Die Regierung und die Institutionen der Republik machen den Banken die Mauer. Die SteuerzahlerInnen können momentan nur auf einzelne Abgeordnete und zwitschernde Vögelchen zählen.
Das Ausmaß der Zornwolke auf Banken und Politik ist so groß, als dass sie alle aufgezogenen Isolierschichten durchdringt. Nur noch das Raika-Zentralorgan „Kurier“ und ein Bauernbündler im Parlament trauten sich dieser Tage ein Ende der öffentlichen Debatte zu fordern. Andere Zeitungen müssen, gezwungen und gedrängt von der gekippten Stimmungslage im Land, zumindest im engen Rahmen eine Debatte zulassen.
Befeuert wird diese durch unvorhergesehen veröffentlichtes Material aus der Nationalbank. In einem Mailverkehr, der im Dezember 2008 zwischen Top-Bankern der Bankenaufsicht in der OeNB erfolgte, wird nachvollziehbar, wie man sich zwischen zwei Mühlsteinen fühlen muss: Von oben der politische Wille, die Hypo-Investoren mit Steuergeld herauszuschlagen, von unten die sachlich festgestellte Unmöglichkeit desselben.
Man kann aus dem Mailverkehr herauslesen, dass ein Teil der Bankenaufsicht Angst hatte sich „lächerlich“ zu machen und Schaden für den Steuerzahler befürchtete, falls sie der Hypo Alpe Adria (HGAA) attestiert, fit genug für eine staatliche Kapitalspritze zu sein. Diese prinzipielle Fitness war nämlich die von der EU geforderte Grundvoraussetzung für das staatliche Bankenrettungspaket, das zwei Monate zuvor vom österreichischen Parlament einstimmig beschlossen wurde.
Der Kontaktierte antwortete, dass die Zeit für eine differenzierte Betrachtung der Banken noch nicht reif sei, woraufhin sich wieder Kollege A meldet, auf einer differenzierenden Analyse der Bankenlandschaft beharrt und einen Ausweg aus dem Dilemma offenbart: Wie wäre es, wenn wir nur den Prüfbericht abliefern, und die heikle, gesetzesrelevante Einstufung in „sound“ oder „stressed“ dem Finanzministerium überlassen? Kollege B stimmt dem „grundsätzlich“ zu, gibt aber zu bedenken, dass der Vize-Gouverneur der OeNB Andreas Ittner in diesen Plan einsteigen müsse. Er liefert dann eine Schlüsselaussage zur Lage der staatlichen Kontrollorgane: „Wenn sich die bank in den unterlagen selbst als sound bezeichnet (zinssatz in planrechnung) und wir das plausibilisieren sollen, wird uns wohl nichts anderes uebrig bleiben“ (sic) Kollege A antwortet darauf, dass man davon ausgehen muss, dass auf die Bankenstützung in ein paar Jahren Untersuchungsausschüsse oder Gerichtsprozesse folgen könnten und daher die HGAA keinesfalls als „sound“ bezeichnet werden dürfe. Etwas willkürlich bringt er zum Abschluss gleichzeitig die Abteilung Finanzmarktaufsicht ins Spiel. Aus seiner Perspektive habe diese seit ihrem Bestehen schlecht, nämlich „marktverstärkend“ agiert, zu euphorisch im Boom, zu pessimistisch in der Krise. Es klingt wie eine Aufforderung einen dritten Schuldigen für das ganze Schlamassel jahrelanger Willfährigkeit zu benennen.
Hier bricht der an die Öffentlichkeit gelangte Schriftverkehr ab, aber wir kennen den Ausgang: wenige Tage oder Stunden später muss es gewesen sein, als in der obersten Etage der Nationalbank, der Begriff „not distressed“ kreiert wurde, und schon fürs Jahr 2009 satte Gewinne in Aussicht gestellt wurden. Womit grünes Licht für den rechtlich nicht (oder sehr schwach) gedeckten Einstieg in das Steuergelddesaster gegeben wurde.
Klarheiten …
Seit Lenin gehört es zum allgemeinen Verständnis, dass im Kapitalismus moderner Prägung Staat und Kapital eine Fusion eingegangen sind, in dem die staatlichen Organe zu einem direkten Hilfsmittel des Finanzkapitals werden.
