Seit 2012 wird jährlich am 25. November der Internationale Tag zur Beseitigung der Gewalt an Frauen begangen. Welche Mittel es braucht um Gewalt an Frauen tatsächlich zu beseitigen analysiert Sonja Kopf.
Auch Österreich ist keine Insel der Seligen, im Gegenteil – Gewalt an Frauen steht auch hier auf der Tagesordnung. In diesem Jahr alleine wurden bereits 23 Frauen ermordet, davon 22 von einem Partner oder Ex-Partner. Erst am Nationalfeiertag wurde eine Frau aus Vorarlberg von ihrem Partner so stark gewürgt, dass sie später im Krankenhaus daran starb.
Noch immer sind die Medienberichte durchzogen von Sätzen wie „Auslöser für die Würgeattacke war ein vorangegangener zunächst verbaler Beziehungsstreit.“ Impliziert wird mit solchen Aussagen, dass das Opfer eine Teilschuld hätte und es wird verschleiert, dass Frauen oftmals – aus verschiedensten Gründen – in gewaltsamen Beziehungen gefangen sind.
Die zahlreichen Fälle zeigen: Es ist für Frauen in solchen Situationen schwer sich eigenständig zu lösen. Zum emotionalen Druck kommt oft eine finanzielle Notlage. Frauen verdienen rund 20% weniger als Männer, die Verantwortung für Kindererziehung, Haushalt und vieles mehr liegt oft in ihrer Verantwortung. Die Gefahr samt Kindern von heute auf morgen auf der Straße zu stehen, ist groß. Doch selbst wenn sie den Schritt zur Trennung vom gewalttätigen Partner schaffen, bleibt das Risiko der Gewalt weiter bestehen – im Moment der Trennung, wenn die Emotionen hochgehen oder später wenn der Ex-Partner Rache übt. Die Trafikantin die im März von ihrem Ex-Partner an ihrem Arbeitsplatz aufgesucht, mit Benzin übergossen und angezündet wurde ist nur eines von zahlreichen entsetzlichen Beispielen.
Die Grenzen des Gewaltschutzes
Doch was ist die Lösung für diese Gewalt? Die Antwort der Bürgerlichen ist vor allem: Sie vergießen Krokodilstränen über die Tragik der Ereignisse und sagen, der Staat muss den Opferschutz garantieren. Das ist in zweierlei Hinsicht eine falsche Orientierung.
Einerseits sind Staat und Regierung nicht die Lösung, sondern immer eine Hürde für den Schutz von weiblichen Gewaltopfern gewesen. Tatsächlich sind Angebote im institutionellen Gewaltschutz in Österreich nur auf jahrelangen Druck der Frauenbewegung hin zwar verankert worden, aber auch seitdem stark unterfinanziert, wie wir im Funke 194 schon ausführlicher erläuterten. So mussten im Jahr 2018 von den Autonomen Österreichischen Frauenhäusern 183 Frauen und Kinder wegen Platzmangel abgewiesen werden. Die Bundesregierung erhöhte die budgetären Mittel für den Gewaltschutz im Angesicht der sich häufenden Vorfälle und des steigenden öffentlichen Drucks auf 25 Mio. Euro pro Jahr. Dass VertreterInnen der betreffenden Organisationen Mittel in Höhe von 225 Mio. pro Jahr fordern um ihre Arbeit abzusichern, macht deutlich, dass das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Das ist kein Zufall und auch keine „ideologische“ Frage: wie im gesamten Sozial- und Gesundheitsbereich sowie in der Bildung sind Maßnahmen der Gewaltprävention für die Bürgerlichen vor allem eine Kostenfrage – und so wird auch hier fleißig gespart.
Andererseits wäre selbst der beste staatliche Opferschutz nichts anderes als die Bekämpfung eines Symptoms des Problems, das viel tiefer geht. Als MarxistInnen kämpfen wir natürlich entschlossen für jede konkrete Verbesserung, auch im Schutz von Gewaltopfern. Aber wir verwehren uns der Idee, Gewaltprävention oder „bessere Aufklärung“ in irgendeiner Form als Lösung zu sehen.
Die Gewalt ist ein Ausdruck der besonders unterdrückten Stellung von Frauen im kapitalistischen System, nicht ein isoliertes Problem. Die schmerzliche Wahrheit ist: Selbst die beste Form des staatlichen Schutzes würde daher nichts daran ändern, dass die Gewalt in einem System, das von seinen Widersprüchen immer mehr zerrissen wird, weiter stetig zunehmen wird.
