Am 18. Juli 1936 wurde der Spanische Bürgerkrieg durch einen Putsch unter General Franco gegen die Republik ausgelöst. Doch dieses Datum markiert auch einen entscheidenden Wendepunkt in der Spanischen Revolution von 1931-37. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir eine Schrift des 2006 verstorbenen britischen Marxist Ted Grant über die Ursachen der Niederlage der Revolution.
Vorwort
Auf der Basis von zeitgenössischem Quellenmaterial, insbesondere von Zeitungsberichten stalinistischer und bürgerlicher Medien, zeichnet er die Entwicklungslinien von Revolution und faschistischer Konterrevolution nach. Dabei führt er den LeserInnen die Tragödie der spanischen und internationalen ArbeiterInnenbewegung deutlich vor Augen. Die ArbeiterInnenklasse hatte in diesen Jahren zahlreiche Chancen den Kapitalismus zu überwinden, allein die Führungen der Organisationen der ArbeiterInnenbewegung verstellten diesen Weg, und ebneten damit dem Faschismus den Weg.
Dass sich Ted Grant 1973 erneut diesem Thema annahm, hatte seinen Grund im erneuten Aufschwung des Klassenkampfes. Die Franco-Diktatur schlitterte Anfang der 1970er in eine immer tiefere Krise, die ArbeiterInnenbewegung reorganisierte sich in der Illegalität und suchte nach einer politischen Neuorientierung. Dieser Text war dazu gedacht die neuen Kader der kommenden revolutionären Bewegung in Spanien für marxistische Ideen zu gewinnen und fiel besonders in der illegalen Sozialistischen Jugend auf fruchtbaren Boden.
Dieser nun erstmals in deutscher Sprache vorliegende Text bildete damit den Grundstein der marxistischen Tendenz im Spanien, die heute unter dem Namen “Lucha de Clases” aktiv ist. Vor allem in der im Untergrund agierenden sozialistischen Jugendbewegung stieß dieser Text auf ein großes Echo, was dazu führte, dass viele führende Figuren der ArbeiterInnenbewegung in der sogenannten “transición”, dem Übergang der Franco-Diktatur in eine bürgerliche Demokratie im Jahre 1976, in der marxistischen Strömung aktiv wurden.
Neben den historischen Einblicken ist der Text auch ein Musterbeispiel marxistischer Methodik, die Zahlen und Fakten mit einem kompromisslosen Klassenstandpunkt kombiniert.
Die Spanische Revolution 1931-1937
Spanien steht am Beginn einer sozialen Bewegung, die sich Richtung Revolution entwickeln wird. Das faschistische Regime ist völlig unterhöhlt. Die ArbeiterInnenklasse hat sich von der schrecklichen Niederlage, die ihr durch die Kräfte der Reaktion im Bürgerkrieg beigefügt worden waren, wieder erholt. Die Mittelschichten sind vom Hass gegen die Diktatur erfüllt und betrachten den Kampf der ArbeiterInnen mit Sympathie. Die Bourgeoisie sieht sich mehr und mehr dem Druck der Massen ausgesetzt und sucht nach einem Ausweg aus der Krise.
Der Repressionsapparat der Staatsmacht verfügt über keinerlei Massenunterstützung mehr und ist stark geschwächt. Der faschistische Staat hat sich in einen bonapartistischen Polizeistaat verwandelt, der sich nur noch auf den staatlichen Unterdrückungs- und Repressionsapparat stützen kann. Der Verlust der eigenen Massenbasis bedeutet für dieses Regime den Anfang vom Ende.
Sobald die proletarischen, bäuerlichen und kleinbürgerlichen Massen als nationale Bewegung aufzutreten beginnen, wird auch der Zeitpunkt gekommen sein, wo das Regime zusammenbrechen wird. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann die ArbeiterInnenklasse Vergeltung üben wird. Welches Regime aber wird die Franco-Diktatur ersetzen? Dies ist die zentrale Frage, die das spanische Proletariat, die Sozialistische Partei und die Sozialistische Jugend zu beantworten haben.
Die britischen MarxistInnen wollen hiermit im Sinne der internationalen Solidarität (denn die spanische Revolution ist auch die ihre, wie jede andere Revolution in der Welt) einiges an politischem Material in die Diskussion zur Frage Spaniens einbringen – sowohl in die Diskussion in den eigenen Reihen als auch in die internationale Debatte. Diese Studie über die Revolution von 1931-1937 erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern legt ihren Schwerpunkt auf einige Höhepunkte der spanischen ArbeiterInnenbewegung jener Zeit.
Wenn die spanischen MarxistInnen keine klare Analyse der damaligen Ereignisse haben, werden sie auch nicht fähig sein der künftigen Bewegung eine Orientierung zu geben und ihre Politik im Einklang mit den aktuellen Perspektiven zu entwickeln. Wenn das Proletariat nicht die Lehren aus der Geschichte zu lernen bereit ist, kann ihm in der Zukunft sogar ein noch größeres Debakel drohen.
Marx und Engels haben ihre theoretischen Konzeptionen auf der Basis der Erfahrungen der ArbeiterInnenklasse entwickelt, sie verallgemeinerten die Praxis zu einer Theorie. So wurde die Konzeption der Diktatur des Proletariats von Marx auf der Grundlage der Erfahrungen der Pariser Kommune entwickelt. Lenin und Trotzki haben den Sieg der Oktoberrevolution durch das Studium der Ergebnisse der Pariser Kommune und der Niederlage der Revolution von 1905 vorbereitet. Ohne diese theoretische Vorarbeit wäre 1917 der Sieg der Russischen Revolution unmöglich gewesen. Genauso verhält es sich mit der besiegten Spanischen Revolution, wenn die Lehren nicht gezogen werden, ist es unmöglich den zukünftigen Sieg der sozialistischen Revolution in Spanien vorzubereiten. Die Geschichte Spaniens ist voller Lehren. „Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist dazu verdammt sie zu wiederholen.“
Unsere spanischen GenossInnen müssen sich unter den Bedingungen der Illegalität organisieren. Dies erschwert auch das wissenschaftliche Studium der Geschichte der eigenen revolutionären Traditionen, weil man sich nur unter größten Schwierigkeiten Zugang zu notwendigem Quellenmaterial verschaffen kann. Deshalb sehen wir es auch als unsere Aufgabe politisches Material für diese wichtige Diskussion zur Verfügung zu stellen. Wir sehen es als unsere internationalistische Pflicht gemeinsam mit unseren spanischen GenossInnen die Aufgaben der Arbeiterklasse in der kommenden Revolution zu diskutieren. Dadurch wollen wir einen – wenn auch bescheidenen – Beitrag zur Vorbereitung der sozialistischen Kader in Spanien auf die kommenden Aufgaben leisten. Eine siegreiche Revolution in Spanien wäre ein Sieg für die Arbeiterklasse in ganz Europa und würde das Ende des Kapitalismus in Lateinamerika und Teilen Afrikas einläuten. Die Implikationen der Spanischen Revolution wären weltweit spürbar. Spanien ist heute der Schlüssel zur internationalen Lage. Umso schwerer wiegt auch die Verantwortung der Führung des spanischen Proletariats. Der Schlüssel zu einem Sieg in Spanien liegt im Verständnis der Lehren der Revolution von 1931-1937. Trotzki hat einmal erklärt, dass der Heroismus der spanischen ArbeiterInnen so groß war, dass es in jenen Jahren zehn siegreiche Revolutionen hätte durchführen können. Das Studium der Vergangenheit ist deshalb auch dazu gedacht, die Kader vor einer Wiederholung der Fehler der Vergangenheit zu bewahren.
Spanien ist gegenwärtig noch immer ein rückständiges Land, in dem die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution noch nicht erfüllt sind. Das bürgerlich-feudale Regime verfügt nur über eine sehr schwache ökonomische wie soziale Basis. Im Kolonialkrieg gegen die marokkanische Unabhängigkeitsbewegung von 1921-25 erlitt es eine schwere Niederlage und musste von der Armee des französischen Imperialismus gerettet werden. Dieses wenig ruhmvolle und teure Abenteuer, das das Ausmaß an Korruption und Unfähigkeit des monarchistischen Regimes offen zu Tage treten ließ, ebnete der bonapartistischen Militär- und Polizeidiktatur von Primo de Rivera den Weg. Wie alle bonapartistischen Diktaturen versuchte auch dieses Regime zwischen den Klassen zu balancieren um der herrschenden Klasse die Macht zu sichern. Die CNT, die KP und die anarchistischen Organisationen wurden verboten, die Sozialistische Partei und ihre Gewerkschaft UGT behielten jedoch ihren legalen Status. Caballero, der Führer der UGT, wurde unter der Diktatur sogar Geheimrat.
Mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 wurde die Basis des Regimes weiter unterminiert. In einem Versuch die Monarchie zu retten, entließ der König Primo de Rivera 1930 aus dem Amt. Aber die sich verschärfende Wirtschaftkrise traf Spanien ganz besonders hart. Die Bourgeoisie und der Großgrundbesitz versuchten die Krise auf dem Rücken der ArbeiterInnen und Bauern zu lösen. Der Lebensstandard der ArbeiterInnen war ohnedies bereits sehr niedrig gewesen. Viele litten Hunger. Trotzdem versuchte die herrschende Klasse die Löhne weiter zu kürzen.
Bei den Kommunalwahlen im April 1931 wurden in den Städten und besonders in den Großstädten, mit Ausnahme von Cádiz, überwiegend KandidatInnen der Sozialistischen und der republikanischen Partei gewählt.
Auf dem Land gewannen die Monarchisten unter dem Druck der Aristokratie und der Großgrundbesitzer mit Mitteln des Wahlbetrugs die Mehrheit. Dies spiegelte jedoch nicht die Stimmung unter der Landbevölkerung wider, wie die späteren Ereignisse zeigen sollten. Dieses Wahlergebnis war vielmehr Resultat des Terrors durch die Kaziken.
In den Städten kam es nach Bekanntgabe der Wahlresultate zu Massendemonstrationen der ArbeiterInnen. Spanien befand sich auf dem Weg zur Revolution; die Bewegung war so machtvoll, dass die herrschende Klasse die Monarchie opfern musste. König Alfonso flüchtete überhastet aus dem Land. Die Republik wurde ausgerufen. Die Revolution hatte begonnen. „Eine glorreiche, friedliche Ära der Volksversöhnung“ habe begonnen, so die sozialistischen und republikanischen Spitzen. Nach den Neuwahlen wurde eine Koalitionsregierung bestehend aus der Republikanischen und der Sozialistischen Partei geformt. Diese Koalition war aufgrund der Weltwirtschaftskrise und der Krise des spanischen Kapitalismus und Großgrundbesitzes im Speziellen jedoch unfähig ihre Versprechen einzuhalten. Eine Streikwelle wurde gebrochen und brutal unterdrückt. Versuche der LandarbeiterInnen Land zu besetzen wurden von Polizei und Militär nach dem Motto „Verhinderung illegaler Aktivitäten“ blutig unterdrückt. Als Konsequenz dieser Politik machten sich in der Arbeiterklasse und besonders unter der Landbevölkerung Hoffnungslosigkeit und Apathie breit. Die CNT und die AnarchistInnen reagierten mit einer Serie von isolierten Landbesetzungen und lokalen Aufständen, die jedoch allesamt blutig unterdrückt wurden.
Linksradikalismus
Die Kommunistische Partei verfolgte in dieser Phase dieselbe verrückte Politik wie all ihre Schwesterparteien. Sie denunzierte alle anderen Strömungen der ArbeiterInnenbewegung als „sozialfaschistisch“ und bezeichnete die republikanisch-sozialistische Koalitionsregierung als eine „faschistische Regierung“. Durch diese infantile und linksradikale Politik sorgten sie für zusätzliche Verwirrung und Desorientierung in der ArbeiterInnenbewegung.
Diese Koalition oder “Volksfrontregierung”, wie sie die “Kommunistische” Partei heute nennen würde, scheitere daran auch nur eine Aufgabe der bürgerlich-demokratischen Revolution zu lösen. (Heute hingegen gibt die KP vor mit solch einer Koalition mit Liberalen das gesellschaftliche Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeiterklasse verschieben zu können.)
Unserer Meinung nach herrscht auch heute noch in den Reihen der Sozialistischen Partei in der Frage der „bürgerlich-demokratischen Revolution“ in Spanien noch viel Unklarheit vor. Es ist daher notwendig diese Frage anhand der spanischen Erfahrungen einer kurzen Analyse zu unterziehen. Seit hundert Jahren schon erweist sich das spanische Kapital unfähig zur Durchführung einer erfolgreichen bürgerlichen Revolution.
Die spanische Bourgeoisie war ähnlich der russischen erst sehr spät auf der Bühne der Weltgeschichte in Erscheinung getreten. Zum Zeitpunkt ihrer vollständigen Ausbildung sah sie sich in ihrem Anspruch auf die führende Rolle in der Gesellschaft bereits mit einem starken Proletariat konfrontiert.
Sie ist durch ihre vielen Verbindungen zum Großgrundbesitz und sogar zum Adel gekennzeichnet. Die Banken belehnten den Großgrundbesitz, die Großgrundbesitzer investierten in die Industrie. Die Kirche besaß nicht nur riesige Ländereien sondern war auch eine der größten Kapitaleigentümerinnen. Als Konsequenz konnte die Hauptaufgabe der bürgerlichen Revolution, und zwar die Enteignung der Grundbesitzerklasse, genauso wie in Russland nicht von den Bürgerlichen durchgeführt werden, ohne das eigene kapitalistische System zu unterminieren. Angesichts dieser Situation zogen die RepublikanerInnen, wie einst die Kadetten in Russland, eine Kooperation mit der Reaktion vor.
Wie die folgende Beschreibung der Ereignisse in Spanien zeigen wird, konnten die RepublikanerInnen als politische Repräsentanten des Kapitalismus die Aufgaben der bürgerlichen Revolution nicht lösen.
Lenin und speziell Trotzki hatten dieses Problem einst am Beispiel Russlands, einem Land mit einer sehr ähnlichen Sozialstruktur, analysiert. Sie hatten die russischen ArbeiterInnen mit einer unerschütterlichen und unversöhnlichen Haltung gegenüber den feigen liberalen Repräsentanten des Kapitalismus ausgestattet.
In der bereits 1905 entwickelten Theorie der “permanenten Revolution” erklärte Trotzki, dass die Kapitalisten durch ihre wirtschaftlichen Verstrickungen nicht zu einer Landreform, zur Trennung von Kirche und Staat und zu keinen Maßnahmen zur Schwächung des semifeudalen Staates und der Monarchie bereit seien, sondern immer wieder Kompromisse mit diesen Institutionen schließen müssten. Dies geschah immer auf Kosten der Bauern, BäuerInnen und ArbeiterInnen, wodurch es Letzteren zufällt, die Aufgaben der bürgerlichen Revolution selbst zu lösen. Wenn aber das Proletariat einmal an der Macht ist, die Monarchie abgeschafft und den Bauern Zugang zum Land verschafft hat, wird es dabei nicht halt machen können. Das Proletariat, das mit Unterstützung der Bauernschaft und des Kleinbürgertums die Aufgaben der bürgerlichen Revolution erfüllt, wird nicht einfach freiwillig die Macht wieder hergeben. Es wird sozialistische Maßnahmen setzen, das Kapital enteignen und zu dem Schluss kommen, dass der Sozialismus in einem Land allein unmöglich aufgebaut werden kann. Die in Russland siegreiche Revolution wird daher auf die entwickelten Länder Europas überspringen.
