Griechenland. Griechenland durchlebt eine vorrevolutionäre Situation. Doch die Krise hat auch zu einem Aufstieg der neofaschistischen „Chrysi Avgi“ geführt. Mario Pouliopoulos nimmt diese Organisation und ihre Ideologie unter die Lupe.
In sozioökonomischen Krisenzeiten haben falsche Propheten und Hassprediger Hochkonjunktur. Gibt es einen konjunkturellen Abschwung, der mit einer organischen Krise des Kapitalismus verbunden ist, können Rechtsextreme und (Neo-) Faschisten einen Aufschwung verzeichnen. Das war in den Wirtschaftskrisen der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts so und hat sich bis heute nicht wesentlich geändert. Die Wahlerfolge europäischer Parteien mit rechtspopulistischer, nationalistischer, rassistischer oder faschistischer Ausrichtung, wie Vlaams Belang, Front National, Schwedendemokraten, Wahre Finnen, der „Partei für die Freiheit“ oder NPD und FPÖ, zeugen davon.
In Griechenland, wo sich bis jetzt die Krise des europäischen Kapitalismus am dramatischsten auswirkt, konnte eine der aggressivsten Rechtsparteien Europas bei den jüngsten Wahlen enorme Erfolge feiern: Sie trägt den Namen „Goldene Morgenröte“, auf Griechisch „Chrysi Avgi“. Deren Gründung und politische Entwicklung ist auf das Engste mit dem Namen Nikolaos Michaloliakos verknüpft, der auch heute noch als ihr Generalsekretär fungiert. Der im Dezember 1957 in Athen geborene Mathematiker ist schon seit seiner Jugend in der extremen Rechten Griechenlands aktiv. So trat er mit 16 Jahren der nationalistischen, völkisch-rassistischen „Partei des 4. August“ (Anspielung auf den Putsch des Generals und damaligen Regierungschefs Griechenlands namens Ioannis Metaxas, der mit seinen Mitstreitern durch Suspendierung von Parlament und Verfassung am 4. August 1936 ein faschistisches Regime unter Duldung des griechischen Königs Georg II. errichtete) bei. In der Athener Sektion der EOKA-B, einer 1971 gegründeten paramilitärischen griechisch-zypriotischen Terrororganisation, die antitürkisch und antisozialistisch war und die Vereinigung Zyperns mit Griechenland (Enosis) propagierte, war er ebenfalls aktiv. Strafrechtlich auffällig wurde Michaloliakos erstmals im Juli 1974, als er während einer Demonstration vor der britischen Botschaft in Athen gegen die Haltung Großbritanniens zur türkischen Invasion auf Zypern festgenommen wurde. Eine erneute Festnahme und Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe erfolgte wegen Körperverletzung an Journalisten im Dezember 1976 anlässlich der Beerdigung von Evangelos Mallios, einem von der linksextremen Untergrundgruppe „17. November“ (benannt nach dem Datum der Niederschlagung eines Studentenprotestes gegen die Militärdiktatur am 17. November 1973) ermordeten Polizeibeamten, der während der griechischen Militärdiktatur Gefangene gefoltert hatte. Während seines Aufenthaltes im Gefängnis von Korydallos lernte er die inhaftierten Anführer der griechischen Militärjunta kennen. Im Lauf seines Wehrdienstes wurde Michaloliakos wieder strafrechtlich auffällig, als er 1978 wegen unerlaubten Waffen- und Sprengstoffbesitzes verhaftet und unehrenhaft aus der Armee entlassen wurde. Nach der Verbüßung einer einjährigen Haftstrafe gründete er 1980 die nationalistische, rassistische, antisemitische Zeitschrift „Chrysi Avgi“, die Keimzelle der gleichnamigen politischen Partei, die schließlich im Jänner 1985 offiziell unter der Bezeichnung „Völkische Nationale Bewegung Chrysi Avgi“ gegründet wurde und seit 1993 als politische Partei in Griechenland registriert ist.
