilung braucht einen allumfassenden Kampf gegen die Kapitalisten: ideologisch, politisch und gewerkschaftlich. Die Arbeiterbewegung muss insgesamt klarer und stärker werden, die SPÖ rüstet sich aber nur für die kommende Regierungsbeteiligung.
Die KPÖ macht es nicht grundsätzlich anders. Nachdem in der sommerlichen Debatte um die Superreichen die Frage von Enteignungen aufgekommen war, distanzierte sich ihr designierter Nationalrats-Spitzenkandidat Tobias Schweiger davon. Die KPÖ stehe gar nicht für solch radikale Dinge – nur für eine demokratische Wirtschaft, so Schweiger zu den Medien.
Wir müssen bei der Wahrheit bleiben: Ohne Enteignung der parasitären Kapitalistenklasse und ohne die revolutionäre Überwindung ihrer wichtigsten Institution – des bürgerlichen Nationalstaats – geht der Planet vor die Hunde. Die Arbeiter, die Armen und Entwurzelten, die es nicht mal in ein Lohnarbeitsverhältnis schaffen, sind die ersten, die dafür bezahlen. Wir sagen: Keine Illusionen in Deals mit den Kapitalisten – kämpfen wir für jede kleine Verbesserung. Durch diese Praxis werden auch das Verständnis und die Kampffähigkeit unserer Klasse für das wirklich Notwendige wachsen: die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft der Gleichen – frei von Ausbeutung und Unterdrückung.
Wien, am 26.09.2023
Aus dem Inhalt
- Aus unserem Postfach
- Österreich
- Warum bleibt in Österreich die Inflation so hoch?
- Von Kleingärten und Gartenzwergen
- Fundamentalisten dominieren Politik: Keine Abtreibungen mehr in Vorarlberg
- Kapitalismus bedeutet Bildungschaos / Bildungskämpfe im Herbst
- Betrieb & Gewerkschaft
- Lohnverzicht? Sicher nicht!
- US-Autoarbeiter streiken gegen die „Big 3“
- Was können wir vom Streik bei Ardo lernen?
- Wann kommt die Offensive im Gesundheitssystem?
- SWÖ: Kampfplan notwendig – jetzt!
- Schwerpunkt
- Stalinismus: Die Herrschaft der Bürokratie im Arbeiterstaat
- Spaniens Kommunistische Jugend gegen Bürokratie und Reformismus (Interview)
- International
- Deutschland: Das Elend des (linken) Reformismus
- Pakistan: Großproteste gegen Strompreiserhöhungen
- China: Krise, Jugend und Revolution
- Die Katastrophe in Libyen: Klimawandel und Imperialismus
- Gesellschaft
- „Glaubts mir, es war eh nix“: Kurz – Der Film
- Buchrezension: Entmenschlicht von Huschke Mau
- Kommunismus
- Warum verschenken KommunistInnen ihre Zeitung nicht?
- Können Arbeiter die Wirtschaft umstellen und verwalten?
- Warum ich aktiv geworden bin: Kommunismus vs. Pessimismus
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