Resistenza. Vor 70 Jahren befreite die italienische Widerstandsbewegung das Land von den Nazis. Gernot Trausmuth schreibt über dieses wichtige Kapitel europäischer Revolutionsgeschichte.
Italien war das erste Land in Europa, in dem der Faschismus in den 1920ern an die Macht gekommen war. Die Linke und jede Form organisierter Arbeiterbewegung wurde in der Folge brutal zerschlagen. Doch im Untergrund konnte vor allem die Kommunistische Partei den Kern einer Widerstandsbewegung weiterführen. Als das faschistische Italien im Zweiten Weltkrieg an der Seite Hitler-Deutschlands auf eine Niederlage zusteuerte und Armut und Hunger sich in Italiens Städten ausbreiteten, brachen im März 1943 heftige Streiks in Turin und Mailand aus. Dies führte dazu, dass sich das Kapital von Mussolini zusehends abwandte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Faschismus zusammenbrechen würde. FIAT-Chef Agnelli und das Bankkapital wollten aber nicht mit dem „Duce“ untergehen, sondern ihr System retten. Im Juli 1943 wurde Mussolini dann auch durch hochrangige Militärs gestürzt, binnen Tagen brach der Faschismus wie ein Kartenhaus zusammen, und mit ihm löste sich der Staatsapparat weitgehend auf.
Auf der anderen Seite kam es in zahlreichen Großstädten aber auch Dörfern zu aufstandsähnlichen Entwicklungen. Die ArbeiterInnen und kleinen Bauern wollten sicherstellen, dass der Krieg umgehend beendet wird. Im September 1943 stand Italien am Rande einer proletarischen Revolution. Der Führung der KP ging dieser Prozess jedoch zu weit. Anstatt den Generalstreik und den Aufbau einer Arbeitermiliz zu organisieren, setzte sie auf Geheiß von Moskau auf eine Zusammenarbeit mit den Monarchisten und bürgerlichen Kräften. In dieser zugespitzten Situation befahl Hitler die Besatzung Italiens durch die deutsche Wehrmacht. Mussolini wurde befreit und als Berlins Marionette wieder eingesetzt. Die wahre Macht lag jedoch in den Händen der SS, die mit eiserner Faust das Land unter Kontrolle zu bekommen versuchte.
Doch die erwachte Arbeiterschaft ließ sich nicht mehr so leicht einschüchtern. Die soziale Katastrophe gepaart mit der nationalen Unterdrückung durch die deutschen Besatzer ergab eine explosive Mischung. „Machen wir jede Stadt für die Deutschen zu einem Stalingrad“, war das Motto einer ganzen Generation junger ArbeiterInnen und Bauern, die sich nun unterstützt von Deserteuren zu Tausenden dem Widerstand (der „Resistenza“) anschlossen. Spontan bildeten sich im ganzen Land Partisanengruppen, die meist auf eigene Faust und dementsprechend ineffizient operierten. Faschisten und Nazis reagierten mit äußerster Brutalität auf die ersten Widerstandsaktionen (Sabotageakte, Überfälle auf Kasernen, individueller Terror gegen faschistische Funktionäre). Stellvertretend dafür steht der Fall der Brüder Cervi, Bauern aus der Emilia, die alle sieben hingerichtet wurden, um ein Exempel zu statuieren. Doch selbst brutale Folter und Massenexekutionen konnten den Widerstand nicht kleinkriegen.
Der bewaffnete Kampf, eine Art Guerillakrieg ausgehend von den Bergen, erlangte in der Folge im Frühling 1944 („rossa primavera“) Massencharakter mit an die 100.000 PartisanInnen, großteils kommunistisch gesinnte ArbeiterInnen.
Der damalige KP-Führer Togliatti versuchte in dieser Situation jedoch, die GenossInnen in den Bergen wie in den Fabriken zu erinnern, „dass der Aufstand, den wir wollen, nicht die soziale und politische Umwälzung im sozialistischen oder kommunistischen Sinne zum Zweck hat, sondern auf die nationale Befreiung und die Zerstörung des Faschismus abzielt.“ Konkret bedeutete diese Strategie, dass man immer nur das zu tun bereit war, was die bürgerlichen Parteien (Democristiani, Liberali) auch unterstützten. Aus Angst um dieses Bündnis mit den Bürgerlichen lehnte es die KP-Führung auch ab, den Kampf um die Befreiung Roms durch die Resistenza zu führen – und das obwohl 40.000 bewaffnete ArbeiterInnen jederzeit dazu bereit gewesen wären. Erst dadurch konnten die alliierten Truppen, die vom Süden her vormarschierten, die Hauptstadt unter ihre Kontrolle bekommen.
Trotz dieser abwartenden Politik der KP-Führung wurden eine Reihe von Provinzen in Nord- und Mittelitalien von den antifaschistischen PartisanInnen selbst befreit. In diesen befreiten Zonen wurde unmittelbar eine Form direkter Demokratie errichtet. Aus internen Berichten der KPI lässt sich ablesen, dass die überwältigende Mehrheit der PartisanInnen dies als Kampf für den Kommunismus verstand. Trotzdem wurde alles unternommen, um diese Bewegung auf einen „patriotischen Befreiungskampf“ zu reduzieren. Viele glaubten, die Partei verfolge eine gefinkelte Taktik. Gegenüber den bürgerlichen Verbündeten tue man so, als wäre man nur für die Befreiung von den Deutschen, aber in Wirklichkeit würde man dann an die Umsetzung der Revolution schreiten. Tatsächlich reduzierte man die Widerstandsbewegung auf eine Hilfstruppe der Alliierten, sollte Italien doch nach dem Krieg Teil des westlichen Einflussgebietes werden.
Diese abwartende Haltung führte dazu, dass die PartisanInnen einen weiteren harten, sehr verlustreichen Winter in den Bergen zubringen mussten. In diese Zeit fallen einige brutale Massaker der SS an der italienischen Zivilbevölkerung (wie in Marzabotto). Im April 1945 war die Bewegung jedoch nicht mehr zu bremsen. Am 18. April begann in Turin eine Streikwelle, die sich auf alle Städte ausbreitete. Der bewaffnete Aufstand hatte begonnen. Binnen weniger Tage war Italien vom Faschismus befreit. Die Hoffnungen breiter Massen in Stadt und Land auf eine Befreiung vom Kapitalismus blieb unerfüllt. Doch wie Alcide Cervi, der Vater der hingerichteten Brüder Cervi, später schrieb: „Auf jede Ernte folgte eine neue.“ Die Erinnerung an die Resistenza ist heute noch sehr lebendig in Italien. Eine neue Generation wird den Kampf der PartisanInnen von damals eines Tages siegreich zu Ende führen.