Pensionssystem. Angesichts der Pläne der Regierung, Kürzungen im Pensionssystem vorzunehmen, nimmt Patrick Mellacher die Zahlen unter die Lupe und stellt eine sozialistische Perspektive auf.
Unsere Gesellschaft bekommt einerseits immer weniger Kinder und wird andererseits immer älter. Einer immer kleiner werdenden Erwerbsbevölkerung steht also ein immer größer werdender Teil an PensionistInnen gegenüber, weshalb – so eine Argumentation, die nicht nur unter Wirtschaftsliberalen weite Verbreitung findet – das Pensionssystem auf Dauer nicht finanzierbar wäre. Der Grund dafür wird im sogenannten Umlageverfahren gesucht, das in der österreichischen gesetzlichen Pensionsversicherung zum Tragen kommt. Dabei werden die heutigen Pensionen aus den heutigen Einzahlungen in die Pensionsversicherungen bezahlt. Dabei gibt es aber eine Lücke, die immer größer wird und vom Staatshaushalt bezuschusst wird.
Da die Anzahl der Personen über 65 aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ansteigen wird – für 2020 werden 1,71 Mio., 2030 2,16 Mio. und 2070 2,6 Millionen Menschen in dieser Altersgruppe prognostiziert (2015: 1,58 Millionen) – macht ein Bürgerblock aus ÖVP, Industriellenvereinigung (IV), NEOS usw. Druck, um eine „Kostenexplosion“ zu vermeiden. Als Lösung für dieses Problem werden höheres Pensionsantrittsalter, niedrigere Pensionen und private Pensionsversicherungen vorgeschlagen. Die IV geht sogar so weit, dass sie die staatliche Garantie der Pensionen völlig abschaffen und diese damit rein dem Markt überlassen will.
Tatsächlich stieg der staatliche Zuschuss zu den Pensionen zwischen 2008 und 2015 um 1,7 Mrd. Euro an, das sind ca. 20%. Doch der Grund dafür liegt nicht nur in der demographischen Entwicklung. Im Jahr 2008 lag das Arbeitsvolumen, also die Summe der gearbeiteten Stunden, bei 7,11 Milliarden, im Jahr 2014 nur noch bei 6,81 Milliarden. Im Zuge der sich verschärfenden Wirtschaftskrise und immer neuen Rekordarbeitslosenzahlen wird sich die Situation eher verschlimmern als verbessern. Wenn aber immer weniger Stunden gearbeitet wird, fehlen natürlich die Pensionsversicherungsbeiträge. Was die Bürgerlichen aber gerne verschweigen ist, dass jedes Pensionsversicherungssystem in so einer Situation ein Problem hat. Geld erzeugt nicht neue Produkte, Menschen tun das mit der Hilfe von Produktionsmitteln wie Maschinen, Fabriken und Computern. Mit Hilfe von privaten Pensionsversicherungen können sich Menschen Anteile an zukünftigen Profiten erkaufen. Wenn diese aber ausbleiben, weil die Wirtschaft in einer Krise steckt, fällt auch die Pension mager aus. Zudem könnten sich viele keinen ausreichenden Anteil an Profiten kaufen, um ihr Alter in Würde zu verbringen. Der Effekt wäre eine weitere starke Umverteilung von unten nach oben, eine massive Zunahme an Altersarmut und Arbeiten bis zum Umfallen.
Die Debatte ist auch kein Generationenkonflikt, wie das gerne von Seiten der Bürgerlichen dargestellt wird. Eine längere Arbeitspflicht würde die heute Jungen nicht nur in ferner Zukunft treffen, sondern ihnen schon jetzt die raren Jobs kosten. Worum es den Bürgerlichen eigentlich geht, wird offensichtlich, wenn man sich die weiteren Forderungen ansieht. Das Senioritätsprinzip, das ArbeiterInnen mit mehr Erfahrungen in den Kollektivverträgen ein höheres Einkommen garantiert, soll fallen, da diese sonst zu teuer wären. Wieder einmal sollen Alt und Jung gegeneinander ausgespielt werden.
Unter den heutigen Bedingungen des Kapitalismus ist eine menschliche Lösung für die Zahlungen der Pensionen tatsächlich immer schwerer realisierbar. Das liegt aber im Endeffekt nur am System selbst. Die Arbeitsproduktivität pro Stunde stieg laut Statistik Austria von 1996-2014 um sagenhafte 89,3%, das bedeutet, dass die österreichischen ArbeiterInnen 2014 einen fast doppelt so hohen Wert an Waren und Dienstleistungen herstellten, wie noch 18 Jahre zuvor. Umgekehrt argumentiert hätte das Arbeitsvolumen um 47% sinken können, ohne dass sich das Einkommen reduziert hätte. Der technische Fortschritt könnte allen Menschen ein Leben in Würde und trotz demographischem Wandel eine massive Arbeitszeitreduktion garantieren. Die Voraussetzung dafür wäre allerdings das Ende des kapitalistischen Systems, denn momentan kommt der technische Fortschritt zum Großteil eben nur einer kleinen Minderheit zugute. Das oberste Prozent der österreichischen Bevölkerung besitzt ca. 700 Mrd. €. Mit dieser sagenhaften Summe könnte der Pensionszuschuss von 2015 knapp 68 Mal bezahlt werden.