Die Revolution von 1917 in Russland entwickelte sich genau entlang der von Trotzki im Vorhinein gezeichneten theoretischen Linien. Sie sprang dann auf Deutschland, Österreich und Ungarn über und löste auch in Frankreich, Großbritannien und Italien revolutionäre Situationen aus.
Viele Faktoren, die wir hier nicht beleuchten können, führten dazu, dass in keinem dieser Länder die revolutionäre Bewegung mit einem Sieg der ArbeiterInnenklasse endete. Daher blieb die Russische Revolution international isoliert. Dies erst ermöglichte die Reaktion des Stalinismus mit all seinen schrecklichen Folgen für die revolutionären Bewegungen in der ganzen Welt, speziell aber auch in Spanien.
Die republikanisch-sozialistische Koalitionsregierung von 1931-1933 war unfähig die anstehenden Probleme der spanischen Bevölkerung zu lösen, weil es eine Regierung war, die Repräsentanten des Kapitals inkludierte. Die Bauern und Bäuerinnen sahen in Landbesetzungen die einzige Antwort auf den Hunger und ernteten dabei nur die blutige Repression durch die Polizei und die Armee. ArbeiterInnen, die für höhere Löhne streikten, erging es nicht besser. Die Verzweiflung und Enttäuschung der Arbeiter- und Bauernschaft bereitete speziell am Land der Reaktion den Weg.
In der Zeitschrift der Kommunistischen Partei, der “Internationalen Presse-Korrespondenz” (IPC), wurde einerseits die Politik der Volksfront verteidigt, andererseits findet sich auf Seite 94 der Ausgabe vom 1. August 1936 ein Artikel mit dem Titel „Spaniens Geheimnisse“, der nachweist, wie die RepublikanerInnen an den Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution scheiterten.
“Was gibt Dir die Republik zu essen?“ – fragt der Bauer. Dies ist die zentrale Frage in Spanien, wo die Landfrage die Politik beherrscht. Drei von vier SpanierInnen sind BäuerInnen. Extreme Armut prägt ihren Alltag. 1931 besaßen 1,173 Millionen Bauern 6 Millionen Hektar und 105.000 Landbesitzer zwölf Millionen Hektar. Fünf Millionen LandarbeiterInnen besaßen überhaupt nichts.“
“Im Jahr 1873 versprach die Erste Republik den Bauern Land. Die Republik wurde gestürzt, weil sie dieses Versprechen nicht einhielt. 1931 hat die Republik dieses Versprechen wiederholt. Ein entsprechendes Gesetz wurde am 15. September erlassen. Es betraf große Landstriche, die teils mit, teils ohne Entschädigung übernommen werden sollten. … Das feudale wie auch das nicht-feudale Eigentum der Jesuiten sowie das Eigentum der spanischen Granden und der Monarchisten, die den Putsch von Sanjurjo unterstützten, wurden entschädigungslos enteignet. Bewirtschaftete Ländereien wurden gegen Entschädigung enteignet – mit anderen Worten, das Land ging nicht in das Eigentum der Bauern über, sondern wurde diesen verpachtet. Die Zahlungen ergingen an das Institut für Agrarreform (…) Dieses Gesetz war ein Kompromiss zwischen dem Begehr der SozialistInnen und dem Widerstand der Bourgeoisie; (…) Fünf Jahre nach Gründung der Republik hat die Landreform noch kaum begonnen. (…)“
Caballero, der Führer der linken SozialistInnen, hat später diese Koalition mit den Kapitalisten in den ersten Jahren der Republik verurteilt, ohne jedoch die notwendigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Bei den darauf folgenden Wahlen im Oktober 1933 nützte die Reaktion das Scheitern der RepublikanerInnen und SozialistInnen. Es war die erste Wahl mit Frauenwahlrecht, und unter Druck der Priester stimmten viele von ihnen für reaktionäre Kandidaten. Die rechten RepublikanerInnen von Lerroux und die Klerikalfaschisten von Gil Robles erzielten vor dem Hintergrund einer allgemeinen Enttäuschung große Zugewinne. Letzterer verwendete eine typisch faschistische Demagogie.
Aber die Machtübernahme von Hitler im Jahr 1933 und die Zerschlagung der ArbeiterInnenbewegung in Österreich im Februar 1934 rüttelten die internationale ArbeiterInnenklasse wach. Die Nachrichten von der Unterdrückung der ArbeiterInnenorganisationen und der Rücknahme ihrer hart erkämpften sozialen Errungenschaften wurden in Spanien mit großer Sorge wahrgenommen. Während die deutschen und österreichischen ArbeiterInnen zu SklavInnen gemacht wurden, waren die spanischen ArbeiterInnen fest entschlossen ein ähnliches Schicksal abzuwenden.
Unter dem Einfluss dieser Stimmung organisierte Caballero geheime Waffenimporte und die Bewaffnung vieler sozialistischer AktivistenInnen. Caballero warnte vor der reaktionären Lerroux-Regierung, als diese in Diskussionen mit der klerikalfaschistischen C.E.D.A. des Gil Robles eintrat. Die ArbeiterInnenklasse, so Caballero, würde niemals Faschisten in Regierungsämtern dulden, da dies einen Schritt in Richtung der Zerstörung ihrer Organisationen und ihrer Rechte darstellt.
Lerroux nahm nach einigem Zögern Faschisten in seine Regierung auf. Die Sozialistische Partei reagierte darauf mit einem Generalstreik und bewaffneten Aufständen in Asturien und Katalonien. Dies gipfelte in der Machtübernahme der ArbeiterInnen in Asturien und der Errichtung der Asturischen Kommune. Diese hätte tatsächlich siegen können, wenn sich nicht die AnachistInnen so falsch verhalten hätten. Sie sahen in all dem nur einen „Kampf zwischen PolitikerInnen“. Mit dem Hinweis, dass die republikanisch-sozialistische Koalitionsregierung sie unterdrückt und sogar auf ArbeiterInnen geschossen hatte, lehnten sie sich zurück und transportierten per Bahn sogar die Truppen, die die Asturische Kommune niederschlugen. Die marokkanischen Einheiten von General Franco unterdrückten die Kommune blutig. Viele ArbeiterInnen wurden exekutiert, Zehntausende inhaftiert. Der Kampfgeist der Klasse blieb jedoch ungebrochen. Man hatte zwar den Kampf verloren, doch man war nicht einfach von den Führern der Sozialdemokratie und der KP wie in Deutschland verraten worden. Unter den konkreten Umständen konnte sich in Spanien trotz dieses Sieges kein faschistisches Regime konsolidieren.
Die Niederlage dieser Bewegung leitete jedoch das Bienio Negro (die zwei schwarzen Jahre) ein, der Kampf der ArbeiterInnenklasse ruhte aber nicht. Die Kommunistische Partei änderte auf Befehl Moskaus ihre Linie. Ohne Erklärung wurde die stalinistische Sozialfaschismustheorie durch die so genannte „Volksfront-Taktik ersetzt. Diese befürwortete eine Koalition mit der „liberalen“ Bourgeoisie, allerdings unter einem neuen Etikett, was allerdings nichts daran änderte, dass diese Politik von Lenin wiederholt verurteilt worden war.
Die spanische Bourgeoisie steckte zu dieser Zeit in einer schweren Krise. Sie konnte die reaktionäre Regierung nicht an der Macht halten. Zu sehr stand sie unter dem wachsenden Druck der Arbeiter- und Bauernschaft. Unter diesen Bedingungen wandte sie sich an die “streikbrecherische Verschwörung” der “Volksfront”, wie es Trotzki bezeichnete. Die Volksfront wurde von der SP gemeinsam mit der KP und „linken“ Republikanischen Parteien sowie der POUM und den AnarchistInnen gebildet.
Aufgrund ihrer Erfahrungen aus den Jahren von 1931-1933 misstrauten die ArbeiterInnen den „linken“ RepublikanerInnen. Die Spitzen der Kommunistischen Partei und der Sozialistischen Partei verkauften die Volksfront gegenüber ihren AnhängerInnen als Manöver, mit dem sie die Liberalen für ihre Zwecke einspannen würden. Nur so konnten sie ihre eigene Basis dafür gewinnen, diese Politik zu akzeptieren.
Allerdings schwamm die Volksfront bei den Wahlen des Februars 1936 auf einer Welle zunehmender Radikalisierung in der Arbeiter- und Bauernschaft und konnte den Sieg erringen. In Folge eines Abkommens in der Volksfront wurden den linken RepublikanerInnen weit mehr Sitze auf den Wahllisten zugestanden als dies ihrer gesellschaftlichen Verankerung entsprochen hätte. Dies führte dazu, dass sie im Vergleich zu den ArbeiterInnenparteien eine viel zu große Anzahl an Parlamentsabgeordneten stellten. Die Volksfront gewann 268 Sitze, wovon die bürgerlichen Liberalen 153 einnahmen. Der KP wurden 16 Sitze zugesprochen und der SP 98. Die rechten Parteien erreichten 157 Sitze und die sogenannten Zentrumsparteien 48. Dabei muss man dazusagen, dass der rechtsextreme Terror und die Einschüchterungen speziell in den Dörfern entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang hatten. In Wirklichkeit wäre der Sieg der Volksfront noch viel deutlicher ausgefallen.
Die ArbeiterInnenklasse hatte aus den bitteren Erfahrungen der Jahre zwischen 1931 und 1933 gelernt und brachte den Liberalen großes Misstrauen entgegen. Durch direkte Aktionen versuchten sie binnen Tagen das Programm der Volksfront in die Tat umzusetzen: bezahlter Urlaub, die 44-Stunden-Woche und Lohnerhöhungen wurden den Unternehmern aufgezwungen. Ohne auf die parlamentarische Amnestie zu warten, marschierten die ArbeiterInnen zu den Gefängnissen, rissen – wo es notwendig war – die Mauern nieder und befreiten 30.000 politische Gefangene, die im Zuge des Generalstreiks und der Asturischen Kommune inhaftiert worden waren. Sie rangen so dem Kapital Konzessionen ab, die weit über das Programm der Volksfront hinausgingen.
Die Ursache für den Wahlsieg der Volksfront wurde in der “IPC” vom 4.April 1936, Seite 461, wie folgt dargelegt: “(…) Nicht eine einzige Frage der bürgerlich-demokratischen Revolution war gelöst worden. Im Gegenteil, sie stellen sich heute akuter denn je in Form einer unerträglichen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Situation, die die rechten Parteien mit ihrer reaktionären und fatalen Politik für die geplagten Massen der ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, Angestellten, kleinen LadenbesitzerInnen etc. geschaffen haben.
“Die Massen haben in ihren früheren Kämpfen, insbesondere in der Aufstandsbewegung des Oktobers 1934, den heroischen Taten der ArbeiterInnen Asturiens, wichtige Erfahrungen gemacht.”
“(…) Die zweijährige Regierung der Radikalen und der C.E.D.A. war von einem permanenten Ausnahmezustand geprägt. Alle Errungenschaften der ArbeiterInnen und Bauern wurden zurückgenommen. Die Streiks und Bewegungen der ArbeiterInnen und Bauern für schnelle Verbesserungen wurden im Keim erstickt und unterdrückt. Faschistische Attacken und Morde an ArbeiterInnen hatten die Unterstützung der Regierung und gehörten in Spanien zum Alltag. ArbeiterInnenorganisationen wurden verfolgt und aufgelöst, ihre Lokale geschlossen, Versammlungen und Konferenzen von ArbeiterInnen wurden verboten. “
“(…) 100 Todesurteile, 30.000 wurden inhaftiert und gefoltert (…) Die Gutsbesitzer und Kapitalisten drückten die Löhne und verschlechterten so die ohnedies schon miserablen Lebensbedingungen. (…) Das Lohnniveau in den Städten wurde von 10-12 Pesetas am Tag auf 4-5 Pesetas gekürzt. Die Löhne auf dem Land wurden von 8-9 Pesetas auf 1,5 Pesetas für Männer und 60 Centimes für Frauen gedrückt, und dies bei einem Arbeitstag, der sich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang erstreckte (…)“
„Die Zahl der Arbeitslosen stieg lauf offiziellen Angaben von 536.100 im Jahr 1933 auf 780.242 im Jahr 1935. Tatsächlich jedoch gab es in Spanien mehr als 11 Millionen Arbeitslose. Das Budget für 1933 hatte noch 873 Millionen Pesetas für öffentliche Arbeiten vorgesehen, jenes von 1935 nur 628 Millionen. (…)”
In der Ausgabe vom 29. Februar 1936 analysiert die “IPC” das Wahlergebnis: “(…) Aber Spanien zeigt auch etwas anderes, nämlich dass die Volksfront keine parlamentarische Koalition ist (?!) (…) Die arbeitenden Menschen Spaniens jedoch versammelten sich in den Straßen und riefen mit mächtiger Stimme ‚Wir werden nicht bis zur Eröffnung des Parlaments warten und schauen ob die reaktionären Gesetze zurückgenommen werden oder nicht. Öffnet sofort die Arbeiterclubs und Versammlungsorte! Für die sofortige Öffnung der Gefängnistore!’“ (…)
“Die bewaffneten Staatsorgane betraten die Szene. Aber wie die glorreichen KämpferInnen der Kommune und jeder anderen Volksrevolution, verbrüderten sich die Massen mit den Truppen; sie haben sie für ihre Seite gewonnen.“ (…)
„Das Schicksal des (von Franco und den Generälen vorbereiten) Putsches war damit besiegelt. Die Gefängnistore wurden selbstverständlich geöffnet, genauso wie die Arbeiterklubs wieder aufsperrten“ (…)
“Die Staats- und Gemeindebediensteten und auch andere ArbeiterInnen, die während und nach dem Oktober 1934 entlassen worden waren, weil sie an den Kämpfen teilgenommen hatten, wurden wieder eingestellt, während andererseits die damaligen StreikbrecherInnen in großer Zahl entlassen wurden (allein in Madrid betraf dies über 1.000 städtische Beamte). Die reaktionären Maßnahmen am Land wurden rückgängig gemacht. (…) Wir lesen in den Londoner Sonntagsblättern, dass der Chef des Generalstabes und Freund von Gil Robles, General Franco, genauso wie der Oberkommandierende der Luftwaffe, General Goded, die an der Spitze des Putsches gestanden waren, nur ihres Amtes enthoben wurden, anstatt hingerichtet zu werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass alle Entscheidungsträger, all die Richter, die an der Zerschlagung und Verurteilung der OktoberkämpferInnen beteiligt waren, noch immer in Amt und Würden sind.”
