Zum 125-Jahr-Jubiläum der Gründung des ersten Vereins der sozialdemokratischen Jugendbewegung wird mit Julia Herr höchstwahrscheinlich die Verbandsvorsitzende der SJÖ in den Nationalrat einziehen.
Ein klares Verständnis von der Geschichte ihrer Organisation wird jungen SozialistInnen helfen, dieses neue Kapitel, das nicht nur für die Vorsitzende, sondern für die gesamte SJ eine große Herausforderung darstellt, zu meistern. Von der Funke-Redaktion.
Wer sich die Geschichte der sozialistischen Jugendbewegung anschaut, wird sehen, dass sie an allen Wendepunkten der Geschichte des Klassenkampfs in diesem Land eine zentrale Rolle einnahm. Dabei haben wir es mit einer alles andere als geradlinigen Organisationsentwicklung zu tun. Neben objektiven historischen Faktoren bestimmte stets auch das Kräfteverhältnis zwischen reformistischen und revolutionären Strömungen innerhalb der SJ die Fähigkeit der Organisation, eine gesamtgesellschaftliche Rolle zu spielen.
Gründungszeit
Die Gründung der Jugendbewegung selbst war das Produkt eines Aufschwungs des Klassenkampfes. Es war im Jahre 1893 als sich erstmals Lehrlinge zusammenschlossen. Sie waren angesteckt vom Enthusiasmus, den die marxistisch geprägte Sozialdemokratie zu Beginn der 1890er Jahre in immer größeren Teilen der Arbeiterschaft auslöste. Die erfolgreichen 1. Mai-Mobilisierungen für den 8-Stunden-Tag, die Vielzahl von ökonomischen Streiks um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen und die ersten Wahlrechtsdemonstrationen entzündeten auch in der Arbeiterjugend ein Feuer. Es begann ein Prozess der Selbstorganisation von Lehrlingen und jungen Arbeitern (zu dem Zeitpunkt nur Burschen), der auf den erbitterten Widerstand der Unternehmer und der staatlichen Behörden stieß. Mit politisch motivierten Entlassungen und „schwarzen Listen“ versuchten die Bürgerlichen die Jugendlichen zu unterdrücken. Doch auch in den Reihen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften überwog lange Zeit die Skepsis gegenüber diesen Organisationsversuchen. Es ist der Unterstützung der offen marxistischen Teile in der Partei zu verdanken, dass sich die Jugendvereine ihren Platz als anerkannter Teil der Gesamtbewegung überhaupt erarbeiten konnten.
Von Anfang an gab es in der Jugendbewegung zwei unterschiedliche Ansätze: Während sich ein Teil darauf beschränkte, sich in der Freizeit gemeinsam weiterzubilden und die Gemeinschaft zu pflegen, wollten andere der Arbeiterjugend den Charakter einer politischen Kampforganisation geben.
Vor dem Ersten Weltkrieg bildete sich im „Verein Jugendlicher Arbeiter“ nicht zuletzt unter dem Eindruck großer Ereignisse (Russische Revolution 1905, Wahlrechtsbewegung 1905/6) ein marxistisches Selbstverständnis in der Organisation heraus. Die Tatsache, dass in der Sozialistischen Jugendinternationale ab dem Kongress von Stuttgart 1907 die revolutionären MarxistInnen (wie Karl Liebknecht…) den Ton angaben, festigte diese Entwicklung. Der Parteisekretär und Wiener Gemeinderat Leopold Winarsky, ein enger Freund von Liebknecht, nutzte seine politische Autorität im VJA, um vor allem rund um die antimilitaristische Arbeit einen marxistischen Kurs durchzusetzen. Die revolutionären Marxisten prägten auch insofern die Organisation, als sie durchsetzen konnten, dass gegen den Widerstand der Partei- und Gewerkschaftsbürokratie auch Mädchen im VJA organisiert wurden.
