Eine junge Frau wird von ihrem eigenen Bruder bei lebendigem Leibe angezündet. Ihr verbrannter Körper bleibt zwei Tage unbeachtet auf der Straße liegen. Dies klingt wie ein Schauermärchen aus vergangenen Zeiten, doch, man glaube es kaum, diese Greueltat ereignete sich vor knapp einem Jahr – in Pakistan.
Der wachsende Einfluss des islamischen Fundamentalismus in Pakistan drückt sich in einer systematischen Unterdrückung von Frauen aus. Das pakistanische Regime unter General Zia hat 1979 zwei Gesetze eingeführt, die sich konkret gegen Frauen und deren Rechte richten. Das erste besagt, dass vor Gericht eine männliche Stimme doppelt so viel zählt wie eine weibliche. Im zweiten Gesetz steht, dass eine Frau, die vergewaltigt wurde, vier männliche Zeugen braucht, um die Vergewaltigung zu beweisen. Wenn es ihr jedoch nicht möglich ist, diese vier Zeugen vorzuführen, wird sie des Ehebruchs und der Untreue angeklagt und in den meisten Fällen für schuldig erklärt. Dieses Urteil bedeutet, dass sie bis zu 14 Jahren ins Gefängnis gesteckt werden kann. Derzeit sind 5000 Frauen aufgrund dieses Gesetzes in Haft.
In Pakistan gibt es außerdem noch eine Menge ungeschriebener Gesetze. Eines besagt zum Beispiel, dass Bruder, Ehemann oder Vater das Recht besitzen, ein weibliches Familienmitglied zu bestrafen, wenn der Verdacht besteht, dass diese Frau „Schande, über die Familie gebracht hat. Letztes Jahr wurden 286 Frauen dieser brutalen Tradition zufolge ermordet. Wenn solche Fälle angezeigt werden, verschwinden die Akten meist auf mysteriöse Weise, und der Fall ist somit geklärt.
Heirat hat weniger mit Liebe als mit einem gezielten Handel zwischen zwei Familien zu tun. Außereheliche Beziehungen werden oft mit dem Abhacken der Nase bestraft. Gewalt gegen Frauen in den eigenen vier Wänden ist allgegenwärtig. Einer Schätzung der Menschenrechtskommission zufolge wird in Pakistan alle drei Stunden eine Frau vergewaltigt.
Die Arbeitsbedingungen der Frauen
Gerade westliche Konzerne setzen in zunehmendem Ausmaß auf die ungehemmte Ausbeutung weiblicher Arbeitskräfte. In Pakistan müssen Frauen länger arbeiten als Männer, bekommen jedoch durchschnittlich um 42% weniger bezahlt. Eine Frau muss durchschnittlich 12-15 Stunden täglich arbeiten, ein Mann „nur, 10-12 Stunden pro Tag. Die Regierung hat Frauen verboten sich in Gewerkschaften zu organisieren. Das bedeutet, dass es Frauen fast unmöglich gemacht wird, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erreichen. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gehört zum Alltag.
Eine Frage der Mentalität?
Oft wird diese unvorstellbare Frauenunterdrückung mit der „Mentalität, und dem „Temperament, begründet. Doch das Problem hat viel tiefere Ursachen. In den 70er Jahren sah der US-Imperialismus seine Interessen von einer sozialen Massenbewegung in Pakistan bedroht. Gestützt auf diese Bewegungen konnte sich eine Regierung etablieren, das unter dem Druck der Arbeiterklasse gezwungen war, einige Teile der Wirtschaft zu verstaatlichen. Daraufhin begann der Imperialismus einzugreifen. Man ging daran, die reaktionären Ideologien des religiösen Fundamentalismus für sich nutzbar zu machen. Nach dem vom CIA unterstützten Putsch General Zias wurden die Ausgaben für Bildung und Gesundheit massiv gekürzt. Die staatlichen Schulen verfielen, und es wurde Schulgeld eingeführt. Zur selben Zeit wurden streng religiöse, kostenlose Internatsschulen errichtet. Dies war ein taktisch kluger Schachzug der Regierung. Da sich nun die armen Familien die staatlichen Schulen nicht mehr leisten konnten, schickten sie ihre Kinder in die sogenannten Madrassas. Diese Schulen sind nur für Buben zugänglich. Dort wird ihnen von klein auf eingetrichtert, dass Frauen minderwertig sind. Die Tatsache, dass die meisten der Jungen bis zu ihrer Volljährigkeit kein einziges weibliches Wesen zu Gesicht bekommen, erklärt so manches.
Die Befreiung der Frauen ist ganz eng mit der Lösung der sozialen Frage verbunden. Die pakistanischen MarxistInnen haben den Kampf gegen die Unterdrückung der Frau in das Zentrum ihrer Arbeit gestellt und versuchen verstärkt Frauen die Möglichkeit zu geben, sich für ihre Rechte zu organisieren.
Theresa Meyer, SJ Linz/Römerberg