Das Kabinett Kurz II ist eine Regierung des Angriffs auf die Arbeiterklasse in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen. Auch im Bereich der Pflegearbeit, die überwiegend von Frauen verrichtet wird, zeigt sich dies deutlich. Wir haben uns das Regierungsprogramm diesbezüglich genauer angesehen.
- Die vollständige Analyse der Regierung und ihres Programmes findet ihr hier
Die zentrale Rolle der Arbeit der Frau in der Kindererziehung, Pflege und im Haushalt wird im Regierungsprogramm anerkannt. Hier werden nun Maßnahmen gesetzt, die finanziell Zulasten der männlichen Partner gehen – eine öffentliche Infrastruktur, um solche Arbeiten zu vergesellschaften, findet hingegen keine Erwähnung. Im Regierungsprogramm zeigt sich das liberale Gesicht des Feminismus.
Beispielsweise kommt ein automatisches Pensionssplitting für die Kindererziehung. Dies heißt, dass für eine Periode von zehn Jahren die erworbenen Pensionsansprüche von Mutter und Vater geteilt werden. So erhöht sich der Pensionsanspruch der Mutter auf Kosten jenes des Vaters. Diese Form der „Gerechtigkeit“ zieht sich durch. Etwa soll der abschlagsfreie Pensionsantritt nach 45 Beitragsjahren („Hacklerregelung“) abgeschafft werden, was Werner Kogler damit argumentiert, dass dieser hauptsächlich Männern zu Gute komme.
Die finanzielle Umverteilung findet also nicht zwischen Arbeit und Kapital statt, sondern zwischen Mann und Frau innerhalb der Arbeiterklasse.
Gleichzeitig soll Profit für den Finanzsektor rausschauen. Für Pensionen und Pflege sollen mittels der Bewerbung von Privatversicherungen (dafür gibt es eine Vielzahl von konkreten Maßnahmen) individuell finanziell vorgesorgt werden. Eine Ausweitung der solidarisch finanzierten Absicherung ist nicht vorgesehen.
Die Pflegearbeit an sich wird, deutlicher als in der türkis-blauen Regierungsgrundlage, als familiäre Aufgabe begriffen. Im Regierungsprogramm Schwarz-Blau stand noch: „Die Pflege zu Hause und in den entsprechenden stationären Einrichtungen ist mittel- und langfristig abzusichern.“
Jetzt heißt es: „Stärkung der Pflege zu Hause durch Angehörige – Reform der 24-Stunden-Betreuung, um den Bereich Pflegeheime zu entlasten“.
Dafür werden kleine Zuckerl geboten, die die Rolle der Frau der Arbeiterklasse am Pflegebett jedoch nur zementieren („Pflege-Daheim-Bonus“) und ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben verbauen.
Die Offensive für mehr PflegerInnen dient in erster Linie der Rationalisierung, Ökonomisierung und Verdichtung der Arbeit. Jugendliche und pflegende Angehörige sollen über Kurzausbildungen (Pflegelehre, Pflege-Mittelschule) und Kurse ins System geschleust werden. Hier wird billiges Kanonenfutter für den Pflegebereich, das nach einigen Jahren verbraucht und wieder ausgespukt wird, produziert. Der Druck auf Arbeitsbedingungen und Löhne im Sektor wird durch die Minderqualifizierung der Pflege als Beruf eine neue Dynamik erfahren.
Zusammenfassend: die gesellschaftlichen Herausforderungen einer alternden Gesellschaft sollen also individuell durch familiäre Gratisarbeit und aus privaten Ersparnissen am Finanzmarkt (Zusatzversicherungen) gemeistert werden. Gleichzeitig sollen die Arbeitsbedingungen für (Großteils weibliche) Heim-PflegerInnen gedrückt werden.
Die hier skizzierten Politikansätze der Entsolidarisierung und Individualisierung von Risiko (Familienhintergrund, Geschlecht, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Geburtsort, …) ziehen sich stringent durch das Regierungsprogramm.
Im Bildungsbereich soll etwa in der dritten Klasse Volksschule eine „Kompetenzüberprüfung“ stattfinden, die gemeinsam mit dem Zeugnis der vierten Klasse Volksschule den weiteren Bildungsweg des Kindes vorzeichnet.
Oder etwa die Erhöhung des Druckes auf Arbeitslose: „Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurückkehren können.“
(Funke Nr. 180/22.1.2020)