Die jüngste Pleitewelle (Alpine, dayli,…) hat gezeigt, dass auch der österreichische Kapitalismus alles andere als krisenfrei ist. Martin Zuba geht der Frage nach, welche Antworten die SPÖ auf diese Entwicklungen anzubieten hat.
Unsere Zeitung hat seit Ausbruch der Krise darauf hingewiesen, dass deren Ursache nicht auf den Finanzmärkten, sondern in den Überkapazitäten in fast allen Sektoren der Realwirtschaft zu suchen ist. Weltweit wurden mehr Stahl, mehr Autos und mehr Häuser gebaut, als gewinnbringend verkauft werden konnten. Die Konsequenz daraus ist, dass Investitionen keinen Gewinn mehr abwerfen, besorgte AnlegerInnen ihr Kapital nicht mehr vermehren können und es deshalb abziehen wollen, und Unternehmen sowie Banken vom Konkurs bedroht sind. 2008/9 haben aber vor allem finanzkräftigere Staaten noch mit riesigen Konjunkturpaketen die Bauwirtschaft (durch Infrastrukturprojekte) und die Autoindustrie (durch Abwrackprämien) gestützt, und so viele Betriebe vor der Pleite bewahrt. Großzügige Geldpolitik, also die Bereitschaft von Nationalbanken, auch relativ wertlose (weil nicht gewinnbringende) Unternehmensanteile oder -kredite zu kaufen, sowie die andauernde Stützung von maroden Banken wie der Hypo-Alpe-Adria stellen bis heute das Gegenstück dazu auf dem Finanzmarkt dar.
Mittlerweile hat sich jedoch abgezeichnet, dass die Krise nicht, wie 2008 gedacht, nach ein paar Quartalen vorbei sein wird, und die Überkapazitäten stellen nach wie vor ein großes Problem in vielen Bereichen der Wirtschaft dar. Je länger die Krise andauert, desto schwerer fällt es den Betrieben, nachfrageschwache Jahre durchzutauchen. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen. Erstens versuchen alle Betriebe, Kosten zu senken, indem sie weniger produktive Sparten zusperren, Lohnkosten reduzieren, den Arbeitsdruck erhöhen und Kollektivverträge zurückdrängen. Zweitens kann eine Bereinigung der Überkapazitäten nur dann erfolgen, wenn entweder die Nachfrage nach Produkten wieder steigt (was aber nicht passieren wird, weil die Staaten kein Geld für Konjunkturpakete haben und private Haushalte wegen Lohnkürzungen auch nicht viel mehr kaufen können), oder viele Betriebe zusperren. Deshalb machen in den letzten Monaten Pleiten von ehemaligen Branchengrößen wie dem Bauunternehmen Alpine (immerhin der größten Pleite der Zweiten Republik) und der Drogeriehandelskette Schlecker/Dayli in den Medien die Runde. Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Der Herdtechniker Riser aus Tirol verabschiedet sich ebenso wie der steirische Dichtungshersteller Economos und die oberösterreichische Dbz Elektrotechnik. Auch wenn in allen Fällen unternehmerische Fehler als Ursachen für die Pleiten genannt werden können, gilt doch, dass der zwingende Grund dafür, dass viele Firmen in Konkurs gehen, der harte Wettbewerb um einen kleiner werdenden Markt ist. Es ist zu erwarten, dass die von der Insolvenz betroffenen MitarbeiterInnen nur zu wesentlich schlechteren Konditionen Jobs finden werden, wenn nicht überhaupt arbeitslos bleiben. Die Zahl der Arbeitslosen liegt diesen Sommer bei 320.000. Insgesamt ergibt sich die paradoxe Situation, dass die Arbeitslosigkeit wächst, während Menschen immer härter und länger arbeiten müssen. Fabriken stehen still, weil die Produkte zwar vielleicht gebraucht, aber nicht bezahlt werden können.
Eine dritte wesentliche Konsequenz aus der momentanen Entwicklung ist der rasante Anstieg der Ungleichheit. Eine Studie der Arbeiterkammer über das Vermögen der reichsten ÖsterreicherInnen deckte nun auf, dass die oberen 1% nicht unter der Krise gelitten haben, sondern ihr Vermögen weiter anhäufen konnten. Sie besitzen ca. ¤12,7 Mrd. (!) pro Haushalt.
Lösungsansätze
Die entscheidenden Fragen, vor der wir als Arbeiterbewegung heute stehen, lauten, welches politische Programm es zur Krisenbewältigung braucht und wie dieses Programm umgesetzt werden kann. Unsere Zeitung hat in dieser Frage immer argumentiert, dass die Krise systemimmanent ist, und der einzige Lösungsansatz, den die freie Marktwirtschaft bieten kann, tiefe Einschnitte im Lebensstandard der ArbeitnehmerInnen bedeutet und zu einer sozialen und politischen Instabilität führt (siehe Griechenland). Als „Partei der Arbeit“ ist es die Aufgabe der Sozialdemokratie, dieser Entwicklung ein Programm entgegenzustellen, das in der Lage ist, den Lebensstandard der Masse gegen die Angriffe der Bürgerlichen zu verteidigen.
