Frauen der Arbeiterklasse werden besonders hart von den Auswirkungen der Pandemie und der Wirtschaftskrise getroffen, aber sie werden diese Angriffe nicht einfach hinnehmen. Von Laura Höllhumer.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 449.000 Menschen in Österreich sind derzeit arbeitslos, das sind um fast 90.000 mehr als vor einem Jahr (Stand 30.11.20). Die erste Corona-Welle hat jedoch gezeigt, dass Frauen überdurchschnittlich oft von Jobverlusten betroffen sind: der Anstieg der Arbeitslosigkeit entfiel zu 85% auf Frauen. Das liegt daran, dass es sich bei den besonders von den Corona-Maßnahmen betroffenen Branchen (Handel, Beherbergung und Gastronomie, Erziehung und Unterricht, Gesundheit und Soziales) um sogenannte „Frauen-Branchen“ handelt. Diese zeichnen sich durch niedrige Löhne, prekäre Beschäftigungsverhältnisse (wie Teilzeitarbeit) und schlechte Arbeitsbedingungen aus. Dasselbe gilt auch im Gesundheitsbereich und in „systemrelevanten“ Berufen, in denen mehrheitlich Frauen arbeiten. Diese baden das Versagen der Regierung in der Pandemiebekämpfung aus und bekommen nichts dafür.
Für Frauen, die noch einen Job haben, steigt der Druck enorm: Die Arbeit im Haushalt, die Kinderbetreuung und die Pflege Alter und Kranker ist weiterhin mehrheitlich Sache von Frauen. Im Zuge der Schulschließungen führte die (mangelnde) Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu extremer Belastung bei Arbeiterinnen. Im Home-Office sollen Frauen mit oft mangelhafter technischer Ausstattung ihrer Lohnarbeit nachgehen, gleichzeitig die Kinder betreuen und unterrichten und den Haushalt schmeißen. In einer Umfrage der WU Wien gaben ganze 38% der Frauen an, dass sie während der Arbeit im selben Raum Kinder beaufsichtigten. Bei den Männern waren es 19%. 36% der Frauen in Paarhaushalten mit Kindern hatten keinen abgegrenzten Raum zur Verfügung, bei den Männern waren es 25%. Die vielgepriesene „höhere Effizienz“ im Home Office bedeutet in Wirklichkeit Arbeitsverdichtung und Mehrarbeit. Der neoliberale Think Tank Agenda Austria fordert schon jetzt, den viel zu geringen arbeitsrechtlichen Schutz im Home Office unter dem Stichwort „Flexibilisierung“ weiter aufzuweichen. So ist etwa die 11-stündige Ruhezeit zwischen zwei Tagesarbeitszeiten den Bossen ein Dorn im Auge.
Es zeigt sich, dass die Verschlechterungen im Zuge der Pandemie gekommen sind, um zu bleiben: Im Bundesbudget 2021 wurde das Budget für Kindergartenzuschüsse des Bundes eingefroren. Der genannte Grund: „Es wird vermutet, dass aufgrund der geringen Erwerbsbeteiligung von Eltern die Nachfrage nach Kleinkindbetreuung sinkt, weshalb der Zielzustand für 2021 und 2022 nach unten zu revidieren waren.“ Hier ist schwarz auf weiß ersichtlich, dass Frauen aus dem Erwerbsleben und Reproduktionsarbeiten ins Private gedrängt werden. Die Demontage des Sozialstaats geht dabei Hand in Hand mit den Bedürfnissen der Wirtschaft. Dass die türkis-grüne Regierung den höchsten Frauenanteil in der Geschichte aufweist, hindert sie keineswegs daran ihr Regierungsprogramm aus Angriffen auf alle Lohnabhängigen, insbesondere aber auf Arbeiterinnen, konsequent umzusetzen.
Die marxistische Analyse der Rolle von arbeitenden Frauen im Kapitalismus als industrielle Reservearmee hat sich einmal mehr bewahrheitet. In Zeiten der Konjunktur werden die Frauen der Arbeiterklasse zu schlechten Bedingungen und niedrigen Löhnen in den Arbeitsmarkt geholt, nicht zuletzt um die Löhne der Männer zu drücken. In der Krise sähe sie das Kapital am Liebsten wieder auf die Rolle als Hausfrau und Mutter reduziert. Weiters zeigt sich, dass jede Verbesserung, die die grundlegende Funktionsweise unseres Wirtschaftssystems unangetastet lässt, laufend Angriffen ausgesetzt ist.
Aber wer glaubt, die Zeit ohne weiters auf 1950 zurückdrehen zu können, der hat die Rechnung ohne die arbeitenden Frauen gemacht. Im Gegensatz zu damals verfügen 2017 33,3% der Frauen (im Vergleich zu 27,3% der Männer) über den Abschluss einer mittleren oder höheren Schule. Ebenfalls 2017/18 haben 51,1% der jungen Frauen die Matura erfolgreich abgelegt. Bei den Männern waren es hingegen nur 36,2%. Weltweit stehen Frauen an vorderster Front aller sozialen und politischen Kämpfe – man denke an die Großdemonstrationen gegen das Abtreibungsverbot in Polen. Das gilt auch für Österreich: Im letzten Jahr zeigten sich gerade typische Frauenberufe, namentlich der Sozial- und der Gesundheitsbereich, mit Streiks und Demonstrationen als der kämpferischste Teil der Arbeiterinnenklasse. All das beweist, dass Frauen hier nicht nur passive Opfer sind und eine friedliche Selbstbeschränkung auf Heim und Herd als der vermeintlich „natürliche“ Platz der Frau vollkommen ausgeschlossen ist. Frauen sind heute essentieller Teil einer gut gebildeten und starken Arbeiterklasse und sie erkennen mehr und mehr, dass es notwendig ist dieses System der Ausbeutung und Unterdrückung zu bekämpfen.
(Funke Nr. 189/10.12.2020)