Tausende ArbeiterInnen demonstrierten am 8. Februar in Caracas für die Verstaatlichung von Sanatarios maracay, CANTV, Electricidad del Caracas, Sidor und anderen Unternehmen. Ein Bericht von Yonie Moreno (Corriente Marxista Revolucionaria).
Die Demonstration vom vergangenen 8. Februar war ein voller Erfolg, der das Potential der venezolanischen ArbeiterInnenklasse aufzeigte. In einem von Enthusiasmus und Selbstbewusstsein geprägten Klima strömten etwa 6.000 ArbeiterInnen durch die Innenstadt von Caracas. Gefordert wurde die Nationalisierung von Sanatarios Maracay, die Unterstützung der Verstaatlichung der Telefongesellschaft CANTV, der Electricidad de Caracas, und der Erdölexploration am Orinoco. Aber darüber auch hinaus waren ArbeiterInnen von zahlreichen Betrieben auf der Demonstration präsent, und das bringt die ArbeiterInnenklasse wieder an die Spitze der Revolution. Was hier auch gezeigt wurde: die Aktionseinheit zwischen den unterschiedlichen Sektoren der UNT, die sich in den letzten Monaten bekämpften, ist möglich.
Der Sammelpunkt der ArbeiterInnen von Sanatarios Maracay und der CCURA, die von Orlando Chirinos angeführt wurde, war im Parque Carabobo. Einige hundert Meter davon entfernt, am Plaza Morelos sammelten sich die KollegInnen der in FSBT (Fuerza socialista bolivariana de trabajadores) unbenannten FBT, die ArbeiterInnen des Elektrizitätssektors und anderer Gewerkschaften. Letztere eröffneten den Demonstrationszug und führten ihn zum Parque Carabobo, wo sich die KollegInnen von Sanatarios und der anderen GewerkschafterInnendelegationen Araguas in den Zug einordneten. Ohne Zwischenfälle, in freudigem Ambiente erreichte die Demonstration das Parlament, wo verschiedene Petitionen eingereicht wurden. Weiter ging es nach Miraflores, wo Abgeordnete der Demonstration sich mit Abgesandten unterhielten, und diesen ihre Forderungen übergaben. Von den Repräsentanten der UNT beteiligten sich Orlando Chirino, José Mora, Joaquín Osorio, Stalin Pérez, Rubén Linares, José Bodas, José Meléndez an dieser Delegation.
Die Spitze des Demonstartionszuges stellten die ArbeiterInnen von Sanatarios Maracay. 800 KollegInnen und ihre Familienmitglieder, die von weitren hunderten ArbeiterInnen der UNT Araguas (etwa von Nestle und der Fluglinie Aeropostal) begleitet wurden, forderten die Verstaatlichung von Sanatarios. Unter den Hunderten, meist selbstgemalten Transparenten fanden sich u.a. solche, die sich für die Verstaatlichung vom Stahlwerk Sidor, Aeropostal etc. aussprachen. Es bleibt noch auf die Anwesenheit der KollegInnen der FRETECO hinzuweisen, die mit Delegationen aus den Betrieben INVEVAL und INVETEX teilnahm, die entlassenen KollegInnen von INVEPAL Maracay, mussten aufgrund von Transportproblmen ihre Teilnahme absagen.
Ein Beispiel der Haltung der bolivarischen Regierung in der Frage der Nationalisierungen, gab die Anwesenheit des neuen Arbeitsministers José Ramón Rivero. Er selbst kommt aus der Gewerkschaftsbewegung Guyanas. Am Plaza Morelos ergriff er, umringt von den KollegInnen das Wort, er sprach die volle Unterstützung für die Verstaatlichung der genannten Unternehmen aus, und unterstrich seine Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse. „Ich selbst bin Gewerkschafter, und bin hier als Minister der Revolution“. Er gab zu verstehen, dass seine Anwesenheit auf dieser Demonstration von Chavez gewollt sei, und versicherte, dass der Präsident auf der Seite der ArbeiterInnen stehe.
Die ArbeiterInnenklasse betritt erneut die Arena
Die Demonstration vom 8. Februar ist die Fortsetzung des Prozesses, der sich vom Oktober 2004 bis ins erste Trimester des folgenden Jahres zog, diesmal allerdings auf einer höheren Ebene: der Einstieg der ArbeiterInnklasse in die Revolution als eigenständig organisierte Kraft. Das Jahresende von 2004 war von den enormen Hoffnungen, die durch den Sieg im Abwahlreferendum im August, und den Wahlsiegen auf regionaler und lokaler desselben Jahres geschürt wurden, geprägt. Die revolutionären Bewegung diskutierte über die „Revolution in der Revolution“ und die „Vertiefung der Revolution“ wie es Präsident Chavez bezeichnete. Zu diesem Zeitpunkt der Linksdrift der Revolution, belebte sich der Kampf der ArbeiterInnen von Venepal (dem heutigen INVEPAL). Im Jänner 2005 enteignet Chavez das Unternehmen, und überlässt die Administration den ArbeiterInnen des Unternehmens. Dieser Prozess geht im April mit der Enteignung der CNV (heute INVEVAL) weiter, sowie dem Kampf um die Cohestion (Mitbestimmung) in einer Serie von Betrieben.