In den ersten drei Jahrzehnten der politischen Entwicklung waren die Wahlerfolge der Goldenen Morgenröte enden wollend. So konnte sie in den 1980er und 1990er Jahren nicht einmal annähernd die Einzugshürden in Stadträte, geschweige denn in das nationale Parlament meistern. Bei der griechischen Parlamentswahl im Herbst 2009 erreichte sie auch nur klägliche 0,3 % der Wählerstimmen. Ihren ersten politischen Erfolg feierte sie bei den Athener Kommunalwahlen von 2010. Damals erzielte sie 5,3 % und zog mit einem Mandat in den dortigen Stadtrat ein. Bei der griechischen Parlamentswahl vom 6. Mai 2012, die ganz im Zeichen der Finanz- und Wirtschaftskrise stand, konnte sie erstmals in ihrer Geschichte auf nationaler Ebene die Dreiprozenthürde überwinden und so in das Parlament einziehen. Sie erhielt damals 6,97 % der Wählerstimmen und 21 Mandate. Bei der Wahl vom 17. Juni 2012 machte die Partei nur marginale Verluste, indem sie 6,92 % und 18 Sitze erzielte.
Ewiggestrige Ideologie
Was sind die Gründe für diesen rasanten Popularitäts- und Machtzuwachs? Wie konnte innerhalb von drei Jahren aus einer Kleinstpartei extremer Nationalisten eine ernstzunehmende politische Kraft innerhalb des griechischen Parlamentes werden? Wie bei vielen Phänomenen gibt es auch hier keine monokausale Erklärung. Einer der Hauptgründe für den rasanten Aufstieg der Chrysi Avgi ist neben der Ablehnung des Memorandums und des damit verbundenen Spardiktates sicherlich die geschickte Instrumentalisierung bzw. Forcierung der großen Gründungsmythen von Teilen der Nationalgeschichtsschreibung des modernen Griechenland, die von vielen Bevölkerungsschichten geteilt werden. So betont diese Partei immer wieder die Rückbesinnung auf die Megali Idea, die Große Idee. Diese basiert auf der Konstruktion einer politischen und soziokulturellen Kontinuität des modernen griechischen Staates mit dem Byzantinischen Reich, die schon einige Jahre vor dem Beginn der national-griechischen Revolution gegen das Osmanische Reich im Jahr 1821 von nationalrevolutionären Denkern wie Rigas Velestinlis geschaffen wurde. Ausdruck dieser Idee innerhalb der Chrysi Avgi ist die auf Parteiveranstaltungen immer wieder unverhohlen propagierte Forderung nach der Schaffung des Großgriechischen Reiches, das im Osten das türkische Thrakien (der auf der Balkanhalbinsel liegende Teil der Türkei) inklusive Istanbul und im Norden bzw. Nordwesten große Teile Albaniens und der Republik Mazedonien umfassen soll. Das dabei entstehende Wir-Gefühl, basierend auf der nationalen Einheit aller Griechen, suggeriert besonders in Krisenzeiten eine stabile Identität und Sicherheit im Schoß des nationalen Zusammenhaltes. Verbunden wird das Ganze mit der populistischen Vereinfachung von komplexen Problemen mittels des Sündenbockprinzips. So wurden von Nikolaos Michaloliakos, dem Generalsekretär der Chrysi Avgi, im Rahmen einer Pressekonferenz am Abend nach der Parlamentswahl vom 6. Mai 2012 die „wahren Schuldigen“ für die Finanz- und Wirtschaftskrise benannt:
„Wir werden den Kampf für ein von den globalen Spekulanten befreites Griechenland fortsetzen. Für ein freies und stolzes Griechenland. Für ein Griechenland ohne die Sklaverei durch den beschlossenen Rettungsschirm und ohne die Aufgabe unserer nationalen Souveränität. Für ein Griechenland, das kein sozialer Urwald mehr sein wird, der von den Millionen an illegalen Immigranten, die sie in unser Heimatland brachten, ohne uns zu fragen, verursacht wurde.“
Dabei lässt er auch nicht offen, was denjenigen droht, die sich gegen ihn und seine Partei stellen:
„Die neue goldene Morgenröte des Griechentums steigt auf. Für jene, die ihr Heimatland verraten, kommt die Zeit der Furcht. Wir kommen!“
