Nach wochenlangen Diffamierungen ist der verhinderten Nationalratsabgeordneten und SPÖ-OÖ Frauenvorsitzenden Sonja Ablinger der Geduldsfaden gerissen. Sie legt ihren Vorsitz zurück und kündigt eine Rede am Bundesparteitag an.
Menschlich ist dieser Schritt nachvollziehbar. In der SPÖ gilt Null-Toleranz gegenüber KritikerInnen. Diese politische Kultur ist das notwenige Fundament des nationalen Schulterschlusses. Der Kern dieser Politik ist österreichisches Kapital und Reiche schadlos durch die Krise zu bringen. Dies heißt, dass alle Krisenlasten in Form von Arbeitslosigkeit, Steuerbelastung und Sparmaßnahmen auf die Lohnabhängigen abgewälzt werden. Diese Konstellation gilt als „unideologisch“ , „realistisch“ und „alternativlos“. Wer das anders sieht steht im Weg.
Aus der Warte jener, die sich bemühen eine politische Alternative zur SPÖ-Führung zu formulieren, kommt dieser Schritt jedoch zur Unzeit und schwächt jedenfalls die Linke innerhalb und außerhalb der SPÖ. Eine gesellschaftlich tragfähige linke Alternative zum System Faymann kann nur aktionsfähig werden, wenn sie die Auseinandersetzung mit den bürokratischen Apparaten sucht und besteht. Der jetzige Rückzug ist politisch unverständlich, da mit der Mehrheitsentscheidung der SPÖ-OÖ Frauen das Partei-Schiedsgericht anzurufen die Basis dafür geschaffen wurde die Parteiführung offen herauszufordern. Doch statt diesen Vertrauensbeweis ins Feld zu führen, folgt nun ein Abschied auf Raten. Die Mitkämpferinnen in der Frauenorganisation werden „geregelt übergeben“. Die Aussage Ablingers, dass sie „weiter Sozialdemokratin und Feministin“ bleibt, ist daher im doppelten Sinn richtig. Will sie damit sagen, dass niemand sie von ihren Überzeugungen abbringen kann, muss man darunter auch verstehen, dass sie nicht gewillt ist mit der Kultur der Partei zu brechen: Mehrheiten hin oder her, letztendlich lässt sie zu, dass der Parteiapparat seine Eigeninteressen durchsetzt.
Damit steht sie nicht alleine da. Die damalige ÖH-Vorsitzende Barbara Blaha tat es ihr 2007 gleich. Sie protestierte gegen die Studiengebühren indem sie aus der SPÖ austrat. Historisch können wir dieselben Fluchtbewegungen bei Ernst Fischer (SDAPÖ-Parteitag 1933) und Friedrich Adler 1918/1919 festmachen.
Die aktuelle politische Legitimation einer solchen Desertation liegt in einer reformistischen Interpretation Gramscis. Hier wird die Frage der organisierenden Kraft – durch die, und nur durch die politische und soziale Eroberungen und Rückzüge gemeistert werden können – durch abstrakte, passitivitätsgenerierende und unhistorisch begriffene Schlagwörter wie „organische Intellektuelle“ und „politisches Symbolkapital“ ersetzt. Ein politischer Überbau, der handfeste materielle (Eigen-)Interessen verfolgt – und dies ist der bürokratische Apparat der Arbeiterbewegung zweifellos – kann nicht durch de intellektuelle Strahlkraft einer oder mehrerer lose vernetzter Oppositioneller ernsthaft herausgefordert werden. Will man eine Kursänderung, muss man sich auch trauen ins Ruder zu greifen, um den Kurs zu ändern. Nur wenn man diesen Anspruch erhebt, und an die soziale Basis der Arbeiterbewegung appelliert, kann man dauernde Aufmerksamkeit, Sympathie und Aktivität hervorrufen.
Insofern wollen wir auch Sonja Ablinger gern glauben, dass sie weiter für ihre Ideen einsteht – allein es wir würden die Unwahrheit sagen, wenn wir nicht ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Position der Linken durch ihren freiwilligen Rückzug geschwächt – die Position des neoliberalen SPÖ-Parteiregimes jedoch stabilisiert wurde.
