Eine Stellungnahme der Schweizer Funke-Strömung zum Ausgang der Volksabstimmung 1:12 gegen Abzockergehälter bei Managern.
Sie haben uns nicht zugetraut, dass wir eine Initiative sammeln können. Wir haben zwei gesammelt.
Sie haben uns nicht zugetraut, dass wir Leute für unsere Sache gewinnen können. Wirhaben unsere Mitgliederzahl verdoppelt.
Sie haben uns nicht zugetraut, dass wir national etwas zu sagen haben. Wir haben den gesamten Diskurs der letzten zwei Jahre bestimmt.
Sie haben uns nicht zugetraut, dass wir etwas mit unserer Initiative bewegen können. Wir haben die ganze Welt bewegt.
Sie haben uns nicht zugetraut, dass wir etwas mit unserer Initiative erreichen können.
Wir haben alles erreicht
Wir haben erreicht, dass wir in diesem Land endlich wieder über das reden was zählt – darüber wer den Wohlstand im diesem Land erarbeitet und wem er gehört.
Nicht über kleinkriminelle Migranten, sondern über grosskriminelle Banken. Nicht über Ausländer und Eidgenossen, sondern über Arbeitende und Abzocker.
Wir haben uns nicht wie die reichen und grossen Parteien, arme kleine Gegner ausgesucht, sondern wir haben uns als arme kleine Partei die grossen reichen Gegner ausgesucht.
Wir sind mit offenen Augen auf den Paradeplatz marschiert und haben uns den Millionen entgegengestellt. Wir haben nie damit gerechnet zu gewinnen – und genau deswegen haben wir gewonnen:
Wir haben den Kampf gegen Ungerechtigkeit aufgenommen, den sich sonst niemand getraut aufzunehmen. Wir haben gezeigt, dass eine andere Welt möglich ist.
Wer gegen die Grossen antritt, kann verlieren. Doch mit jeder Niederlage werden wir mehr. Und wir sind heute unendlich viel stärker geworden – wir wissen es, und sie wissen es. Und niemand kann uns aufhalten, noch stärker zu werden.
Keinen Schritt zurück, sondern weiter Vorwärts! Die Zukunft gehört uns.
Zum Weiterlesen:
Linke mit 1:12 in der Offensive
Schweiz. Mit der Volksinitiative 1:12 will die JUSO das Verhältnis zwischen tiefstem und höchstem Lohn in einem Unternehmen auf 1 zu 12 beschränken. Warum das im Bankenland für Aufruhr sorgt, berichtet Matthias Gränicher.
Die Bürgerlichen sehen durch diese Initiative das Schweizer „Erfolgsrezept“ in Gefahr. Die rechtskonservative, offen rassistische Schweizer Volkspartei (SVP) ist ihre Speerspitze gegen 1:12. Mit einer Plakatkampagne versucht sie die Initiative in Manier des Kalten Krieges als kommunistisch darzustellen. CEOs großer Konzerne wie Nestle oder Credit Suisse drohen mit dem Absiedeln ins Ausland. Statt Argumente hört man von ihnen nur Drohungen und Erpressungsversuche. Täglich warnen die bürgerlichen Medien vor der Zerstörung von Arbeitsplätzen, der Gefährdung des Pensionssystems, Steuerausfällen durch Abwanderung von Konzernen usw.
Vorgeschichte
Als 2008 die Banken auf der ganzen Welt zusammenbrachen und staatlich gerettet wurden, hatte dies natürlich auch auf die Schweiz Auswirkungen. Besonders wichtig für das Bewusstsein breiter Schichten war die Rettung der UBS, eine der weltweit größten Banken, die als Musterbeispiel des modernen Finanzkapitalismus galt. Banker galten in der Schweiz vor der Krise als „Superhelden“, welche das Land reich machen würden. Großbanken wie die UBS kontrollierten über Jahrzehnte relativ offen und direkt die Schweizer Politik. Das Bankgeheimnis, also das gesetzliche Verbot Informationen über Kontos an Steuerbehörden im In- und Ausland weiterzugeben, wurde von breiten Schichten der Bevölkerung als Erfolgsrezept angesehen. Es wurde wichtiger Teil der Identität der EidgenossInnen. Mit der Finanzkrise und der Rettung der UBS veränderte sich das Bewusstsein aber schlagartig. Als die UBS mit 68 Milliarden Franken gerettet wurde, und die Manager trotzdem Boni in Millionenhöhe ausbezahlt bekamen, zerbarst das jahrzehntelang gepflegte Bild des seriösen Schweizer Bankers in wenigen Wochen. In einer repräsentativen Umfrage sank die Vertrauenswürdigkeit der Banker auf das Niveau von Zuhältern. Ihre Topgagen und Boni wurden plötzlich zu einem allgemeinen Gesprächsthema, und das in einem Land, in dem man über Jahrzehnte darauf stolz war, dass man über Geld nicht spricht. Selbst bürgerliche Medien nahmen Banker und Manager nun regelmäßig aufs Korn. Das wichtigste Schweizer Gratisblatt veröffentlichte 2009 einen Kommentar, welcher dazu aufforderte alle Banker ins Gefängnis zu stecken.