Gleichzeitig mit dem Kampf um die Enteignung der genannten Firmen, beginnt Präsident Chavez vom Sozialismus und dem Bruch mit dem Kapitalismus als strategisches Ziel der bolivarischen Revolution zu sprechen. Die gleichzeitig stattfindenden Enteignungen und der Debatte um den Sozialismus bedeuten einen Anstoß für die ArbeiterInnenklasse und die revolutionäre Bewegung im allgemeinen.
Dieser Prozess kumulierte in der Demonstration zum 1. Mai, an dem 10.000ende ArbeiterInnen durch Caracas strömen und das Thema der Enteignungen und der revolutionären Mitbestimmungin den Mittelpunkt stellen.
Heute im Februar 2007 sahen wir das gleiche Phänomen, diesmal aber auf höherem Niveau. Der Wahlsieg vom 3. Dezember hat in der Bewegung enorme Hoffnungen geweckt. Diese werden und wurden durch die Ankündigungen von Chavez (Verstaatlichungen, die Einheitspartei PSUV, das Sondervollmachtengesetz,…) weiter bestärkt und verdichtet. In diese Situation hinein, besetzen die KollegInnen von Sanatarios am 14. November den Betrieb, stellen ihn unter ArbeiterInnenkontrolle und produzieren voll weiter. Dieser Kampf, und das zeigt der 8. Februar, zieht weite Kreise in der ArbeiterInnenbewegung. Der Kampf ist ähnlich jenem der KollegInnen von Venepal, allerdings auf einem viel höheren Niveau. In Venepal gelang es damals nicht die Produktion vor der Enteignung anzufahren, die Belegschaft hatte weder das hohe Organisationsniveau der KollegInnen von Sanatrios, noch hatten sie die Chance politisch so gut auf die Besetzung vorbereitet zu sein, wie es heute in Maracay der Fall ist. Noch dazu liegt Sanatarios im Herzen der venezolanischen Leichtindustrie, in Aragua und Carabobo.
In diesem Sinn ergibt sich eine Parallelität zu 2005. Damals orientierte Chavez die Bewegung Richtung Sozialismus, und enteignete Venepal und CNV, heute steht der Aufbau der PSUV und die Nationalisierung der CANTV und anderer Unternehmen im Raum. Diese Ereignisse elektrisieren die ArbeiterInnenbewegung. Die CMR (Corriente Marxista Revolucionario) begrüßt diese für die ArbeiterInnenklasse, sowohl in Venezuela, als auch international, enorm positiven Maßnahmen, die ein großer Schritt nach vorne sind. Nach zwei Jahrzehnten Privatisierungen und bürgerlicher Offensive gegen die ArbeiterInnen auf dem gesamten Planeten bedeuten diese Verstaatlichungen den Anbruch einer neuen Epoche in Venezuela, Lateinamerika und der gesamten Welt.
Diese von Chavez getroffenen Maßnahmen dürfen aber nur der Anfang sein: es ist notwendig dass die bolivarische Regierung die Nationalisierungen auf die anderen Sektoren ausweitet, in erster Linie die Grundstoff- und die Leichtindustrie um die eine demokratische Planung der Wirtschaft, im Sinne der Bedürfniserfüllung der Menschen, gegen die Anarchie des Marktes und den Boykott der Kapitalisten durchzusetzen. Die aktive Teilnahme der ArbeiterInnenklasse ist fundamental, um diese Politik zu verwirklichen. Nur die ArbeiterInnenklasse kann, gemeinsam mit den Stadtvierteln, der Bauernschaft und den Armen des Landes eine geplante und nationalisierte Wirtschaft demokratisch leiten. Die bürokratische Leitung der verstaatlichten Ökonomie kann nur in ein Desaster führen. Die bürokratische Degeneration der Revolution nach dem Tode Lenins, nahm das Ende der Revolution vorweg.