Während sich die Wirtschaftspolitik der Chrysi Avgi auf die Bewachung von Unternehmen durch von ihr organisierte Bürgerwehren beschränkt, kann man die Folgen für die von ihr als Sündenböcke fungierenden Bevölkerungsschichten bei einer Machtübernahme dieser Partei schon heute mehr als deutlich erkennen. So bleibt es nicht bei verbaler Hetze. Physische Gewalt, Terror, Straßenkampf und Vandalismus haben in der politischen Praxis der Chrysi Avgi einen hohen Stellenwert. So verwüsteten Unbekannte Holocaust-Gedenkstätten und jüdische Friedhöfe in Athen und Thessaloniki im Jänner 2000. Der zentrale Ausschuss der jüdischen Gemeinden in Griechenland (KIS) sowie internationale und griechische Medien berichteten, dass dort damals Schmierereien mit den Parteisymbolen der Goldenen Morgenröte entdeckt wurden. Des Weiteren stören Sympathisanten bzw. Funktionäre dieser Partei immer wieder gezielt Veranstaltungen der in Griechenland lebenden Muslime. Meistens trifft es dabei neben den seit Jahrhunderten dort lebenden türkisch- und albanisch-muslimischen Minderheiten auch Flüchtlinge aus Nordafrika, Afghanistan oder Tschetschenien. Der jüngste traurige Höhepunkt des ethnisch und religiös motivierten Hasses der Faschisten war die Erstürmung eines Flüchtlingslagers in der peloponnesischen Hafenstadt Patras in der Nacht auf Mittwoch, den 23. Mai 2012, durch einen von ihnen angeführten wütenden Mob. Dabei wurden Steine und Brandflaschen geschleudert, Polizeibeamte sowie einige Lagerbewohner verletzt, Autos in Brand gesteckt, zahlreiche der Randalierer festgenommen. Die Parteiführung der Chrysi Avgi bestreitet jedoch konsequent eine Teilnahme ihrer Mitglieder oder Funktionäre an solchen Übergriffen. Pikanterweise wurde trotzdem Anfang Juni die Tochter des Generalsekretärs Michaloliakos, wie die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ am 16. Juli 2012 berichtete, wegen schwerer Körperverletzung an einem Ausländer, der krankenhausreif geprügelt worden war, festgenommen.
Doch auch vor griechischen Staatsbürgern macht die Gewalt der Goldenen Morgenröte nicht halt. So stehen von ihr provozierte Straßenschlachten mit ihren politischen Gegnern oder Attentate auf Andersdenkende auf der Tagesordnung. Alexis Kalofolias, Sänger der griechischen Punk-Band „The Last Drive“, kann ein Lied davon singen, leidet er doch nach einem auf ihn verübten Anschlag im Jänner 1998 unter einer permanenten Beeinträchtigung der Sehkraft seines rechten Auges. Weitere prominente Opfer von politisch motivierten Attacken sind Rena Dourou von der SYRIZA und Lina Kanelli von der KKE, die während einer TV-Diskussion am 7. Juni 2012 von Ilias Kasidiaris, dem Sprecher der Faschisten, tätlich angegriffen wurden. Homosexuelle, Prostituierte und Obdachlose stehen ebenfalls auf der Abschussliste der Chrysi Avgi. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, feiert diese Partei enorme Popularitätszuwächse in Griechenland. Im Zusammenhang mit solchen Attacken auf soziale Randgruppen inszeniert sie sich äußerst geschickt als Bewegung des „Kleinen Mannes“. Bäcker, Lastwagenfahrer, Straßenfeger, Hafenarbeiter kandidieren demnach für sie, zwar meist auf hinteren Listenplätzen ohne Mandatsaussicht, aber immerhin. Beliebt macht sie auch die Volksnähe vermittelnde Rhetorik einiger Funktionäre. Die permanente Hetze gegen große Tageszeitungen und griechische Medienunternehmen im Sinn von Verschwörungstheorien sowie die damit verbundene Inszenierung als Opfer der Propaganda des Establishments bringen ihr weitere Sympathiepunkte in vielen Bevölkerungsschichten. Besonders unter den Systemverlierern macht sie sich damit sowie mit der Verteilung von Hilfspaketen an Rentner oder bedürftige Familien griechischer Herkunft beliebt. Das von Abstiegsängsten geplagte Kleinbürgertum wird durch den Aufbau von Bürgerwehren, die kleine bzw. mittlere Unternehmen beschützen, ebenfalls von dieser Partei kräftig bedient. So ist es nicht verwunderlich, dass sie bei den letzten griechischen Parlamentswahlen am 17. Juni 2012 besonders bei den Unternehmern mit 20,3 % der Wählerstimmen und bei den niedrig qualifizierten Arbeitnehmern sowie Hilfsarbeitern mit einem Stimmenanteil von 24,5 % am besten abschnitt. Ihre Orientierung auf kleinbürgerliche Gewerbetreibende und Niedriglohnempfänger trägt zumindest bei Wahlen Früchte.
