Konsumkritik. Der Kapitalismus hat es schon längst verstanden, sich einen sozialen und grünen Anstrich zu geben, ohne sein Wesen der Ausbeutung zu ändern. Dies bestätigt auch Kathrin Hartmann in ihrem Buch „Die grüne Lüge“. Von Martin Halder.
Gerade angesichts des Ausbleibens von Massenbewegungen wirken kleine, individuelle Schritte zur Verbesserung der Welt am gangbarsten. So ist auch die Ansicht, durch die eigene Kaufentscheidung die Situation von Mensch und Umwelt zu verbessern, weit verbreitet. Die Großindustrie kommt dieser Nachfrage natürlich gerne nach und stellt allerhand Produkte „fair“ und „nachhaltig“ her. Am kapitalistischen Markt wird allerdings nur produziert, was für den UnternehmerInnen bzw. KapitalistInnen einen nennenswerten Profit verspricht. Da höhere Löhne, Arbeitsschutz, umweltfreundlichere Auflagen, usw. direkt in diesen Profit schneiden und verhindern, dass er diesen ausbauen kann, täuscht der Kapitalist lieber vor, diese Kriterien zu erfüllen. Hierfür werden Hunderte Logos, Siegel und Labels produziert, dessen einziger Zweck es ist, die Hände der ausbeuterischen Industriegiganten in Unschuld zu waschen und dabei noch einen neuen, „fairen“ Markt für sich zu erschließen.
Zahlen, Daten, Fakten
Mit diesem Phänomen des sogenannten Greenwashing beschäftigt sich Kathrin Hartmann schon lange. Für ihr neues Buch hat sie einiges an Datenmaterial zusammengetragen, welches gut aufzeigt, dass kritischer Konsum nicht zu einer gerechteren Wirtschaft führt, sondern zu noch mehr leeren Versprechungen.
Ein Paradebeispiel hierfür ist die Ölfirma British Petroleum (BP). Anfang der 2000er gab der Konzern 200 Millionen für eine grüne Imagestrategie aus. Name und Logo wurde geändert und BP begann mit homöopathischen Investitionen in erneuerbare Energien. Wie wichtig ihnen die Umwelt tatsächlich ist, stellte sich im April 2010 heraus, als die Explosion der Ölbohrplattform Deepwater Horizon die größte Ölpest auslöste. Dies war kein Zufall, sondern resultierte aus katastrophalen Sicherheitsmängeln, welche BP bewusst in Kauf nahm. Hauptsache, sie schrieben zwei Wochen zuvor noch: „keine Unfälle, keine Schäden für Menschen und keine Zerstörung der Umwelt ist die Grundlage der BP-Aktivitäten.“
Der Konzern bemühte sich daraufhin, statt des Meers seinen eigenen Ruf zu reinigen und mittels guter Reklame sein grünes Image zurück zu erkaufen.
Die Autorin führt weiters vielerlei Initiativen und Siegel an, die versprechen ethische Standards einzuhalten. Diese sind allerdings grandios gescheitert, da deren meist schwache Standards entweder kaum kontrolliert werden oder ohnehin auf Freiwilligkeit beruhen. So stammt der MSC-zertifizierte Fisch aus überfischten Beständen, Holz mit dem FSC-Siegel aus illegalen Rodungen, „nachhaltiges“ Palmöl ist mit Zwangsarbeit und illegaler Zerstörung von Wäldern verbunden und die Textilsiegel BCI und CimA schaffen es nicht, den FeldarbeiterInnen lebenswerte Löhne zu garantieren. Auch das Konzept des bekannten Fair-Trade-Siegels wird immer wieder aufgeweicht und unterlaufen (siehe Funke Nr. 156).
Rückendeckung bekommt die Industrie von großen NGOs wie der WWF oder Greenpeace, die sich bei diesen Feigenblatt-Initiativen beteiligen, sowie vom Staat selbst, welcher der Wirtschaft gerne grüne Deckmäntel austeilt. Das größte Beispiel hierfür ist wahrscheinlich der Global Compact der Vereinten Nationen, welcher für fast 10.000 globale Unternehmen ökologische und soziale Standards garantiert. Die Einhaltung der Standards ist freiwillig und die einzige Bedingung für Unternehmen Mitglied zu sein, ist es regelmäßig Berichte über ihren Fortschritt – in anderen Worten leere Versprechungen – abzuliefern.
