Der Profit der Konzerne ist im heutigen System wichtiger als das Leben zukünftiger Generationen. Kapitalismus bedeutet unausweichlich Klimakatastrophe und Kriege. „Energiewende“, „Menschenrechte“ und „Verteidigung der Demokratie“ werden zu Etiketten verlogener Politik.
Spätestens seit dem Beginn der „Fridays for Future“-Bewegung ist die Frage des Klimawandels aus der öffentlichen Debatte nicht mehr verschwunden. Wir erinnern uns: Millionen Jugendliche, allen voran Schülerinnen und Schüler, waren 2019 auf die Straßen gegangen, um gegen die Untätigkeit der Politik zu protestieren. Einer der wichtigsten Slogans war: „Act now“.
Doch die angesprochenen Politiker dachten zuerst gar nicht daran. Angela Merkel deutete die Jugendbewegung als Teil einer „hybriden Kriegsführung Russlands“: „dass plötzlich alle deutschen Kinder, nach Jahren, ohne jeden äußeren Einfluss auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen“. Österreichs Ex-Kanzler Kurz erklärte derweil die „Mittelmeerroute“ zum zentralen Problem der europäischen Politik.
Diese Herangehensweise änderte sich. Nicht die Einsicht in den Ernst der Lage war der Grund. Entscheidende Teile des europäischen Kapitals erkannten vielmehr, dass die Klimakatastrophe als populäres Argument zur Stabilisierung des Profites europäischer Konzerne nutzbar ist. Insbesondere die Verminderung von importierten fossilen Energieträgern und die Einführung von „Klimazöllen“ zum Schutz gegen Importwaren, v.a. aus China entsprechen heute dem strategischen Interesse der Kapitalisten.
Deutlich wurde das am „Tag der deutschen Industrie“ im Juni 2019, als die heutige grüne Außenministern Annalena Baerbock von den versammelten Auto- und Schwerindustriekapitalisten für diese Positionierung tosenden Applaus bekam. Die EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen präsentierte wenige Monate darauf den Plan eines „European Green Deals“ anhand der exakt gleichen Linien. Hierzulande holte Sebastian Kurz die Grünen, die sich im Wahlkampf erfolgreich als parlamentarischen Arm von „Fridays for Future“ präsentierten, in die Bundesregierung. Die Industriellenvereinigung feierte diese politische Neuorientierung.
Die Grünen sind heute ein getesteter politischer Rammbock für den strategischen Kurswechsel des Kapitals. Nicht der Kampf gegen Klimawandel und Umweltzerstörung stehen im Zentrum ihrer Politik, sondern die Interessen der KapitalistInnen im Allgemeinen und der aufstrebenden „Grünen Wirtschaft“ (alternative Energieanlagen und -speicher, Green Investment Fonds, …) im Besonderen. Das Anschieben neuer grüner Profitfelder durch staatliche Subventionen steht nicht mehr im Gegensatz zum Gesamtinteresse des Kapitals, im Gegenteil. Angesichts der weltweiten Zuspitzung imperialistischer Konflikte und Handelskriege ist die „Energiewende“ („weg vom russischen Gas“) zum strategischen Ziel der Herrschenden in Europa geworden. Was sie damit meinen, ist nicht die Energiewende zum Stopp der Umweltkatastrophe, sondern die „Energiewende“ hin zu Energiequellen unter eigener Kontrolle. Die ehemals pazifistischen Grünen sind heute folgerichtig die wichtigste deutsche Kriegshetzer- und Rüstungsexportpartei.
Die gewaltsame Durchsetzung der Ausweitung der extrem klimaschädlichen Braunkohleförderung für die Stromproduktion im deutschen Lüzerath ist dementsprechend nur ein weiteres kleines Opfer an der Heimatfront. Die Grünen haben in der Landes- und Bundesregierung mit dafür gesorgt, dass die Abbauerlaubnis erteilt wurde und das Blockadecamp geräumt werden kann. Die deutschen Klimaziele zu einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C sind laut einer Studie der Europa Universität Flensburg damit unmöglich geworden.
RWE betreibt den Tagebau bei Lüzerath und hat im vergangen Jahr durch die Verstromung der Braunkohle 500 Mio. € verdient, das Vielfache als noch vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges erwartet. Doch es wäre zu kurz gegriffen, nur spezifisches Profitinteresse von RWE verantwortlich zu machen. Die deutsche Bundesregierung hat die Ausweitung der Braunkohlestromproduktion aus politischen Motiven angeschoben. Es galt, die Energieproduktion abzusichern, um die Hände für die Weiterführung des Krieges in der Ukraine, inklusive der Sanktionen gegen Russland, frei zu bekommen.