Die von den Faschisten betriebene Law-and-order-Politik verschafft ihnen auch Sympathie innerhalb der griechischen Polizei. So behauptete in einem Interview in der griechischen Tageszeitung „Eleftherotypia“ vom 29. Juni 1998 Georgios Romaios, der damalige Minister für die Öffentliche Ordnung, die Existenz von „faschistischen Elementen innerhalb der griechischen Polizei“ und gelobte, diese zu unterdrücken. Auf Basis der Informationen anonymer Polizisten veröffentlichte die griechische Tageszeitung „Ta Nea“ am 17. April 2004 einen Bericht ähnlichen Inhaltes, in dem die sechs Jahre zuvor getätigten Behauptungen konkretisiert werden konnten. Demnach pflegten sowohl Polizeioffiziere als auch einfache Beamte gute Kontakte zur Chrysi Avgi. Des Weiteren sollen Polizisten Aktivisten dieser Partei mit Schlagstöcken, Gummiknüppeln und Funkgeräten ausgestattet haben, um bei Demonstrationen linker oder anarchistischer Gruppen Gewalt zu provozieren und so ein Vorgehen der Polizei gegen diese zu legitimieren. Jedoch konnten diese Anschuldigungen bisher weder bestätigt noch widerlegt werden. Faktum ist dennoch, dass Funktionäre der Faschisten laut Zeugenaussagen immer wieder mit für Zivilisten verbotenen Waffen in der Öffentlichkeit während Streiks bzw. Protestveranstaltungen gesichtet werden, und die Sicherheitskräfte so gut wie nie dagegen einschreiten, während die politischen Gegner der Chrysi Avgi sehr oft unter übertriebener Polizeigewalt leiden müssen.
In den letzten Monaten konnten die Faschisten vor allem unter den nationalkonservativen Wählerschichten zulegen, und das auf Kosten der rechtsextremen Partei LAOS, die wegen ihrer Teilnahme an der unbeliebten griechischen Übergangsregierung unter der Leitung von Loukas Papadimos enorme Popularitätseinbußen erlitt und mittlerweile nicht mehr im Parlament vertreten ist. Zu diesem Zweck distanzierte sich Chrysi Avgi auch von ihren radikalen neopaganen völkischen Aktivisten, wie den Bandmitgliedern von „Der Stürmer“ oder „Legion of Doom“, beide bekannte Bands der griechischen NSBM (National Socialist Black Metal)-Szene. Während sich die Partei noch in den 1980er und 1990er Jahren zu einem griechischen Neuheidentum bekannte, das die Zwölf Olympischen Götter verehrte und Marxismus sowie Liberalismus als „ideologische Träger des Judeo-Christentums“ bezeichnete, propagiert sie heute ein nationalkonservatives, griechisch-orthodoxes Christentum. Dabei definiert sie das Byzantinische Reich als Bewahrer des Hellenismus und des alten griechisch-paganen Geistes, in dem das Orthodoxe Christentum die autochthone griechische Spiritualität erfasst hätte und noch heute lebendig hielte. Mit dieser wissenschaftlich völlig unhaltbaren Sicht der Dinge konnte die Chrysi Avgi christlich-konservative Wähler gewinnen, ohne ihre völkischen Neuheiden komplett zu vergraulen. Teil dieser kulturpolitischen Doppelstrategie ist ihr Parlamentsabgeordneter Georgios Germenis, Bassist und Sänger der Death-Black-Metal Band „Naer Mataron“, der nationalistische, satanistische und neopagane Positionen vertritt. Zwar wurde seine Medienpräsenz drastisch reduziert, um die neu gewonnenen bürgerlichen Sympathisanten nicht zu verschrecken, jedoch fungiert er wegen seiner politischen Tätigkeit weiterhin als Identifikationsfigur der antichristlich-völkisch-rassistischen Neuheiden innerhalb der Chrysi Avgi.