Die Krise wirkte sich aber auch in der Realwirtschaft aus. So fand 2008/9 eine massive Entlassungswelle in der Industrie statt, welche die Wut erst recht gegen die privilegierten Banker richtete. Dies wurde noch durch die weltfremde Arroganz der Finanzeliten und Manager verstärkt, welche versuchten ihre Millionenbezüge als leistungsgerecht zu verkaufen. Die Ungleichheit bei Vermögen und Einkommen ist seit 2008 regelmäßiges Thema. Das Bild der reichen Schweiz ist eben nur sehr relativ. In der Schweiz gehört laut der Großbank CS dem reichsten 1% der Bevölkerung 59% des Vermögens. Der durchschnittliche CEO verdient 43 Mal mehr als das Medianeinkommen in der Schweiz. Gleichzeitig ist jeder 8. armutsgefährdet, viele davon sind Working Poor. Solche Zahlen werden heute nicht mehr nur in linken Medien publiziert, sondern auch in den Boulevard-Zeitungen.
Der Aufstieg der Juso
In diesem Kontext der Krise begann auch der Aufstieg der JungsozialistInnen (Juso), welche vorher nicht mehr war als die erste Station für karrierebewusste, sozialdemokratische JungpolitikerInnen. 2009 lancierte man die 1:12-Initiative, die zwei Jahre später mit 130.000 Unterschriften eingereicht wurde. In dieser Zeit verdoppelten die Jusos ihre Mitgliederzahl von 1500 auf 3000, die Aktivitäten steigerten sich in der ganzen Schweiz um ein Vielfaches. Gleichzeitig war 1:12 auch Teil eines Linksrucks unter dem 2008 als Präsident gewählten Cedric Wermuth. Die „Überwindung des Kapitalismus“ wurde wieder zum fast allgemein anerkannten Ziel der Juso. Wermuth wurde mit seiner Kapitalismuskritik in kürzester Zeit zu einem der bekanntesten Politiker des Landes mit einer sehr großen Medienpräsenz. Mit der 1:12-Iniative etablierte sich die Juso als Kämpferin gegen die Abzockerei der Wirtschaftselite, die erstmals seit Jahrzehnten in der Defensive waren.
Mittlerweile ist die Juso mit Abstand die aktivste und größte Jugendorganisation und Hauptbezugspunkt für sich politisierende und radikalisierte Jugendliche. Aber auch viele ältere linke ArbeiterInnen und Intellektuelle sehen in der Juso neue Hoffnung. Auch innerhalb der SP ist die Juso zum Orientierungspunkt des linken Flügels geworden und konnte bereits einige Erfolge gegen die nach rechts drängende SP-Führung erzielen.
Bürgerliche Niederlagen
Ursprünglich sahen die meisten Bürgerlichen der Abstimmung über die 1:12-Initiative Ende November relativ gelassen entgegen. Doch dies änderte sich schlagartig mit der „Minder-Initiative“ im vergangenen Frühjahr, welche angeblich auch mit den Abzockern aufräumen sollte. Sie war die Idee eines Unternehmers, der mittlerweile im Parlament sitzt, welcher versuchte die Aktionärsrechte gegenüber dem Management zu stärken. Gleichzeitig sollten Manager für ihre Taten leichter juristisch haftbar werden. Diese Initiative wurde mit 67.9% angenommen und versetzte die bürgerliche Welt in Aufregung, hatten sich doch alle bürgerlichen Parteien dagegen ausgesprochen. Der Wind hatte sich also gedreht, und zwar so machtvoll, dass nach dem Abstimmungskampf der Schweizer Unternehmdachverband economiesuisse, welcher über Jahrzehnte die Schweizer Politik vor allem auch mit millionenteuren Kampagnen kontrolliert hatte, völlig diskreditiert war. Die mächtigste Institution des Lobbyismus der Banken und der Großkonzerne wurde vor den Augen aller öffentlich zerzaust und der Lügen überführt.
Das ein halbes Jahr vor der politisch viel bedeutenderen Schlacht gegen die Linke um 1:12.