Die Frage des Staates
Eine der großen Aufgaben, die die Bolivarische Revolution lösen muss ist die Frage des Staates und der Bürokratie. Der aktuelle Staatsapparat ist ein bürgerlicher, wenn auch mit speziellen Zügen in dem Sinne, als dass das Bürgertum die direkte Kontrolle über ihn verloren hat. Dennoch ist er so zugeschneidert, als dass er die Klassenunterschiede reproduziert und aufrechterhält und so die Lebensinteressen der dominanten Klasse in der venezolanischen Gesellschaft schützt. Das sind die Interessen der Oligarchie, die weiterhin den Produktionssektor und die Banken in der Hand hält. Der Staat ist ein Instrument das geschaffen wurde um die Gesellschaft entlang von Klassenlinien zu beherrschen, und ist selbst nur Produkt dieser Klassenunterdrückung.
Der Präsident Chavez stößt mit seinem Maßnahmen im Sinne der Lebensinteressen der Menschen immer wieder auf zwei Hindernisse: das Privateigentum der Produktionsmittel und den bürgerlichen Staatsapparat der IV. Republik. In diesem Sinne muss man das Sondervollmachtengesetz verstehen. Die Möglichkeit mittels Dekreten in eine Serie von politischen Feldern einzugreifen ist ein Versuch die Langsamkeit und Ineffizienz des Staatsapparates in der Entwicklung und Ausführung von revolutionären Initiativen zu umgehen. Der bürgerliche Staatsapparat ist ein Hindernis der Vergangenheit, das die Gegenwart und Zukunft der Revolution bedroht.
Es ist wichtig herauszustreichen, dass ein Individuum allein, wie gut auch seine Intentionen sein mögen, und wie viele Dekrete es auch ausstellt, eine Revolution nicht Richtung Sozialismus führen kann. Was notwendig ist, ist dass die ArbeiterInnenklasse in Aktion tritt, nur die bewusste Aktion des Proletariats, das nach der Führung im revolutionären Prozess streben muss, und anfängt die Gesellschaft auf einer neuen Basis zu organisieren bietet die Möglichkeit des Sozialismus. Wenn das nicht passiert, wird jede noch so progressive Maßnahme wieder umkehrbar sein. Ein deutliches Beispiel dafür ist was aus dem ersten Anlauf der Enteignungen und der Einführung der Cohestion 2005/2006 geworden ist.
Dadurch dass die Führung der UNT passiv blieb, als im Juli 2005 Präsident Chavez dazu aufrief die Unternehmen zu besetzen, und weiter passiv blieb als die Ministerin des MILCO diesen Aufruf im Oktober auf dem lateinamerikansichen Treffen der besetzten Betriebe wiederholte, blieb die Bewegung für die Enteignungen und die Cohestion komplett isoliert. Damit gelang es der staatlichen Bürokratie, die wie Lenin es ausdrückte, über tausend und eine sichtbare und unsichtbare Fäden mit der Bourgeoisie verbunden ist, den gesamten Prozess in sein Gegenteil zu verwandeln. In Invepal traten eine Reihe von Konflikten zwischen der staatlichen Bürokratie und der Belegschaft auf, die mit einer Regierungsintervention und dem Ende der ArbeiterInnenkontrolle zu Beginn des Jahres 2006 endete. So kam es, dass das einzige enteignete und unter ArbeiterInnenkontrolle produzierende Unternehmen Ende 2006 die Inveval war – und dies war nur der Ausdauer der ArbeiterInnen geschuldet, die über ein Jahr warten mussten bis sie nach der Enteignung endlich die Produktion starten konnten. Demgegenüber standen einmal mehr, 1000 und eine bürokratische Fallen die den Betrieb des Unternehmens paralysierten, die Produktion, die ArbeiterInnenkontrolle und beides zusammen. Für diesen Zustand verantwortlich ist allein die in die V. Republik hinübergerettete Bürokratie der IV. Republik, sowie jene die im revolutionären Prozess selbst geboren wurde. Die Initiative der Enteignungen und der Mitbestimmung von Chavez, zerbrach im und am Staatsapparat und kehrte sich in sein Gegenteil um.
Auf Basis der Aktionseinheit der ArbeiterInnenklasse zur Enteignung der Kapitalisten ist die Wiedervereinigung der UNT möglich. Schaffen wir nicht ein, sondern hunderte und tausende Sanatarios Maracay!
Jetzt im Jahr 2007 ist die venezolanische Revolution in eine nicht verbesserbare Situation eingetreten, in der die verschiedenen Sektoren der UNT aus ihren Fehler der letzten zwei Jahren die Konsequenzen ziehen und es nun verstehen das gesamte Potential der Klasse Richtung der sozialistischen Revolution zu kanalisieren. Das heißt den Kampf auf die Enteignung der Kapitalisten, der Zerstörung des bürgerlichen Staatsapparates und die Ersetzung desselben durch eine neue Staatlichkeit, an deren Spitze die Arbeiterklasse steht. Die zentrale Aufgabe der UNT besteht heute darin, die Bewegung der Betriebsbesetzungen und Produktion unter ArbeiterInnkontrolle auszuweiten. Wie die Demonstration am vergangenen 8. Februar gezeigt hat, existiert die Stimmung in der ArbeiterInnenklasse für eine solche Kampagne, und auch in der Regierung, die den Arbeitsminister auf die Demo schickte. Welche Regierung auf der Welt schickt einen Minister auf eine Demonstration um sich dort für Betriebsbesetzungen und Enteignungen auszusprechen? Es fehlt weder die Lust noch die Courage der Arbeiterklasse in diesen Kampf zu ziehen, sondern ein Kampfplan, wie wir die Kapitalisten auf revolutionäre Art und Weise enteignen.
