Wir veröffentlichen hier einen Artikel eines Genossen, der von seiner Sektionskonferenz berichtet. Rund um die Frage der Großen Koalition kam es dabei zu einer äußerst spannenden Diskussion. Der Bericht bietet – so glauben wir – einen guten Einblick in die Stimmungslage an der SPÖ-Basis.
Gestern fand unsere jährliche Sektionskonferenz statt. Das politische Referat drehte sich um das Thema „SP/VP-Koalition – wird das was?“ und wurde von unserem Nationalratsabgeordneten gehalten.
Das Referat hatte vor allem die Aufgabe die SektionsmitarbeiterInnen nach den Aufregungen der letzten Wochen wieder zu beruhigen und für die tägliche Parteiarbeit zu motivieren. Genosse Referent begann seine Ausführungen mit einem Vergleich. Die Große Koalition sei wie eine Ehe, wo es zwischen Mann und Frau unterschiedliche Interessen gibt und die Kinder dann die Performance von Vater und Mutter beurteilen würden und sich beim nächsten Mal auf die eine oder die andere Seite schlagen würden, je nachdem wer eher ihre Interessen vertreten hat. Zur Großen Koalition gab es keine Alternative, sonst wäre wieder Schwarz-Blau-Orange gekommen.
Genosse Referent blieb bei seiner bildhaften Sprache und verglich das Regierungsprogramm mit einem Bauplan für ein Haus, das man bei der Gemeinde einreicht, der dann aber im Zuge des Bauvorhabens immer verändert und den konkreten Bedürfnissen angepasst wird. So sei es auch mit der Koalition, und wenn die SPÖ im Regierungsabkommen nicht alles zur vollsten Zufriedenheit ausverhandelt hat, dann gibt es jetzt noch immer eine Chance und man müsse jetzt Druck machen.
Zum Abschluss meinte er noch, dass wir eh nicht so schlecht auf dem Weg sind, weil es z.B. gelungen ist, durch Genossen Buchingers Friseuraktion über Tage die Medienberichterstattung zu dominieren.
Solange die Wirtschaft weiter gut läuft und die Koalition 4 Jahre hält, kann die Sozialdemokratie ihre Vorhaben sicher noch umsetzen. Er zeigte sich jedenfalls optimistisch, dass „das schon was wird“. Außerdem sollen wir uns (zumindest heimlich) freuen, dass die Schüssels, Grassers, Rauch-Kallats weg sind und sich nichts mehr verschlechtern wird.
Genosse Nationalratsabgeordneter ist bei uns in der Sektion ein Lokalmatador. Er weiß, die komplexen Fragen der hohen Politik auch für die „kleinen Leut“ leicht verständlich darzulegen. Normalerweise kann er sich sicher sein, dass sein Referat auf volle Zustimmung stößt und man nachher bei einem Achterl Wein den Sektionsabend gemütlich ausklingen lässt.
Gestern war das aber anders. Zuerst meldete sich eine Genossin, die in der Altenbetreuung arbeitet, und regte sich über den Minister Bartensteins Pflegemodell (14 Tage durcharbeiten, 1 Tag frei, miserable Entlohnung) auf. So ein Modell dürfe die SPÖ auf keinen Fall mitunterstützen.
Ein anderer Genosse kritisierte dann das Modell bei den Studiengebühren und dass Gusenbauer nicht die betroffenen Jugendorganisationen einbezogen hat. Ein anderer Genosse stieß nach und kritisierte Gusenbauers Aussage von den „gewaltbereiten Demonstranten“ in bezug auf die SJ. Auch die Aussage von „Straches Jugendtorheiten“ wurde abgelehnt.
Dann meldete sich ein jüngerer Genosse, der auf das Referat von Genossen Nationalratsabgeordneten ein. Es stimmt, dass am Bauplan bereits herumgewerkt wird, dass „neue Zwischenwände gemauert werden und neue Fenster geplant würden“. So das Pflegemodell von Bartenstein, oder der Vorschlag einer möglichen Privatisierung des Güterbereichs der ÖBB. Aber nicht nur die ÖVP bringt Vorschläge zu weiteren Verschlechterungen. Auch Erwin Buchinger mischt mit und denkt laut darüber nach, dass man in Zukunft auch über 65 arbeiten muss. Jedenfalls provoziert die ÖVP ständig. Sie mauert bei allen Vorschlägen der SPÖ und geht selbst in die Offensive. Hinter den Kulissen bastelt sie weiter an einer Alternative zur Großen Koalition und will nur die SPÖ diskreditieren. Der Vergleich mit der Ehe hinke, weil im Gegensatz zur Ehe, an deren Anfang zumindest meistens Liebe und gemeinsame Interessen stehen, es hier völlig unterschiedliche Interessen gibt. Die ÖVP wird, auch wenn Grasser weg ist, von den Interessen der Wirtschaft bestimmt. Mit denen kann es keine Gemeinsamkeiten geben.
Ein älterer Genosse warf daraufhin ein, dass das zwar alles stimme. Aber was sei die Alternative?
Darauf meldete sich ein älterer Arbeiter zu Wort und warf die Frage auf, warum man es nicht mit einer Minderheitsregierung versucht habe. Rund um diese Frage gab es dann eine sehr emotionale Diskussion, wo die Mehrheit ihre Vorliebe für eine Minderheitsregierung zum Ausdruck brachte.
Bei der Abschlussrunde versuchte Genosse Nationalratsabgeordneter noch einmal zu beruhigen. Man müsse den Unmut verstehen. Er lehne auch das Modell bei den Studiengebühren ab, aber jetzt muss man schauen, dass man das Beste rausholt. Seine Argumente waren aber äußerst defensiv und es war klar, dass er mit seinen Ausführungen keine Begeisterung für die Linie der Parteiführung auslösen konnte.
Nach dem offiziellen Ende gingen die Diskussionen über die Regierung und die Aufgaben der SPÖ weiter. Viele GenossInnen sehen derzeit leider keine Alternative zur Großen Koalition. Aber sie haben verstanden, dass man mit den Schwarzen keine Politik für die arbeitenden Menschen machen kann. Sie wissen, dass die SPÖ gewählt wurde, damit sie eine politische Wende bringt. In einer Großen Koalition ist das aber unmöglich.