Trotz der Gewinnung neuer Wählerschichten haben die Faschisten, abgesehen von Fragen der Religion, nichts an weltanschaulicher Radikalität eingebüßt. Nach wie vor fordern sie unverhohlen die Reinigung Griechenlands von „fremdrassischen Elementen“. Primär sind damit MigrantInnen aus Nordafrika, Afghanistan, Tschetschenien oder Ost- bzw. Südostasien gemeint. Diese sollen verhaftet und abgeschoben werden. Dabei fordert die Chrysi Avgi die Errichtung von Arbeitslagern für illegalisierte und straffällig gewordene AusländerInnen, in denen sie die Kosten für ihre Rückreise abzuarbeiten haben. Einer ihrer Kandidaten drohte sogar, dass alle unerwünschten AusländerInnen auf „gute oder schlechte Weise“ das Land verlassen müssten. Doch auch griechische StaatsbürgerInnen mit unerwünschtem ethnischen Hintergrund dienen als Feindbild für diese Partei. Dabei wird besonders die starke albanische Minderheit massiv bedroht. Der jüngste Coup in diesem Zusammenhang ist die auf Plakaten in Athen formulierte Forderung, dass „griechische Freiwillige“ Blut zu spenden haben, das wiederum nur für „reinrassige Griechen“ zur Verfügung stehen solle, wie die Nachrichtenagentur Reuters am 12. Juli 2012 berichtete. Die Auswahl der würdigen PatientInnen obliege dabei natürlich den Funktionären der Chrysi Avgi. Unweigerlich drängen sich hier Assoziationen mit den rassistischen Nürnberger Gesetzen und der von den Nationalsozialisten propagierten „Reinheit des Deutschen Blutes“ auf. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die eigenen Worte des Generalsekretärs der Faschisten, Nikolaos Michaloliakos, der in der gleichnamigen Parteizeitung der Chrysi Avgi am 30. April 1987, genau 42 Jahre nach dem Selbstmord Adolf Hitlers, in einem demselben gewidmeten Huldigungsschreiben Folgendes propagierte:
„Wir sind nichts anderes als die gläubigen Soldaten der nationalsozialistischen Idee […] Wir existieren und führen den Kampf fort, den Kampf für den Endsieg unserer Rasse […] 1987, 42 Jahre später, heben wir mit unserem Geist und unserer Seele, geopfert dem letzten großen Kampf, dargebracht den schwarz-roten Fahnen sowie dem Gedächtnis an unseren großen Führer, unsere rechte Hand, grüßen der Sonne und mit dem Mut, erzwungen von unserer militärischen Ehre sowie dem nationalsozialistischen Pflichtbewusstsein, rufen wir voller Leidenschaft, treu unserer Zukunft und unseren Visionen: Heil Hilter.“
Zusammen mit der Leugnung des Holocausts bzw. der Shoa, so wie am 13. Mai 2012 im Rahmen eines Interviews im griechischen TV-Sender „Mega“, und mit einem Faible für die autoritär-nationalistische Militärdiktatur von 1936 bis 1941 des Generals Ioannis Metaxas, dessen „Neuer Staat“ sich ideologisch sehr stark am Nationalsozialismus orientierte, beseitigt Michaloliakos alle Unklarheiten über die von der Chrysi Avgi angestrebte Staats- und Gesellschaftsordnung. Das unmissverständlich formulierte Ziel ist ein totalitärer, autoritär-nationalistisch geführter, rassenreiner ethnisch homogener Staat. Garniert wird diese faschistische Hasspropaganda mit den üblichen antisemitischen Ressentiments, die jedoch wegen des Mangels an Juden in Griechenland immer mehr der Islamophobie und dem Antimuslimismus weichen müssen.