Klassenstandpunkt fehlt
Hartmann zeigt auf, wie unter dem Profitdruck des Kapitalismus „faire“ Ideen und Initiative in ihr Gegenteil verkehrt werden, bis nur noch eine grüne Fassade übrigbleibt und stellt somit klar: fairen Konsum kann es in diesem System nicht geben.
Aber wenn bewusster Konsum keine Lösung sein kann, was sind dann die notwendigen Kampfmethoden und die Alternative zu diesem unmenschlichen System? Hier zeigt sich die zentrale Schwäche von Hartmanns Buch, deren unzureichende Analyse des Kapitalismus keine Perspektive für einen Ausweg bieten kann.
So erklärt sie, dass der „globale Norden auf Kosten des Südens lebt“. Die Entwicklungsländer sind aber nicht arm, weil wir alle in der industrialisierten Welt über unsere Verhältnisse leben. Die Ausplünderung und Unterdrückung in diesen Ländern basiert auf den Profitinteressen einer kleinen Minderheit von Banken- und Industriemonopole. Wenn man diesen Klassenunterschied nicht scharf herausstreicht, sondern die Grenze zwischen reichen und armen Nationen zieht, anstatt zwischen den Klassen, führt dies zu politischer Unklarheit. So weiß die Autorin nicht, welche Gruppe oder Klasse sie konkret ansprechen will. Sie zählt eine breite Palette von Kampfoptionen auf, die von Streiks bis zu Bürgerinitiativen und Petitionen für eine autofreie Innenstadt reichen, damit sich aus diesem Pool an Möglichkeiten alle was aussuchen können. Doch dies verwässert jeglichen Standpunkt. Wen wollen wir ansprechen, gegen wen ist unser Kampf gerichtet, mit welchen Mitteln und Perspektiven führen wir ihn?
Wir wollen dies umso klarer formulieren: Der Kapitalismus steckt in seiner bis dato tiefsten Krise, welche auf dem Rücken der Lohnabhängigen und Armen ausgetragen wird. Um Konkurrenzfähigkeit und Profit zu erhalten, werden ArbeiterInnen, Gewerkschaften, sowie der Sozialstaat massiv angegriffen. Dies bedeutet, dass keine entscheidende Verbesserung innerhalb dieses Systems garantiert werden kann und somit der Kampf für tatsächlich gerechte, faire und ökologische Produktionsbedingungen unzweifelhaft mit dem Sturz dieses System verbunden ist. Erst eine sozialistische Wirtschaft, welche unter der demokratischen Kontrolle der ArbeiterInnen ist, kann nach den Bedürfnissen der Menschen und der Umwelt gestaltetet werden. Und dies kann nur die Arbeiterklasse garantieren, die an den ökonomischen Schalthebel sitzt.
Hartmann blickt allerdings lieber hoffnungsvoll auf lokale Projekte, bei denen die Arbeiterbewegung keine Rolle spielt, wie selbstverwaltete, indigene Dörfer in Südamerika oder anwachsende „solidarische“ Landwirtschaft in Spanien und Griechenland. Letztere ist sogar ein massiver Rückschritt, da so viele Menschen aufs Land gezogen sind, nicht für ein selbstbestimmtes, angenehmeres Leben, sondern wegen hoher Arbeitslosigkeit und Ernährungsprobleme in den Städten. Klar ist, dass kleine „Inseln der Seligen“ niemals völlig unabhängig von der restlichen Welt überleben können, und vor allem die großen Übel des Systems, die die Welt bestimmen, nicht ausmerzen können.
Mit Hoffnung erfüllen sollte uns vielmehr, dass sich vor allem die Jugend immer mehr für revolutionäre Ideen begeistert und in einem Land nach dem anderen große Massenbewegungen auf der Suche nach einer Alternative zu fruchtlosen Einzelkämpfen sind.
Dieser Artikel erschien erstmals am 30.5.2018 im Funke Nr. 164