Unabhängige Aktion
Die Massen traten aus eigenem Antrieb in Aktion. Was notwendig war, war sie zu organisieren, ihr Misstrauen in die liberale Regierung zu vertiefen und zu stärken. Der liberale “News Chronicle” vom 20. Juli 1936 schrieb über das Programm der Regierung Azaña : “Mit der Unterstützung der Linken (die sich noch weigerte der Regierung offiziell beizutreten) verkündete seine (Azañas, Anm. EG) Regierung ein Programm, dass nichts Radikaleres beinhaltete als die Rückkehr zur Verfassung von 1931, mit recht unaufregenden Reformen wie etwa im Schulbereich, staatliche Investitionen und die Revision des Bankensystems.“ Es war notwendig unabhängige Komitees zu bilden und die Massen, die ganz offensichtlich kein Vertrauen in die völlig diskreditierten Liberalen hatten, auf die Machtübernahme vorzubereiten. In derselben Ausgabe der “IPC” (S. 294) wird ein Brief aus Spanien veröffentlicht, der indirekt die gesamte Volksfrontpolitik voll und ganz verurteilt:
“Die Masse der Bevölkerung genießen ihren Sieges ganz anders als nach dem Fall der Monarchie im Jahr 1931. Während damals die Massen lärmend und freudig auf die Straßen strömten, ist ihre Aktion nun viel stiller aber auch viel weit reichender.“ Und weiter: “Generell steht die Stimmung der Massen im ganzen Land nach unabhängiger Aktion. All die Bemühungen der Regierung und ihrer Presse, die Massen zurück zu halten, haben nur den Effekt ihre Militanz und ihren Wunsch eigenständig zu agieren erhöht.“
Claridad, das Organ des Linkssozialsten Largo Caballero, schrieb Folgendes: „Wir müssen auf der Seite der Regierung stehen, um ihr zu helfen das gemeinsame Programm mit all der notwendigen Bestimmtheit durchzuführen, und dies obwohl dieses Programm uns nicht voll befriedigt. Wir werden jedoch der Regierung nicht unsere ungeteilte Unterstützung zukommen lassen, wie wir es 1931-1933 machten. Diese Erfahrung war zu hart, und wir werden unser Recht zur Kritik nicht zurückstecken, um die Wachsamkeit der ArbeiterInnenklasse, die auf dem Weg zum letzten Ziel unserer Klasse voranschreitet, aufrecht zu halten. Beim geringsten Anzeichen von Schwäche wird sich die ArbeiterInnenklasse gegen ihre derzeitigen Verbündeten richten.“
Dieser politische Kurs, vom Druck und dem Misstrauen der Masse gegen die “liberalen” kapitalistischen VertreterInnen diktiert, war trotzdem falsch. In dieser Situation hätten die „Links“-SozialistInnen vor falschen Hoffnungen in die liberalen Versprechungen warnen müssen. Sie hätten die vorherrschende Stimmung des Misstrauens stärken und die Massen auf den unausweichlichen Kampf vorbereiten müssen.
Hinter den Kulissen und unter dem Schutz durch die Volksfrontregierung hatte umgehend die Verschwörung der Generäle, Monarchisten und Faschisten begonnen. Am Anfang stand ein ordentliches Sesselrücken. Franco wurde auf die Kanarischen Inseln abkommandiert, General Sanjurjo und Del Llano wurden nach Marokko und nach Sevilla geschickt. Das Oberkommando der Armee wurde völlig neu geordnet.
Die syndikalistischen, die sozialistischen und sogar die kommunistischen Parteizeitungen warnten vor der Gefahr eines faschistischen Aufstands oder eines Militärputschs. Von allen Seiten wurde die Regierung aufgerufen, sie möge endlich handeln.
Das war aber unmöglich, wenn man die marxistische Analyse der Klassengesellschaften akzeptiert. Die kapitalistische Herrschaft beruht auf der Macht der Staatsmaschinerie, die sich aus Armee, Polizei und Justiz usw. zusammensetzt. Die herrschende Klasse, und dies gilt für ihre liberalen und konservativen wie auch ihre faschistischen VertreterInnen, ist von der Unterstützung durch die Generäle und die Offizierskaste in Armee und Polizei sowie der Spitzenbeamten abhängig. Diese wurden gezielt selektiert und dazu ausgebildet und erzogen, dem kapitalistischen System zu dienen. Wer gegen sie vorgeht, setzt zwangsläufig einen Schritt zur Aushöhlung und Zerstörung der gesamten Basis des bürgerlichen Staates. Die Liberalen aufzufordern, dies zu tun, käme dem Versuch gleich, einen Tiger davon zu überzeugen, er möge doch Vegetarier werden. Dem stehen handfeste Klasseninteressen entgegen.
Das ist auch der Grund, warum das Ganze bis zum Putsch vorgetragene Geblöke der FührerInnen der Arbeiterparteien, die Regierung solle doch endlich “handeln”, wenn überhaupt nur den Effekt haben konnte, dass die ArbeiterInnenklasse eingelullt und letztlich davon abgehalten wurde, selbst die notwendigen Handlungen zu setzen.
Die Volksfrontregierung setzte keinen einzigen Schritt gegen die faschistischen Armeeoffiziere. Was hätte sie auch tun sollen, wenn doch jede ernsthafte Maßnahme die Zerstörung der Staatsmaschinerie, auf welche die herrschende Klasse so angewiesen ist, bedeutet hätte?
Zur gleichen Zeit unterstützten die großen Kapitalisten freigiebig die faschistischen Banden und setzten sie gegen die Organisationen der ArbeiterInnenklasse ein. Etwas weniger als zwei Monate nach dem „Großen Sieg“ beklagte sich César Falcón auf den Seiten der IPC:
“Seit dem Wahlsieg des Volkes haben sich die faschistischen Banden von ihrem zeitweiligen Schrecken erholt…aufgehetzt von den reaktionären Führern und besonders von den Großgrundbesitzern, haben sie im ganzen Land eine Kampagne von Provokationen und Übergriffen gestartet…in Madrid…in den Dörfern, mit der vollen Unterstützung durch die faschistischen Elemente in der Armee und der guarda civil. Sie stützen sich dabei vor allem auf die Passivität der Volksfrontregierung. “
“Der Innenminister, der sich selbst einer der Verfassung entsprechenden und toleranten Haltung verpflichtet sieht, zögerte bei der Umsetzung jener notwendigen Maßnahmen, die angesichts des Charakters der Offensive erforderlich gewesen wären und wie sie auch von der Bevölkerung gefordert wurden. … Die jungen Studenten und Mitglieder der spanischen Falange versuchten Largo Caballero zu ermorden und zündeten beim Haus des Liberalen Ortega y Gasset eine Bombe. … Die zögerliche Haltung der Regierung ermutigte erst so richtig die Faschisten.“
“Welche schnellen und drastischen Schritte wurden gegen die faschistischen Provokateure und Verbrecher unternommen? Keine.“
Bis zum Militärputsch im Juli 1936 appellierten die Arbeiterparteien ununterbrochen an die von den Liberalen geführte “Volksfront”-Regierung, sie möge doch endlich handeln. Sie verhielten sich dabei wie die Führer der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki nach der Februarrevolution 1917. Selbst die Bolschewiki unter der Führung von Kamenew und Stalin verwendeten bis zur Rückkehr Lenins die Formel „Unterstützung für die Provisorische Regierung, so weit sie…“. Erst in Lenins „Aprilthesen“ wurde mit dieser Herangehensweise gebrochen und die Forderung nach einer neuen Revolution erhoben. Durch geduldiges Erklären dieser Position konnten die Bolschewiki in den Sowjets eine überwältigende Mehrheit erringen, was dem Sieg der Russischen Revolution den Weg ebnete.
Der Standpunkt der spanischen KP und SP musste zum Scheitern der Revolution führen. Die Politik der Führungsspitzen dieser Parteien war eine Kopie der Politik der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre in der Russischen Revolution. Genauer gesagt handelte es sich um eine hilflose Antwort auf den Druck des Klassenkampfes und ihr Versagen bei der Anwendung eines klaren Klassenstandpunkts.
Der Verrat der Offiziere
Zwei Monate nachdem die Regierung endlich versprochen hatte gegen die faschistischen Banden vorzugehen und diese aufzulösen, schrieb Vincent Uribe in der Ausgabe vom 4. Juni der IPC, dass “die Gerichtshöfe, vor die die Faschisten gestellt werden, sie entweder freisprechen oder zu zweimonatigem Freiheitsentzug verurteilen, was nichts anders ist als eine Parodie auf die Gerechtigkeit. In unzähligen Fällen wurden Faschisten von der Anklage des Mordes freigesprochen. Diese Milde und Mittäterschaft gegenüber Faschisten steht im lebendigen Gegensatz zu den barbarischen Strafen, die in jener Phase, als die Reaktion an der Macht war, gegenüber Arbeitern verhängt wurden und die auch heute bei Gericht noch üblich sind, wenn Arbeiter für unerlaubten Waffenbesitz bestraft werden.“
Die Gerichte, die Polizei, die Armee und die Spitzenbeamten bilden die Basis des Staates. Folglich mussten auch die Appelle an die liberalen Politiker, die das Bürgertum repräsentieren, ergebnislos verhallen. Durch ernsthafte Maßnahmen gegen die Staatsmaschinerie hätten sich die Liberalen den Massen schutzlos ausgeliefert, speziell nachdem die Offiziere in ihrer Mehrheit zur Reaktion übergelaufen waren.
In der Ausgabe vom 4. Juli berichtet die IPC in dem erwähnten Artikel mit dem Titel “Geheimnisse Spaniens”: “Es gibt nur einzelne republikanische Offiziere. Mir sagte man, dass es etwa 3 Prozent sind … Ein Offizier, der für den Generalstab arbeitet, sagte mir auf meine Nachfrage `Ihr Informant ist ein Optimist (..) es gibt vielleicht 100 Offiziere, auf die man sich relativ gut verlassen kann´(…)”
Armeegeneräle und Offiziere ignorierten die Befehle, verbrüderten sich mit Faschisten und provozierten Zusammenstöße mit den ArbeiterInnen. Sie bereiteten unaufhörlich einen blutigen Zusammenstoß mit den ArbeiterInnen vor.
In der Zwischenzeit erwies sich die Volksfrontregierung als unfähig, zentrale Reformen im Interesse der Arbeiter- und Bauernschaft umzusetzen. Dies galt vor allem für die Landfrage, die bereits damals schon über 150 Jahre einer Lösung harrte. Die Liberalen konnten die Probleme der bürgerlich-demokratischen Revolution unmöglich lösen.
Castrillo Santos schreibt in seinem Buch “Four years of Republican experiment 1931-35”: “95% der landwirtschaftlichen Betriebe Spaniens bestehen aus insgesamt nur fünf Millionen Hektar Land, während 0,35% der Betriebe neun Millionen Hektar haben. Eine Million Bauern haben insgesamt sechs Millionen Hektar, während 100.000 Großgrundbesitzer 12 Millionen Hektar besitzen. Diese Statistik beschreibt in letzter Instanz die sozialen Probleme der spanischen Landwirtschaft.“
Die IPC schrieb in der Ausgabe vom 4. Juni: “30.000 Landbesitzern gehört zwei Drittel Spaniens” und kommentierte die Rolle der spanischen Kapitalisten so: “Zuerst sabotierten sie die Agrarrevolution, als sie mit Unterstützung der revolutionären Kräfte in Regierungsämter kamen, und nun kehren sie reuig ins Lager der Reaktion zurück um mit ihrer Hilfe die rebellierenden ArbeiterInnen und Bauern zu schlagen…”
In den ersten sechs Monaten der Volksfront bekamen 190.000 landlose Bauern Land zugewiesen. Das waren insgesamt nur 2,5 Prozent aller Bauern und Bäuerinnen. In der Artikelserie “Geheimnisse Spaniens”, die in der Ausgabe vom August 1936 auf Seite 27 weitergeführt wurde, wird von der Haltung der Kapitalisten und Großgrundbesitzer berichtet: “In Worten erklärten sie sich bereit, sich mit der demokratischen Revolution, die in Spanien gegründet wurde, zu versöhnen. In Wirklichkeit jedoch begannen sie, unmittelbar nachdem ihre Regierung gestürzt worden war, mit ökonomischer Sabotage und Intrigen hinter den Kulissen.” (…)
“Die Finanzoligarchie begann Kapital ins Ausland zu transferieren. Die widerwärtigsten Börsehaie begannen den Geldwert der Peseta zu unterminieren. … die großen Unternehmen forderten die Aufhebung der Regierungsmaßnahmen, die darauf abzielten das Leid der großen Massen zu erleichtern, und drohten mit Aussperrungen zur Durchsetzung dieser Forderung.” (…)
“Die große Landbesitzer drohten mit Unterstützung der Banken mit `Streiks`, falls die Regierung nicht ihre Pläne bezüglich der Landreform zurückziehe … Sie würden die Herbstaussaat abbrechen … Die Regierung legte extreme Toleranz gegenüber den reaktionären Elementen, die eine allesamt eine große Wahlniederlage erlitten hatten, an den Tag. Trotz der Warnungen und gut gemeinten Ratschläge von Seiten der ArbeiterInnenorganisationen blieben die Monarchisten und Faschisten alle in Freiheit und konnten sogar ihre hohen Positionen in der Armee, der Flotte und im Staatsapparat behalten…” (…)
“Die Bauern und LandarbeiterInnen waren dem Hungertod nahe. Weniger als einem von 40 wurden im Zuge der Landreform Besitztitel zugesprochen: 190.000 von acht Millionen. … In Hurdes und La Mancha befanden sich Bauern in einer Situation der absoluten Hoffnungslosigkeit, die auch das Ende ihrer Revolte bedeutete. Sie ernährten sich von Wurzeln und Früchten … 30 Meilen außerhalb von Madrid lebten die DorfbewohnerInnen von Suppen, die nur aus Brot, Wasser, Essig und Öl gemacht wurden.” (…)
“Die Kaziken hatten noch einige Macht … die Wucherer gingen weiter ihren habgierigen Geschäften nach und bei weitem nicht alle großen Landbesitzer wurden enteignet. Man konnte sehen wie in Almedralejo, in der Provinz Badajoz, zwanzig Millionäre systematisch einen der reichsten Landstriche Spaniens in den Hunger treibt, indem sie sich systematisch wehrten auch nur über die Entlohnung der LandarbeiterInnen zu reden… Nicht das ganze Land wird bebaut.” (…)
“… Was hat uns die Republik zu essen gegeben? Aus der Sicht der hungernden Landbevölkerung müsste alles schneller gehen. … Die Bauernführer rechnen vor, dass laut Agrargesetz nur 50.000 Landüberschreibungen pro Jahr stattfinden sollen, dies bedeutet, dass es 20 Jahre dauern würde bis eine Millionen Bauern ihr eigenes Land bekommen: mehr als ein Jahrhundert bis alle Land bekommen.”
Im Russland vor der Oktoberrevolution rechneten die Bürgerlichen damit, dass die Vermessung und Aufteilung des Landes ca. ein Viertel Jahrhundert dauern würde, und dass daher eine Landreform nicht umsetzbar sei. Die Bauern setzten die Agrarrevolution unter Führung der ArbeiterInnenklasse und der bolschewistischen Partei mittels Landbesetzungen innerhalb von Tagen durch.
Auch in Spanien begannen Bauern Land zu besetzen, aber im Gegensatz zur russischen Erfahrung mit den Bolschewiki befürworteten weder die sozialistischen noch die kommunistischen FührerInnen die Agrarrevolution. Die Bauern und Bäuerinnen stellen die breite Infanterie der Revolution. Die ArbeiterInnenklasse aber ist unter modernen Verhältnissen die entscheidende Klasse und der Motor der Revolution. In Spanien sind die Lohnerhöhungen, die durch militante Streiks erkämpft wurden, von der Inflation hingerafft worden. Es gab permanente Auseinandersetzungen zwischen ArbeiterInnen und Unternehmern. Die Polizei und die Faschisten wurden von den Bossen eingesetzt um die Arbeiterklasse zu terrorisieren. Alle diese Maßnahmen scheiterten. Die ArbeiterInnen wurden im Gefecht des Klassenkampfes gestählt. Sie ließen sich vom Versagen ihrer sozialistischen und kommunistischen FührerInnen nicht demoralisieren und forderten eine Offensivstrategie. Die ließ in den Reihen der Reaktion die Alarmglocken läuten.
