In Ecuador fand ab dem 13. Juni ein landesweiter Generalstreik statt, um dem drastischen Einbruch des Lebensstandards der Massen Einhalt zu gebieten. Laura Höllhumer berichtet.
Die zentrale Forderung der Generalstreikbewegung war die Reduktion der Treibstoffpreise auf 2 US-Dollar pro Gallone (3,78 Liter) – innerhalb eines Jahres verdoppelten sich diese. Zudem wurden Preiskontrollen für lebensnotwendige Güter (insbesondere Lebensmittel), ein Schuldenerlass für BäuerInnen, der Stopp der Privatisierungen, der kostenlose Zugang zur Universität und das Ende der Umweltzerstörung durch den Bergbau, der indigene Territorien bedroht, gefordert.
Hier kollidierten die Interessen der BäuerInnen, der ArbeiterInnen und der Jugend Ecuadors frontal mit jenen der Kapitalisten, der Banker und des Internationalen Währungsfonds, die Guillermo Lasso, der konservative Präsident Ecuadors, vertritt. Lasso ist seit einem Jahr im Amt. Dieses war von politischen Krisen und Missmanagement geprägt. Deshalb setzte CONAIE, die Organisation von Indigenen, die diese Proteste maßgeblich organisierte, auch nicht auf den von ihm vorgeschlagenen „Dialog“, sondern auf ein eskalierendes Kampfprogramm mit unbefristetem Generalstreik.
Repression und Widerstand
Sofort zeigte sich, wie hohl das „Entgegenkommen“ der Regierung in Wirklichkeit war. So versuchte der Innenminister die Bewegung durch eine Schmähkampagne zu diskreditieren und als kriminell darzustellen. 6 Menschen starben bei Demonstrationen, 8 verschwanden, hunderte wurden verletzt oder festgenommen. Leonidas Iza, einer ihrer Anführer, wurde verhaftet. Trotz der heftigen Repression – oder auch gerade wegen ihr – stieß der Aufruf zum Generalstreik auf großes Echo. Die Verteidigung der Bewegung gegen Übergriffe der Polizei organisierte die Jugend unter dem Titel „Primera Linea“ (Frontlinie).
Etwa 50.000 indigene BäuerInnen führten einen beeindruckenden Marsch in die Hauptstadt Quito durch, in der sie das Haus der Kultur einnahmen, um dort ein Protestcamp zu errichten und Versammlungen abzuhalten. Auf den Straßen war „Fuera Lasso“ (Lasso raus) der zentrale Slogan. In einigen Provinzen nahm die Bewegung sogar einen Aufstandscharakter an: Die Besetzung eines Regierungsgebäudes in Tungurahua, seine Umbenennung in „Casa del Pueblo“ (Volkshaus) und das Niederbrennen einer Polizeistation in Pastaza warfen die Frage auf, wer dieses Land regieren soll. Lasso und seine Kapitalistenregierung oder die ArbeiterInnen, die BäuerInnen und die Jugend?
Strategie für den Sieg
Nach 18 Tagen unerschrockenem Kampf lief die Bewegung Gefahr abzuflauen. Deshalb wurde ein Deal mit der Regierung unterzeichnet, der wichtige Zugeständnisse (sieben von zehn Forderungen) umfasst. Das bedeutet einen Teilerfolg, da die Massen kämpften und die geschwächte Regierung zum Entgegenkommen zwingen konnten. Zwei große Schwächen verhinderten letztlich den Sieg der Bewegung: Erstens die mangelnde Beteiligung der Arbeiterklasse, verursacht durch die Apathie der Gewerkschaften. Zweitens das Fehlen einer revolutionären Perspektive der Führung. So weigerte sie sich, den beliebten Slogan „Lasso raus“ zu unterstützen.
Mitten in der kapitalistischen Krise wird alles Erkämpfte schnell wieder vernichtet. Die Regierung wird zudem Angriffe auf den Lebensstandard der Massen durchführen. Das bereitet eine neue Mobilisierung vor, gestärkt durch diese Kampferfahrung und weitere Organisierungsmaßnahmen. Letztlich kann nur die Machtübernahme der Arbeiterklasse – gemeinsam mit den indigenen BäuerInnen und der Jugend – zur Überwindung von Ausbeutung und Unterdrückung führen.
(Funke Nr. 205/13.7.2022)