Bei der Protestkundgebung der Initiative „Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit“ am 21.3. äußerte sich die Vorsitzende der Hauptgruppe II der Younion Kollegin Susanne Jonak, dass nicht gestreikt wird, weil wir „das unseren PatientInnen nicht antun können“. Dass ein Streik im Gesundheitssystem geht, argumentieren wir hier anhand von Erfahrungen anderer Spitäler.
Wir leben in einer Zeit, der die von der Weltwirtschaftskrise 2008 und ihren Folgen geprägt ist. Eine dieser Folgen ist der permanente Spardruck im Gesundheits- und Sozialbereich. Dieser äußert sich durch permanenten Personalmangel und zunehmend auch durch schlechte Arbeitsmaterialien. Täglich spüren immer mehr KollegInnen diesen Druck, der auf allen von uns lastet – egal ob wir auf der Bettenstation oder im Spezialbereich arbeiten und egal welcher Berufsgruppe wir angehören.
Eine Kollegin schildert: „Man arbeitet einen Patienten nach dem anderen ab, ohne wirklich auf ihn eingehen zu können. Und das, meine ich, hat alles miteinander zu tun: Wenn Patienten mühsam sind, ist es oft, weil ihnen nicht ordentlich zugehört wird. Es ist zu wenig Zeit, zu wenig Personal da.“ (Der Standard, 10.4.2018)
Das Problem besteht in ganz Österreich: „Auch die AK-Studie ‚Personalbedarf und Personaleinsatz in Oberösterreichs Krankenhäusern‘ birgt Zündstoff: Die ersten Ergebnisse zeigen unterbesetzte Nachtdienste, hohe psychische und körperliche Belastung, zu wenig Zeit für die vielen und immer mehr werdenden Aufgaben, zu wenig Zeit für die Anleitung und Einschulung neuer Kollegen/-innen und dazu intransparente Personalplanung und -berechnung.“ (AK Oberösterreich, 7.1.2019)
Verantwortung für unsere Spitäler übernehmen
Der Druck auf jede und jeden einzelnen Beschäftigten an den Krankenhäusern wird mit jedem Tag unerträglicher. Die Tatsache, dass langjährige Mitarbeiter nun nicht von einem neuen Besoldungsrecht, das deutlich höhere Netto-Löhne beinhaltet, profitieren sollen brachte das Fass zum Überlaufen. Die Vertröstung der Gewerkschaft younion auf Evaluierungen und womöglich spätere Möglichkeiten wirkt nicht glaubhaft. Zuviel wurde bisher vertuscht, zu viel kampflos akzeptiert. Wir wollen das Recht in das neue Besoldungssystem optieren zu können – nicht mehr und nicht weniger: gleiche Rechte und gleiche Bezahlung für alle Beschäftigten im KAV. Kein Wunder, dass der Slogan „Streik!“ auf der Kundgebung vor der Gewerkschaftszentrale in aller Munde war. Die Antwort der zuständigen Vorsitzenden Kollegin Susanne Jonak, dass dies nicht möglich sei ist falsch und unzureichend.
Das Gegenteil trifft nämlich zu: Wenn sich nicht bald unsere Arbeitsbedingungen massiv und schnell verbessern, droht in Österreich ein Pflegenotstand – ähnlich oder schlimmer als in Deutschland. Das und unsere kollektive Unterbezahlung und Überarbeitung sind für unsere PatientInnen weitaus gefährlicher als ein gut organisierter Streik in den Spitälern des KAVs und darüber hinaus. Jene, die den Betrieb 365 Tage lang engagiert und mit großem Einsatz ununterbrochen aufrechterhalten, wissen auch, wie der Betrieb heruntergefahren werden kann. Es gibt in einem reichen Land wie Österreich keinen Grund, nicht ein gut ausfinanziertes, qualitätsvolles, öffentliches Gesundheitssystem mit menschenwürdigen Bedingungen für Spitals-Mitarbeiter und PatientInnen zu haben. Younion-Vorsitzender Christian Meidlinger sagt selbst: „Das kann man schlecht verhandelt nennen, ich nehme das zur Kenntnis.“ Er täte gut auch daran, zur Kenntnis zu nehmen, dass es im KAV brodelt und zunehmend mehr KollegInnen bereit sind, für ordentliche Bezahlung und Arbeitsbedingungen zu kämpfen, und schon begonnen haben, sich für diesen Arbeitskampf selbst zu organiseren. Alle Personalvertreter und Betriebsräte, die noch einen Funken Kampfeswillen in sich spüren, sind dazu aufgerufen, gemeinsam mit diesen KollegInnen den Arbeitskampf vorzubereiten!
