Die Firma OpenAI machte die letzten Monate Schlagzeilen mit Neuheiten zur Künstlichen Intelligenz. Philipp Lenz über die verbreitete Angst vor Künstlicher Intelligenz und wie das mit dem Kapitalismus zusammenhängt.
OpenAI veröffentlichte das Computerprogramm DALLE-2, welches anhand einfacher Textbeschreibungen von Menschen selbstständig realistische Bilder erzeugt, sowie den Chat-Roboter ChatGPT, der schriftliche Aufträge von Menschen ausführen kann, wie z.B. einen Wochenendtrip planen. Dies löste nicht nur Euphorie bei Fans von Künstlicher Intelligenz (KI) aus, sondern sorgte auch für heftige Diskussionen über die Zukunft des Arbeitsmarktes und unsere Zivilisation.
Die Angst, dass der Mensch Opfer seiner eigenen Schöpfung werden könnte, ist nichts Neues. Sie ist seit Jahrzehnten Inhalt von Hollywoodfilmen, sei es Frankenstein, Terminator oder Matrix. In den letzten Jahren fokussiert sie sich vor allem auf die Technologie der KI, beispielsweise warnt der US-Milliardär Elon Musk regelmäßig davor, dass der Mensch bald Haustier einer künstlichen Hyperintelligenz werden könnte. Aktuelle Filme wie ExMachina bringen die Angst gut auf den Punkt. Eine KI in einem weiblichen Roboter erlernt, sich ihrem Schöpfer perfekt anzupassen, seine Wünsche zu erfüllen, nur um diesen schlussendlich zu töten und aus der Gefangenschaft zu entfliehen.
Woher kommt diese Angst vor einer unkontrollierbaren KI mit eigenen Motiven, Willen und bösen Intentionen?
Was ist Künstliche Intelligenz
Wenn über Künstliche Intelligenz geredet wird, sind meistens künstliche neuronale Netzwerke gemeint. Das sind Computerprogramme, die der Funktionsweise des Nervensystems nachempfunden sind.
Diese sind im Kern nichts weiter als eine mathematische Formel, die basierend auf einem Input einen Output produziert. Beispielsweise werden die einzelnen Farbwerte hunderttausender Pixel eines Bildes kombiniert, um eine einzige Zahl zu erzeugen, die angibt, ob auf dem Foto z.B. eine Biene zu sehen ist. Während sich aber bei den meisten mathematischen Formeln ein Mensch im Detail überlegt hat, wie die verschiedenen Inputs miteinander kombiniert werden müssen, passiert das hier über Parameter, die automatisch ermittelt werden.
Im einfachsten Fall prüft ein Mensch das Ergebnis des neuronalen Netzwerkes (ist auf dem Bild eine Biene?) und wenn das Ergebnis falsch ist, ergibt sich aus mathematischen Überlegungen, wie die Parameter minimal angepasst werden müssen. Je öfter das mit verschiedenen Bienen-Bildern wiederholt wird, desto genauer wird das Netzwerk zur Bienenerkennung. Das ist eine Form des sogenannten Machine Learning.
Diese neuronalen Netzwerke waren lange Zeit in ihrer Anwendung begrenzt. Das änderte sich 2017 mit der Einführung sogenannter Transformer. Mit dieser bahnbrechenden Weiterentwicklung, welche sowohl ChatGPT, DALLE-2 als auch Teslas Autopilot zugrunde liegt, schaffen neuronale Netzwerke Mustererkennung auf höheren Abstraktionsebenen (Grundstimmung von einem Film, ist ein Bild süß oder gruslig), die dann untereinander kombiniert werden können.
Trotz dieser Fortschritte ist deutlich, dass ein neuronales Netzwerk keinerlei Motivation oder Ziele besitzt. Es fungiert lediglich als Werkzeug, das von Menschen mit einem Ziel für eine sehr spezifische Aufgabe entwickelt wird.
Monopolisierung und kapitalistische Profitinteressen
Um weitreichende Muster in langen Texten und komplexen Bildern zu erkennen, sind inzwischen Netzwerke mit Billionen von Parametern notwendig. Was es braucht, um Netzwerke dieser Größe erfolgreich zu trainieren, zeigt Teslas „Rezept“ für den Autopiloten: 1,44 Milliarden Bilder bei 90°C Server-Betriebstemperatur für 100.000 GPU-Stunden „backen” lassen. Dieses Rezept verdeutlicht, dass es für Privatpersonen oder kleine Unternehmen, die weder über die Rechenleistung noch über die Datenmengen verfügen, unmöglich ist, im Feld der KI mitzuhalten.
