Wie können wir unser Programm für eine gute Bildung in die Realität umsetzen? Mit welchen Methoden können wir die Schule und das Bildungssystem verändern?
Das Unterrichtsgesetz bietet uns SchülerInnen die Möglichkeit, an verschiedenen Gremien der SchülerInnenvertretung teilzunehmen. Diese Gremien sollen den Anschein erwecken, dass wir SchülerInnen in die wichtigsten Entscheidungsprozesse an der Schule und im Bildungssystem miteingebunden sind. Bei näherer Betrachtung stellen sie sich jedoch als machtlos heraus. Klassensprecherkonferenzen müssen beispielsweise vorher vom Direktor genehmigt werden, und ihre Beschlüsse sind für niemanden bindend. Im Schulgemeinschaftsausschuss (SGA) bilden Eltern und LehrerInnen die Mehrheit, wichtige Entscheidungen werden nicht selten vom Direktor alleine getroffen. Landes- und BundesschülerInnenvertretung (LSV und BSV) haben eine rein beratende Funktion.
Wenn wir in der Schule oder im Bildungssystem etwas verändern wollen, müssen wir uns selbst organisieren und versuchen durch geeignete Kampfmaßnahmen, Druck von unten zu erzeugen. Die erfolgreichste Form der Selbstorganisation ist das SchülerInnenkomitee.
Das SchülerInnenkomitee als Form der Selbstorganisation von SchülerInnen
Ein SchülerInnenkomitee lebt von der Bereitschaft der SchülerInnen, am politischen Leben, an den Entscheidungsprozessen der Schule teilzunehmen. Diese Bereitschaft schwankt sehr stark und geht oft in der Routine des Schulalltags ganz verloren. Nicht selten braucht es einen konkreten Anlass, der den angestauten Unmut der SchülerInnen entfesselt. Ob es sich bei diesem Anlass um einen Willkürakt des Direktors oder eines Lehrers handelt, oder um eine weitere Verschlechterung der Unterrichtsbedingungen ist einerlei. Gibt es SchülerInnen, die mit diesen Vorfällen an der Schule nicht einverstanden sind, ist es das Beste, ein SchülerInnenkomitee zu gründen. Wie oft schimpfen wir im Raucherhof oder im Pausenraum über die eine oder andere Ungerechtigkeit, nur um sie ein paar Tage später wieder zu vergessen. Mit Hilfe eines SchülerInnenkomitees kann sich unser Unmut artikulieren und fruchtbar werden. Es ist nicht wichtig, wer das SchülerInnenkomitee einberuft. Das kann der/die SchulsprecherIn sein oder jede/r andere engagierte SchülerIn.
Das SchülerInnenkomitee sollte sich ein konkretes Ziel stecken, zum Beispiel, dass der Direktor eine gewisse Entscheidung zurücknimmt, oder dass mehr Geld für die technische Ausrüstung des Computerraums zur Verfügung steht, oder dass Einsparungen im Bildungsbereich von der Bundesregierung zurückgenommen bzw. unterlassen werden.
Beim SchülerInnenkomitee sollen alle SchülerInnen mitmachen, die sich mit diesem konkreten Ziel identifizieren können. Es ist nicht wichtig, ob die TeilnehmerInnen in anderen Fragen verschiedene Auffassungen haben, oder ob sie zu verschiedenen politischen Gruppierungen gehören, wichtig ist, dass sie sich in dem einen konkreten Ziel einig sind. Auf diese Weise wird unter der SchülerInnenschaft die größtmögliche Aktionseinheit hergestellt.
Nachdem ein konkretes Ziel ins Auge gefasst wurde, geht das Komitee daran, gemeinsam einen Aktionsplan zu erstellen, wie das Ziel erreicht werden kann. Am Anfang des Aktionsplans kann eine Verhandlung mit dem Direktor stehen. Diesen Verhandlungen können Unterschriftensammlungen, Flugblätter an LehrerInnen und SchülerInnen sowie Briefe an die Eltern folgen. Eine Unterstützung der Klassensprecherkonferenz oder der SchulsprecherInnen verleiht den Zielen eine größere moralische Autorität und sollte daher angestrebt werden.
Das effizienteste Mittel ist der SchülerInnenstreik. Mit einem SchülerInnenstreik kann das Komitee zeigen, dass ohne SchülerInnen der Unterricht nicht funktioniert. Der SchülerInnenstreik ist nicht umsonst der Schrecken aller Direktoren, Landesschulräte und Bundesregierungen, er ist das wichtigste Druckmittel einer kämpferischen SchülerInnenvertretung. Mit dem ersten erfolgreichen SchülerInnenstreik verschafft sich das Komitee an der Schule Respekt und wird als Verhandlungspartner ernst genommen.