Es kommt jedoch nicht allzu oft vor, dass dieser Umstand der Öffentlichkeit schwarz auf weiß zugänglich gemacht wird. Es ist weiters bemerkenswert, dass hier scheinbar wider besseres Wissen und entgegen den auch in der OeNB rechtsverbindlichen Kriterien der EU gehandelt wurde. Wir halten fest: In der Krise sind sogar die vom Kapital geschaffenen Institutionen und Regeln zu eng, um die spezifischen Interessen einzelner Kapitalgruppen und der damit verbundenen politischen Abteilungen zu schützen.
In der OeNB jedoch ist der in diesem Land übliche realpolitische Usus – das Umgehen von verbindlichen Regeln für die Gleicheren unter den Gleichen – ein juristisch relevanter Umstand, der nun einige Herren unruhig schlafen lässt. Denn eines ist nun klar: Diese Situation verlangt Bauernopfer. Doch soll dabei getrachtet werden, dass das vorherrschende Kartell aus Banken und Politik nicht aus den Fugen gerät. Und so fühlen sich seit dem Leaking aus der OeNB einige Herren gezwungen, Stellungnahmen abzugeben, die ihre Unschuld beweisen sollen. Dabei wird offenbar immer weniger Rücksicht auf langjährige Komplizenschaft und Freundschaften genommen. Der amtierende Gouverneur der OeNB Ewald Nowotny etwa benennt die vor einem Jahr im Finanzministerium eingerichtete „Taskforce Hypo“ als schuldig. Ex-Gouverneur, Hypo-Aufsichtsratsvorsitzender und Taskforce-Chef Liebscher wiederum will sich das nicht umhängen lassen und sieht das Problem bei der „Politik“. Die Politik, in Person von Finanzminister Michael Spindlegger, reagiert am 21. Feber ihrerseits darauf, dass nun neue, noch unabhängigere Experten engagiert werden, um die Vorschläge der unabhängigen Taskforce unabhängig zu prüfen….
Das Hypo-Problem wurde schon nach 2008 jahrelang herumgereicht, in der Hoffnung, dass die Zeit und regelmäßig – unter der Aufmerksamkeitsschwelle der Öffentlichkeit – überwiesene Steuergelder wunderbarerweise alle Wunden heilen. Das Ganze wäre wahrscheinlich – im Sinne der Bankenlandschaft samt politischem Anhang – sogar gut gegangen, wenn nicht die entstehende europäische Bankenaufsicht (deren Interessenslage anders gelagert ist als jene in Österreich) in der ständigen stillen Subventionierung der Hypo Alpe Adria eine Wettbewerbsverzerrung gesehen hätte. So wurde dem notverstaatlichten Institut im Frühjahr 2013 eine Frist gesetzt, die nun abläuft. Die Vermutung, dass man jedenfalls die Nationalratswahlen und die Bildung einer Regierung des nationalen Schulterschlusses abwarten wollte, liegt nahe.
Interessant ist auch, dass der Grüne Parlamentarier Werner Kogler das Mail zugespielt bekam. Man kann annehmen, dass der Absender eine glaubwürdige Instanz gesucht hat, die nicht im Banken-Kartell drinsteckt. Kogler hat das dadurch bewiesen, dass er bereits in der Vergangenheit die Verbindungen von Raiffeisen und staatlichen Institutionen dokumentierte und zum Inhalt von Anfragen machte.
…und Unklarheiten
Soweit lässt sich das Leaking nun nachvollziehen. Es wäre interessant zu wissen, warum der besprochene Mailverkehr nun an die Öffentlichkeit gelangt ist. Eine Möglichkeit wäre es, dass in der OeNB die lustige Reise nach Jerusalem schon begonnen hat, und hier jemand zu einem Befreiungsschlag ansetzte. Es könnte aber auch sein, dass ehrliche SachbearbeiterInnen die Nase voll davon haben, in der Öffentlichkeit als unfähige, überbezahlte und mit Pensionsprivilegien ausgestatte Faulenzer dargestellt zu werden. Vielleicht hat jemand genug davon, sich von selbstherrlichen, mit politischem Backing ausgestatteten Bankern permanent herablassend behandeln zu lassen. Vielleicht arbeitet hier jemand an der eigenen Karriere, vielleicht wird hier ein Match zwischen ungleichbehandelten Instituten ausgefochten. Wir können es nicht wissen, und hoffen auf mehr Informationen.
