Mit der geplanten Schließung des Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhauses in Wien droht eine massive Verschlechterung der medizinischen Versorgung Ostösterreichs. Der 20. Bezirk, der zweitärmste Bezirk Wiens, verliert eine prestigeträchtige Institution, den Stolz des Bezirks. Die Beschäftigten werden nicht informiert, wie es mit ihnen weitergehen soll.
Das Unfallkrankenhaus „Lorenz-Böhler“ gilt als europaweites Vorzeigeunfallspital mit eigenem Forschungszentrum. Nirgendwo sonst bekommen Krankenkassenversicherte und ihre Familien eine derart gute und hochwertige Diagnose und Behandlung wie dort. 65.000 Menschen werden dort jährlich behandelt. Dieser Grundpfeiler der medizinischen Versorgung Wiens steht jetzt vor dem Aus. Mit dem Argument, die Brandschutzvorkehrungen seien nicht mehr ausreichend, gab die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) die Schließung des Standorts bekannt. In spätestens zwei Wochen soll das „Lorenz Böhler“ Geschichte sein. Operationen und Therapien sollen vom Unfallkrankenhaus Meidling und dem AKH übernommen werden. Doch man kann sich an allen fünf Fingern abzählen, dass die Unfallversorgung das bisherige Niveau nicht halten wird können. Jeder Politiker, der was anderes behauptet, lügt. Denn das bestehende Gesundheitssystem pfeift jetzt schon aus dem letzten Loch.
Brandschutz und Brandstifter
Nun, dass ein Spital einen funktionierenden Brandschutz braucht, ist unbestritten. Was man von der Geschäftsführung der AUVA, der Betreiberin des „Lorenz Böhler“, halten kann, steht auf einem anderen Blatt. Sie hat jahrelang nichts gegen dieses Problem gemacht, hat keinen langfristigen Plan zur Sanierung oder zum Neubau des Spitals ausgearbeitet und dann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Belegschaft wie PatientInnen vor die vollendete Tatsache der Schließung gestellt. Entweder die Geschäftsführung ist grob fahrlässig und unfähig, so eine wichtige Einrichtung zu führen, – oder sie nimmt die Frage des Brandschutzes nur zum Vorwand, um eine politisch motivierte Verschlechterung der Gesundheitsversorgung durchzupeitschen.
Letzteres würde uns nicht wundern. Denn die AUVA ist unter Kanzler Kurz und seiner schwarz-blauen Bundesregierung politisch umgefärbt worden, um die schleichende Privatisierung von Gesundheitsleistungen voranzutreiben. In der Unfallversicherung, die für die Anliegen der Arbeiterschaft gegründet wurde, haben seit 2017 ÖVPler aus der Wirtschaftskammer das Sagen, zahlreiche ÖVPler und FPÖler sind eng mit privaten Gesundheitsdienstleistern und Versicherungskonzernen verbunden. Schon 2018 wollte die blaue Gesundheitsministerin bei der AUVA so hohe Einsparungen durchsetzen, dass Unfallkrankenhäuser und Rehazentren geschlossen werden hätten müssen.
Die Einnahmen der AUVA kommen aus den Unfallversicherungsbeiträgen, die zur Gänze von den Unternehmen zu zahlen sind. In den letzten Jahren haben alle im Parlament vertretenen Parteien immer wieder eine Senkung der Lohnnebenkosten gefordert. Gerade bei der Unfallversicherung waren sie da erfolgreich. Bis 2014 mussten die Unternehmen noch 1,4 Prozent der Lohnsumme an die Unfallversicherung abführen. Heute sind es nur noch 1,1 Prozent. Schwarz-Blau prognostizierte 2018 für die folgenden fünf Jahre Einnahmenausfälle von 589 Mio. €. Die Regierung versprach damals, dass durch „Verschlankung und Reorganisation der Verwaltungsstrukturen“ die PatientInnen keine Verschlechterungen zu befürchten hätten. Das war, wie zu erwarten, ein weiteres Märchen.
Die letzte Beitragskürzung vollzog Schwarz-Grün 2022 unter dem Deckmantel „Anti-Teuerungspaket“, was die AUVA jährlich 125 Mio. an Einnahmen kostet. Damals wurde auch die Verantwortung der Arbeitgeber für die Heilbehandlung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten auf die Krankenversicherung abgewälzt. Stattdessen boomen private Unfallversicherungen – das ist genau das Ziel dieser Politik: Profite für die Freunderl statt ein Recht auf Versorgung für alle.
Systematisch kaputtgespart
Seit 2019 verzeichnet die AUVA durchgehend einen Verlust. Die notwendige Ausweitung der Leistungen der AUVA (Stichwort Berufskrankheiten) ist schon lange vom Tisch. Aber offensichtlich reicht das Geld auch nicht mehr für die Aufrechterhaltung aller öffentlich zugänglichen Unfallkrankenhäuser und Reha-Zentren.
Die jetzt versprochenen Alternativen (Bau eines Container-Spitals bis 2025, Neubau bis 2030) sind feige politische Beruhigungspillen. Wenn eine solche Institution mal geschlossen ist, ist es vorbei. Denn ein Krankenhaus lebt von den Menschen die dort arbeiten. Die werden aber nicht jahrelang warten bis es ein neues Gebäude gibt. Es besteht kein Zweifel, dass politisch gewollt ist, dass das „Lorenz Böhler“ zerschlagen wird.
Der Betriebsrat des „Lorenz Böhler“ droht derzeit mit Streik und will Verschlechterungen für die 500-köpfige Belegschaft und mögliche Kündigungen abwenden. Dass keine zwei Wochen vor der geplanten Schließung die Belegschaft in völliger Unsicherheit gehalten wird, wie es mit ihr weitergeht, ist alleine schon ein Beweis dafür, welcher politische Geist in der AUVA-Leitung vorherrscht.
Besetzungsstreik jetzt!
Diese Schließung muss im Interesse der Beschäftigten des „Lorenz Böhler“ und der zu behandelnden Menschen verhindert werden. Vertröstungen auf die Zeit nach der nächsten Nationalratswahl (SPÖ-Babler) helfen da nicht. Die einzige Möglichkeit, das Spital zu erhalten, ist ein Streik, bei dem die Belegschaft das Spital unter ihrer Kontrolle weiterführt. Dabei wird ein medizinischer Notbetrieb aufrechtzuerhalten sein. Zentral ist aber die Forderung um Einsicht in alle Bücher, Dokumente und Gutachten, die die AUVA als Grundlage für ihre Entscheidung ins Treffen führt. Als Sofortmaßnahme zum Schutz von Belegschaft und Patienten soll die Stadt Wien die Berufsfeuerwehr der Stadt Wien als Betriebsfeuerwehr im Krankenhaus stationieren.
Der Kampf zum Erhalt der Gesundheitsversorgung ist ein politischer Kampf und muss von der gesamten Arbeiterbewegung als solcher geführt werden. Die kapitalfreundlichen Umstrukturierungen der letzten Jahre durch die Regierung müssen rückgängig gemacht werden. Das Gesundheitssystem muss ausfinanziert werden – und zwar auf Kosten der Unternehmen. Ein konsequent geführter Arbeitskampf im „Lorenz Böhler“ könnte zum Fokuspunkt für jene Kräfte werden, die diesen Kampf mit aller Entschlossenheit zu führen bereit sind. Wir Revolutionären Kommunisten werden alle Bemühungen in diese Richtung unterstützen.