So geht Streik im Krankenhaus
Denn sei es im Charitè-Krankenhaus in Berlin oder in den Ordensspitälern in Linz. Zahlreiche KollegInnen haben in den letzten Jahren bewiesen, dass ein Krankenhaus sehr wohl bestreikt werden kann. Im Grunde geht es stets darum, das Krankenhaus sukzessive in Richtung Notbetrieb herunterzufahren. Gut organisierte Stationen müssen dabei den Anfang machen. Auf Stationsversammlungen beschließen alle KollegInnen per Abstimmung, wieviele Betten im Streikfall nicht mehr betreut werden können. Oder wie viele Operationssäle noch bespielt werden können. Oder dass nur mehr Notfälle aufgenommen werden können usw. Das heißt z.B., wir führen in einem Krankenhaus keine geplanten Operationen durch, die keine Dringlichkeit haben oder akut sind. Schrittweise können wir so, am besten ausgehend von den Spezialbereichen, die Bettenstationen und das ganze Krankenhaus bis auf Notfälle ausräumen und so den Druck auf die ArbeitgeberInnen erhöhen, ohne eine Menschenseele zu gefährden. Im Gegenteil wir nehmen unsere Verantwortung wahr und setzen starke Zeichen für ein gutes Gesundheitssystem.
Doch um so auf einen Notbetrieb umzustellen, braucht es eine Organisierung in allen Häusern. Wir müssen Abteilung für Abteilung abklappern und uns im Dienstplan heraussuchen, mit welchen Kollegen wir zuerst über eine Umstellung auf Notbetrieb reden. Einige werden wir dabei geduldig überzeugen müssen, andere sind gleich dabei. Ganz wichtig wird es sein, dass wir mit Nachdruck Betriebsversammlungen in den Häusern herbeiführen, auf denen wir die Belegschaft gesamthaft informieren können. Dort kann man dann abstimmen, ob man sich bereit für den Streik fühlt, eine Mehrheit dafür ist, und wenn ja, eine Streikleitung oder Kampagnenleitung wählen. Anschließend wird die eigentliche Arbeit so richtig anfangen. Es gilt, auf jede einzelne Abteilung zu gehen und mit einem Schneeballsystem des Herumsprechens und der Übergabe bei Schichtwechsel alle zu informieren. Dann kann es uns gelingen, wie bei den Elisabethinen in Linz: „Ab halb zwei am Nachmittag hat es keine einzige Patientenfahrt mehr gegeben: Untersuchungsambulanzen, OP, alles ist stillgestanden.“ Dann gibt es nur noch einen Notdienst, den man auch im Vorfeld besprechen und einrichten muss, damit klar ist wer für was zuständig ist und alle Berufsgruppen informiert sind.
Diese Aufgaben können wir am besten erledigen, wenn wir uns auf den Stationen organisieren, absprechen und auf unser Ziel hinarbeiten. Dazu hat eignet sich ein Aktionskomitee auf einer Station, Abteilung oder eines ganzes Hauses um alle motivierten und interessierten KollegInnen zu sammeln und zu beginnen die anderen KollegInnen zu informieren. Im Wilhelminenspital trafen wir uns bereits gemeinsam mit 20 KollegInnen der Semmelweiß-Klinik und des Otto-Wagner-Spitals und anderen interessierten KollegInnen um Aktionen in den Häusern zu planen und eine noch größere Mobilisierung als am 21.3. bei weiteren Protestaktionen zu erreichen. Die ersten Schritte auf dem Weg der Streikfähigkeit am KAV wurden gemacht.
Denn sollte die Stadt Wien unserem Druck nicht nachgeben, kann es gut sein, dass wir streiken müssen, wollen wir unsere Optierungsmöglichkeit und unser verdientes Geld erhalten.