Tägliche Zusammenstöße
Nach der Ermordung von Calvo Sotelo, der bekanntesten Führungsperson der monarchistischen und faschistischen Reaktion, zogen sich sowohl Faschisten wie Monarchisten aus dem Parlament zurück. Der Mord war ein Revancheakt von Zivilpolizisten, deren sozialistischer Führungsoffizier von Faschisten ermordet worden war. Dies wurde nun zum Anlass genommen den faschistischen Aufstand einzuleiten.
Dieser Anlass beschleunigte lediglich die Vorbereitungen, die von Armeegenerälen bereits seit den Februarwahlen vorgenommen worden waren. Die Kapitalisten waren aufgrund der Stimmung und der gezeigten Militanz der ArbeiterInnenklasse alarmiert. Ökonomisch, finanziell und politisch sahen sie keinen anderen Ausweg als die Zerschlagung der Organisationen der ArbeiterInnenklasse.
Täglich kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen ArbeiterInnen und Faschisten statt. Am 5. Juli 1936 berichtete die “Times”: “Am Donnerstag wurden zwei Faschisten ermordet … als Reaktion darauf eröffneten mit halbautomatischen Gewehren bewaffnete Männer am Freitag Abend das Feuer auf eine Gruppe Männer, die ihr Gewerkschaftsbüro verließen, sie töteten zwei und verwundeten fünf.“
Am 13. Juli berichte die “Times”, dass am Vortag “sechs bewaffnete Männer die Gewerkschafts-Radiostation in Valencia betraten … nachdem sie den Radiomoderator und seinen Assistenten außer Gefecht gesetzt hatten, gaben sie über das Radio bekannt, dass faschistische Kräfte alle strategischen Punkte der Stadt übernommen hätten. Die Männer konnten den Tatort verlassen, bevor die Polizei eintraf.
“Trotz der fortgeschrittenen Stunde, organisierten Republikaner (?) und andere linken Gruppen eine Protestdemonstration, die durch die Straßen zog. Der Mob setzte das Hauptquartier der Partido Regional, die dort die stärkste Partei der Rechten ist, in Brand und zerstörte das Gebäude vollständig. Es gab Versuche Zeitungsredaktionen anzuzünden … Das Haus des Rechtspolitikers Senior Lucia und die Möblierung eines der größten Cafes der Stadt, dass mehrere politisch rechtsgerichtete Clubs beherbergt, wurden ebenfalls in Brand gesetzt.”
Die ökonomische Situation wird in der Times vom 14. Juli 1936, kurz vor dem Aufstand, folgendermaßen skizziert: “Das Budgetdefizit erreichte ein chronisches Ausmaß. Die Peseta verliert beständig an Wert, während der Handel aufgrund der ansteigenden Produktionskosten und der Unfähigkeit, die Importe zu bezahlen, dahinsiecht.”
Showdown
Die Kapitalisten haben die Notwendigkeit erkannt, die Gewerkschaften und die ArbeiterInnenorganisationen zu zerschlagen, um den Lebensstandard der ArbeiterInnen weiter drücken zu können. Vor dem Hintergrund der ökonomischen und politischen Sackgasse, in der sich ihr System befand, verschärfte sich der Klassenkampf in den Städten und auf dem Land. Zwischen Februar und Juli 1936 wurden 113 Generalstreiks und 228 Teilstreiks verzeichnet. Aus diesem Grund forderten die Kapitalisten die Wiederherstellung von „Recht und Ordnung“, was so viel bedeutete, dass man mit den Mitteln des Terrors gegen die ArbeiterInnenklasse vorgehen sollte.
Die Klassen bereiteten ihre Kräfte für diesen Showdown vor. The Times vom 15. Juli 1936 berichtete: „Die Monarchisten und Traditionalisten veröffentlichten eine Stellungnahme: Herrn Calvo Sotelos Ermordung war ein echtes `Staatsverbrechen` ohne Vergleich in Spanien.“
„Der Mord wurde durch die Aufwiegelung zur Gewalt gegen rechte Abgeordnete im Parlament ermöglicht. Die Note fügt weiter hinzu, dass die Monarchisten in einem Staat, der in der Anarchie versinkt, nicht weiterarbeiten können.“
Auf der anderen Seite wurde Leutnant Castillos Begräbnis von der Staatsverwaltung um sechs Uhr Morgens angesetzt um Straßendemonstrationen zu verhindern. Trotz dieser Maßnahme waren die Menschen massenhaft in den Straßen. Der Leichnam wurde mit erhobenen Fäusten gegrüßt. Der Sarg wurde in eine rote Fahne gehüllt … Sozialistische Milizen paradierten mit ihren Fahnen.
Die Arena für den Todeskampf zwischen den ArbeiterInnen und den Kräften des Kapitals und Großgrundbesitzes wurde bereitet. Die völlig falsche Politik der FührerInnen der ArbeiterInnenbewegung ab Februar und über den gesamten Bürgerkrieg hinweg wird von Largo Caballero in einem Interview im Londoner News Chronicle vom 9. Juli 1936 zum Ausdruck gebracht: „F.: Glauben Sie, dass der Wechsel von dieser republikanischen Regierung zu einer sozialistischen Regierung durch Wahlen erreicht werden kann? … A.: Das weiß ich nicht, ohne uns würde es aber gar keine Republikaner geben. Wir sind ihre Stärke, und wenn wir unsere Unterstützung zurückziehen, sind sie Geschichte.“
Klare Worte, wenn man bedenkt, wie sich der Bürgerkrieg entwickelte und wie Largo Caballero und andere Arbeiterführer sich in dem sich entwickelnden Konflikt verhielten.
Die Armeegeneräle und Offiziere bereiteten ihren Putsch bereits seit den ersten Tagen der Volksfrontregierung vor. Am 17. Juli begannen sie ihre Aktionen ausgehend von Marokko und den Kanarischen Inseln. Die Volksfrontregierung versuchte die Nachrichten über den Putsch vor der Bevölkerung geheim zu halten. Als die Informationen jedoch nicht länger unterdrückt werden konnten, versuchten der Ministerpräsident Quiroga und seine Regierung zu betonen, dass diese Aktionen das spanische Zentrum nicht betreffen würden. Das von der Regierung kontrollierte Radio Madrid verlautbarte am 18. Juli, dass „niemand, absolut niemand auf dem spanischen Festland an diesem absurden Komplott, das schnell unterdrückt sein wird, teilgenommen hat. (The Times, 20. Juli 1936)
Die Nachrichten von der Revolte wurden den ArbeiterInnen von Seeleuten der spanischen Flotte in Marokko, die ihre Schiffe besetzten, über Funk zugänglich gemacht. Hunderttausend ArbeiterInnen gingen in Madrid spontan auf die Straße und verlangten nach Waffen. Quiroga widersetzte sich dieser Forderung und verlautete, dass „jeder, der ohne seinen Befehl Waffen an die ArbeiterInnen ausgebe, erschossen werde“. Währenddessen begannen in Andalusien, gemäß dem Plan der Verschwörer faschistische Aufstände. Sogar laut Hugh Thomas, dem akademischen „Historiker“ des Bürgerkriegs „ folgten fast überall die zivilen Institutionen in den großen Städten dem Beispiel der Madrider Regierung und weigerten sich voll (!) mit den Organisationen der Arbeiterklasse, die Waffen verlangten, zu kooperieren.“ (The Spanish Civil War, S. 185)
In Sevilla, Granada, und Córdoba waren die faschistischen Offiziere erfolgreich, weil die FührerInnen der SP und KP die ArbeiterInnen erfolgreich überredeten die Demonstrationen wieder aufzulösen. In derselben Nacht gingen Offiziere mit einer Liste durch die ArbeiterInnenviertel und exekutierten alle Gewerkschaftssekretäre, KP-Sekretäre, SP-Sekretäre und bekannte AktivistInnen, die sie zu Fassen bekamen.
Quirogas Regierung strebte mittlerweile einen Kompromiss mit den faschistischen Generälen an. Die Regierung trat zurück und eine noch weiter rechts stehende Regierung unter Martinez Barrios übernahm die Regierungsgeschäfte.
Kompromiss
Ihr Ziel war es mit den Faschisten ein Abkommen zu erlangen, das die Bildung einer rechten Regierung vorsah.
Wenn es nach den Liberalen gegangen wäre, hätten sie all ihre Posten kampflos den Faschisten überlassen. Sie fürchteten die Massen mehr als die Machtübernahme durch Franco. Hier ging es um eine Klassenfrage. Ohne den Verrat der liberalen Bourgeoisie hätten die Faschisten keine einzige spanische Stadt einnehmen können. Ihr Aufstand wäre isoliert geblieben und gescheitert. Aber so sehr sich die Liberalen von einem faschistischen Spanien fürchten, Tausendmal mehr fürchteten sie die bewaffnete ArbeiterInnenklasse.
Die Regierung verhielt sich gegenüber dem Vormarsch der Armee völlig passiv. Die pathologische Angst der Liberalen vor einer bewaffneten ArbeiterInnenklasse zeigt sich anhand von Berichten aus dem ganzen Land. Das beste Beispiel liefert Valencia mehr als zwei Wochen nach dem Aufstand. Wir zitieren hier einen Bericht der “IPC”, einer offiziellen Publikation der Kommunistischen Partei. Am 5. August, titelt sie auf Seite 987 „Valencia“ und schreibt folgendes:
“Seit 14 Tagen, seit dem 18. Juli, hielt das putschistische 18. Kavallerieregiment die Stadt in permanenter Unsicherheit. Die ArbeiterInnen von Valencia, die Hälfte von ihnen in der UGT, die andere Hälfte in der CNT organisiert, forderten seit Tagen die Volksbewaffnung. Dies um die Milizen und Berufssoldaten so zu bewaffnen, dass sie stark genug wären das faschistische Nest auszuheben. Die Regierungsmitglieder der Nationalen Republikanischen Union Valencias (eine gemäßigte republikanische Strömung unter Martinez Barrios) zögerten und weigerten sich schlussendlich dieser Forderung nachzugeben. Daraufhin riefen die ArbeiterInnen den Generalstreik aus, der nach zwei Tagen die Stadtregierung zum Einlenken zwang. Stadtregierung, und führende Militärs entschieden sich für einen offenen Angriff auf die Kavalleriekaserne … innerhalb von wenigen Minuten stellten die ArbeiterInnen mit LKWs Barrikaden auf … die antifaschistische Miliz, Soldaten und ArbeiterInnen verstärkten ihre Positionen und waren trotz der zögerlichen Haltung ihrer Führer zum Sturm bereit … Die ArbeiterInnen stürmten die Kaserne und nahmen sich die Waffen ohne jemanden zu fragen.“
Diese Schilderung spricht Bände über die Haltung der bürgerlichen “Volksfront”, der “Verbündeten“ der Kommunistischen Partei. Man muss das kaum zusätzlich kommentieren.
Als Antwort auf den Aufstand und die Konterrevolution der Faschisten folgte die Revolution der ArbeiterInnen. Die unvergesslichen ArbeiterInnen Barcelonas ergriffen als erste die Initiative.
Einem Aufruf der Matrosen folgend, die auf vielen Schiffen ihre faschistischen Offiziere über Bord geworfen hatten, formierten sich die ArbeiterInnen von Barcelona gegen die Armee.
Wir zitieren wieder den stalinistischen Korrespondenten der “IPC”, der im gleichen Artikel unter der Überschrift „Barcelona“ schreibt:
“Die Ereignisse haben die reformistische Theorie, dass es den ArbeiterInnen in Städten mit modernen breiten Straßen unmöglich sei sich einer modern ausgerüsteten Armee zu widersetzen, vollständig widerlegt. Die Menschenmassen von Madrid, Barcelona und Dutzenden anderen Städten in Spanien haben nur mit wenigen Pistolen, Messern und ihren Fäusten bewaffnet die Armee kampfunfähig gemacht. … Barcelona … die Arbeiter erzählten uns wie sie das erste Maschinengewehr einnahmen: sie rannten über einen großen Platz, mit nur einer kleinen bewaffneten Kraft in der Mitte als Deckung, die ersten Reihen wurden tödlich getroffen oder verwundet, aber niemand zögerte, die Arbeiter rannten weiter nach vorne bis sie das Maschinengewehr einnahmen … als die modernen Artilleriebatterien in den Straßen auftauchten … nahmen Arbeiter leichte LKWs und fuhren überfallsartig aus den Seitengassen mit 120 km/h in die Flanken der Artillerie.“
“Madrid: Mit Ausnahme des fliegenden Corps rebellierte die gesamte Garnison, und es war die Masse der ArbeiterInnen, der JungsozialistInnen, KommunistInnen und Republikaner, die mit unglaublicher Geschwindigkeit und Bestimmtheit mobilisierten und die Hauptstützpunkte des faschistischen Aufstandes einnahmen.”
Den Berichten bürgerlicher Korrespondenten zufolge waren die Courage und der Scharfsinn der ArbeiterInnen unübertrefflich. Sie marschierten gegen die Kasernen mit Stuhlbeinen, Tischmessern und wenigen Sportgewehren, die sie sich aus Sportgeschäften besorgten. Die Times vom 24. Juli 1936 berichtet aus Barcelona: „San Marti … Menschenmassen ziehen durch die Straßen … Sie tragen Armeekarabiner und Pistolen … Bewaffnete Frauen … in einigen Lastwagen … Wir haben alle Waffen der San Andreu Kaserne in Beschlag genommen.“
Ganze Bücher könnten mit Geschichten gefüllt werden, wie die unbewaffnete ArbeiterInnenklasse spontan, ohne Führung von ihren Parteioberen gegen die Gefahr des Faschismus in Aktion trat und diese in den meisten Städten und in zwei Dritteln Spaniens auch besiegen konnte. Wenn die Führung der Kommunistischen und Sozialistischen Partei im Süden Spaniens nicht so gezögert hätte, hätte es in ganz Spanien funktionieren können.
Nun aber war im sogenannten Republikanischen Spanien die Armee zerschlagen. Die Polizei war nicht mehr sichtbar, und es gab nur eine entscheidende bewaffnete Kraft – die ArbeiterInnenklasse.
In ihrer Analyse der kapitalistischen Gesellschaft erklärten Marx und Lenin, dass die Macht des Staates auf die bewaffneten Einheiten von Menschen samt ihren Anhängseln (z.B. Gerichten, Gefängnissen) reduziert werden kann. In diesem Sinne haben die ArbeiterInnen den kapitalistischen Staat zerschlagen. Sie hatten die Macht: die „Republikanische Regierung“ hing vollkommen in der Luft. Die meisten Fabrikbesitzer flohen und unterstützten Franco. Die ArbeiterInnen besetzten die Fabriken und nahmen die Produktion ohne Kapitalisten wieder auf.
Die ArbeiterInnen setzten damit instinktiv Schritte zur Veränderung der Gesellschaft im Sinne einer sozialen Revolution. Die Kapitalistenklasse unterstütze Franco. Azaña und Konsorten repräsentierten niemand. Die Führung des Proletariats weigerten sich jedoch dieser Initiative der Massen einen entsprechenden Ausdruck zu geben. Sie machten lieber eine Koalition mit dem Schatten der Bourgeoisie, wie es Trotzki formulierte. Er meinte damit, dass die Rechtsanwälte, Parlamentarier usw. der liberalen Parteien in dieser Situationen niemanden als sich selber repräsentierten.