Im Wahlkampf versucht sich die SPÖ mit genau diesem Anspruch darzustellen. Viele der Slogans, die die SPÖ plakatiert, verleihen dem Wunsch der Lohnabhängigen nach einem gesicherten Lebensstandard Ausdruck. Doch die entscheidende Frage ist, ob die SPÖ ein Konzept hat, wie sie ihre Forderungen durchsetzen kann. Wie hat die SPÖ zum Beispiel vor, dafür zu sorgen, dass Pensionen in Zukunft wertgesichert sind? Nötig dazu wäre die jährliche Erhöhung der Pensionen um den für die ältere Generation relevanten Pensionisten-Preisindex. Tatsächlich hat die SPÖ-geführte Regierung 2012 aber ein Sparpaket beschlossen, das 2012–2016 insgesamt ¤7,3 Mrd. bei Pensionen sparen soll – indem die Pensionen deutlich geringer als die Inflation erhöht werden. Ebenso stellt sich die Frage, ob die SPÖ angemessene Mittel für einen gemeinsamen Kampf für Arbeit, von der man leben kann, parat hat. Zwingt die SPÖ die ansässigen Unternehmen tatsächlich dazu, mit der gängigen Praxis der Leiharbeit, All-in Verträgen, unbezahlten Praktika etc. aufzuhören, verschlechtert sie deren Gewinnmargen und damit deren Position auf dem Finanzmarkt.
Aus unserer Sicht sollten Profitinteressen nicht berücksichtigt werden, wenn es darum geht, berechtigte Forderungen von ArbeitnehmerInnen z.B. nach Löhnen, von denen man auch Leben kann, oder kürzerer Arbeitszeit durchzusetzen. Doch wir wissen, dass es dazu nötig sein wird, die „Freiheit” von Kapitaleigentümern einzuschränken. Die gängige Praxis der Sozialdemokratie sieht leider anders aus. Selbst dort, wo die SPÖ das Sagen hat, werden Arbeitsrechte durch Einsatz von LeiharbeiterInnen oder Scheinselbständigen ausgehöhlt (AKH Wien, MA 48), oder öffentliche Budgets auf Kosten der ArbeitnehmerInnen saniert (siehe die Nulllohnrunde im öffentlichen Dienst oder das neue Dienstrecht für LehrerInnen, mit dem ca. ¤800 Mio. an Gehältern eingespart werden sollen).
Mit der Wahl 2013 werden auf der SPÖ-Liste mehrere Abgeordnete mit Gewerkschaftshintergrund (z.B. Betriebsräte) in den Nationalrat einziehen. Diese Mandatare sind Ausdruck des Anspruchs großer Teile der SPÖ, in der Regierung den permanenten Angriffen der ArbeitgeberInnen auf unseren Lebensstandard entgegenzutreten. Aber sind sie bereit notfalls auch gegen den Kurs der Parteispitze aufzutreten? In der Frage der Krisenpolitik folgt die Partei unhinterfragt dem, was die eigentliche Regierung Europas, die Finanzmärkte, vorgeben. Die SPÖ-Spitze vertritt nämlich die Position, dass die Pensionen und Arbeitsplätze nur dann gesichert werden können, wenn die Regierung das tut, was die Finanzmärkte verlangen. Denn am Beispiel Griechenlands wird die Konsequenz deutlich, wenn die Finanzmärkte einem Land das Vertrauen entziehen – das gilt es um jeden Preis zu vermeiden. Dass die Finanzmärkte aber genau die Reduktion der Pensionen und die Zersetzung von Arbeitsrechten wollen, führt ständig zu Widersprüchen in der Politik der SPÖ. Sie tritt gegen die Auswirkungen einer Politik auf, die sie selbst mitträgt, weil sie die Profitlogik in letzter Instanz akzeptiert. Solange dem so ist, werden die Bemühungen der SPÖ im Kleinen Veränderungen herbeizuführen, nicht in der Lage sein, den Lebensstandard der ArbeitnehmerInnen zu verteidigen. Außerdem strebt die SPÖ eine Fortsetzung der Koalition mit der ÖVP an. Die Realität zeigt uns, dass es eine illusorische Annahme ist, in einer solchen Regierung fortschrittliche Reformen durchsetzen zu können. Ja sogar die Verteidigung des Ist-Zustandes ist unter diesen Bedingungen undenkbar. Sehr gut sieht man das an der Weigerung der ÖVP einer Vermögenssteuer zuzustimmen, obwohl das diesbezügliche Modell der SPÖ ohnedies nur eine Kosmetik der Ungleichverteilung des Vermögens bedeuten würde.
Eine Alternative zu diesem Kurs müsste aus unserer Sicht bei folgenden Punkten ansetzen:
* Keine Zustimmung zu Sparpaketen, Nulllohnrunden und Verschlechterungen bei Pensionen oder Arbeitsrechten;
* Keine Unterstützung für die Spardiktate der EU;
* Kein weiteres Geld für marode Banken!
Dies muss Hand in Hand gehen mit einem konsequenten Nein zu jeglichen Koalitionen mit der ÖVP oder anderen bürgerlichen Parteien.