Schwarz-Blau entwirft den totalen Umbau der österreichischen Gesellschaft. Es tut Not, die Natur der schwarz-blauen Regierung zu begreifen und die Perspektive des Widerstandes gegen sie zu fassen.
Download für Online-AbonnentInnen (PDF):
Schon die Umstände sind augenscheinlich. Was die schwarz-blauen VerhandlerInnen eigentlich diskutieren, ist völlig unklar. Das Personal ist beliebig: Managerin diskutiert mit Skirennläufer. Über kurze Pressemitteilungen wird eine diensteifrige Medienbranche wochenlang stückweise über Projekte informiert. Die großen Themen wie Budgetpolitik kommen ganz zuletzt. Eine gesellschaftliche Debatte ist generell unerwünscht. Dies scheint Uneinigkeit zu zeigen, ist aber im Gegenteil Ausdruck der inneren Einheit und Entschlossenheit des kommenden Bürgerblocks, der sich gewissenhaft auf sein Projekt vorbereitet.
Der Bürgerblock zeichnet sich dadurch aus, dass nicht nur eine Koalitionsregierung geschmiedet, sondern eine starke Front gegen die Arbeiterbewegung hergestellt wird: Gegen ihre Positionen im Staatsapparat („Sozialpartnerschaft“) und ihre Ideologie („Eigenverantwortung“ statt Solidarität und Emanzipation).
Die Regierungsbildung ist nur die Speerspitze der Aufrüstung und Organisierung des Bürgertums. Im Parlament bieten sich die NEOS beständig als Mehrheitsbeschaffer für die radikale Umgestaltung des Landes an. Sie werden nicht müde den Klassenkampf von oben zu beschwören, den Bürgerlichen Mut einzureden („Streiks muss man in Kauf nehmen“) und ihre Stimmen für Verfassungsänderungen anzubieten.
In fast allen Kollektivvertragsverhandlungen zeigen die UnternehmerInnen den Gewerkschaften und BetriebsrätInnen die kalte Schulter. Unisono wird behauptet, die Gewerkschaften hätten die „Sozialpartnerschaft verlassen“, die Unternehmer verschleppen die Verhandlungen durch sinnlose Exkurse oder sagen die Termine von vorneherein ab.
So selbstbewusst tritt die Industriellenvereinigung auf, dass sie sich in Oberösterreich bemüßigt fühlt, in einem offenen Brief die sozialdemokratische Landesrätin für Soziales offen anzugreifen. Eine dreitägige Bannmeile um das Landhaus soll dafür sorgen, dass die Sozialkürzungen in einem sterilen Umfeld und frei von gesellschaftlichem Druck verabschiedet werden können.
Es drängt sich auf, dass wie schon bei Kurz‘ Machtübernahme innerhalb der ÖVP nichts dem Zufall überlassen werden soll. Es verwundert nicht, dass am Tag vor der Budgetrede im oberösterreichischen Landtag, der unter dem Druck einer Demonstration des ÖGB stattfinden wird, ein Korruptionsfall in einem Sozialverein veröffentlicht wird. Damit soll der Widerstand geschwächt werden. Die Sozialdemokratie, die das Sozialressort führt, soll politisch kaltgestellt werden. In Wien wird derweil die Regierungsangelobung am 20.12. kolportiert, womit die Widerstandsplanungen auf die Weihnachtsfeiertage fallen würden.
Es ist längst nicht so, dass in Wien „nur“ eine Regierung gebildet wird. Die Regierung ist lediglich die Speerspitze eines Generalangriffes auf die Rechte der arbeitenden Menschen.
Kurzum, viele Zeichen deuten darauf hin, dass es dem Bürgerblock in den Tagen vor Weihnachten weit weniger um die inhaltliche Abstimmung geht – diese ist weitestgehend vorhanden. Vielmehr geht es bereits um eine Taktik, um den Umbau des Landes in ihrem Sinne möglichst geräuschlos und widerstandsfrei umsetzen zu können. Schwarz-Blau sollen Flitterwochen beschert werden, in denen „neue Kurs“ möglichst ungestört auf den Weg gebracht werden soll.
