Im Zuge der Wiener Landeskonferenz der Gewerkschaft younion vom 9.-10. Oktober hat die Wiener Stadtregierung durch Bürgermeister Michael Ludwig und Stadtrat Jürgen Czernohorszky verkündet, dass die individuelle Optierungsmöglichkeit in das neue Lohnschema für die Beschäftigten der städtischen Spitäler nun ermöglicht wird.
Martin Gutlederer, wie es zu diesem Erfolg für die Bediensteten und das öffentliche Gesundheitssystem im Allgemeinen kommen konnte.
Am Anfang dieses Jahres verneinten sowohl die Generaldirektion des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) als auch die Wiener Stadtregierung, dass eine Optierungsmöglichkeit in das für die Beschäftigten finanziell bessere neue Schema möglich sei. Auch der Vorsitzende unserer Gewerkschaft, Kollege Christian Meidlinger, erklärte vor der laufenden Kamera, dass eine Optierung nicht zwangsläufig der Plan A sei. In den vergangenen Stunden beeilen sich nun alle Beteiligten zu verkünden, dass es immer schon so geplant war, und streichen ihre besondere Rolle in diesem Erfolg heraus. Bekanntlich hat der Erfolg gewohnheitsmäßig viele Väter.
Doch eines ist gewiss: ohne den zehnmonatigen, selbstbestimmten und selbstbewussten Kampf der Pflegepersonen und solidarischer Berufsgruppen wie beispielsweise vieler OP-AssistentInnen, ÄrztInnen und den klinischen PsychologInnen wäre die Optierung nicht gekommen. Immerhin – es geht um viel Geld, das die Gemeinde Wien jetzt bald in die Hand nehmen muss, und das Geld sitzt der öffentlichen Hand nicht locker im Säckel, wenn es um Ausgabenerhöhungen im Sozial- und Gesundheitsbereich geht.
Die richtigen Schlüsse ziehen
Da kann noch so unter zusammengebissenen Zähnen verkündet werden, dass der Druck der solidarischen Kollegenschaft auf den Demos und Kundgebungen unnötig oder gar falsch gewesen sei. Jede und Jeder, der sich mit Interessensdurchsetzung und Gewerkschaftsarbeit auskennt, weiß, dass das Gegenteil der Fall ist: nur wer sich wehrt, kann was erreichen.
Diese offensichtliche Lehre aus den vergangen elf Monaten zieht die Führung der younion aber nicht. Kollege Meidlinger „freut sich“ und feiert „einen tollen sozialpartnerschaftlichen Erfolg“.
Diese Interpretation ist bedauerlich, weil er damit die Realität auf den Kopf stellt: zwei Großdemonstrationen (mit über tausend Beschäftigten innerhalb weniger als 6 Monaten), ein gutes Dutzend Protestaktionen, zwei Blocks von KrankenpflegerInnen am Rathausplatz am 1. Mai (einer, der die Politik der Gewerkschaftsführung unterstütze, ein größerer, der sich lautstark für die Optierung aussprach), ein Ringen an den Spitälern zur Durchsetzung von Dienststellenversammlungen … Kollege Meidlinger, dies ist nicht das was man langläufig unter Sozialpartnerschaft versteht, sondern eine kämpferische Gewerkschaftspolitik, die sich mit offenem Visier für die sozialen Anliegen ins Zeug wirft.
Organisiert wurde dies selbstständig und selbstkontrolliert von AktivistInnenkomittees an den Häusern. Und mehr als einmal stießen wir damit nicht nur auf Unverständnis, sondern sogar offene Ablehnung durch Gewerkschaftsführung und die Mehrheit in der Personalvertretung.
Diese ablehnende Haltung hat uns nicht daran gehindert, immer den Schulterschluss in der Gewerkschaft und der Personalvertretung zu suchen. Daher haben wir Angebote frustrierter KollegInnen, Austritte aus der Gewerkschaft zu organisieren, abgelehnt, ebenso wie politische Annäherungsversuche der neoliberalen NEOS, die uns für ihre politische Agenda der Privatisierung und anti-rot Politik instrumentalisieren wollten. Und wir haben uns aktiv an den Personalvertretungswahlen beteiligt.