Apparat
Dieser Linksentwicklung stand jedoch eine andere Dynamik entgegen. Die Parteiführung begann bald einmal die Jugendbewegung einzubinden und in ihren Dienst zu stellen. Waren die Jugendvereine anfangs rein selbstfinanziert durch Mitgliedsbeiträge, Spenden oder einen eigenen Kampffonds (zum Beispiel zur Herausgabe einer eigenen Zeitung, der „Jugendliche Arbeiter“), so floss nun auch seitens der Partei Geld zum Aufbau eines Verbandsbüros und eines Teams von jungen „Agitatoren“. Über diesen Apparat an Hauptamtlichen setzte sich bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs immer mehr eine Linie durch, die die Jugendorganisation in erster Linie als Rekrutierungsfeld für die Partei („Rekruten- und Kadettenschule“) betrachtete und politisch weitgehend die Parteilinie umsetzte.
Gegen den Strom
Spätestens bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914, als auch die österreichische Sozialdemokratie den Burgfrieden ausrief, führte dies zur Aufgabe einer internationalistischen und antimilitaristischen Position. Robert Danneberg, der auch das Büro der Jugendinternationale in Wien leitete, kapitulierte unter dem Druck der Parteiführung und klebte auf seine Bürotür einen Zettel mit den Worten „Das Büro bleibt wegen des Krieges vorübergehend geschlossen“. In der Verbandszeitung wurde offen patriotische Propaganda betrieben.
Vor dem Krieg gab es in der österreichischen Sozialdemokratie (einschließlich der Jugend) keine so tiefreichende theoretische Debatte wie in der SPD.
Politische Klärungsprozesse, die durch die objektive Entwicklung notwendig gewesen wären, waren dadurch nicht möglich. In Österreich gab es keine GenossInnen vom Format einer Rosa Luxemburg und keine organisierte marxistische Strömung wie die Bolschewiki in der russischen Sozialdemokratie, die Orientierung geben hätten können. So waren die jungen SozialistInnen, die Widerstand gegen den Krieg leisten wollten, auf sich allein gestellt.
Die Gesamtorganisation erlitt unter diesen Bedingungen einen schweren Rückschlag, der sich auch in sinkenden Mitglieds- und Ortsgruppenzahlen manifestierte. Aber es war das historische Verdienst einer kleinen Handvoll, die es wagte unter großen Gefahren gegen den Strom zu schwimmen und gegen den Krieg Stellung zu beziehen. Um diesen Kampf führen zu können, knüpften sie Kontakt zu Lenin und zu linken Oppositionellen in Deutschland. Unter dem Namen „Linksradikale“ sollte diese Gruppe im VJA, die rund 100 GenossInnen repräsentierte und in mehreren Ortsgruppen organisiert und dort für die Bildungsarbeit zuständig war, ab 1917 großen Einfluss auf die Hungerproteste und Streiks gegen den Krieg erlangen. Während sich die Verbandsführung mit abstrakter Antikriegspropaganda begnügte, organisierten sie mit ihren bescheidenen Kräften die fortschrittlichsten Kräfte der Arbeiterschaft in wichtigen Industriebetrieben.
Die Antwort waren bürokratische Manöver bis hin zu Ausschlüssen aus der Organisation. Als der Jännerstreik 1918, in dem die Linksradikalen eine wichtige Rolle spielten, von der Parteiführung abgedreht worden war, wurden sie reihenweise verhaftet oder an die Front geschickt.
Reform oder Revolution
Die Revolution im Herbst 1918 gab der sozialistischen Jugendbewegung einen neuen Auftrieb. In den folgenden Monaten traten Tausende Jugendliche bei. Es war dies eine Generation, die sich selbst als Kinder der Russischen Revolution verstanden und die auch in Österreich den Sozialismus erkämpfen wollten. Was in Petrograd und Moskau Realität geworden war, sollte auch in Wien möglich sein. Die revolutionäre Begeisterung machte die Arbeiterjugendbewegung zu einer Massenbewegung. Waren 1919 mehr als 9000 Jugendliche organisiert, waren es 1923 am Höhepunkt dieser Entwicklung 38.000 (!). Tausende waren als FunktionärInnen de facto rund um die Uhr in der neuen Organisation, die sich nun Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) nannte, aktiv. Die Bezeichnung „Sozialdemokratisch“, die von der austromarxistischen Führung vorgeschlagen wurde, wurde von der Mehrheit abgelehnt, weil es unter den Bedingungen der revolutionären Ereignisse als zu gemäßigt erschien.