In erster Linie steht das Beispiel der ArbeiterInnen von Sanatarios Maracay, die neben dem Kampf der KollegInnen von CANTV, Sidor, Aeropostal und anderen Belegschaften im Arbeitskonflikt, die die Forderung nach der Nationalisierung aufstellen. Diese KollegInnen dürfen nicht warten bis der Staat ihre Unternehmen enteignet, sie müssen Fabrikkomitees wählen und die Produktion unter ihre Kontrolle bringen. Dies ist der erste Schritt zur Kontrolle und zur Verwaltung des gesamten Unternehmens.
In allen staatlichen und privaten Unternehmen müssen Fabrikkomitees gewählt werden, um die ArbeiterInnenkontrolle über die Produktion zu erreichen!
Die UNT müsste nun eine nationale Kampagne starten, die das Ziel verfolgt in allen, sowohl staatlichen als privaten Betrieben die ArbeiterInnenkontrolle über die Produktion zu erreichen. Bezüglich der Rolle dieser Komitees herrscht in verschiedenen Teilen der UNT Unklarheit, da man eine Beschneidung der Rolle der Gewerkschaften fürchtet. Diese Zweifel sind unangebracht. Eine Frage an diese KollegInnen: Ist es nicht so, dass das in der Belegschaftsversammlung gewählte Fabrikkomitee in Sanatarios Maracay die Gewerkschaft im Betrieb gestärkt hat? Die Frage lautet eindeutig ja. Zwischen der gewerkschaftlichen Organisation und dem Fabrikkomitee gibt es kein Widerspruch, sondern sie stärken sich gegenseitig, das ist die konkrete Erfahrung von Sanatarios.
Die Debatte über die Wahlen in der UNT hat die ArbeiterInnenbewegung gelähmt
Sie lenkt von den konkreten Aufgaben der Klasse in der Revolution ab. Die Demonstration vom 8. Februar zeigt, dass die Einheit der UNT möglich ist: zwei Strömungen die sich Monaten gegenüberstanden, die CCURA und die FBT marschierten gemeinsam durch Caracas um gemeinsam für die Verstaatlichung von Sanatarios, CANTV, Sidor und andere Betriebe zu kämpfen. Die CMR betont seit über einem Jahr, dass auf Basis einer Aktionseinheit im Kampf die Einheit der UNT wiederhergestellt werden kann. Dieser Weg muss nun weiter beschritten werden.
Für eine nationale Betriebsbesetzungskampagne!
Für die CMR steht es außer Frage, dass es nun eine massive Offensive der Betriebsbesetzungen in ganz Venezuela geben muss. Wir schlagen vor, dass sich dies in eine nationale Kampagne von synchronisierten Besetzungen konkretisieren kann und muss. Um diese Offensive der Klasse vorzubereiten stehen wir für die Abhaltung eines außerordentlichen Kongresses der UNT zu den zentralen Themen Sozialismus, Betriebsbesetzungen und ArbeiterInnenkontrolle. Alle Sektoren der UNT sind aufgerufen an dieser Konferenz teilzunehmen, und diesen Aktionsplan mitzugestalten. Diese Konferenz soll eine provisorische Koordination dieses Kampfes wählen. Wenn wir in der Aktion die Einheit der Klasse wiederherstellen, entstehen innerhalb von Monaten die Bedingungen in denen Wahlen in der UNT abgehalten werden können, und zwar auf Basis einer Führung die sich im Kampf bewiesen hat: eine Führung die auch das Recht hat sich als solche zu bezeichnen, da sie einen enormen Schritt Richtung Sozialismus unternommen hat.
Die Wahrnehmung dieser Möglichkeit liegt in den Händen der aktuellen FüherInnen der UNT. Sie entscheiden, ob sie die Fehler der letzten zwei Jahre immer und immer wieder wiederholen wollen, oder ob sie aus dem Jahr 2007 das Jahr der sozialistischen Revolution, mit der ArbeiterInnenklasse an der Spitze machen. Wenn es nun in diese Richtung gehen soll, dann war der 8. Februar der Eintritt in ein historisches Jahr.