Mit einem permanent aktiven SchülerInnenkomitee an der Schule kann der Allmacht des Direktors ein Ende bereitet werden. Wollen wir aber das Bildungssystem und die Unterrichtspraxis im Allgemeinen verändern, müssen wir über den engen Horizont unserer eigenen Schule hinausblicken.
Um österreichweite SchülerInnenbewegungen vorzubereiten, ist es notwendig, nach einem Vorfall, der alle SchülerInnen betrifft, SchülerInnenkomitees an möglichst vielen Schulen zu gründen, die gemeinsame Ziele verfolgen und die Bewegung an ihrer jeweiligen Schule anführen.
Unser Gegner ist dann nicht mehr der Direktor, sondern die herrschende österreichische Bildungspolitik, die wiederum nicht unabhängig von allgemeinpolitischen Vorgängen in Österreich und auf der Welt gesehen werden kann. Eine SchülerInnenbewegung drückt den Unmut der SchülerInnen aus, der auf Grund eines bestimmten Anlasses aufflammt, auch sie hat zuerst konkrete, beschränkte Ziele. Aber wenn sie erfolgreich sein will, muss sie anfangen, allgemeinpolitische Analysen und Zielsetzungen in ihre Überlegungen mit einzubeziehen.
Die SchülerInnenbewegung im Spannungsfeld weltpolitischer Zusammenhänge
Die Bildungspolitik, die Unterrichtspraxis, die Prüfungsmodalitäten, der Unterrichtsstoff und sogar die Verhaltensregeln der Hausordnung sind Ausdruck der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen wir leben. In den letzten Jahren war nicht nur Österreich sondern ganz Europa vom Bildungsabbau betroffen. Und Bildungsabbau wird überall von Einsparungen im Gesundheitsbereich, im Pensionssystem und Kürzungen bei vielen Sozialleistungen begleitet. Gleichzeitig werden Banken und Konzerne immer mehr entlastet und bekommen ein Steuergeschenk nach dem anderen.
Trotz nie da gewesener technischer Möglichkeiten, ist die Wirtschaftsleistung in den wichtigsten Märkten rückläufig und in vielen Ländern steckt die Wirtschaft in schweren Krisen. Die Anarchie unserer Wirtschafsordnung verleiht uns SchülerInnen das Privileg, bald die best ausgebildeten Arbeitslosen der Weltgeschichte zu sein. Die steigende Instabilität in den Beziehungen zwischen den Staaten führt zu steigenden Rüstungsausgaben. Die Krise der Wirtschaft führt zu gewaltigen Geldgeschenken an die Banken. Und dann will man uns einreden, es wäre kein Geld für unsere Bildung da!
Immer mehr SchülerInnen begreifen diese Zusammenhänge und wollen ihrem Unmut Luft machen. Diese SchülerInnenbewegung ist Teil einer allgemeinen Massenbewegung gegen Krise und Sozialabbau, die hauptsächlich von den Gewerkschaften getragen wird. ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen und Jugendliche sind nicht mehr bereit Kürzungen im Gesundheitswesen, im Pensionssystem und im Bildungsbereich hinzunehmen, wenn gleichzeitig Milliardensummen an die Banken fließen.
Die SchülerInnenbewegung und andere sozialen Bewegungen
Die Einsicht in diese Zusammenhänge ist für eine SchülerInnenbewegung ausgesprochen wichtig. Sie ist die Grundlage, auf der eine SchülerInnenbewegung nicht nur ihre wahren Gegner sondern auch ihre Verbündeten erkennen kann. Die allgemeine Krise unserer Gesellschaftsordnung erschüttert nämlich nicht nur unser österreichisches Bildungssystem, sie erfasst sämtliche Teilbereiche dieser Weltordnung.
Die Antwort der Menschen auf diese Krise lautet Widerstand: soziale Massenbewegungen in Südeuropa, Lateinamerika, der arabischen Welt, der Türkei… rechnen mit dem herrschenden System ab. Die Revolution – der Ausbruch der Menschen aus einer immer unerträglicheren Realität – ist heute eine reale Notwendigkeit und Möglichkeit!