Während dieser ersten Jahre der Republik sollte die SAJ nicht zur Ruhe kommen. In unzähligen Kämpfen strebten die Jugendlichen nach sozialen Reformen und demokratischen Veränderungen. In Lehrlingsstreiks und Schülerräten machten sie Druck, immer mit dem Ziel einer radikalen sozialistischen Umwälzung vor Augen. Diese Klassenkämpfe waren Wasser auf die Mühlen der revolutionären Teile in der SAJ, die sogar den Anschluss an die Kommunistische Jugendinternationale (KJI) forderten und dafür teilweise sogar Mehrheiten hatten.
Es war ein regelrechter Eiertanz der Verbandsführung erforderlich, um diese Kräfte im Zaum zu halten. In dieser Phase waren die zentralen Funktionäre der Jugendorganisation sehr eng in den Parteiapparat eingebunden. Dazu kam, dass in der Gesamtpartei die linken Austromarxisten das Ruder in der Hand hielten und über große politische Autorität verfügten. Otto Bauer und Max Adler waren für Tausende JungsozialistInnen politische Vaterfiguren. Dieser Einfluss wurde geltend gemacht, um die SAJ im Rahmen des Austromarxismus zu halten. Der damalige Verbandsvorsitzende Karl Heinz war ständig gezwungen Zugeständnisse an die Linke zu machen. Seinem Auftreten in diesen Debatten verdankte er seinen Spitznamen Karl „Einerseits und Andererseits“ Heinz.
Wie schon im Ersten Weltkrieg setzte die Parteiführung aber auch auf offen bürokratisches Vorgehen, das darauf abzielte, die Linke in der Jugendorganisation zu schwächen. So wurde Mitte der 1920er eine eigene Lehrlingskommission in den Gewerkschaften gegründet, um die Linke mit ihrer starken proletarischen Basis gezielt zu schwächen. Aus einer politischen Kampforganisation wurde so ab 1925 immer mehr ein „Geselligkeitsverein“, der bei der Organisierung von Jugendlichen auf Lagerfeuerromantik, Wanderausflügen und Erziehungsarbeit setzte. Blauhemd, rote Fahnen, sozialistisches Liedgut, eine eigene Festkultur sollten die Jugendlichen emotional an die Arbeiterbewegung binden, in der sie später kämpfen sollten. Riesige Massenspektakel und für die damalige Zeit modernste Propagandamethoden prägten die Arbeit der SAJ zur Zeit des aufkommenden Faschismus.
Die faszinierenden Bilder aus dieser Zeit dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die austromarxistische Führung der SAJ damals entlang der Linie von Otto Bauer völlig dabei versagte, den antifaschistischen Kampf mit den notwendigen Mitteln zu führen. In dieser Frage kam es dann zu Beginn der 1930er Jahre und spätestens ab 1933 und der Ausschaltung des Parlaments auch innerhalb des austromarxistischen Lagers zu einer deutlichen Differenzierung.
Im Februar 1934 kapitulierten die reformistischen Teile der Jugendorganisation, während die radikaleren in den Untergrund gingen und dort den Widerstand weiterführten. Karl Czernetz, die Kunkes, Tschürtz und andere begannen in der Revolutionär Sozialistischen Jugend (RSJ), der Nachfolgerin der SAJ, den Austromarxismus kritisch zu hinterfragen und die wahren Ideen von Marx und Engels zu verteidigen. Dabei wandten sie sich verstärkt auch Konzepten zu, die eindeutig von Lenin und Trotzki inspiriert waren.
Der Kalte Krieg in der SPÖ
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die neu gegründete Sozialistische Jugend (SJ) rasch wieder zur Massenorganisation. Doch anders als nach dem Ersten Weltkrieg herrschte keine revolutionäre Situation in Österreich. Während des Krieges schwenkten viele linke SozialistInnen in der Emigration auf reformistische Ideen der Klassenzusammenarbeit ein. Dazu kam der direkte Einfluss der westlichen Besatzungsmächte auf die Sozialdemokratie. Zur Erzwingung einer Großen Koalition mit der ÖVP wurde die Parteilinke, zu der auch die SJ zählte, richtiggehend in die Mangel genommen.