Nicht nur in Medien, zu Wahlkampfzeiten oder im Parlament machen die griechischen Faschisten ihre menschenverachtenden, hetzerischen Parolen kund. Auch außerhalb der traditionellen Parteiarbeit sind sie äußerst aktiv. So schuf die Chrysi Avgi das „Komitee für das nationale Gedächtnis“, das sich zwar als überparteilich präsentiert, jedoch realiter ein Forum für völkisch-rassistische, nationalistische Aktivisten ist, die so ihren Weg in den Schoß dieser Partei finden sollen. Zu diesem Zweck organisiert diese Vereinigung seit 1996 jedes Jahr eine Gedenkfeier zur Imia-Krise, einem Territorialstreit zwischen Griechenland und der Türkei um zwei kleine unbewohnte Inseln in der östlichen Ägäis im Jänner 1996, Veranstaltungen zu Ehren Alexanders des Großen, des bekannten eroberungswütigen und gegen die Perser kämpfenden Königs der Makedonier, oder zu den griechischen Nationalfeiertagen am 25. März und 28. Oktober. Dabei nützt sie besonders die erstgenannte Feierlichkeit, um antitürkische Propaganda zu verbreiten. In diesem Zusammenhang fordert die Chrysi Avgi die Verminung der griechisch-türkischen Grenze in Westthrakien, die Schaffung von militärischen Sondereinheiten mit Schießbefehlen zur Grenzsicherung sowie die Aufrüstung der griechischen Armee und die generelle Verstärkung der Militärpräsenz entlang der Grenzregionen zur Türkei. Gemeinsam mit den islamistischen Nationalisten der türkischen „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (Milliyetçi Hareket Partisi, MHP), die eine rigorose antigriechische Hasspropaganda betreibt, sorgen die Funktionäre der Chrysi Avgi dafür, dass die griechisch-türkischen Konflikte nicht zur Ruhe kommen.
Außenpolitisch sind die griechischen Faschisten ebenfalls äußerst aktive Netzwerker. So ist die Goldene Morgenröte Mitglied der 2004 gegründeten European National Front (ENF), eines Zusammenschlusses nationalistischer, rassistischer, faschistischer und antisemitischer europäischer Parteien wie der NPD oder der italienischen Forza Nuova. Dieses Bündnis plant sogar die Gründung einer europäischen Rechtspartei für die EU-Parlamentswahlen. Des Weiteren pflegen die Funktionäre der Chrysi Avgi auch schon jahrelang gute Kontakte zu serbischen Nationalisten, deren Ziel die Gründung des Großserbischen Reiches ist. Die Kooperation ging sogar so weit, dass einige griechische Faschisten in der „Griechischen Garde der Freiwilligen“ von 1993 bis 1995 auf der Seite der bosnischen Serben, also als Teil der Armee der Republika Srpska, im Bosnien-Krieg kämpften. Traurige Berühmtheit erlangte diese paramilitärische Freiwilligeneinheit wegen ihrer Teilnahme am Massaker von Srebrenica im Juli 1995, in dem über 8000 meist männliche Bosniaken (bosnische Muslime) bestialisch ermordet wurden.