Wir können dem nur etwas entgegensetzen, wenn wir uns nicht in die Opferrolle drängen lassen, sondern diese durchbrechen und entschlossen gegen die systemische Frauenunterdrückung kämpfen!
„Und genau so, Genossinnen, ist diese Wand von Familienvorurteilen, im Verhalten des Familienoberhauptes gegenüber der Frau und dem Kind – die Frau ist der Kuli der Familie – diese Wand ist über Jahrtausende, nicht über Jahrhunderte aufgebaut worden. (…)
Insoweit ihr diese Wand zerstören werdet, wie ein Rammbock in der Hand der sozialistischen Gesellschaft, die aufgebaut wird, ist jeder bewusste Revolutionär, jeder Kommunist, jeder fortschrittliche Bauer und Arbeiter verpflichtet, Euch mit all seiner Kraft zu unterstützen.“
– Der Schutz der Mutterschaft und der Kampf für Kultur;
Rede Leo Trotzkis vom 7. Dezember 1925
Um das effektiv tun zu können, müssen wir aber verstehen, wer unsere Gegner und wer unsere Verbündeten sind.
Sowohl Männer als auch Frauen der Arbeiterklasse werden im kapitalistischen System ausgebeutet und unterdrückt – Frauen sind hierbei durch die ihnen zugewiesene Rolle doppelt unterdrückt.
Frauen und Männer der Arbeiterklasse haben mehr gemeinsam, als Frauen der Arbeiterklasse jemals mit Managerinnen, Unternehmerinnen oder Hillary Clinton gemeinsam haben könnten. Arbeitende Männer müssen dabei erkennen, dass Sexismus die Arbeiterklasse systematisch spaltet und entscheidend schwächt. So bleiben wir alle weiterhin nur Rohmaterial für die Ausbeutung durch die Kapitalisten. Damit ist Sexismus und Frauenunterdrückung ein Problem auch für arbeitende Männer. Es gilt daher, einen gemeinsamen Klassenkampf von Frauen und Männern gegen jede Form der Frauenunterdrückung, des Sexismus und der Ausbeutung zu organisieren!
Klassenkampf statt Geschlechterkampf
Das ist auch der beste Weg, um die Rolle von Frauen als „schwache Opfer“ zu überwinden, in die Frauen systematisch gedrängt werden. Während in der #MeToo-Bewegung vor allem prominente Schauspielerinnen ihre Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen in der Branche ihrem Publikum kundtaten, griffen Arbeiterinnen bei McDonalds in Kansas City 2018 zu Methoden des Klassenkampfs: Sie traten in den Streik, um sich gegen sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz zur Wehr zu setzen und üben damit massiven Druck auf das Unternehmen aus, ohne den der ehemalige CEO Steve Easterbrook 2019 wohl nicht wegen einer „einvernehmlichen betriebsinternen Liebesbeziehung” entlassen worden wäre.
Dass das höchstens der Anfang sein konnte, war diesen Arbeiterinnen klar – sie kämpfen weiter und die erste genannte Forderung auf ihrer Website ist ein Stundenlohn von 15$.
Im vergangenen Sommer wurden Anschuldigungen wegen Diskriminierung und sexueller Übergriffe gegen den Spielhersteller Activision Blizzard bekannt, wobei diese strukturell von den Führungsebenen ausgehen sollen. Das Unternehmen weist selbstverständlich jede Schuld von sich und hat im gleichen Atemzug noch eine Anwaltskanzlei engagiert, die bekannt für das Zerschlagen gewerkschaftlicher Aktivitäten in Betrieben ist. Die Angestellten bei Activision Blizzard reagierten mit einem Streik – von Frauen und Männern gemeinsam – und der Präsident des Unternehmens J. Allen Brack musste zurücktreten.
Das sind nur zwei von vielen Beispielen, die zeigen welches die Kampfmethoden der Frauen der Arbeiterklasse gegen Sexismus sind – nämlich die des Klassenkampfs. Der Kampf gegen Gewalt an Frauen kann gewonnen werden, wenn die Frauen der Arbeiterklasse die Opferrolle durchbrechen, sich organisieren, und gemeinsam mit den Männern ihrer Klasse gegen Unterdrückung und Ausbeutung kämpfen. So können wir dem System, das uns alle niederhält, ein Ende bereiten.
(Funke Nr. 198/5.11.2021)