Die Kapitalisten verstanden diese Situation sehr gut. Der bereits vorher zitierte Korrespondent der Times lässt in obigen Artikel auch einen bewaffneten Arbeiter zu Wort kommen: „Ein Mann sagte zu mir, dass viele Offiziere flüchteten und andere verhaftet wurden. Den Soldaten sagte man, dass sie gehen können, wohin es ihnen beliebe. Ist es nicht schön, dass die Arbeiter die Waffen und die Macht haben sollen.“ Dieser Arbeiter verstand zweifellos, wie auch die Masse der ArbeiterInnen, dass die Macht de facto in ihren Händen war. Es waren die FührerInnen ihrer eigenen Organisationen, die den Weg der sozialistischen Revolution versperrten, damit die Revolution verrieten und den Weg zu einer schrecklichen Niederlage ebneten.
Die Wortführer der kapitalistischen Klasse hingegen hatten sehr wohl verstanden was auf der Tagesordnung stand. Sie gingen die Situation zwar mit einem den MarxistInnen entgegengesetzten Klasseninteresse aber zumindest genauso seriös an. Am 23. Juli 1936 kommentierte die Times nüchtern: „Das bewaffnete Proletariat hatte die Kontrolle über die Stadt (Barcelona, Anm.). Wer würde es entwaffnen? Was würde daraus folgen? Hat der Aufstand des Militärs und der bewaffneten Kräfte letzten Endes den Weg zur proletarischen Herrschaft in Katalonien freigemacht? Das waren die Fragen, die sich alle stellten, und im „Kriegs“-Ministerium der Regierung war es nur zu offensichtlich, dass diese Frage von höchster Bedeutung war.“
In einem anderen Bericht, der die damalige Stimmung gut zum Ausdruck bringt, berichtet die “Times” am 25. Juli: „Barcelona: revolutionäre Komitees von Anarchisten und Kommunisten haben in den Fabriken derart heftig interveniert, dass diese knapp vor der Besetzung zu stehen scheinen. … Das Büro- und Technische Personal arbeitet unter Aufsicht der Proletarier … Die katalanische Regierung hat ein Kommunique veröffentlicht, dass sie in alle Bankgeschäfte der Region intervenieren werde, eine lebenswichtige Maßnahme ohne die die sich entwickelnde sozialistische Revolution nicht voranschreiten könne.“ (Damit hielt sie die ArbeiterInnen davon ab selbst die Banken zu besetzen, eine lebensnotwenige Maßnahme ohne die die sich entwickelnde sozialistische Revolution nicht voranschreiten konnte. Marx unterstrich, dass einer der zentralen Gründe für die Niederlage der Pariser Kommune darin lag, dass sie nicht die Banken übernommen hatte. Einer der ersten Schritte der Bolschewiki nach der Oktoberrevolution hingegen war die Übernahme der Banken.)
Doppelmacht
“… Unser Journalist hat vom revolutionären Komitee in Puigcerda die Erlaubnis bekommen nach Barcelona zurückzukehren…”
Dieses Zitat ist ein Indiz für eine Situation, die MarxistInnen als Doppelmacht bezeichnen. Die Regierungen in Barcelona und Madrid hatten keine zuverlässigen bewaffneten Kräfte zur Verfügung. Sie hingen angesichts der bedrohlichen Lage völlig in der Luft. Die Armee existierte nur noch, weil sie von den Führungsspitzen der ArbeiterInnenparteien toleriert wurde. Zu diesem Zeitpunkt musste die Armee die sich ausbreitende ArbeiterInnenmacht tolerieren. Alle Parteiführungen leisteten einen Beitrag zu diesem offenen oder auf Grundlage mangelndem Verständnisses begangenen Verrates an den Interessen der ArbeiterInnenklasse: die SozialistInnen, die AnarchistInnen, die POUM und vor allem die größte konterrevolutionäre Kraft im Lager der Revolution, die Führung der KommunistInnen. Sie widersetzten sich allen Bemühungen der ArbeiterInnen und würgten die Revolution ab.
In einem Artikel im liberalen News Chronicle vom 21. Juli lesen wir:
“Während meiner nächtlichen Reise mit dem Auto von Madrid nach Barcelona wurden wir alle paar Meilen entweder von Gendarmen oder von Posten von ArbeiterInnen oder Bauern gestoppt.
“Sie (die Unterstützer der Volksfront, Anm.) schreiben den Zusammenbruch ihrer Bastionen in den südlichen Städten teilweise der Tatsache zu, dass etwa in Sevilla und Granada die lokalen Behörden sich weigerten die Instruktionen (?) der Zentralregierung, die Arbeiter zu bewaffnen, missachteten.” (Wie das weiter oben bereits angeführte Zitat von Casares Quiroga zeigt, hat es diese Anweisung der Zentralregierung nicht gegeben.)
Der Korrespondent des Chronicle fährt fort: “Die katalonischen Gebiete an der Grenze zu Frankreich befinden sich in der Hand eines revolutionären Komitees, das einerseits aus AnarchistInnen und andererseits aus KommunistInnen zusammengesetzt ist. Die sowjetische Flagge (die rote Fahne, Anm. EG) weht über dem Rathaus von Puigcerda … Die Volksfront setzt sich teils aus Arbeitern, teils aus Bauern zusammen.”
Am 23. Juli schreibt der News Chronicle: “Die Besatzungen praktisch aller Kriegsschiffe haben selbst das Kommando übernommen.” Am selben Tag schreibt dieses Zentralorgan der liberalen Kapitalisten in Britannien, den Blutsbrüdern der bürgerlichen Republikanischen Partei in Spanien, furchtsam erregt: “Wie auch immer die Bedrohung durch den Kommunismus (der sozialistischen Revolution, Anm. EG) ausgesehen haben mag, die die faschistischen Generäle als Vorwand für ihren Aufstand gegen die Republik angeführt hatten, jetzt ist sie Realität.” (…)
“Sozialistische und kommunistische Milizen und ihre Unterstützer in der Armee und in der Marine stellten das Rückgrat der Verteidigungsfront gegen den faschistischen Vormarsch. Sie kämpften für die Republik und die Volkfront, allerdings unter dem Symbol der roten Fahne. ” (…)
“Die roten Fahnen wehen in Malaga neben den Bannern mit dem Slogan `Union Hermanos Proletarios`, der durch die proletarischen Aufstand in Asturien berühmt wurde. ” (…)
“Falls die Generäle geschlagen werden, werden dann die Schiffsbesatzungen, die Blut gerochen haben, und die Truppen, die ihre Offiziere schlechtest behandelt haben, dafür zu haben sein sogar auf die republikanischen Offiziere niederzutreten; und die ArbeiterInnen in den Städten, können sie mit der bürgerlichen Republik, die sie praktisch allein verteidigen, wieder versöhnt werden?”
Verratene Revolution
Die selbe Ausgabe behandelt auch folgendes Thema: “Im nördlichen Katalonien haben seit gestern Kommunisten, Sozialisten und Anarchisten, ausgerüstet mit den Waffen einer besiegten putschistischen Einheit, die Kontrolle übernommen. In Puigcerda besetzte die Arbeiterarmee das Rathaus und übernahm die Kontrolle der Stadt.” am 24. Juli berichtet der Korrespondent: “Man redet mit diesen Mitgliedern der Arbeitermiliz, gestählte Arbeiter, fähige Handwerker, junge Lehrlinge … Die Volksfront ist jetzt nur noch Geschichte.”
“Man kann sich nur schwer vorstellen, dass die sozialistischen, kommunistischen und syndikalistischen Elemente, die die Hauptlast der Verteidigung der Republik im Süden tragen, weiter unter der Führung einer Handvoll bürgerlicher Republikaner agieren wollen.”
Diese “Handvoll bürgerlicher Republikaner” behielten aber die entscheidende Kontrolle aufgrund der Politik der Führungen von ausgenommen allen ArbeiterInnenorganisationen – AnarchistInnen, POUM, SozialistInnen und KommunistInnen. Auf die eine oder andere Art und Weise übten sie Verrat an der heroischen, spontanen Reaktion auf den faschistischen Aufstand. Sie verrieten die elementare Klassenbewegung der ArbeiterInnen, indem sie den verrotteten bürgerlichen Führern, die zu diesem Zeitpunkt nur noch sich selbst repräsentierten, weiter die Stange hielten.
Bei dieser schmutzigen Arbeit der “demokratischen” Konterevolution spielte die Führung der Kommunistischen Partei den Hauptrolle. Sie tat dies unter der direkten Anleitung Stalins. Zu dieser Zeit waren die Parteien der Kommunistischen Internationale nichts anderes mehr als Agenten der Außenpolitik der russischen Bürokratie. Moskau war angesichts der Möglichkeit einer erfolgreichen sozialistischen Revolution in Spanien in heller Panik. Die Bürokratie fürchtete, dass eine erfolgreiche sozialistische Revolution in irgendeinem westeuropäischen Land ihre Macht untergraben und sogar zu ihrem Sturz und damit zur Wiederherstellung der ArbeiterInnendemokratie in Russland führen könnte. Tatsächlich war es so, dass die Revolution in Spanien mehr als irgendein anderes Ereignis seit der Machtübernahme Stalins die russischen ArbeiterInnen wachrüttelte. Um ihre Macht, verkörpert in Stalin, aufrecht zu erhalten, musste die Bürokratie zum Mittel der Schauprozesse greifen. Praktisch alle FührerInnen der Revolution von 1917 und die alten Bolschewiki wie auch Hunderttausende Basismitglieder der Kommunistischen Partei der Sowjetunion wurden ermordet. Die Entwicklung der Spanischen Revolution war eine der wichtigsten Ursachen für diese Verbrechen. Der Sieg des Sozialismus in Spanien hätte der Sowjetbürokratie das Todesglöckchen geläutet.
Zudem verfolgte die Bürokratie, ganz im Gegensatz zur Politik Lenins, keine revolutionäre Diplomatie, sondern rein nationalistische Überlegungen. Sie versuchte die ganze Zeit über der herrschenden Klasse Britanniens und Frankreichs schöne Augen zu machen, um sie für ein Bündnis gegen Deutschland zu gewinnen. Sie wollte keinesfalls einem revolutionären Feuersturm Vorschub leisten, der Frankreich unmittelbar erschüttert und damit das gesamte weltweite politische und soziale Gleichgewicht zerstört hätte.
In Spanien hat die Kommunistische Partei das Tempo für den Verrat an der Revolution und damit für die schreckliche Niederlage der ArbeiterInnenklasse bestimmt. Aber die Kommunistische Partei war nicht das entscheidendste Element. Die AnarchistInnen mit der CNT und die Sozialistische Partei mit der UGT stellten die weit mächtigeren Organisationen.
Die AnarchistInnen verrieten im Zuge der Spanischen Revolution all ihre Prinzipien. Sie gaben den Grundsatz keine Regierung zu unterstützen auf und traten in eine bürgerliche Regierung ein, und dies zu einem Zeitpunkt als es aufgrund der Verschiebung der Klassenkräfte gar keine gesellschaftliche Grundlage mehr für eine solche Regierung gab.
Der rechte Flügel der SozialistInnen rund um Prieto stand offen für die Zusammenarbeit mit der republikanischen Bourgeoisie. In jenem Moment aber verfügte diese Position wenig Gewicht an der Basis der Partei. Wenn Caballero und der linke Flügel standhaft gegen einen solchen Kurs aufgetreten wären, so wie Lenin und Trotzki 1917, hätte sich die Situation grundlegend geändert. Die Situation war objektiv weit besser als nach der Februarrevolution 1917 in Russland. Die ArbeiterInnen waren praktisch die einzige bewaffnete Kraft. Sie bemühten sich die Industrie unter ihre Kontrolle zu bekommen, wie die Bauern mit aller Kraft daran gingen das Land zu besetzen. Die ArbeiterInnen strebten instinktiv in Richtung einer sozialistischen Revolution.
Hätten Caballero und die linken SozialistInnen in den Fabriken und Stadtvierteln ArbeiterInnenräte organisiert und die Bildung einer ArbeiterInnenregierung propagiert, wenn sie die Zusammenarbeit mit den noch wenigen verbliebenen VertreterInnen der kapitalistischen Klasse und der republikanischen Partei (kapitalistische Politiker, die zumindest nicht mehr in direkter Art und Weise die Interessen ihrer Klasse widerspiegelten) aufgekündigt hätten, dann wäre der Bildung einer ArbeiterInnenregierung und damit einem Sieg der ArbeiterInnenklasse, die einen sozialistischen Kampf gegen Franco führte, nichts mehr im Wege gestanden.
Die POUM schloss sich den AnarchistInnen an und übernahm in Katalonien Regierungsfunktionen. Damit haben sie aber ihr grauenvolles Schicksal in den Händen der StalinistInnen besiegelt.
Caballero kapitulierte jedoch vor dem Druck der StalinistInnen, anstatt den Kampf um die Macht zu organisieren. In Wirklichkeit ging es vielmehr um die Frage die diskreditierten Repräsentanten der RepublikanerInnen, die nur noch für sich selbst standen, einfach zur Seite zu schieben, indem man die ArbeiterInnen zur Bildung von Räten, der Machtbasis der Diktatur des Proletariats, aufruft. Den StalinistInnen wäre es unmöglich gewesen diesem Schritt Widerstand entgegenzusetzen. Wären sie offen gegen diese Strategie vorgegangen, wäre die große Mehrheit ihrer UnterstützerInnen abgesprungen. Die AnarchistInnen wären gezwungen gewesen diese Strategie mitzutragen. Die POUM (eine zentristische Partei, die zwischen Reformismus und Marxismus stand) hätte die LinkssozialistInnen unterstützt, und der Prieto-Flügel der Sozialistischen Partei wäre isoliert und dadurch vollkommen handlungsunfähig geworden. Eine ArbeiterInnenregierung hätte einen revolutionär-sozialistischen Krieg gegen Franco zu führen begonnen und die internationale ArbeiterInnenklasse zu ihrer Unterstützung aufgerufen. Caballero und die linken SozialistInnen haben die vorhandenen Möglichkeiten und Gefahren nicht in aller Konsequenz erfasst. Sie ebneten damit gezwungenermaßen den Weg zur Zerschlagung der Revolution und zum Sieg Francos.
Der Daily Worker vom 27. Juli 1936 zitierte eine Rede des britischen KP-Generalsekretärs Harry Pollitt:
“Im Lichte der aktuellen Ereignisse müssen wir die Entscheidung, alle der Volksfront feindlich gesinnten Offiziere nicht aus der Armee zu entfernen, als großen Fehler sehen.”
“… das Ziel (der Konterrevolution) war es eindeutig das Spanien des Volkes zu zerstören und die Interessen der Gutsbesitzer, der Feudalfamilien, der großen Kapitalisten und Monarchisten zu retten und jedes weitere Fortkommen der Arbeiter zu verhindern.” “… Die Unterstützung der Arbeiter der Welt für das spanische Volk bedeutet den Sieg .”
Die Aufforderung an die RepublikanerInnen, das Bollwerk der bürgerlichen Herrschaft, die Wächterin über die Produktionsverhältnisse – die Armee – zu säubern, musste ungehört verhallen; und diese falsche Strategie wird just zu dem Zeitpunkt lanciert, als das Proletariat sich spontan bewegt. Mit dieser Forderung wird das Proletariat nur eingelullt und politisch entwaffnet. Genauso wie die utopischen Sozialisten von der Bourgeoisie verlangten, ihr Eigentum dem Proletariat freiwillig zu schenken, wird hier die herrschende Klasse gebeten, den Machtapparat ihrer Herrschaft – die Staatsmaschinerie – freiwillig aufzugeben.