Ein wichtiger Akteur der Linken ist die Sozialistische Jugend. Am Tiroler Landesparteitag wurde durch die SJ ein Antrag eingebracht, der die Beendigung der Koalition fordert, falls nicht einige progressive Schritte gesetzt werden (Vermögens-, Schenkungs-, Erbschaftssteuer, ein nicht näher beschriebene Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen…). Die Problematik der Großen Koalition besteht jedoch nicht primär in der Frage der Steuerpolitik, in der Vizekanzler Mitterlehner ohnedies ein „Entgegenkommen“ angekündigt. Hier könnte sich ein fauler Kompromiss abzeichnen, mit dem Faymann gemäß dem Motto „in einer Koalition kann sich niemand zu 100% durchsetzen“ seinen KritikerInnen den Wind aus den Segeln nehmen kann. Die prinzipielle Marschrichtung der Großen Koalition – die Abwälzung der Krisenlasten auf die Lohnabhängigen bei gleichzeitiger Schadloshaltung der Vermögenden bei einer gleichzeitigen systematischen Offensive der Bürgerlichen in den Betrieben, die die Arbeitsbedingungen und Löhne verschlechtern – wird durch den Antrag nicht bekämpft.
Demgegenüber hat die Sozialistische Jugend Vorarlberg am dortigen Parteitag den Antrag gestellt, die Koalition ohne Wenn und Aber aufzulösen. Dies würde der ArbeiterInnenbewegung die Gelegenheit geben, den dringend notwendigen Widerstand gegen die bürgerliche Offensive ausgehend von den Betrieben, Schulen und Universitäten gezielter zu organisieren, anstatt durch die SPÖ selbst an dieser Offensive gegen den Lebensstandard beteiligt zu sein. Durch die Chaotisierung der Abstimmung durch das Tagespräsidium (das im Vornehinein eine Rücknahme des Antrages wollte) wurde der Antrag nicht angenommen, obwohl diese Frage den Saal in wahrnehmbare zwei ähnlich große Lager spaltete.
Was ist das, die SPÖ?
Die SPÖ ist eine neoliberale ArbeiterInnenpartei. Diesen widersprüchlichen Charakter der Sozialdemokratie gilt es konkret zu benennen. Wir haben es mit einer Partei zu tun, die vor rund 100 Jahren zu einer systemerhaltenden bürgerlichen Kraft wurde, und eng mit dem herrschenden Staatsapparat und dem Kapital verbunden ist. Aktuell ist die Sozialdemokratie die Erscheinungsform eines Reformismus, der keinen Spielraum für Reformen mehr vorfindet.
Der Parteiapparat und die Funktionäre werden zunehmend nicht mehr aus der sozialen Basis der Partei rekrutiert. Die Löwelstraße setzt auf „professionelle“ Universitätsabgänger, „Einsteigerinnen“ und andere Berufspolitiker und Abenteurerinnen.
Mit der höchsten Parteienförderung in der demokratischen Welt hat sich die gesamte Politwelt von der materiellen Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Basis befreit. Politische Parteien haben sich so zu Marketing-Abteilungen des Staatsapparates gemacht. Daher darf man es ich nicht wundern, dass Faymann aus seinem Team heraus nicht kritisiert wird. Solange die Sozialdemokratie noch stark genug ist einen proportionalen Anteil am gesellschaftlichen Reichtum mit zu naschen (also in der Regierung und den dort verteilten materiellen Ressourcen zu sein) wird hier Ruhe herrschen.
Die Parteilinke muss sich im Klaren darüber sein, dass die Partei sich aus sich selbst heraus nicht reformieren kann. Jene die bereits mit der SPÖ abgeschlossen haben, müssen verstehen, dass ohne die offen geführte politische Auseinandersetzung in der Sozialdemokratie keine tragfähige Linke entstehen kann. Es gilt Positionen zu beziehen und dafür ohne taktische Hintergedanken mit offenem Visier zu kämpfen.