Carlos Ramirez (El Militante) analysiert die Lage der spanischen ArbeiterInnenbewegung vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise, die Spanien ganz besonders hart trifft.
Die weltweite kapitalistische Krise hat besondere Auswirkungen auf Spanien. Alle Zahlen weisen darauf hin, dass wir uns auf eine Rezession zu bewegen. Das Bruttoinlandsprodukt, das 2007 um 3% stieg, wies 2008 einen kläglichen Wert von 1,2 % auf, es stieg im dritten Quartal lediglich um 0,2% und fiel im letzten um 1%. Die Rezession wird höchstwahrscheinlich äußerst tief und langwierig sein.
Die meisten Experten schätzen, dass das BIP 2009 um 3% sinkt. Die Zahl der Arbeitslosen betrug im Januar 2009 3.327.801, das sind 14% der Bevölkerung und 47% mehr als im Januar 2008. 29% der jungen Menschen unter 25 sind von der Arbeitslosigkeit betroffen. Wenn man den Arbeitsmarktforschern glauben darf, wird die Gesamtarbeitslosigkeit auf 20% steigen.
Die Produktion von Industriegütern fiel 2008 um 9% und die Investitionen in Produktionsgüter um 26,6%. Ein Beispiel hierfür ist die Autoproduktion, die im Januar 2009 im Verhältnis zum gleichen Vorjahresmonat um 53% fiel.
Der private Verbrauch geht rapide zurück, bei der Neuzulassung von PKW haben wir es bei 45% mit dem stärksten Rückgang in der Geschichte zu tun und auch die Zahl der Hypotheken fiel 2008 um 32,7% gegenüber 2007.
Offensive gegen die ArbeiterInnenklasse
Wie immer versuchen die Kapitalisten die Wucht der Krise in Form von Kürzungen und massiven Entlassungen auf dem Rücken der ArbeiterInnen abzuwälzen. Die wichtigste Maßnahme seitens des Kapitals ist der Einsatz einer hohen Anzahl von LeiharbeiterInnen (30% der Arbeitskräfte haben Zeitverträge). Das ermöglicht den Kapitalisten einen großen Handlungsspielraum. Wenn sie die Zahl der Beschäftigten verringern wollen, werden ganz einfach die Zeitverträge nicht verlängert, das erspart ihnen eine beträchtliche Menge Geld, da sie keine Abfindungen zahlen müssen.
Andererseits gehen vor allem die großen Konzerne zu „expedientes de regulación de empleo“ (EREs) über, das sind Maßnahmen, die es ihnen ermöglichen während eines Produktionsstopps ArbeiterInnen vorübergehend zu entlassen, manchmal führen diese Maßnahmen auch zur Reduzierung der Belegschaften. Im November überstiegen diese EREs die Zahl des Vorjahresmonats um 163%. Es kommt auch wiederholt zu gezielten Entlassungen, mit dem Ziel, den Rest der ArbeiterInnen einzuschüchtern, um so Gehaltskürzungen und die Erhöhung des Arbeitstempos durchzusetzen.
Es geht in Richtung Generalstreik
Trotz der Tatsache, dass die wichtigsten spanischen Gewerkschaften Comisiones Obreras (CCOO) und Unión General de Trabajadores (UGT) immer noch eine Strategie zur Erhaltung des sozialen Friedens um jeden Preis verfolgen und mit allen Mitteln Übereinkünfte mit den Unternehmern und der Regierung anstreben und trotz der psychologischen Belastung, welche der plötzliche Rückgang der Wirtschaft auf die ArbeiterInnen hat, wird die Situation immer weiter angeheizt und eine Mobilisierung der gesamten spanischen Arbeiterklasse vorbereitet.
Die soziale Unzufriedenheit, die sich an der Basis der Gesellschaft aufgestaut hat, drückt sich noch nicht in einer Massenbewegung aus und wird durch das defensive Verhalten der politischen Organisationen und der Gewerkschaften blockiert. Aber die Unzufriedenheit und der Zorn sind real vorhanden und sie werden an die Oberfläche kommen, sobald sie ein Vehikel finden, das groß genug ist, um ihnen Ausdruck zu verleihen. Diese Grundstimmung kam bei den Demonstrationen gegen die israelische Aggression in Gaza im Januar dieses Jahres an die Oberfläche, an der über 200.000 Menschen teilnahmen.
Die ArbeiterInnen sind sich sehr wohl bewusst, dass isolierte Arbeitskämpfe in den Fabriken im Rahmen einer tiefen Wirtschaftskrise nicht ausreichen, um auf die Offensive der Bosse zu antworten. Es wird eine umfassende Antwort benötigt, es ist notwendig, dass das Bewusstsein der Millionen ArbeiterInnen im gesamten Land in Schwung kommt. Der Ruf nach einem Generalstreik zur Verteidigung der Arbeitsplätze und der Arbeitsbedingungen und die Forderung, die PSOE-Regierung müsse eine Politik zur Verteidigung der Ausgebeuteten betreiben, gewinnt unter den ArbeiterInnen zunehmend an Stärke.
Ein Hinweis auf die tiefe Unzufriedenheit, welche unter den spanischen ArbeiterInnen gärt, ist die Zahl von lokalen Kämpfen, die einen hohen Druck auf die Führungen von CCOO und UGT ausüben. Bedienstete im Gesundheitswesen und LehrerInnen befinden sich in vielen Regionen Spaniens im Arbeitskampf. In Katalonien und Madrid haben die Gewerkschaften am 16. bzw. 25 März zu lokalen Streiks an den Schulen aufgerufen, in Valencia, Galizien usw. finden täglich Demonstrationen der Lehrkräfte statt. In der Provinz Madrid mobilisieren die Justizbediensteten gegen die rechte Regionalregierung.
In Katalonien, einer Region, die besonders von den EREs und Massenentlassungen betroffen ist, kommt es zu wichtigen Kämpfen, bei denen die Gewerkschaften große Probleme haben, diese unter Kontrolle zu halten. ArbeiterInnen in großen Firmen wie Nissan, SEAT u.a. im Industriegürtel um Barcelona haben eine massive Mobilisierung organisiert. In Galizien kämpfen die Maschinenbauer und Stahlarbeiter gegen Entlassungen und den damit verbundenen schleichenden Strukturwandel.
Diese Mobilisierung ist ein Vorgeschmack auf das, was noch folgen wird. Die Bosse fordern von der Regierung eine Reform der Arbeitsgesetze und Kürzungen bei den Abfindungen. Dieser Druck von Seiten der Kapitalisten und die bittere Situation, in der sich Millionen ArbeiterInnen befinden, können in eine vereinte und allgemeine Antwort transformiert werden. Der Druck auf die Gewerkschaftsführung für einen Generalstreik wird in den nächsten Monaten enorm wachsen.