Lange Zeit schaute es nach einem klaren Sieg der 1:12-Initiative aus, doch in den letzten Monaten kam die von allen Massenmedien unterstützte Kampagne der Bürgerlichen doch noch ins Rollen. Die Erpressungsversuche des Kapitals begannen Wirkung zu zeigen. Während die Bürgerlichen aber Millionen Franken in Plakate und Inserate investieren, basiert die Kampagne der Juso hingegen nur zu einem geringen Teil auf Geld. Zusammen mit den Gewerkschaften, der SP und den Grünen führt sie momentan eine der größten Basiskampagnen seit Jahrzehnten. 1:12 war eine der Kernforderungen der großen Gewerkschaftsdemonstration im September mit 15.000 TeilnehmerInnen. Bis jetzt wurden in der ganzen Schweiz 17.000 Fahnen der 1:12-Kampagne an Balkonen und Fenstern gehisst. Mehre landesweite Aktionstage, systematische Flugblattaktionen und sogar Hausbesuche sind Teil dieser riesigen Kampagne. Selbst bei einer Abstimmungsniederlage gilt diese Initiative bereits jetzt als ein gewaltiger Sieg.
Was bringt 1:12?
Wenn die Initiative angenommen würde, müsste in der Verfassung das Verhältnis zwischen Minimal-und Maximallohn in einem Unternehmen auf 1:12 begrenzt werden. Die entsprechenden Gesetze und Richtlinien müssten durch das Parlament und die Landesregierung erlassen werden, in denen die Bürgerlichen eine klare Mehrheit haben. Man kann davon ausgehen, dass sie Wege und Mittel finden werden, um die Umsetzung zu verzögern, auszuhöhlen und Schlupflöcher vorzubereiten.
In Kritik an der Initiative der Juso schrieb die kommunistische Partei der Arbeit vor kurzem, dass diese Initiative nicht die Funktionsweise des Kapitalismus angreifen würde. Es stimmt natürlich, dass die Initiative weder die Lohnarbeit noch das Privateigentum an den Produktionsmitteln abschaffen will. Aber soll die 1:12-Initiative deshalb abgelehnt werden? Dieser Standpunkt zeugt von einer völligen Entfremdung von lebendiger Politik, vom realen Klassenkampf!
Diese Initiative läuft auf eine offene Konfrontation mit den Interessen der Finanzelite und der Konzernbosse hinaus. Sie bedeutet aber auch einen Bruch mit dem über Jahrzehnte auch von vielen Linken in der Schweiz akzeptierten Dogma, dass sich der Staat weitgehend aus der Wirtschaft raushalten solle. Dass sich das Bewusstsein diesbezüglich verändert hat, zeigt sich auch im Erfolg der Initiative für einen gesetzlichen Mindestlohn, welche momentan eine Zustimmung von 76% genießt. Vor der Krise wäre das absolut undenkbar gewesen.
Der Wert der 1:12-Initiative besteht nicht darin, dass CEOs und Banker in Zukunft vielleicht weniger verdienen werden, sondern dass sie den in der ArbeiterInnenklasse und der Jugend vorherrschenden Zorn aufgreift, weitertreibt und dabei die Klassenwidersprüche sichtbar macht. Die durch die 1:12-Initiative losgetretenen Diskussionen drehen sich längst nicht mehr nur um die horrenden Einkommen einiger weniger CEOs und Banker, sondern genauso darum, wer wie viel leistet, weshalb viele Löhne so niedrig sind, aber auch allgemeiner, weshalb der gesellschaftliche Reichtum so ungleich verteilt ist.
Unter dem Eindruck allgegenwärtiger Sparmaßnahmen, steigender Arbeitslosigkeit, stagnierenden Löhnen, gesteigertem Arbeitsdruck, Sozialabbau und nicht zuletzt der politischen Instabilität in ganz Europa sind die Einkommen der Wirtschaftseliten zur hochpolitischen Frage geworden. Die kapitalistische Krise hat auch in der Schweiz das Bewusstsein verändert. Es ist (noch) kein revolutionäres Bewusstsein, aber es lässt sich vielleicht folgendermaßen beschreiben: Wir, die uns jeden Tag abrackern, gegen die da oben, welche sich schamlos bereichern.
Wie weiter?
Die Erfahrungen, die in dieser Auseinandersetzung gemacht werden, werden die Grundlage für künftige Kämpfe bieten. Es gilt all die Autorität, welche die Juso in diesem Kampf gewonnen hat, für den weiteren Organisationsaufbau zu nutzen. Medienpräsenz und weitere Initiativen sind dabei wichtig, aber nicht alles. Genauso wichtig ist es, an SchülerInnen und Lehrlinge zu organisieren, gegen Sparpakete zu kämpfen und die Bewegung für Freiräume voranzutreiben. Denn schließlich geht es nicht nur darum ein paar Volksabstimmungen zu gewinnen, sondern es ist unsere Aufgabe die Menschen von der Notwendigkeit des Sozialismus zu überzeugen. Volksinitiativen können höchstens ein taktisches Mittel dazu sein.
1:12 lieferte den Beweis, dass es möglich ist die geballte bürgerliche Wirtschafts- und Medienmacht herauszufordern und trotzdem erfolgreich zu sein. Es ist wieder möglich in die Offensive zu gehen und für sozialistische Ideen zu kämpfen.