Dasselbe gilt hierzulande: Die grüne Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler lobt in der ZIB2 in einem Atemzug die „Anstrengungen“ der Bundesregierung im Klimaschutz und zeigt sich gleichzeitig offen für neue Erdgasförderung in Oberösterreich. Bereits im Sommer machte sie im Sinne der Energiesicherheit Druck, das Kohlekraftwerk Mellach mit staatlichen Subventionen zu reaktivieren. Die Klimaziele werden unerreichbar, wir sind angehalten weniger zu heizen und die ArbeiterInnen hatten im vergangenen Jahr die höchsten Reallohnverluste seit 70 Jahren. Die 20 im ATX gelisteten Unternehmen haben derweil schon im ersten Halbjahr 2022 Gewinne von über 10 Mrd. € verbucht – so viel wie im gesamten Rekordjahr 2021.
Die Debatten zum Klimawandel sind zu einem inhaltsleeren Kulturkampf verkommen: Die Bürgerlichen stellen den „Kampf gegen den Klimawandel“ in Widerspruch zur „Sicherheit der Energieversorgung für Haushalte“ und der „Sicherheit von Arbeitsplätzen“. Nebenbei befeuern sie die Polemiken über akzeptable wie unakzeptable Methoden der Klimabewegung („Straßenkleber“).
Doch diese Widersprüche gibt es nur im Kapitalismus, dem System der Produktion für den Profit. Die Treibhausgasemission steigt weiter. Dem nächsten Klimagipfel wird der Chef der Ölgesellschaft Abu Dhabis vorsitzen. Ein Appell an die Herrschenden, den Kurs zu wechseln, „zu handeln“, so scheinradikal er auch vorgetragen werden mag (siehe S.3) ist im besten Falle nutzlos und im schlimmeren Falle eine Waffe zur Durchsetzung von Kapitalinteressen.
Das Ziel muss sein, den Kapitalisten die Werkzeuge zu entreißen, mit denen sie die Welt in Geiselhaft halten – ihre Banken und ihre Konzerne. Sie müssen enteignet werden und die Wirtschaft muss auf rationalen, sozialistischen Grundlagen demokratisch geplant werden. Es gibt nur eine Kraft in der Gesellschaft, die dazu fähig ist: Die Arbeiterklasse. In Österreich wird sie durch die sozialpartnerschaftlichen Führungen in SPÖ und Gewerkschaften davon abgehalten, entschieden in den Kampf zur Verteidigung der eigenen Lebensgrundlagen entschlossen einzutreten. Im Herbst konnten aber erste Erfahrungen gemacht werden, dass die Passivierung durch die Führung ein Ablaufdatum hat (siehe S. 5).
Wer gegen den Klimawandel kämpfen will, muss dafür sorgen, dass die Arbeiterklasse sich dieses Ziel auf die Fahnen schreibt, und die Methoden und Forderungen der Klimabewegung müssen sich daran orientieren. Vor allem aber muss man für ein revolutionäres Programm in der Arbeiterbewegung kämpfen. Dafür steht der Funke in Österreich und die Internationale Marxistische Tendenz (IMT) weltweit – mach bei uns mit!
Wien, am 19.01.2023
Aus dem Inhalt
- Österreich
- Sanktionen gegen Raiffeisen?
- Zurück zu den Futtertrögen des Staatsapparats?
- Warum die FPÖ wieder aufsteigt
- Jugend
- Generation Revolution statt „letzte Generation“!
- Warum ich aktiv geworden bin
- Betrieb & Gewerkschaft
- Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
- Kollektivvertragsverhandlungen im KHM-Museumsverband
- Ein Gespenst geht um in … Wien, aber welches?
- Jetzt neu: Urabstimmungen
- Wiener Linien: Arbeiten am Limit
- Schwerpunkt
- Jänner 1918: Mit Massenstreiks für den Frieden
- Matrosenaufstand: „Das nächste Mal besser…“
- Über uns
- Demo für Frauenrechte in Afghanistan (Wien)
- Demo gegen Abtreibungsgegner (Tirol)
- Gesellschaft
- Kernfusion: Die Lösung aller Energiefragen?
- Neuerscheinung: Marx und Engels (nicht nur) für Anfänger
- International
- Meloni raus – unsere Befreiung durch Revolution!
- GB: Regierung will Streikwelle unterdrücken
- Frankreich am Scheideweg zwischen Konterreformen und Massenmobilisierungen
- Peru nach Putsch: Für den Sturz der Kapitalisten!
Die Ausgabe ist um 2€ bzw. 5€ Solipreis erhältlich beim Funke-Verkäufer/der Funke-Verkäuferin eures Vertrauens und hier im Funke-Shop – auch als Online-Version. Abobestellungen können >>hier<< vorgenommen werden.