Der massive Druck zeigte Wirkung. Die Spitze der SJÖ wagte es nicht, ein von der Parteispitze eigenes Profil zu entwickeln. Die Linken in der SJ um den ehemaligen Trotzkisten Josef Hindels weigerten sich einen organisierten linken Flügel aufzubauen, weil sie Angst hatten, aus der Partei zu fliegen. Diese ängstliche, zögerliche Haltung rächte sich im Sieg des rechtsreformistischen Flügels in der Sozialdemokratie. Der „Kalte Krieg in der SPÖ“ endete mit einer Niederlage der Linken, was auch für die SJÖ Folgen hatte. Die Organisation wurde entpolitisiert und führte zwei Jahrzehnte lang ein Schattendasein.
Erst mit den Ausläufern der 68er-Bewegung wurde die SJ wieder nach links gerückt. Die Ideen des Austromarxismus wurden wiederentdeckt. Links davon entwickelte sich die „Stamokap“-Strömung, die sich politisch an der DDR, der Sowjetunion und Kuba orientierte. Der neuerliche Zustrom vieler Jugendlicher, die von den weltweiten revolutionären Bewegungen der damaligen Zeit radikalisiert wurden, machte die SJ wieder zu einem politischen Faktor. Vor allem in der Friedensbewegung der frühen 1980er Jahre gelingt es der SJ eine führende Rolle einzunehmen. Auch in der Sozialdemokratie tritt sie als kritische Kraft auf. Der damalige Verbandsvorsitzende Josef Cap wird dadurch für Zehntausende zum linken Hoffnungsträger, was ihm 1983 dank eines fulminanten Vorzugsstimmenwahlkampfs auch den Einzug in den Nationalrat ermöglicht.
Josef Cap liefert aber auch ein ungustiöses Beispiel für den Ausverkauf linker Ideale. Einmal im Nationalrat stand ihm der Klubzwang höher als das Programm der SJ. Cap wurde in den Folgejahren zu einem braven Ja-Sager, der die Parteilinie abnickte und dafür mit einer großen Karriere belohnt wurde. Sein Nachfolger als SJ-Vorsitzender, Alfred Gusenbauer, der das linke Erbe als Masseverwalter bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion weiterführte, der spätere Innenminister Schlögl und Faymann sind weitere SJler aus dieser Generation, die in der SPÖ in höchste Funktionen aufstiegen.
Die SJ hat in dieser Zeit ihrer Selbstzuschreibung als „Kadettenschule“ der Sozialdemokratie gute Dienste geleistet, aber die „Hinter mir die Sintflut“-Logik dieser Funktionäre hat der SJ schwer geschadet. Der Fall der Berliner Mauer hat dann die völlige politische Krise ausgelöst, die fast zur Selbstauflösung der Organisation geführt hätte. Reihenweise gaben die ehemaligen AustromarxistInnen und „Stamokaps“ ihre einstigen Ideen auf, zogen sich ins Privatleben zurück oder machten im SPÖ-nahen Umfeld Karriere.
Marx oder Management
Anfang der 1990er Jahre befindet sich die SJ in einer Todeskrise. Die „Modernisten“ führen die Organisation in die völlige Entpolitisierung. Es bleibt nur eine Handvoll von GenossInnen über, die an einer marxistischen Perspektive festhalten und die Grundideen und die besten Traditionen der sozialistischen Jugendbewegung weiterführen wollen. Die Funke-Strömung hat in diesen Jahren das besondere Verdienst, gegen alle Widerstände und bürokratischen Manöver die Fahne des Marxismus hochzuhalten, Bildungsarbeit zu organisieren, SJ-Strukturen kampagnenfähig zu machen und Jugendliche auf der Straße zu mobilisieren.
In der Bewegung gegen Schwarz-Blau I gelingt es einem Bündnis aus AustromarxistInnen, Stamokap und Funke das Ruder in der SJ herumzureißen und eine linke Mehrheit zu schaffen. Auf der Grundlage eines marxistischen Grundsatzprogramms, das in intensiven, demokratischen Debatten erarbeitet wird, gelingt es die SJ wieder zu einer starken Organisation mit bundesweiter Präsenz zu machen.
Die Grundlage dafür wurde von der damaligen Verbandsführung so charakterisiert:
„Die marxistische Linke beansprucht heute die Hegemonie in der SJÖ; neben der zentralistischen Position, die sich am Marxismus und am Austromarxismus orientiert, existieren noch zwei weitere radikalere Strömungen: eine trotzkistische Fraktion, die um die Zeitung ‚Der Funke‘ gruppiert ist, sowie eine marxistisch-leninistische Strömung, die sich an der Stamokap-Theorie orientiert.