Wenn wir auch eine klar ablehnende Haltung zur Sozialpartnerschaft haben: diese Meinungsverschiedenheit mit der Mehrheit in der Personalvertretung verstellt uns nicht den Blick davor, auf welcher Seite der Auseinandersetzung wir stehen: auf jener der Beschäftigten und damit auf Seiten der Personalvertretung und der Gewerkschaft, die diese Interessen zu vertreten haben.
Auf die Kraft der KollegInnen setzen!
Wir sind noch längst nicht am Ziel. Es gibt noch viel zu tun: wir brauchen dringend mehr Personal und besseres Arbeitsmaterial. Die Frage der Altersteilzeit ist auch nicht gelöst und nicht mal die Details in der Frage der Optierung. Deshalb gilt es, weiter die Interessensvertretung zu stärken.
Es gibt in der Arbeiterbewegung ein recht bekanntes Lied über die Frauen des Aufstandes der Pariser Kommune, die gegen den Krieg und die autoritäre Herrschaft ihrer Regierung gekämpft haben. Einige dieser Zeilen ließen sich auch um die Optierung neu schöpfen.
Die bisher schönsten Frauen?
die Frauen der Commune!
die bisher schönsten Frauen?
die Frauen der Commune!Die Frau gehöre unters Dach,
das Kämpfen, das ist Männersach‘,
das war die alte Weisheit.
Doch hält die Frau nicht länger still,
sie hat erkannt: wer frei sein will,
muss kämpfen um die Freiheit!
Nicht einige kluge Köpfe haben hier in den vergangenen Monaten gekämpft und taktiert, sondern es ist der Erfolg des kollektiven Widerstandes gegen eine nicht einzusehende Ungerechtigkeit.
Dieser Kampf hat gezeigt welche Kraft in dieser Berufsgruppe steckt und es war wundervoll, diesen Kampf um die Optierung solidarisch mit allen AktivistInnen zu führen.
PersonalverterInnen und die Führung der younion beklagen sich demgegenüber nicht selten über die Apathie der KollegInnen. Nun, lasst uns ein aktives Angebot an die AktivistInnen stellen: Tretet der Gewerkschaft bei, stärkt jene, die eingesehen haben, dass wir nicht durch Sozialpartnerschaft, sondern durch den aktiven selbstbestimmten Kampf unsere Situation verbessern können!
Die Optierung ist ein wichtiger Teilerfolg, doch dabei darf es nicht bleiben. Die erste Reaktion von vielen KollegInnen ist: „Machen wir weiter!“. Dem stimmen wir zu, es gibt noch viel anzupacken.
Die younion setzt eine Ausbildungsoffensive und eine neue PPR-Wien (Pflegepersonalregelung) auf die Tagesordnung. Die Frage der permanenten Überlastung ist eine zentrale Frage, die allen Beschäftigten unter den Nägeln brennt, vor allem jenen, die diese Knochenarbeit seit Jahren leisten. Darum gilt es weiterzukämpfen. Daher gilt es weiter aktiv zu bleiben, auch und vor allem an der Basis. Das Instrument der Aktivistenkomitees und der Mobilisierung von und durch die Basis hat sich bewährt, wir wollen daher daran festhalten.
Die Kampagne der Gewerkschaft vida (im privaten Spitalsbereich) als auch der younion, die Personalschlüssel festzulegen, gilt es dabei aktiv zu unterstützen und zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung des gesamten Sektors zusammenzuführen. (Artikel zur Frage des Personalschlüssels hier). Hier braucht es einen Schulterschluss aller die Gesundheitsberufe vertretenden Teilgewerkschaften, und schlussendlich eine Gewerkschaft mit Streikfähigkeit. Diese Perspektive werden wir in den kommenden Monaten weiter zum Thema machen.
Dieser Kampf hat gezeigt was wir erreichen können wenn sich die Beschäftigten der Gesundheitsberufe erheben. Wir wissen aber auch, dass wir am Anfang stehen. Bleiben wir offensiv und stellen wir nun die allgemeinen Interessen der Beschäftigten des Gesundheitssektors in den Mittelpunkt: bessere Personalschlüssel, Altersteilzeit und qualitätsvolles Arbeitsmaterial und qualitätsvolle Arbeitskleidung.