Hasspropaganda, Gewalt und Terror gegen AusländerInnen, Andersdenkende und Minderheiten aller Art. Und was macht das politische Establishment? Wie handeln die konservative „Nea Dimokratia“ und die sozialdemokratische PASOK? Anstatt sich von den Faschisten scharf zu distanzieren und lautstark ein Verbot dieser rassistischen Hetzer zu fordern, versuchen sie, diese rechts zu überholen. So ließ neben einer allgemeinen Verschärfung der ausländerfeindlichen Rhetorik Michalis Chrysochoidis, der Bürgerschutzminister der PASOK-Regierung von Georgios Andrea Papandreou, während des Wahlkampfes für die Parlamentswahlen am 6. Mai 2012 Polizei-Razzien in von AusländerInnen bewohnten „Problemvierteln“ Athens durchführen. Am 29. April 2012 wurde sogar ein erstes Musterlager für die Abschiebung von illegalisierten ImmigrantInnen eröffnet, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 1. Mai berichtete. Die konservative Nea Dimokratia hat ebenso einen gewaltigen Rechtsruck zu verzeichnen. In ihren Bemühungen, eine „rechtsliberale Alternative“ zu den Linken aufzubauen, holte sie sogar ehemalige Funktionäre der rechtsextremen LAOS an Bord. Bekanntester Neuzugang aus dieser von Auflösungserscheinungen geplagten Partei ist der Rechtsanwalt Makis Voridis, Minister für Verkehr und Transport unter der Übergangsregierung von Loukas Papadimos. Bereits in seiner Schulzeit im Athener College, einem Elitegymnasium, gründete er die antisemitische, rassistisch-nationalistische Gruppe „Freie Schüler“, die in den frühen 1980er Jahren aktiv war. Neben Hakenkreuz-Schmierereien und Hitler-Gruß verbreitete sie auch unter jüdischen und linken Schülern Angst und Schrecken, wie die israelische Tageszeitung „Haaretz“ am 6. März 2012 berichtete. Als Funktionär der LAOS fielen er sowie sein Umfeld besonders durch antisemitische Rülpser auf. Heute gibt er sich betont „nationalliberal“ bzw. gemäßigt. Wohl auch deshalb, da er seit Februar 2012 in der Nea Dimokratia seine neue politische Heimat gefunden hat. Dort passen solche rassistisch-antisemitischen Parolen nicht zum Image einer staatstragenden Partei. Dennoch zeigt seine Aufnahme, dass die Bürgerlichen im Kampf gegen Links keine Berührungsängste mit rechtsextremen Kräften haben. Die Regierung Samaras setzt ganz gezielt auf einen harten Kurs gegenüber AusländerInnen, wie die jüngsten Polizeirazzien an Bahnhöfen zeigten.
Linke Gegenstrategien
Was können nun Griechenlands Linksparteien gegen diese besorgniserregende politische Entwicklung tun? Das wirksamste Mittel gegen den Faschismus wäre die Schaffung von antifaschistischen Komitees auf Basis einer linken Einheitsfront, in der ParteifunktionärInnen, GewerkschafterInnen oder NachbarschaftsaktivistInnen durch politische Aufklärungsarbeit den schädlichen antidemokratischen, menschen- und arbeiterfeindlichen Charakter der Chrysi Avgi entblößen. Dabei hat das Diktum von Leo Trotzki aus seiner Abhandlung „Die Wendung der Komintern und die Lage in Deutschland“ vom 26. September 1930, wonach „die Politik der Einheitsfront der Arbeiter gegen den Faschismus ein Erfordernis der gesamten Situation“ sei, nichts an Aktualität verloren, da man nur gemeinsam stark ist. Jedoch muss neben antifaschistischen Informationskampagnen angesichts der Gewalt und des Terrors der griechischen Faschisten auch die Gründung von bewaffneten Selbstschutzverbänden durch die Arbeiterschaft bzw. der Linken ins Auge gefasst werden. Das größte Hindernis auf diesem Weg ist aber der Isolationismus der stalinistischen KKE, die jede Form der Einheitsfront bislang ablehnt. Eine große Verantwortung wird aber auch der SYRIZA zukommen. Angesichts der ständigen rassistischen Gewalt sollte sie auf den Straßen die offene Konfrontation mit den Faschisten von der Chrysi Avgi nicht scheuen und alle AntifaschistInnen mobilisieren. Entscheidend wird aber sein, ob es der Linken gelingt eine sozialistische Alternative zur Austeritätspolitik zu realisieren, damit die braunen Schatten wieder eines Tages dem strahlend blauen Himmel weichen.
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Nr. 111 (September 2012) in gekürzter Fassung in unserer Zeitschrift „Der Funke“