Mit der Wucht einer Abrissbirne will der Bürgerblock jeden Lebensbereich umkrempeln. Die Speerspitze und Generalprobe bildet der schwarz-blaue Block in Oberösterreich. Ginge es etwa nach den Wünschen der FPÖ Wels, wird nun die ideologische Brechstange mit patriotischen Lobsängen auf das christliche Brauchtum bereits im Kindergarten angesetzt werden. Dafür wurde einem parteinahen Verein namens „Abenteuer Familie“ vorsorglich mit freundlicher Unterstützung und Finanzierung von 650.000 € die Inbetriebnahme eines Kindergartens ermöglicht. Und wenn es nach den Wünschen des Welser WKO-Bosses Josef Resch geht, folgt auf die christliche Nächstenliebe im Kleinkindalter die direkte Betriebsdiktatur vor Gnaden des eigenen Lohnherrn, abgesichert durch ein Verbot der Gewerkschaften. Ins selbe Horn – nicht ganz so theatralisch, jedoch nicht minder entschieden – lässt uns sein blauer Kollege und Vize-Chef der WKO, Matthias Krenn, am 21.11.2017 im Profil-Interview wissen: „Arbeitnehmer-Rechtsschutz lässt sich auch ohne Zwangsmitgliedschaft [in der Arbeiterkammer] organisieren – von günstigen Versicherungen über die Gewerkschaft bis hin zu privaten Arbeitnehmerschutzverbänden. Die persönliche Beratung bei Problemen im Job ist und bleibt Hauptaufgabe der Betriebsräte.“
Andauerndes rassistisches Gebell und das Hohelied des Liberalismus auf die Eigenverantwortung und Modernität begleiten die Umwälzung der Republik. Die wichtigste Ressource der Bürgerlichen ist jedoch das Schwanken der Führung der Arbeiterbewegung. Es genügt nicht, wenn ÖGB-Foglar die „Zwangsneurosen“ des NEOS-Chefs Matthias Strolz öffentlich geißelt – er muss dem Sturm entgegentreten, anstatt die Ausläufer des Sturmtiefes beklagen.
Bezeichnend ist auch der Fall der Betriebsschließung von Modine in Kärnten. Der profitable Standort wird geschlossen, die 150 Beschäftigten arbeiten bis zuletzt die Aufträge ab. Dem Betriebsrat, der vom Unternehmen massiv unter Druck gesetzt wird, gelingt es nicht, einen Sozialplan auszuhandeln. Wenige Tage vor Weihnachten gehen die ArbeiterInnen auf die Straße, um zumindest eine Abfertigung zu erhalten. Druckmittel gegen den Konzern haben sie indessen keine mehr in der Hand. In Oberösterreich wiederum haben die Gewerkschaften zuerst den richtigen Kurs auf einen gemeinsamen Kampf gesetzt, diese Front wurde durch Einzelzusagen und einen daraus resultierenden Rückzug der GÖD-Führung aber wieder aufgebrochen.
Stattdessen ist es nötig, dass die organisierte Arbeiterbewegung die Ernsthaftigkeit der kommenden Angriffe begreift und die Reihen fest zusammenschließt. Jede Auseinandersetzung mit den Bürgerlichen – im Feld der Politik, der Kollektivverträge, in der ideologischen Auseinandersetzung – muss als Teil eines allgemeinen Abwehrkampfes der Arbeiterklasse verstanden werden. Es ist klar, dass diese gemeinsame Front mangels Klarheit und jahrelanger Orientierung der Führung auf einen „Kompromiss um jeden Preis“ mit dem Kapital vorerst nur schwer hergestellt werden kann. Doch sie muss in jeder Bewegung das Ziel sein: Ein unentschlossenes Schwanken zwischen Kampf auf der einen und Akzeptanz des „kleineren Übels“ auf der anderen Seite wirkt nur als eine Einladung zu neuen Aggressionen des Bürgerblocks. Wenn die Gewerkschaftsbewegung, die Arbeiterkammer und die Sozialdemokratie samt Vorfeldorganisationen eine massive Kampagne mitsamt betrieblichen Aktionen, Streiks und Demonstrationen starten würden, könnte die Arbeit der neuen Regierung schon von Anfang an massiv angegriffen werden – eventuell könnte sie sogar verhindert werden. Doch mit der derzeitigen Politik der Führung der Arbeiterbewegung wird der Prozess einer Klärung des Charakters von schwarz-blau bei breiten Schichten länger dauern.
Eine besondere Bedeutung kommt daher in der nächsten Zeit der Jugendbewegung zu, die frei von taktischen Manövern um ihre Zukunft kämpfen muss. Schlussendlich liegt die Verantwortung für einen klaren, kämpferischen Kurs nicht zuletzt bei jedem und jeder einzelnen AktivistIn: „Nicht weinen, nicht lachen, sondern verstehen!“ Unterstütze die revolutionären MarxistInnen, mach mit beim Funke!
Wien, am 5.12.2017