Im Zuge von Klassenkämpfen und sozialen Protesten wurde Widerstand immer auch in Form von Protestliedern zum Ausdruck gebracht. Die Wiener Germanistin und Politikwissenschaftlerin Katharina Götsch untersucht in ihrem Sachbuch „Linke Liedermacher“ (erschienen im Limbus Verlag, Januar 2007) die Blütezeit des deutschsprachigen politischen Liedes in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts.
Am Beispiel der beiden Liedermacher Wolf Biermann und Franz Josef Degenhardt wird das Genre des linken gesellschaftskritischen Liedes in seiner Entwicklung bis zur Nachkriegszeit und vor allem auf seinem bisher letzten Höhepunkt um das turbulente Jahr 1967 behandelt.
Biermann, der als 17jähriger im Jahr 1953 aus politischer Überzeugung von der Bundesrepublik Deutschland in die DDR zog, wurde Mitte der sechziger Jahre zum Symbol für die Rebellion gegen das festgefahrene bürokratische System des real existierenden Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik. Der Liedermacher, dessen Vater aufgrund kommunistischen Widerstands von den Nazis getötet worden war, betonte dabei stets seine unbedingte Loyalität mit der DDR. In seinem Lied An die alten Genossen (1962) drückt er dieses ambivalente Verhältnis aus:
Seht mich an, Genossen
Mit euren müden Augen
Mit euren verhärteten Augen
Den gütigen
Seht mich unzufrieden mit der Zeit,
Die ihr mir übergebt.
[…]
Die Gegenwart, euch
Süßes Ziel all jener bittren Jahre
Ist mir der bittre Anfang nur, schreit
Nach Veränderung.
[…]
Setzt eurem Werk ein gutes Ende
Indem ihr uns
Den neuen Anfang laßt!
Den Kurs der kritischen Unterstützung setzte Biermann fort – er konnte allerdings aufgrund des 1965 vom ZK der SED verhängten Publikations- und Auftrittsverbots nur noch im Westen seine Lieder veröffentlichen. Die bürgerliche Presse des Westens stürzte sich darauf und nahm den Namen Biermanns für ihre antikommunistische Hetzjagd in Dienst – was freilich das Gegenteil von dem war, was Biermann erreichen wollte. Er war trotz der Repressionen gegen ihn davon überzeugt, im besseren Teil Deutschlands zu leben.
Als westliches Pendant (und gleichzeitig als Antipode) untersucht die Autorin das künstlerische und politische Schaffen von Franz Josef Degenhardt – einem der erfolgreichsten westdeutschen Liedermacher seit den 60er Jahren. Degenhardt begann mit spitzfindig gesellschaftskritischen Chansons in den 60er Jahren, polisierte sich dann im Laufe des Jahrzehnts, schmiss 1969 seine Assistentenstelle an der Universität Saarbrücken und arbeitete die nächsten zwei Jahre als unbezahlter Anwalt für die Außerparlamentarische Opposition (APO). Er wechselte von der SPD zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), die in den 70er Jahren einen Moskau-treuen, stalinistischen Kurs verfolgte.
Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und unter dem Druck der radikalen 68er-Studentenbewegung verfiel Franz Josef Degenhardt am Ende der 60er Jahre in eine Schwarz-Weiß-Weltansicht. Öffentlich denunzierte er Biermann, der durch seine Kritik an der Regierung der DDR anscheinend dem imperialistischen Westen in die Hände spielte.
Das Resultat waren zwei linke deutsche Liedermacher, die in ihrem Schaffen und in ihren Persönlichkeiten das gesamte Spektrum der zersplitterten deutschen Linken durchmachten – und die Katharina Götsch aus diesem Grund als symbolisch für die Selbstzerstörung der Außerparlamentarischen Opposition der 60er und 70er Jahre bezeichnet.
Das Buch bricht im Jahr 1978, kurz nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR, ab. Dargestellt wird also nur jene relativ kurze, aber von einer ungeheuren politischen und künstlerischen Dynamik bestimmte Zeitperiode der 60er und 70er Jahre – als man von Biermann und Degenhardt noch als „Linke Liedermacher“ sprechen konnte. Denn während Degenhardt heute nach 40 Jahren noch immer linke Lieder singt und schreibt, hat Biermann in den 90er Jahren dem Sozialismus abgeschworen und jede loyale Kritik am real existierenden Sozialismus aufgegeben.
Infos zum Buch:
Katharina Götsch: Linke Liedermacher. Das politische Lied der
sechziger und siebziger Jahre in Deutschland. Sachbuch.
Limbus 2006 (Reihe wissenschaft). 162 Seiten.
ISBN 978-3-902534-04-0 Kartoniert.
€ 16,20 [A] – € 15,70 [D]
Bestellungen unter: redaktion@derfunke.at