Die Aktionen der Faschisten waren von den Interessen der Gutsbesitzer, Feudalfamilien und großen Kapitalisten geleitet, so Pollitt. Dies wurde von den Führungen der Kommunistischen Parteien immer und immer wieder auf der ganzen Welt verlautbart. Diese Kräfte zu stürzen, das war genau die Aufgabe der sozialistischen Revolution. Die Politik zum „Schutz des Eigentums“ und zur Aufrechterhaltung der „Ordnung“, bedeutete jedoch gerade die Hintermänner der faschistischen Konterrevolution zu verteidigen. Die ständig wiederholten antikapitalistischen Aussagen der KP-FührerInnen standen im hoffnungslosen Gegensatz zu ihrer Politik. Sie haben die ArbeiterInnen verraten.
ArbeiterInnenmilizen
Am 27. Juli 1936 schrieb Frank Pitcairn, der Korrespondent des Daily Worker in Barcelona:
“… unter den Forderungen zahlreicher Organisationen findet sich jedoch u.a. die Forderung nach der unmittelbaren Nationalisierung der Handelsmarine und die Übergabe der Schlüsselbetriebe an die Gewerkschaften…” (…)
“… Die bewaffneten Arbeitermilizen werden als ständige Verteidigungsgruppen bestehen bleiben, sie übernehmen die meisten Aufgaben der Armee.” (…)
Und wieder am 29. Juli: “… Überall sah ich die besonnene Überzeugung und den raschen Fortschritt, wie die Arbeiter ihre Kontrolle über die Maßnahmen zur Verteidigung gegenüber dem Faschismus entwickeln.” (…)
“… In Tarrega zum Beispiel erzählte mir der Vorsitzende des lokalen Komitees: ‘Die Vergesellschaftung aller essenziellen Güter wurde am Mittwoch etabliert. Getreide, Oliven, Wein und alle anderen wichtigen landwirtschaftlichen Produkte der Gegend sind nun über die Kooperative Eigentum der ArbeiterInnen. Die diesjährige Ernte wird allein den armen Bauern gehören. Es stellte sich als notwendig heraus als ersten Schritt die Landbesitzerkooperative, in der sowohl arme als reiche Bauern organisiert waren, und dadurch natürlich von den letzteren dominiert wurde, zu reorganisieren. Nun werden die Großgrundbesitzer abgelehnt … die Kooperative ist in der Hand der armen Bauern und kontrolliert die gesamte Ernte.`” (…)
“Diese Kooperativen agieren unter der Oberaufsicht des Verteidigungskomitees, in der neben der Arbeiterallianz auch die kleinen bürgerlichen Parteien repräsentiert sind.” (…)
“Wir arbeiten nun nicht mehr für die Reichen, sondern für uns selber und die ArbeiterInnen in Barcelona und den anderen Städten Kataloniens.” (…)
“In Barcelona gibt es eine strikte Preiskontrollen und harte Strafen gegen Wucherei.” (…)
“Die AnarchistInnen haben Anordnungen an die Einheiten zur Bekämpfung von Plünderungen herausgegeben.”
Diese Zitate aus den Anfangstagen der Spanischen Revolution zeichnen ein eindeutiges Bild. Die ArbeiterInnen wollten die Revolution, und die Bauernschaft in Katalonien und Aragon folgte diesem Vorbild, besetzte die Ländereien und ging damit weiter als die Bauern zu Beginn der russischen Revolution – in Spanien kollektivierten sie sogar das Land.
Harry Pollitt schreibt im “Daily Worker” vom 29. Juli aus Paris:
“Die Faschisten haben ihre Vorbereitungen gut erledigt. Als das Signal zur Revolte gegeben wurde, weigerte sich in Katalonien nur ein einziges Regiment.” (…)
“Aber die Initiative und der Mut der Massen wurde schnell schlagend. Alle Waffen, die ihnen zugänglich waren, wurden requiriert, binnen 36 Stunden hatten die ArbeiterInnen den faschistischen Aufstand in und um Barcelona niedergeschlagen.” (…)
“Die Arbeitermiliz stürmte die Kasernen, schnappte sich Gewehre und Artillerie, improvisierte einfache Panzerwagen, übernahm die Radiostationen und schaffte es so schnell aus der Defensive heraus in die Offensive über zu gehen.” (…)
“Soldaten in den rebellierenden Regimenter begannen zu den Arbeitermilizen überzulaufen. Jene, die dabei erwischt wurden, wurden in den Kasernen interniert. Arbeiterdelegationen wurden entsandt, um sich mit den Soldaten zu verbrüdern und um ihnen zu erklären für welch schmutzige Arbeit ihre Offiziere sie benutzen wollten.”
Die Trennungslinien zwischen den Klassen waren in jenen Tagen klar gezogen. Alles was noch fehlte war, dass die ArbeiterInnen mit Hilfe einer marxistischen Führung ihren eigenen Staat errichteten, die Diktatur des Proletariats, und einen revolutionären Krieg gegen Franco begannen. Allein, die KP stellte sich aus Gehorsam zu den Diktaten ihrer stalinistischen Herren in Moskau dieser Entwicklung bewusst in den Weg. Der “Daily Worker” vom 27. Juli schrieb:
“Jeder kann jetzt sehen, dass die Faschisten in Spanien ihre Militärrevolte nicht organisierten, weil die Regierung zu ‘revolutionär’ war, sondern weil diese glaubte (wie auch die FührerInnen der ArbeiterInnenbewegung, Anm.), dass sie ‘den Staat an seine demokratische Bestimmung anpassen könne’.” (…)
“Wenn die Regierung Spaniens die faschistischen Offiziere aus der Armee und Polizei suspendiert hätte, wenn sie Arbeitermilizen zur Verteidigung der Regierung und zur Durchsetzung von Regierungsbeschlüssen geschaffen hätte, dann hätte es keine faschistische Militärrevolte gegeben und das Leben von Hundertausenden wäre gerettet worden. Aber die Menschen Spaniens haben ihre Lektion gelernt wenn auch die britischen Labour-Führer zu blind sind die Bedeutung des heroischen Kampfes in Spanien zu verstehen.”
Der Blinde führt den Blinden! Daher verweigerten die StalinistInnen sich auch der Aufgabe die Probleme von einem Klassenstandpunkt aus zu entwickeln. Sie zogen es vor die bürgerlich-republikanischen Maßnahmen der Casares Quirogas, der Azaña s und Companys als “Fehler” anstatt als von Klasseninteressen und -ideologie motivierte Handlungen zu sehen. Dabei haben sie jede marxistische Methode über Bord geworfen. Marx, Lenin und Trotzki haben permanent darauf hingewiesen, dass auf jede abstrakte Rhetorik zu verzichten sei und unbarmherzig die Schwächen der bürgerlichen DemokratInnen entblößt werden müssen.
Zu einem Zeitpunkt, als sich die Macht in den Händen der ArbeiterInnenklasse befand, übergab die Führung der Sozialistischen und Kommunistischen Partei die Macht wieder an die Repräsentanten der republikanischen Bourgeoisie, während die Bourgeoisie selbst überwiegend ins Lager Francos geschwenkt war – darin lag die Tragödie der spanischen Revolution.
Wenn das damals in Spanien keine soziale Revolution war, wie sollte eine solche dann aussehen? Die wenigen Rechtsanwälte, Ärzte und Parlamentarier auf der Seite der Republik waren eine kleine Minderheit – die frühen Siege über die Faschisten wurden von den ArbeiterInnen, die für ihre eigenen Ziele kämpften, geschlagen.
Die Kommunistische Partei in Spanien stellte die Speerspitze im Kampf um die demokratische Konterrevolution im republikanischen Lager dar. Hinter ihr reihten sich die anarchistischen und sozialistischen FührerInnen ein. Die Führung der SP hatte keine eigenen politischen Perspektiven ausgearbeitet und begab sich in das Schlepptau der KP, der rechte Flügel folgte der KP aus ganzem Herzen, der linke Flügel um Caballero protestierend.
Keine andere sich als marxistisch verstehende Partei stand so weit links wie die POUM. Sie folgte in Katalonien den AnarchistInnen in die Regierung nach und bereitete so ihre Zerstörung vor. Die POUM hatte sich innerhalb von sechs Wochen explosionsartig von 1000-1500 auf 30.000 Mitglieder entwickelt, andere Berichte sprechen sogar von 60.000 Mitgliedern. In Relation zu der Bevölkerung waren sie somit sogar stärker als die Bolschewiki in der ersten Phase der russischen Revolution. Zudem war die Situation in Spanien deutlich revolutionärer.
Die ArbeiterInnenmilizen blieben als ArbeiterInnenarmeen erhalten. Aber die KP hatte ihre Befehle aus Moskau zu befolgen. Am 5. August 1936, knapp über zwei Wochen nach der versuchten Konterrevolution und der darauf folgenden Bewegung, veröffentlichte sie folgende Stellungnahme, die in der traditionsreichen liberalen Tageszeitung “Manchester Guardian” vom 6. August abgedruckt wurde:
“Das Kontrollkomitee der Kommunistischen Partei Spaniens … Das spanische Volk zielt in ihrem Kampf gegen die Rebellion nicht auf die Etablierung der Diktatur des Proletariats, SONDERN KENNT NUR EIN ZIEL: Die Verteidigung der republikanischen Ordnung und die gleichzeitige Respektierung des Eigentums.
“… Diese Arbeit geschieht in Kooperation mit solch konservativen Parteien wie der Baskischen Nationalpartei, deren Mitglieder katholisch sind. Diese Tatsache straft die Behauptung von General Franco bezüglich der ‘marxistischen Gefahr in Spanien’ Lügen und beweist die auf ausnahmslos alle ordnungsliebenden Menschen erlassene Pflicht, mit den Verteidigern der Ordnung in Spanien zu kooperieren.”
Welch inspirierender und die Moral stärkender Aufruf an die spanischen Massen: Sie dürfen keine Aktionen gegen das Eigentum der millionenschweren Großgrundbesitzer und Industriellen, die die Bewegung der Faschisten und den Aufstand der Armeegeneräle angeregt und finanziert haben, unternehmen. Diese politische Position überholte sogar die Position der linken RepublikanerInnen von rechts. José Giral, der Ministerpräsident in Madrid, manövrierte unter dem Druck der ArbeiterInnen voller Angst, dass sie die Banken besetzen würden. Dies berichtet der Daily Worker vom 8. August ohne jeden Kommentar:
“Die Maßnahmen zur Kontrolle der Industrie und Banken erklärend, sagte Señor Giral: ‘Es ist notwendig die ökonomische Basis des Faschismus zu unterminieren. Die Großbanken und die großen Industriebetriebe sind die Zahlmeister des Faschismus, die stellen die Mittel, mit denen es den faschistischen Generälen möglich war die kriminelle Attacke auf unser Volk durchzuführen, zur Verfügung. Daher ist nun die schärfste Kontrolle notwendig.’”
Welch vernichtendes Argument für die Enteignung der Großgrundbesitzer, Banker und Kapitalisten! Was wurde mit der ‘Kontrolle’ erreicht? Diese war gerade gut genug, um die Basis des Kapitalismus zu erhalten, bis bessere Zeiten anbrachen oder der Sieg Francos nicht mehr aufzuhalten war. Dafür haben die ArbeiterInnen mit Sicherheit nicht ihr Blut so selbstlos und heroisch vergossen.
Schauen wir uns ein paar zufällig ausgewählte Berichte über die Maßnahmen der ArbeiterInnen an, wie sie im liberalen “Guardian” berichtet wurden. Am 23 .Juli berichtet der Guardian aus Madrid:
“Ein Komitee syndikalistischer Organisationen hat heute die Kontrolle des Eisenbahnbetriebs in Madrid übernommen, es entließ die Direktoren, Sub-Direktoren und sonstige Offizielle der Eisenbahngesellschaft Nord und ersetze sie durch bewiesene Republikaner.”
Dann ein Bericht aus Barcelona vom 27. August 1936:
“Ein Regierungserlass von diesem Wochenende setzt eine 40-Stunden Woche und eine 15prozentige Erhöhung für IndustriearbeiterInnen, die weniger als 600 Peseten im Monat verdienen, in Kraft. Die PSCU (Vereinigte Sozialistische und Kommunistische Partei Kataloniens) und die AnarchistInnen verlangten eine 36-Stunden Woche. Eine 25prozentige Mietreduktion. Zahlung für Streiktage. Entschädigung für Arbeitslose. Produktionskontrolle durch die ArbeiterInnen. Eine Säuberung der verschiedenen Armeesektionen. Die Beibehaltung der Volksmilizen. Ein gemeinsames Verfahren für die Führer des aktuellen Aufstandes vor dem Kriegsgericht.”
Dies wurde – in Worten – vom katalanischen Präsidenten Companys, der für eine Zeit verzweifelt und machtlos manövrierte, in der Hoffnung, dass die Situation sich verbessern würde, akzeptiert.
In derselben Ausgabe berichten Ausländer, die aus Barcelona geflüchtet waren, “dass der Streik ein Gegenschlag der ArbeiterInnen gegen die Faschisten war. … Am nächsten Tag gab es keine Bedienung mehr im Hotel und nur wenig zu essen.”
Im Guardian vom 29. Juli 1936 findet sich ein Interview mit einem französischen Garagenbesitzer in Barcelona, der nach Toulouse geflüchtet war:
“Niemand in Barcelona hält sich noch an die Regierung, oder besser gesagt, was von der Regierung noch übrig ist. Die Macht ist an Arbeitergruppen übergegangen, die sich oft ihren politischen und sozialen Leidenschaften hingeben. Die Menschen gehorchen den FührerInnen dieser zahlreichen Gruppen, von denen viele AnarchistInnen und KommunistInnen sind. Das Gemeindeamt von Port Bou ist wohl das einzige, das noch normal unter der Kontrolle der Guardia Civil funktioniert. Überall sonst wurden in anderen Gebäuden lokale Komitees gegründet und die Gemeindeämter aufgelassen. Auf dem Land arbeiten die Bauern weiter auf den Feldern, und sie werden für ihr Geflügel, ihre Rinder und andere Nahrungsmittel mit Schuldscheinen bezahlt. Die meisten dieser Schuldscheine werden von der Kommunistischen Partei oder der Vereinigten Trotzkistischen Arbeiterpartei (damit ist die POUM gemeint, die Ex-Trotzkisten und nationalistische Katalanen, die sich von der KP spalteten, vereinte, Anm. EG) … Die Banken sind offen und nehmen Schecks an, zahlen sie jedoch nicht aus.”
Und dann wieder am 3. und 4. August aus Barcelona:
“Die öffentlichen Dienstleistungen arbeiten effizient unter der Leitung von Syndikalisten, die nun das gesamte Transportwesen einschließlich der katalanischen Eisenbahnen und einige wichtige Industriebetriebe kontrollieren.”
Und wieder am 4. August 1936:
“Alle öffentlichen Dienstleistungen wie Wasser, Gas, Elektrizität, Straßenbahnen und Eisenbahnen werden nun von den ArbeiterInnen betrieben. Die ehemaligen Manager und technischen Experten werden, wenn notwendig, jedoch konsultiert. Doch während die Löhne der Arbeiter um 30% erhöht wurden, sind die Gehälter des technischen Personals strikt auf 1500 Peseten monatlich begrenzt worden.”