Was wir nun aber wissen, ist, dass die Sache zum Himmel stinkt und dass die öffentliche Vermutung stimmt: Hier agiert ein Kartell, hier agiert eine Verschwörung von Banken und ihren politischen Abteilungen, die sich entschieden haben, dass die Verluste der Investoren auf Biegen und Brechen dem Steuerzahler umgehängt werden.
Schluss mit den Lügen!
Das mantraartig wiederholte „Wir schützen Kärnten!“ ist eine schlichte Polit-Lüge, die jeder Rechtsgrundlage entbehrt. Die Kärntner Landeshaftungen würden erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens schlagend, sprich in vielen Jahren, unter Abzug der Resteverwertung und mit unklarem rechtlichem Ausgang.
Obwohl durch die Notverstaatlichung der Hypo Alpe Adria die Rechtsposition der Republik verschlechtert wurde, ist die politische Darstellung, dass sofort 13 Mrd. an Haftungen schlagend würden, also schlichtweg gelogen. Tatsächlich ist die Republik (politischer Wille vorausgesetzt) sogar in einer sehr guten Rechtsposition gegenüber den Haftungsnehmern.
Der renommierte Wirtschaftsjournalist Urschitz verortet die schützenswerten Interessen ganz wo anders: „Große Verlierer wären allerdings heimische und internationale Banken. Denn die Hypo schuldet nicht nur Anleihegläubigern einen zweistelligen Milliardenbetrag, in der Bilanz stehen auch noch rund fünf Milliarden Euro an ‚Verbindlichkeiten gegenüber Finanzinstituten’. Das ist wohl der Hauptgrund, warum die Regierung so darauf drängt, dass die Steuerzahler die gesamte Rechnung im Rahmen einer Anstaltslösung übernehmen.“ (Die Presse – Wo unsere Hypo-Milliarden hinfliessen)
Wenn Werner Faymann im Parlament damit wirbt, dass es niemanden im Land gäbe, der nicht von der Stabilität profitiere, und die ÖVP-Sprecher gleich jede Debatte wegen potentieller Schäden für den Standort ablehnen, dann ist dies nichts anderes als der Ruf nach der Unterordnung aller Lebensentwürfe unter die Profitinteressen der führenden Finanzinstitute im Land.
Wer profitiert?
In dieser Situation dürfen wir nicht vergessen, dass das führende Finanzinstitut und größter industrieller Arbeitergeber im Land der Raiffeisen-Komplex ist. Dieser Konzern lebt seit 2008 nur aufgrund von stimmrechtslosem, staatlichem Partizipationskapital in der Höhe von 1,75 Mrd. €. Der Konzern ist in der Ukraine, in Ungarn und den Balkanstaaten stark involviert und leidet dort unter großen Kreditausfällen (19 % in Ungarn, 30 % in der Ukraine) und immer ungemütlicheren politischen Rahmenbedingungen in dieser Region. Wenn man so will: Nach jahrelanger Offensive ist der Konzern heute schwer unter Druck und wäre ohne Staatshilfe längst wieder dort, wo er auch herkommt – in der bäuerlichen Dorf-Unterliga.
Im Heimatland Österreich jedoch ist der Konzern politisch stark vertreten. Wir haben in früheren Artikel bereits darauf hingewiesen, dass an zentralen Schaltstellen von staatlichen Institutionen, Gesetzgebung und Aufsicht eine personelle Symbiose zwischen der Bank, Politik und staatlichen Organen herrscht. Wir wissen auch, dass der Raika-Sektor über zahlreiche Kanäle eng mit der Hypo verknüpft ist. Die Vermutung, dass die Art und Weise der Hypo-Abwicklung nicht zuletzt von den spezifischen Interessen dieser Bank geleitet wird, ist naheliegend.
Untersuchungsausschuss?