Diese Form des Pluralismus als zentrales Element der Einheit und vor allem eine wieder erlangte Bündnisfähigkeit nach Außen hat eine neue Bündnisfähigkeit nach Innen zur Voraussetzung.“ (aus: 110 Jahre Sozialistische Jugend, S. 45)
Die linke Einheit hielt jedoch nicht lange. Der wachsende Einfluss der Funke-Strömung vor allem in der SJ Wien brachte die Führung der Organisation immer mehr unter Druck. Vor allem im Kampf gegen die Wiederauflage der Großen Koalition ergab sich eine Dynamik, die die SJ in direkten Konflikt mit der SPÖ-Spitze brachte. Indem die von der Funke-Strömung ausgearbeitete Losung einer „SPÖ-Minderheitsregierung“ vom Verband aufgenommen wurde, wuchs der Druck der Parteispitze, die unter allen Umständen eine große Koalition sichern wollte. Damit spitzte sich die Auseinandersetzung vollends zu.
Die Folge war ein brutaler bürokratischer Angriff. In der SJ21, in der die Funke-Strömung die Mehrheit der AktivistInnen stellte, wurde ein Putsch orchestriert. Die massive Einschränkung der Rechte der politischen Strömungen, die über Jahre eine demokratische Organisationskultur garantierten, war das letzte Mittel, das die Führung sah, nachdem sie sowohl von links in den eigenen Reihen wie auch seitens der SPÖ-Bürokratie politisch in Bedrängnis kam.
Die SJ hielt formal zwar an den politischen Grundlagen der linke Wende der frühen 2000er Jahre fest und setzte weiter auf linke Kampagnenarbeit, doch gleichzeitig erfolgte eine ständige Anpassung an die Wünsche der SPÖ-Spitze, der man immer weniger als linke Opposition entgegentrat. Dies zeigte sich in der jahrelangen Weigerung gegenüber der Forderung, in der SPÖ die Parteilinke zu organisieren, weil dies erneut einen offenen Konflikt mit der Löwelstraße bedeutet hätte. Dieser versuchte politische Spagat, der im Zweifelsfall immer die Richtung der „realistischen“ Option gegenüber einer klaren Gegenposition zur Parteiführung vorzieht, hat aber einen politischen Preis.
Die SJ-Vorsitzende Julia Herr wird in der Öffentlichkeit als linke Sozialdemokratin, nicht aber als Oppositionelle zum rechten Kurs der Parteispitze wahrgenommen. Die sozialistische Perspektive wird dezidiert als Utopie, als Fernziel dargestellt und kommt in der alltäglichen Propaganda nicht mehr vor. Die konkrete Praxis wird auf einer reformistischen Grundlage geführt. Das alte Prinzip des „Einerseits und Andererseits“ findet in der Politik der aktuellen Verbandsführung eine Neuauflage, die spätestens bei Koalitionsverhandlungen mit Sebastian Kurz oder gar einem Wiedereintritt der SPÖ in die Regierung zu einer tiefen Krise führen wird – also wenn sich alle AktivistInnen die Frage stellen müssen: Völliger politischer Bruch mit den Wünschen der Parteibürokratie oder völlige Kapitulation?
Dieser Entwicklung halten wir die Perspektive einer offenen linken Opposition gegen die Parteibürokratie entgegen. Diese Position ist auch im Grundsatzprogramm der SJ formuliert:
„Die Kraft der organisierten ArbeiterInnen kann sich jedoch nur entfalten, wenn der politische Einfluss der KlassenversöhnerInnen in der ArbeiterInnenbewegung gebrochen wird. Die SJ sieht ihre Aufgabe darin, gemeinsam mit kämpferischen Teilen der ArbeiterInnenbewegung dafür zu kämpfen, dass Sozialdemokratie und Gewerkschaften wieder der Klasse gehören, von der sie in jahrzehntelangen, bitteren Kämpfen aufgebaut worden sind. Erst auf der Grundlage eines sozialistischen Programms ist die ArbeiterInnenklasse in der Lage, den Kampf für eine Umwälzung der Gesellschaft erfolgreich führen zu können.“