Diese Lektion musste auch OpenAI lernen, die bereits 2019 ihr Business Model von Non-Profit auf For-Profit umstellen mussten, um sich mit einem $1 Mrd. Investment von Microsoft über Wasser halten zu können. Sie benötigten zusätzlich den Zugang zur Rechenleistung der Microsoft Infrastruktur und den Terabyte großen Code-Beständen auf Github, einem Forum im Besitz von Microsoft, wo Programmierer miteinander Programme und Code austauschen. Mit diesen Daten und Rechenleistungen wurde ChatGPT entwickelt. Aus Sicht von Microsoft scheint sich dieses Investment gelohnt zu haben, wie ein weiteres geplantes $10 Mrd. Investment in OpenAI unterstreicht.
Auf die Frage, was sich der neue Superstar-Chef von OpenAI Sam Altman von den Investitionen in KI erwartet, antwortet er mit der „Reduktion der Kosten von kognitiver Arbeit auf ein Tausendstel“. Der US-deutsche Milliardär Peter Thiel prophezeit, dass Jobs wie Taxifahrer, Fabrikarbeiter und Radiologen sowie Jobs mit hoher Kundeninteraktion durch die wachsende Intelligenz von Chatbots ersetzt werden. Die Arbeiterklasse sollte das als Drohung verstehen. Selbst Programmierer könnten durch die gleiche KI ersetzt werden, die sie ursprünglich programmiert haben, falls man Aussagen von OpenAI-Mitarbeitern glaubt, die für die Korrektur des Codes von Language Models verantwortlich sind.
Die kulturelle Angst vor der KI kommt also nicht von irgendwoher. Da die Entwicklung von KI nur in Monopolen möglich ist, verfügen sie alleine über dieses mächtige Tool und können diese uneingeschränkt gegen Natur und Mensch einsetzen, um Profite zu generieren. So trainiert Google eine KI, um neue Erdöllager aufzuspüren, wofür der US-Öl- und Gassektor 2020 bereit war, $1,3 Mrd. auf den Tisch zu legen.
Kapitalismuskritik von Kapitalisten
Die Implikationen dieser neuen Technologie – Arbeitslosigkeit, noch mächtigere Konzerne und Monopolisierung – sind sogar manchen Kapitalisten nicht geheuer. Sam Altman selbst beanstandet, „dass die Leute (andere Kapitalisten) einfach nicht verinnerlicht haben, was passiert, wenn sich das Spielfeld so stark verschiebt“ und dass man annehme, dass „wir einfach eine kleine Anpassung am Kapitalismus vornehmen können und es funktionieren wird.“ Laut ihm muss man sich daher Gedanken machen, wie die KI-Technologie demokratisiert werden kann.
Was steckt hinter dieser Kapitalismuskritik eines millionenschweren Firmenbosses? Wie schon Karl Marx feststellte, gleicht „die […] moderne bürgerliche (kapitalistische) Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, […] dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor.“
Das Profitmotiv im Kapitalismus hat einst die Technologie und Produktion vorangebracht. Doch dieser Fortschritt hat den Kapitalismus nicht nur überflüssig, sondern zu einer Gefahr für die Gesellschaft gemacht. Manche Kapitalisten wie Altman wollen daher instinktiv den Einsatz von Technologie durch das Profitmotiv regulieren, damit diese nicht zu einer Gefahr für die Stabilität des Kapitalismus wird. Mit Antikapitalismus hat das aber nichts zu tun.
Nicht ganz zufällig verpasst daher Altman den einzigen Faktor zu nennen, der in der Lage wäre, diese Aufgabe zu lösen: Die Arbeiterklasse. Denn so wie ohne die tausenden Programmierer, Forscher und Arbeiter in Datencentern der Einsatz von KI keinen Tag lang funktionieren würde, bewegt sich ohne die Arbeiterklasse insgesamt kein Rädchen in der Gesellschaft.
Es stellt sich nicht die Frage, wie verhindert werden kann, dass eine Künstliche Intelligenz die Menschheit versklavt, die sie erschaffen hat. Die Frage ist, wie die Arbeiterklasse ihre eigene Lohnsklaverei beenden kann, indem sie die Kontrolle über ihre Arbeitskraft und deren Produkte aus den Händen der Kapitalisten entreißt und rational im Interesse der Menschheit einsetzt.
(Funke Nr. 211/21.02.2023)