Die Trends in Österreichs Krankenhäuser skizzieren eine herausfordernde Situation: Die Bevölkerung altert, Multimorbidität nimmt zu, gleichzeitig soll die Behandlung rascher erfolgen, um die Effizienz zu erhöhen.
Die Aufgaben der Pflege werden regelmäßig ausgeweitet. Prinzipiell ist es begrüßenswert, wenn die Rolle der Pflegerinnen und Pfleger aufgewertet wird und dieser Berufsgruppe mehr zugetraut wird. Allerdings braucht es auch das nötige Personal, um diese Aufgaben zu erledigen.
Doch die gesetzliche Grundlage für diese äußerst wichtige Voraussetzung ist denkbar dünn. Paragraph 8d im Kranken- und Kuranstaltengesetz (KaKuG) besagt, dass die Länder die Krankenhausträger dazu verpflichten müssen, „geeignete“ Personalbedarfsplanung durchzuführen. Die ist der Landesregierung zur Prüfung vorzulegen, aber wir wissen, was das bedeutet: Die Landesregierungen schauen vor allem darauf, dass die Kosten in den Krankenhäusern gering bleiben und können gar nicht bewerten, wie die Situation auf den einzelnen Stationen konkret aussieht.
In der Praxis kommt eine Vielzahl verschiedener Personalplanungsprogramme zum Einsatz. Prinzipiell berechnen diese, wie viele Pflegeminuten für die einzelnen Patienten und Patientinnen auf einer Station vorzusehen sind. Der Teufel steckt hier aber im Detail. Viele Systeme, wie die AK Oberösterreich in ihrer Studie erhoben hat, sind veraltert und berücksichtigen nicht den zusätzlichen Aufwand durch die Übernahme zusätzlicher Tätigkeiten von der Ärzteschaft.
Außerdem heißt selbst eine realistische Personalplanung noch nicht, dass die Arbeit bewältigbar ist. Es kommt nämlich darauf an, dass auch genug Menschen in einer Station arbeiten, um Fehlzeiten wie Urlaube, Fortbildungen, Krankenstände, Karenzierungen, Teilzeit, Pflegeurlaub und notwendige Überstunden kompensieren zu können. Wenn nicht genug Planstellen vorgesehen werden, oder diese nicht rasch genug nachbesetzt werden (verzögerte Nachbesetzungen sind eine bequeme Möglichkeit, immer wieder mal die Personaldecke auszudünnen), heißt das, dass entweder Überstunden anfallen oder sich die einzelnen Pfleger und Pflegerinnen mit der Situation konfrontiert sehen, alleine die Arbeit machen zu müssen, für die normalerweise zwei benötigt werden. Dieser Arbeitsdruck verhindert, dass sorgfältige und qualitative Arbeit gemacht werden kann und gefährdet das Wohl der Patienten und Patientinnen.
Anlässlich des Tags der Pflege am 5.9. haben die Gewerkschaft Vida, die das Personal in den oberösterreichischen Ordensspitälern vertritt, und die Arbeiterkammer Oberösterreich eine Kampagne gestartet, um auf die prekären Bedingungen in den Ordensspitälern hinzuweisen. Sie fordern eine transparente, verbindliche Personalplanung, Aufstockung des Personals in den Krankenanstalten um 20% und ein Bekenntnis zur ausreichenden öffentlichen Finanzierung der Krankenhäuser. Dieser Forderung schließen wir uns vollinhaltlich an!
Wir ergänzen: Diese Problematik betrifft nicht nur die oberösterreichischen Ordensspitäler, sondern ist in allen österreichischen Krankenhäusern virulent. Leider ist es aber so, dass die Interessenvertretung der Krankenhausbeschäftigten äußerst fragmentiert ist. Die Gewerkschaften vida, younion und GÖD, Arbeiter- und Ärztekammer, zahlreiche Betriebsräte und Personalvertretungen zeichnen für die Vertretung der Beschäftigten in Spitälern verantwortlich. Zudem ergibt sich gerade bei öffentlichen Spitälern das Problem, dass die Interessensvertretung der Beschäftigten gleichzeitig die Interessen der Arbeitgeber, also der zuständigen Landesregierung vertreten. Welche Position nimmt beispielsweise Christian Meidlinger, Gemeinderat, FG-Vorsitzender in Wien und younion-Vorsitzender ein, wenn die Gewerkschaft mit der Stadtregierung verhandelt? Spricht er da mit sich selbst?
Betrachtet man die saloppen Gesetzesvorgaben zur Personalplanung und die feste politische Entscheidung zu Einsparungen im Krankenhausbereich, die durch den Stabilitätspakt und die Ausgabenobergrenze zum Einsparen in den Krankenhäusern (selbst)verpflichtet, ist nur logisch, dass in so einer Situation die Personaldecke so weit ausgedünnt wird, wie es geht. Kommt kein oder nur geringer Widerstand der Beschäftigten, ist die Operation geglückt. Steigt die Unzufriedenheit in der Belegschaft, dann wird das Problem möglichst auf diejenigen abgewälzt, die die Situation ausbaden müssen. So hat beispielsweise Gesundheitsstadtrat Hacker den realitätsfremden Tipp gegeben, die Überfüllung der Spitalsambulanzen sollten die Beschäftigten durch ein besseres Terminmanagement lösen. Wenn aber seit 2002 die Bevölkerung Wiens um 25% gestiegen ist, das Personal des KAV aber gleichzeitig nur von 28.500 auf 30.000 stieg (der Anteil der Krankenpflege ist dabei rückläufig – bei Ausweitung des Aufgabenprofils!), ist es nicht die Schuld der Pflegerinnen und Pfleger, dass sich die Arbeit nicht mehr ausgeht.
Aus der schwammigen Gesetzeslage und dem Unwillen der Entscheidungsträger, den Problemen angemessene Lösungsstrategien vorzulegen, können wir nur den Schluss ziehen, dass in den österreichischen Spitälern genau die kostengünstigste Personalausstattung vorzufinden sein wird, die die Beschäftigten gerade noch hinnehmen und bei der das System gerade noch nicht kollabiert. Es liegt an uns, diese Zustände nicht mehr hinzunehmen. Geben wir uns mit nichts weniger zufrieden als mit einem Gesundheitssystem, das den Ansprüchen der Gegenwart gerecht wird. Setzen wir es gegen die Sparwut der Regierungen und die Partikularinteressen in den Interessensvertretungen durch. Dafür lohnt es sich zu kämpfen – wir sind es den Patienten und Patientinnen schuldig!
(Funke Nr. 177/1.10.2019) *einige Zahlen wurden im Vergleich zur Printversion aktualisiert.