„Mit der Hälfte der 2015 ausgeschütteten Gewinne könnten die Löhne und Gehälter um 12,7 % erhöht werden.“ Mit diesem Slogan warb die Führung der Gewerkschaft Pro-Ge in sechs regionalen Betriebsrätekonferenzen für Rückendeckung in der Herbstlohnrunde. Emanuel Tomaselli analysiert den vorliegenden Abschluss und skizziert wie die Gewerkschaftsbewegung gestärkt werden kann.
Durchschnittlich 1,68% mehr am Lohnzettel (was knapp unter der prognostizierten Inflation für 2017 von 1,7% liegt), Freifahrt ins Lehrlingsinternat und die Anrechnung der Karenz für Dienstzeitansprüche stehen nun auf der Habenseite. GPA-djp Chefverhandler Rudi Wagner interpretiert das Ergebnis als „Beweis einer funktionierenden Sozialpartnerschaft“, Pro-Ge Chef Rainer Wimmer spricht von einem „erfolgreichen Abschluss“. Selbst das unerfreulicherweise nicht servierte traditionelle mitternächtliche Gulasch für die VerhandlerInnen tat dieser positiven Einschätzung keinen Abbruch.
Die Schwächung der einst stolzen Metaller-Organisation schreitet ungebremst voran. Der Druck der Unternehmer auf die Gewerkschaftsführung ist so stark, dass eine Kursänderung nur durch die Kollegen und Kolleginnen in den Betrieben selbst eingeleitet werden kann. Die Mobilisierung der Betriebsräte zu Konferenzen ist zu einem hohlen Ritual geworden. Dies wissen Unternehmer wie auch die Belegschaften. Auch wenn die meisten Konferenzen gut besucht waren, so offenbarte sich auch dort die Schwächung. Die Vorträge und Debatten waren blutleer und atmeten den Dunst der schleichenden Demoralisierung: undurchdachtes Brainstorming zu staatlichen Regulationen zur wirtschaftlichen Absicherung von Pleite-Unternehmen und die offen vorgetragene Spaltung der Arbeiterklasse („die Billigen müssen raus“) dominierten etwa die Debatte in Vösendorf.
Wahrnehmbar blieben einige Kollegen und Kolleginnen, die in den letzten Jahren eine vorwärtstreibende und kritische Rolle einnahmen diesen Show-Veranstaltungen überhaupt fern. Auch in der vorgelegten Resolutionen schwang der Geist der Entsolidarisierung mit. Zwar wurde der Anspruch erhoben für 180.000 Metaller zu kämpfen, die Aufforderung der Ankündigung der Betriebsversammlungen blieb aber dezidiert auf den Sektor der FMMGI-Betriebe mit 120.000 Beschäftigten beschränkt. Die getrennten Verhandlungen mit den Metaller-Arbeitgebern spiegeln sich in einer tatsächlichen Entkoppelung und Spaltung der Kampffront Metaller wieder. Dies ist allein der Kurzsichtigkeit und dem Betriebspatriotismus einiger führender Arbeitervertreter geschuldet. Dezidiert forderten die Verhandlungsspitzen die Kolleginnen und Kollegen auf die Betriebsversammlungen nur anzukündigen, nicht jedoch vor dem 4.11. durchzuführen. Der Hinweis, dass man sie nach erfolgreichem Abschluss wieder absagen könne und man darauf schauen soll schnell noch neue Mitglieder zu organisieren durfte auch nicht fehlen, um das Bild der kontrollierten Niederlage von der Bühne herab vorzuzeichnen.
Kurze Feuerpause
Der Abschluss der Herbstlohnrunde 2016 ist ein Nadelstich vor kommenden heftigen Angriffen. Unternehmer Chefverhandler Knill bezeichnet das Ergebnis als „einen hohen Abschluss, mit dem wir die tolle Leistung unserer Mitarbeiter anerkennen“ (!) und fügt hinzu, dass damit das im Juni kampflos eingeräumte neue unterste Gehalts- und Arbeitszeit-Schema „Flexizeit-Neu“ (mit Gehaltsabstrichen zwischen 10 und 30%) „abgegolten sei“(!). Nächtliche Verhandlungen soll es in Zukunft nicht mehr geben, sondern nur mehr Gespräche über Gestaltung des Standortes. Ein wichtiges Thema dabei wird die Verlängerung der Regelarbeitszeit auf 40 Wochenstunden sein.
Das Ziel der Unternehmer ist weiter die Zerschlagung des Kollektivvertrages, die Umwandlung von Arbeitnehmerrechten in Gnadenerlässe der Betriebsführung. Mit kleinen und sicheren Schritten schreiten sie dabei voran, auch in diesem Herbst.
Die Führung der Arbeiterbewegung ist für diesen Angriff nicht gerüstet. Einmal mehr klammern sie sich an die Scheinwelt der Sozialpartnerschaft, und lassen die Belegschaften im Regen stehen. Einmal mehr bleibt der Ruf nach tatkräftiger Solidarität aus. Wir wissen, dass dieser Ruf nicht verhallt wäre, es drängt viele, die geballte Faust endlich aus dem Sack zu nehmen und sich gegen den permanent zunehmenden Druck gemeinsam zu wehren.
Die besten Kollegen und Kolleginnen drohen nun weiter demoralisiert zu werden und zynisch zu reagieren. Dies ist die Basis für die Suche nach individuellen Lösungen für gemeinsame Probleme, so wird der Zusammenhalt untergraben und der Weg zur Niederlage von innen geebnet.
Dieser zersetzende Prozess ist das direkte Resultat des rituellen Verhaltens der Gewerkschaftsoberen und der Betriebskaiser. Mit ihren Methoden können sie die soziale Situation der Metaller und Metallerinnen nicht verbessen, ja nicht einmal stabil gestalten. Schade um eine weitere vertane Chance, aber nicht vergessen: Gewerkschaft sind wir alle, und jede Neuerung wird nur durch Aktivität von unten erfolgen. Also, dranbleiben, nicht verzagen, nicht jammern, sondern geduldig und mutig an der Kampffähigkeit der stolzen Metaller und ihrer Organisation, angefangen vom eigenen Betrieb, arbeiten.
Ein unmittelbarer Ansatz dafür bieten die angekündigten Betriebsversammlungen. Anstatt sie abzusagen, gälte es im Betrieb nun eine breite ehrliche Diskussion über das Resultat und wie es erzielt wurde zu führen. Wer dem Druck der Unternehmer standhalten will, findet die Kraft dafür in den Hallen und Abteilungen. Diese Kraft konkret zu organisieren und öffentlichen Ausdruck zu verleihen wird das wichtigste Element zur Wiederbelebung der Metaller-Solidarität sein. Diese ist die alleinige Voraussetzung gegen die wachsenden Zumutungen der Eigentümer und Geschäftsführungen.
Mutig in die neuen Zeiten!
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