Wo man auf der Welt hinschaut, erwachsen der SchülerInnenbewegung Verbündete im Kampf gegen Bildungs- und Sozialabbau. Immer mehr soziale Bewegungen stellen auch die herrschende Gesellschaftsordnung in Frage. Sie wollen eine wirklich menschliche und freie Gesellschaftsordnung, in der für die Bedürfnisse der Menschen und nicht für Profite produziert wird. Eine Weltwirtschaft, die sich nach den Gesetzen demokratischer Planung und nicht nach der Anarchie des versagenden Marktes bewegt, könnte erstmals in der Geschichte der gesamten Erdbevölkerung eine öffentliche Schulausbildung auf hoher Qualität ermöglichen.
Wenn sich eine SchülerInnenbewegung in ihren Analysen nur auf die Missstände in der österreichischen Bildungspolitik beschränkt, kann sie ihre Gegner und Verbündete nicht richtig einschätzen und würde folgenschwere Fehler begehen. Nur wenn wir die wirklichen Ursachen des Bildungsabbaus erkennen, dann können wir auch erfolgreich für unsere Interessen kämpfen. Unser Gegner sind die mächtigsten Regierungen, Konzerne und Banken. Unsere potentiellen Bündnispartner sind alle, die gegen die Verschlechterung ihres Lebens durch die kapitalistische Krise ankämpfen und ihre Interessen verteidigen wollen.
Erst die Einsicht in die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge gemeinsam mit entsprechenden Visionen ermöglichen es einer SchülerInnenbewegung einen systematischen Kampf für die Verteidigung des öffentlichen Bildungssystems auf hoher Qualität zu führen.
Zorn braucht Perspektive
Der spontane Unmut der SchülerInnen, der die Grundlage für SchülerInnenbewegungen bildet, kann die verschiedensten Ursachen haben. Einmal sind es Änderungen des Schulunterrichtsgesetzes, oder Einsparungen, die für Diskussionen sorgen, das andere Mal ist es die Abschiebung einer Mitschülerin.
Was auch immer der Anlass für berechtigten Unmut ist, die SchülerInnen sollten an möglichst vielen Schulen SchülerInnenkomitees gründen, um österreichweite Aktionen zu planen. Die AktivistInnen in den Komitees haben in der Regel verschiedene Meinungen zu allen möglichen politischen Themen, sie werden zuerst nur durch das gemeinsame konkrete Ziel der Bewegung verbunden. Indem SchülerInnen aller politischen Richtungen und die große Masse der sonst politischen uninteressierten SchülerInnen miteinbezogen werden, erhält die Bewegung die notwendige Breite. Andererseits darf diese Breite nicht dazu führen, dass Diskussionen über politische Zusammenhänge ausgeklammert werden. Ohne eine tief greifende gesellschaftspolitische Analyse mit einem entsprechend klaren Konzept ist eine SchülerInnenbewegung – wie oben bereits erklärt – verloren.
In einer breiten demokratischen Diskussion sollten in allen SchülerInnenkomitees am Anfang der Bewegung die politischen Analysen und Konzepte genauso eingehend diskutiert werden wie die Aktionspläne. Genauso wie sich das Komitee im Verlauf der Diskussion trotz vieler verschiedener Meinungen auf einen Aktionsplan einigt, so soll es sich auch auf ein politisches Konzept einigen. Wir haben gesehen wie die kleinen Probleme alle mit der großen Politik zusammenhängen und dadurch selbst zu politischen Problemen werden. Deshalb kann ein SchülerInnenkomitee nicht unpolitisch sein. Ein SchülerInnenkomitee kann nicht ohne politische Konzepten sein, aber es kann sich seine politischen Konzepte in demokratischen Diskussionen selbst aussuchen und autonom, selbstbestimmt für sich entscheiden, welche politische Strategie für den Erfolg der Bewegung am besten ist.
Aus unserer Sicht ist der Marxismus die beste Methode die Gesellschaft zu analysieren und zu verändern. Deshalb werden wir als marxistische SchülerInnen unsere Ideen in der SchülerInnenbewegung nicht verstecken, wie es viele SchülervertreterInnen tun, die ihre Ideen hinter schein-unabhängigen Vorfeldorganisationen verstecken und gleichzeitig Geld von ihren Mutterparteien und dem Staat beziehen.
Das SchülerInnenkomitee ist eine ausgezeichnete Aktionsform, wenn es darum geht, dass sich spontaner Unmut artikulieren kann. So eine spontane Bewegung hat jedoch ihre Grenzen, und die Stimmung erlischt oft ebenso schnell, wie sie entstanden ist, um später an einem anderen Punkt wieder aufzuflackern. Keine Bewegung ist aber darum umsonst, diese Bewegungen bilden eine hervorragende Schule, in der aus spontanem Unmut Einsicht in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge und politische Überzeugung wird.
Don’t panic, organize! Mach mit bei der revolutionären Jugendzeitung „Rebellion“!