Zeitweise kann die Essenz eines Ereignisses anhand von unbedeutenden Dingen, die symptomatisch für tieferliegende Ereignisse sind, abgelesen werden. Während das ZK der spanischen KP sinnloses Zeug über die Verteidigung von Demokratie und Eigentum von sich gibt, lesen wir zeitgleich im Daily Worker vom 7. August:
“In den Städten, die von regierungstreuen Truppen gehalten werden, werden die Straßennamen geändert. Namenschilder, die in irgendeinem Zusammenhang zur kapitalistischen Ordnung stehen, werden entfernt. Ersetzt werden sie durch Bezeichnungen wie ‘Karl Marx’, ‘Proletariat’ oder ‘Freiheit’”.
Dieser aus der stalinistischen Presse selbst entnommene Bericht zeigt die wirklichen Wünsche und Hoffnungen der bewaffneten ArbeiterInnenklasse zu jener Zeit. Sie versuchten ihre revolutionäre Politik den eigenen FührerInnen aufzuzwingen. Diese waren jedoch zu blind und zu feig oder wie im Falle der KP und der rechten SP zu skeptisch, zynisch und verräterisch, als dass sie die reale Situation erkennen hätten können. In der selben Ausgabe berichtet der Reporter des Daily Worker aus Madrid:
“Die Flugzeugfabrik in Cuatro Vientos arbeitet direkt unter Kontrolle eines Arbeiterkomitees, das sich aus Arbeitern aller Abteilungen zusammensetzt. Auch alle Bankoperationen sind unter die strikte Kontrolle von Komitees, die sich aus Vertretern der Angestellten zusammensetzen, und garantieren damit, dass wohlhabende Faschisten irgendwelche Aktionen, die der republikanischen Sache schädlich sind, nicht durchführen können.”
Diese wenigen Zitate und das Material, das auf den vorderen Seiten zitiert wurde, geben uns ein blasses Spiegelbild der Pracht der proletarischen Revolution – nennen wir sie beim richtigen Namen: von der sich in Spanien entwickelnden sozialistischen Revolution. Die ArbeiterInnen haben versucht den Kapitalismus zu stürzen, im Kleinen in der Praxis und indem sie die Machtfrage im Staat stellten. Die Führungen ihrer Organisationen, und durch diese die Organisationen selbst, haben diesen Weg jedoch blockiert. Es gab keine Partei bzw. Strömung, die den Standpunkt der Bolschewiki in Russland oder jenen Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts in Deutschland einnehmen hätte können. Die Bolschewiki wurden von einer kleinen Minderheit zur Mehrheit der russischen Revolution und führten so die ArbeiterInnen zum Sieg. In Spanien gab es trotz einer außergewöhnlich guten objektiven Situation, einer besseren Situation als in Russland vor dem Oktober 1917, keine Partei oder Führung, die fähig gewesen wäre, die Situation realistisch einzuschätzen, die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen und die ArbeiterInnen entschlossen auf dem Weg zur Macht zu führen. Alles was in jener Situation notwendig gewesen wäre, war den ArbeiterInnen die tatsächlichen Klassenkräfte in der Gesellschaft zu erklären und in der Praxis zu zeigen wie ihre traditionellen FührerInnen und Organisationen der Klasse im Weg standen.
Die Macht lag nun in den Händen der ArbeiterInnen, aber sie war nicht zentralisiert oder organisiert. Komitees, Juntas oder Sowjets, der Name ist unbedeutend, hätten in allen Fabriken und Stadtvierteln organisiert werden müssen, gewählt von den ArbeiterInnen, Hausfrauen und allen Sektoren der ArbeiterInnenklasse bzw. von den Bauern und klarerweise den AktivistInnen in den Milizen. Diese Komitees hätten dann über Delegierte auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene miteinander vernetzt werden müssen. Damit wäre der Rahmen für ein neues Regime geschaffen worden. Die ohnmächtige bürgerliche Regierung hätte zur Seite geschoben und die Diktatur des Proletariats errichtet werden können.
Isolierte Revolutionäre
Das Handeln der ArbeiterInnenklasse hätte in der Gesellschaft einen überwältigenden Zuspruch erhalten. Außerhalb Spaniens erarbeiteten Trotzki und seine GenossInnen auf täglicher Basis korrekte Analysen über den Prozess in Spanien. Allerdings hatte die trotzkistische Bewegung zu jener Zeit weder die Autorität noch die Organisation, um die Ereignisse direkt beeinflussen zu können. Unter den AktivistInnen aus den Reihen der SP, der KP, der POUM oder der AnarchistInnen hatte kaum jemand Zugang zu den Publikationen der TrotzkistInnen. Darin lag auch ein wesentlicher Grund für die Tragödie der Spanischen Revolution.
Die Ereignisse während des Bürgerkriegs können hier nur kurz skizziert werden. Hinweisen möchten wir jedoch auf das Buch „Revolution und Konterrevolution in Spanien“ aus der Feder von Felix Morrow. Es ist ein faktenreiches Dokument von unschätzbarem Wert. Wir empfehlen dieses Buch allen GenossInnen, die sich mit der Geschichte und den Ereignissen des Bürgerkrieges näher befassen wollen.
Premierminister Jose Giral und sein Kabinett, das sich ausschließlich aus linken RepublikanerInnen zusammensetzte, entsprachen immer weniger den wahren gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen. Folglich trat er am 14. September zurück und übergab die Macht an Caballero, der eine Regierung bestehend aus SozialistInnen, KommunistInnen sowie linken und sogar rechten RepublikanerInnen bildete. Anstatt den bürgerlichen Staat zu demontieren, arbeiteten Caballero und die linken SozialistInnen mit den StalinistInnen daran, ihn mit den „richtigen“ parlamentarischen Reformen zu stützen. Die neue Regierung repräsentierte dabei weder die ausschlaggebenden Sektoren des Bürgertums und noch weniger den Großteil des Proletariats. Diese Regierung hing von Anfang an in der Luft und besaß noch nicht einmal die Basis eines normalen bürgerlichen Staates: die Kontrolle über die Streitkräfte. Die militanten ArbeiterInnen standen unter der Kontrolle der Gewerkschaften und linken Parteien und erwarteten sich von diesen eine Perspektive.
Statt die ArbeiterInnen in ihrem Kampf um die Macht zu ermutigen, versprach Caballero eine bessere Welt… nach dem Krieg! In der „Cortes“ kündigte er folgendes an: „Wichtig ist es festzustellen, dass nach unserem Sieg die Struktur des Landes eine andere sein wird und dass der erste Artikel der Verfassung, demzufolge Spanien die Republik der schuftenden Massen ist, endlich verwirklicht werden kann.“ (S. 1260, IPC, 19. September 1936)
Dabei ist es doch gerade das gesamte Wesen eines Bürgerkrieges, dass die Massen nicht noch länger warten können! Nur wenn die gesellschaftliche Umwälzung sofort realisiert wird, werden die ArbeiterInnen und vor allem die Kleinbauern davon spürbar profitieren. Vor allem die Kleinbauern wurden so oft hintergangen, dass sie gegenüber Versprechungen skeptisch und gleichgültig geworden sind. Speziell derartige Erklärungen, die in sehr wagen und unbestimmten Phrasen verpackt sind, besitzen keine Anziehungskraft, am aller wenigsten für das Kleinbauerntum.
In einer Situation, in der Wörter durch Gewehrkugeln unterstrichen werden, verlangen sie nach Taten, Worte allein reichen da nicht mehr. Lenin hat einst erklärt, dass ein Gramm Erfahrung den zehnfachen Wert eines Gramms Theorie besitzt. Das trifft ganz besonders auf Versprechen zu. Die Massen sind nur dann bereit große Opfer zu bringen, wenn sie im Gegenzug ein entsprechendes, die blutigen Strapazen rechtfertigendes Ziel für realistisch halten. Nicht aber für eine „Republik“, die der faschistischen Konterrevolution den Weg geebnet hat.
Die Lobeshymnen von Caballero auf die „Republik“ konnten die Bauern nicht überzeugen. Sie verlangten nach einer Antwort auf die „Landfrage“. Das ist ihre Realität. Als die Rebellenarmee mit Lautsprechern die Schützengräben beschallte, um Francos wehrpflichtige Bauern zum Überlaufen zur Republik zu motivieren, lautete deren Antwort: „Was hat die Republik je für uns getan?“ Für sie handelte es sich dabei nur um einen Kampf zwischen Generälen. Sie wollten nicht kämpfen, konnten aber auch keinen großen Unterschied zwischen den beiden Seiten sehen. Warum sollten sie durch das Überlaufen ihr eigenes Leben oder Vergeltungsmaßnahmen gegen ihre Familie riskieren? Folglich kämpften sie für ihre eigene Versklavung bzw. die Versklavung aller ArbeiterInnen und Bauern ganz Spaniens.
Nur um sicherzustellen, dass es zu keinen echten sozialen Veränderungen kommen würde, schrieb Jose Diaz, der Generalsekretär der „Kommunistischen“ Partei folgendes zu dieser Frage: „Mit der Absicht, die internationale Meinung (wessen Meinung? Jene der KapitalistInnen, Anm. EG) gegen uns aufzubringen, haben die Feinde der Regierung behauptet, es handle sich um eine sozialistisch-kommunistische Regierung. In Wirklichkeit ist sie nicht mehr oder weniger die Fortsetzung der republikanischen und demokratischen Ministerien.“ Das ist absolut richtig. Und wir haben gesehen, wofür diese Regierung gestanden war!
Auf der Suche nach dieser mythischen Kreatur namens „revolutionäre Bourgeoisie“ schreibt unser kommunistischer Parteischreiber weiter: „Der beachtliche Wahlerfolg der Partei von Martinez Barrios (im Februar 1936) kann nicht anders als durch die antifaschistische Empfindung eines Teils der Bourgeoisie (nach dem faschistischen Juli-Aufstand) erklärt werden … Jose Giral, Francisco Barnes, Casares Quiroga (seine wahres Gesicht hat er ausreichend mit seiner Drohung gezeigt, jeden erschießen zu lassen, der die ArbeiterInnen bewaffnet), Enrico Kames und Manuel Blasque Garon – Industrielle und Landbesitzer, die einen Teil der Regierung von Jose Giral bilden.“ In Wirklichkeit repräsentierten diese Personen nicht ihre Klasse sondern nur sich selbst als Individuen. Ihre Aufgabe bestand darin im republikanischen Lager verzweifelt gegen die sozialistische Revolution zu manövrieren. Ganz abgesehen davon, dass die liberale Regierung unmittelbar nach Beginn des faschistischen Aufstands einen Kompromiss mit Franco und dessen Verbrecherbande schließen wollten.
Der Artikel fährt unbewusst humorvoll fort: „Wären die Ereignisse anders verlaufen, wäre es durchaus möglich gewesen, dass diese Herrn einen Kompromiss mit der Reaktion gesucht hätten.“ Und weiter: „Es besteht kein Zweifel daran, dass die überwältigende Mehrheit der Bourgeoisie mit den Aufständischen sympathisierte und diese unterstützte. Allerdings gibt es verschiedene Fraktionen innerhalb der Bourgeoisie, vor allem bei den nationalen Minderheiten. Diese Gruppen dürfen nicht aus dem antifaschistischen Lager ausgeschlossen werden… Eine breite soziale Basis ist im Moment eines solch scharfen Klassenkampfes einer jener Faktoren, die den Erfolg der Revolution garantieren… die antifaschistische spanische Volksfront, eine pazifistische Form der Vereinigung verschiedener Klassen im Antlitz der faschistischen Gefahr… zur selben Zeit die Einzigartigkeit der spanischen Volksfront… die relativ geringe Geschwindigkeit, mit der die bäuerlichen Massen in den bewaffneten Kampf gezogen werden…“
Die Unterstützung durch die letzten Überbleibsel der Bourgeoisie war – wie sich das herausstellte – mehr eine Schwächung sicher aber keine Stärkung im Kampf gegen Franco. Die Enteignung des Großgrundbesitzes und des Kapitals hätte das Lager der ArbeiterInnen um vieles mehr gestärkt. Aber in der Realität versuchten die StalinistInnen verzweifelt und unter den Anweisungen Moskaus das bürgerlich-republikanische Regime wiederherzustellen. Weil sie für „Recht“, „Ordnung“ und die „Verteidigung des Privateigentums“ eintraten, wurden sie in Katalonien und Spanien zur Partei der städtischen Mittelklasse und der reichen Bauern auf dem Land. Zu dieser Zeit bestand ihre Mitgliedschaft zu zwei Dritteln aus Meistern, kleinen Kaufläuten, reichen Bauern, führenden TechnikerInnen etc. Nur ein Drittel der Mitglieder waren ArbeiterInnen – großteils aus den rückschrittlicheren Teilen der ArbeiterInnenklasse.
Proletarische oder bürgerliche Armee?
Als „Verteidiger der revolutionären Bourgeoisie“ versuchten die StalinistInnen den vorrevolutionären Zustand wiederherzustellen. Dies setzte eine – blutige und widerwärtige – Konterrevolution im republikanischen Lager voraus. Bereits im Oktober 1936 setzten sie sich gegen Caballero durch und begannen damit, die Milizen in eine „reguläre Armee“ umzubauen. Es ist klar, dass in einem Bürgerkrieg ein zentrales Kommando notwendig ist. Aber die zentrale Fragen in Bezug auf die Armee in der heutigen Gesellschaft lauten: In wessen Interesse ist sie organisiert? Welche Klassenbasis besitzt sie? Worin besteht ihre Motivation? Aus welcher Klasse stammen die Generäle und Offiziere? Welche Klasseninteressen verteidigt die Armee? Mythische Appelle an die antifaschistische Einheit können die Klassenfrage nicht überdecken, solange die Klassengesellschaft bestehen bleibt. Trotzki und die Bolschewiki bauten die Rote Armee auch aus dem Nichts auf. Aber das war die Armee der ArbeiterInnenmacht. Sie setzten Zehntausende zaristische Offiziere ein. Doch diese standen unter der Kontrolle der ArbeiterInnenkommissare, die dem ArbeiterInnenstaat und den Idealen der sozialistischen Revolution loyal gegenüber standen.
Wird eine zentralisierte Armee aufgebaut, kann diese entweder das Werkzeug eines proletarischen oder eines bürgerlichen Staates sein. Sie kann aber keine gegenüber den Klassen neutrale Armee sein. Folglich halfen Caballero und die anderen Führer der Linken bei der Organisierung einer kapitalistischen Armee, weil sie zu viel Angst davor hatten oder unfähig dazu waren, die sozialistische Revolution zu vollenden. Das wiederum hatte verheerende Auswirkungen auf den Bürgerkrieg.
Wie wir bereits gezeigt haben, lief die große Mehrheit der Offiziere und Generäle zum Faschismus über. Dieser Prozess war in Spanien sogar viel augenscheinlicher als in Russland. In einem ausschließlich militärischen Kampf waren sie klar im Vorteil. Aber Krieg, und das gilt für den Bürgerkrieg in einem noch viel größeren Ausmaß, ist nichts anderes als die Fortsetzung der Politik mit den Mitteln der Gewalt. Im Krieg, so sagte Napoleon, wiegt die Moral mehr als alles andere.