Die Opposition zur anvisierten Hypo-Lösung verlangt insbesondere eine politische Klärung der Vorgänge und eine Benennung der Schuldigen. Die rechte Opposition (FPÖ, TS, NEOS) ist insbesondere an den Vorgängen seit der Notverstaatlichung 2009 („die Bank ist gerettet“, Ewald Nowotny) interessiert. Ausgeblendet werden soll die Frage, wie es überhaupt dazu kam, dass die Hypo mit Allparteien-Unterstützung in Österreich am Balkan eine Symbiose mit mafiösen Strukturen und Kriegsprofiteuren einging. Auf diesem Auge sind wohl alle österreichischen Parteien blind, und hier nur nebenbei bemerkt: Es war eben die Kriegsmafia, die die Etablierung des Kapitalismus im ehemaligen Jugoslawien betrieben hat. In der Hypo fanden diese Raubritter den idealtypischen Finanzier. Ein besonderes innenpolitisches Interesse muss weiters die FPÖ haben, dass die Machenschaften der Hypo vor 2009 unter Verschluss bleiben. Das System Haider wäre ohne die neoliberale Spekulationsorgie und Selbstbereicherung der Wörthersee-Kapitalisten rund um die Hypo schlicht nicht denkbar gewesen.
Pointiert formuliert: Selbst wenn es einmal einen ordentlichen Untersuchungsausschuss in Österreich geben sollte (der Autor hat einen solchen noch nie gesehen), ist ein solcher aufgrund der politisch repräsentierten Ideen im Nationalrat bestenfalls nur dazu geeignet den Kreis der Sündenböcke zu erweitern.
Eine weitere umstrittene Frage ist, wann der Ausschuss eingerichtet werden soll. Insbesondere aus der SPÖ mehren sich die Stimmen, dass es einen solchen nach erfolgter Übernahme der Bank im Herbst geben solle.
Die Oppositionsparteien würden dieser Vorgangsweise zustimmen. Diese Vorgangsweise halten wir jedoch für eine Augenauswischerei. Ein Parlament das sich darauf beschränkt, die Geschichte aufzuarbeiten, anstatt sie zu gestalten, ist eine lächerliche Institution.
Lasst die Hypo pleite gehen!
Unserer Meinung nach muss das Parlament nun sofort agieren und die Übernahme der Zahlungsverpflichtungen durch die SteuerzahlerInnen verhindern! Lasst die Hypo pleite gehen, und kompensiert nur jene SparerInnen und KleinanlegerInnen (die etwa über private Pensionsversicherungen Ansprüche haben), die sozial bedürftig sind.
Kommen andere Banken ins Straucheln, müssen diese verstaatlicht werden. In ihren Büchern und Beteiligungen gibt es genug Werte zur Kompensation der KleinanlegerInnen.
Schlussendlich werden im Zuge des Hypo-Debakels die Lebensperspektiven von Millionen Menschen in diesem Land massiv beeinträchtigt, weil Budgetmittel, die dringend für Bildung, Gesundheit oder eine Lohnsteuerreform benötigt würden, dem Finanzkapital zugeschoben werden. Parlamentarische Kontrollberichte können daran nichts ändern. Die entscheidende Frage lautet: Geht nun das Geld an die Hypo-Anleger oder in eine Lohnsteuerreform? Das wird in den kommenden vier Wochen entschieden.
Abgeordnete, die ernsthaft um die Stimmen der Lohnabhängigen geworben haben, sind aufgefordert sich dem Banken-Kartell zu widersetzen und im Sinne ihrer WählerInnen zu agieren. Bisher war jedoch Daniela Holzinger die einzige aus dem SPÖ-Klub, die sich dem unmittelbaren Interesse der Banken verweigert und für einen Untersuchungsausschuss gestimmt hat. Wir gehen aber davon aus, dass auch die GewerkschafterInnen im Parlament nicht tatenlos zusehen können, wie sich die Lebensperspektiven der KollegInnen in den Betrieben in Genussscheine für Superreiche verwandeln. Eine Gewerkschaftsbewegung, die etwas auf sich hält, würde in der jetzigen Situation die Interessen der Lohnabhängigen massiv artikulieren und auf der Straße demonstrieren.
All jene, die ihr um die Bereicherung durch Steuergelder und die Aufsichtsverletzungen staatlicher Institutionen wisst, leaked eure Aktenvermerke und unterstützt somit alle, die gegen die Vertuschungsversuche der Regierung und für die Sicherung unserer Lebensperspektiven eintreten.
In den kommenden Wochen kann es nur heißen:
Macht uns nicht zu Opfern! Lasst die Hypo-Anleger pleite gehen. Kompensation nur bei Nachweis sozialer Bedürftigkeit.