Indem man eine Armee aufbaute, die nicht auf dem Modell der Roten Armee von 1918-20 basierte, sondern eine kapitalistische Armee schuf, wurde die gesamte Basis des Klassenkampfes unterminiert. In Barcelona und Madrid werkten die StalinistInnen systematisch am Wiederaufbau des bürgerlichen Staates. Der erste großen Erfolge wurden allesamt mit den Methoden der sozialen Revolution erkämpft. Im ersten Ansturm eroberten die Milizen Aragon. In Katalonien und Aragon wurde das Land beschlagnahmt. Als Konsequenz von jahrelanger anarchistischer Propaganda wurde das Land von den Kleinbauern selbst kollektiviert. Dieser Prozess war in Spanien fortgeschrittener als in den frühen Tagen der russischen Revolution. Die Miliz stand bereits vor Huesca, Teruel und Saragossa.
Aber aus Angst vor der sozialen Revolution im Zuge eines Sieges an dieser Front blockierte die Zentralregierung die Lieferung von Waffen und Nachschub. Caballero ließ sich mit der Drohung von der KP erpressen, dass die Sowjetunion die Versorgung mit Waffen einstellen würde. Davon wäre vor allem die Madrider Front betroffen gewesen, wo die KP eine wichtige Rolle spielte.
Die Hoffnungen der ArbeiterInnen gerieten in der Folge immer mehr in Konflikt mit der Politik der graduellen Rückkehr zur bürgerlichen „Normalität“. Dies entlud sich in einer offenen Krise, die unter dem Namen „Maitage von 1937“ in die Geschichte eingehen sollte.
In allen Revolutionen kam es noch zu Bewegungen, weil sich die ArbeiterInnen betrogen fühlten. Die Junitage in Paris im Jahre 1848, die Julitage 1917 in Russland und die deutschen Jännertage 1919 – die Massen spüren, dass ihnen die Macht aus den Händen gleitet. In einer elementaren Bewegung erheben sie sich krampfhaft aus Protest gegen den „Ausverkauf“ an die Bourgeoisie.
Die Macht in den Händen der ArbeiterInnen
Der unmittelbare Anlass für den Aufstand der ArbeiterInnen in Barcelona und im Rest von Katalonien war der Versuch der StalinistInnen, für die katalanische Regierung die Kontrolle über die Telefonzentrale zu erlangen. Diese stand seit dem ersten Tag unter der Kontrolle der ArbeiterInnen der CNT und stellte ein Element der ArbeiterInnenkontrolle dar.
Die StalinistInnen in der Generalitat, der autonomen katalanischen Regierung, entsandten mehrere Panzer und Truppen zur Telefonzentrale, um sie unter ihre Kontrolle zu bekommen. Die ArbeiterInnen antworteten mit einem Generalstreik. In Barcelona und anderen katalanischen Städten wurden Barrikaden errichtet. Die Regierung war machtlos. Der Versuch, die Garde von Valencia sowie die internationalen Brigaden gegen die Streikenden einzusetzen, scheiterte, weil sich diese weigerten gegen ArbeiterInnen vorzugehen.
Einmal mehr lag die Macht in den Händen der ArbeiterInnenklasse! Weder in Barcelona noch sonst wo gab es Truppen, auf die sich die Regierung verlassen hätte können.
Nun kamen die CNT und die POUM dem bürgerlichen Staat zu Hilfe. Diese „MarxistInnen“ argumentierten damit, dass es unmöglich sei, einen Bürgerkrieg im Bürgerkrieg zu beginnen und schickten die ArbeiterInnen wieder zurück zur Arbeit. In einem Übereinkommen zwischen Regierung und ArbeiterInnen würde man den Konflikt schon beilegen können. Für vier Tage hatten die ArbeiterInnen die Straßen kontrolliert. Hätte die POUM zur Machtübernahme aufgerufen, hätte niemand die ArbeiterInnen davon abhalten können. Die AnarchistInnen und die POUM redeten den ArbeiterInnen ein, „zur Arbeit zurück“ zu gehen. Die Krise war beigelegt! Eine weitere Chance war vertan.
Hätte die POUM die Macht übernommen, hätte man der Regierung in Madrid eine Einheitsfront gegen Franco anbieten können. Die Regierung hatte keine Truppen, auf die sie sich verlassen konnte. Sehr schnell hätten sich die Massen in Madrid, Valencia und an der Front unter dem Banner des Sozialismus in Barcelona vereinigt. Die Macht der Regierung in Madrid wäre in sich zusammengefallen.
Die POUM verpasste es zu handeln. Sie trat gemeinsam mit den AnarchistInnen in die bürgerliche Regierung Kataloniens ein und hoffte auf ein Wunder. In Worten traten sie gegen die Klassenkollaboration ein, in der Praxis kollaborierten sie mit dem Schatten der Bourgeoisie. Innerhalb von sechs Wochen erhielten sie den Lohn für ihre Feigheit und ihre fehlenden Perspektiven. In einer Revolution lernen die Massen in der Regel sehr schnell, aber diese „Führer“ lernten überhaupt nichts. Die StalinistInnen nutzten die Gelegenheit, dass die Massen in die Passivität und Verzweiflung gedrängt worden waren. Unter dem Vorwand, dass die POUM in eine Verschwörung mit Franco verwickelt sei, wurde sie verboten. Nin und andere FührerInnen wurden von GPU-Agenten in Spanien ermordet. Die Partei wurde zerstört.
Caballero stimmte der Unterdrückung der POUM nicht zu. Folglich wurde er entfernt. Die KP heckte mit Prieto, anderen rechten SozialistInnen und den bürgerlichen RepublikanerInnen einen Umsturz im Kabinett aus. Caballero wurde durch Negrín ersetzt, der in den Händen der StalinistInnen biegsamer war. La Passionaria lobte dies als die „Regierung des Sieges“! Es gab auch so manchen militärischen Sieg, allerdings zu wenige. Indem man den Kampf rein auf eine militärische Frage reduzierte, war die Niederlage bereits besiegelt. Auf die bürgerlichen Offiziere, die eine militärische Ausbildung besaßen, war kein Verlass.
Nach der Auflösung der Milizen wurden Malaga und das Baskenland von einem Teil des Stabes verraten und den Faschisten überlassen. Ein Krieg kann allerdings niemals durch bloß militärische Mittel gewonnen werden. Die allgemeine Ausrede der ReformistInnen und StalinistInnen, sofern sie sich überhaupt mit diesem Thema beschäftigen, lautet, dass die Niederlage Folge der ausländischen Intervention und des Einsatzes der marokkanischen Einheiten auf Seiten Francos gewesen sei!
Hitler und Mussolini hatten 100.000 italienische und 20-60.000 deutsche Soldaten entsandt. Zehntausende marokkanische Soldaten kämpften in den Reihen von Francos Armee. Aber auch gegen die russische Revolution hatten ausländische Truppen, insgesamt 21 Armeen, interveniert. Gegen Russland wurde eine Blockade verhängt. In den ersten Tagen des Bürgerkrieges befand sich nur eine einzige Provinz in den Händen der Bolschewiki. Der Rest des Landes stand unter der Kontrolle der Weißen Armee und den Interventionsarmeen.
Die Bolschewiki siegten nicht dank militärischer Überlegenheit sondern weil sie den Bürgerkrieg als sozialen Kampf führten. Alles Land den Bauern, Freiheit für die unterdrückten Nationalitäten, die Fabriken den ArbeiterInnen und proletarischer Internationalismus waren die Methoden der Bolschewiki. Folglich meuterte jede Armee, die gegen die Bolschewiki, die russischen ArbeiterInnen und Bauern eingesetzt werden sollte und musste zurückgezogen werden. Im Hinterland der imperialistischen Armeen sabotierten ArbeiterInnen und Bauern den Kampf. Sie versorgten die Rote Armee mit unschätzbaren Informationen über deren Feinde und organisierten einen Guerillakrieg. Angesichts der fehlenden Unterstützung in der Bevölkerung sank auch die Moral der Truppen der Weißen Armee. Zehntausende liefen zur Roten Armee über. Die russischen ArbeiterInnen gingen siegreich aus dem Bürgerkrieg hervor.
In China führten Mao Tse-Tung und die KP einen halbrevolutionären Krieg, womit der Grundstein für ihren Sieg gelegt wurde. Zu Beginn des Bürgerkriegs war die Armee von Tschiang Kai-Shek numerisch und technisch stark überlegen. Vom US-Imperialismus wurde sie mit den modernsten Panzern, Flugzeugen und Waffen ausgerüstet. Der größte Teil Chinas stand unter ihrer Kontrolle. Aber durch die Verteilung des Landes an die Soldaten von Tschiangs Armee liefen Hunderttausende Soldaten und teilweise ganze Divisionen zur Roten Armee über. Die Methoden eines sozialen, halbrevolutionären Krieges stärkten die Moral der Truppen, vom Bauernoffizier bis zum kleinsten Soldaten. Dies resultierte auch in einem militärischen Sieg.
Im spanischen Bürgerkrieg fehlte dieses Element weitgehend. Die großartige Initiative der ArbeiterInnen legte die Basis für schillernde Siege der unbewaffneten ArbeiterInnenklasse in zwei Dritteln Spaniens. Die Flotte sowie Teile der Luftwaffe und der Artillerie liefen zu den ArbeiterInnen über. Aber die Revolution wurde nicht zu Ende gebracht. Zentimeter für Zentimeter wurden die ArbeiterInnen in der Folge zurückgedrängt. Die demokratische Konterrevolution im Hinterland schwächte den Kampf an der Front. In Katalonien und Aragon rissen sich die Grundbesitzer das Land wieder unter den Nagel. Die Fabrikanten holen sich der Reihe nach die Fabriken zurück. Der bürgerliche Staat und das bürgerliche Heer werden wiederhergestellt. Die Macht liegt in den Händen des „demokratischen Kapitalismus“.
Was sind die Folgen? Die Marokkaner bildeten das Rückgrat von Francos Truppen. Warum kämpften sie für ihre eigene Versklavung und jene ihrer spanischen Brüder und Schwestern, der ArbeiterInnen und Bauern? Abd El Krim, der den Kampf für die marokkanische Unabhängigkeit von Spanien und Frankreich anführte, lebte im Exil. Er bot der republikanischen Regierung an, nach Spanien zu kommen und die Marokkaner dazu zu motivieren, auf der Seite der Republik zu kämpfen. Alles was er im Gegenzug verlangte war ein Autonomierecht für Marokko. Diese Maßnahme wäre jedoch von den „Demokratien“ Großbritannien und Frankreich mit ihren Imperien in Afrika als Affront gewertet worden. Und hat die Volksfront außerdem nicht versprochen, sämtliches spanisches Land zu behalten? Weil man den Krieg nicht mit revolutionären Mitteln führte, lehnte die Republik das Angebot ab. Während des gesamten Bürgerkriegs stellten die Marokkaner die leidenschaftlichsten und besten Truppen Francos. Als Gipfel der Ironie sei nicht unerwähnt, dass Franco aus Angst vor den Konsequenzen eines Kolonialkrieges für sein Regime Marokko nicht nur einen Autonomiestatus sondern gleich die Unabhängigkeit gewährte. Selbst in ihrem Todeskampf war die Volksfrontregierung dazu nicht bereit gewesen!
Es stimmt, dass Mussolini und Hitler Franco massiv unterstützt hatten. Aber diese Soldaten waren italienische und deutsche Bauern und Arbeiter. Man hätte sie mit einem internationalistischen Appell nach dem Vorbild der Bolschewiki in Russland erreichen können. Trotz allem waren die ausländischen Truppen und die marokkanischen Einheiten nur Hilfstruppen. Francos Armee stützte sich auf spanische Soldaten, vor allem auf Bauern, die sich in seine Armee einschreiben ließen. Sie hätten nur dadurch gewonnen werden können, wenn man sie von den fundamentalen sozialen Unterschieden zwischen den beiden Armeen überzeugt hätte. Alles Land den Bauern, den ArbeiterInnen die Fabriken, Freiheit für die unterdrückten Nationalitäten in Spanien und Afrika – das wäre das einzige Programm für einen Sieg gewesen. Das Programm, mit dem man die Macht an die Grundherren und Fabrikbesitzer zurückgab, konnte keine Auswirkung auf die Soldaten in Francos Armee haben. So konnte Franco seine militärische Überlegenheit voll ausspielen. Die Volksfrontregierung in Frankreich und das „demokratische“ Großbritannien schickten dem „republikanischen“ Spanien keine Waffen. Mit dem scheinheiligen Argument, sich nicht einmischen zu wollen. Auch das stalinistische Russland spielte bei dieser Farce mit. Waffen wurden erst wieder geschickt, nachdem wertvolle Monate verloren gegangen waren; und das geschah auch nur unter der Bedingung, dass die soziale Revolution gestoppt wird.
Das Verhalten der ArbeiterInnenparteien in der Revolution und im Bürgerkrieg führte direkt in die Niederlage. Aber nehmen wir kurz einmal an, dass durch irgendein Wunder wenn schon nicht der soziale so doch der militärische Sieg errungen werden hätte können. Die Was dann? Die Macht wäre wieder in den Händen des Kapitals und des Großgrundbesitzes gelegen. Die Überbleibsel der alten Offizierskaste und der Mittelklasse hätten in der wiederaufgebauten bürgerlichen Armee wieder das Sagen gehabt. Das Land war während des Bürgerkriegs in Schutt und Asche gelegt worden. Die ArbeiterInnen wären nach der Unterdrückung ihrer Bewegung demoralisiert gewesen. Die Generäle hätten das volle Kommando über die erneuerte Armee und könnten alles entscheiden. Gegen Ende des Kampfes war es offensichtlich, dass der Sieg in weite Ferne gerückt war. Das unkontrollierbare Armeekommando dieser neu aufpolierten Armee hatte die Macht an sich gerissen, um einen Kompromiss mit Franco (!), General Casado und Generals Miaja auszuhandeln. Das KP-Mitglied Miaja errichtete eine Militärdiktatur! Als Belohnung dafür, in der Revolution die kämpfende Vorhut der demokratischen Konterrevolution gewesen zu sein, wird die „Kommunistische“ Partei verboten und in den Untergrund gezwungen. Auf beiden Seiten der Frontlinie standen plötzlich Diktaturen! Sogar wenn das „demokratische“ Spanien den Bürgerkrieg gewonnen hätte, hätte es einen militärischen Polizeistaat gegeben.
Nach drei Jahrzehnten der Diktatur bewegt sich Spanien nun erneut auf eine Revolution zu. Die KP-Führer haben nichts gelernt und spielen dieselbe verheerende Rolle wie damals.
Die Aufgabe der spanischen JungsozialistInnen besteht darin, die Lehren des Bürgerkriegs in der ArbeiterInnenklasse und natürlich an der Basis der KP zu diskutieren. Die Perspektiven sind international und auch in Spanien sehr günstig. Der Anarchismus ist sehr schwach. Die SP und die KP stellen die einzig wahren Kräfte innerhalb der ArbeiterInnenklasse dar. Die Basis der KP würde auf eine mutige marxistische Führung der SP und der SJ sehr positiv reagieren. Ein Sieg der sozialistischen Revolution in Spanien würde die gesamte internationale Lage verändern. Der einzige Weg zum Erfolg der spanischen ArbeiterInnen führt über die Lehren der Revolution von 1931-37. Ohne ein Verständnis dieser Periode wären sie dazu verdammt, ähnliche Fehler zu begehen und dasselbe Schicksal wie ihre Eltern und Großeltern erleiden zu müssen.