Die Krise in Osteuropa droht auch österreichische Konzerne in die Tiefe zu reißen. Besonders anfällig sind die Banken.
Österreichs Banken bildeten geheimes Ostkonsortium
Die Financial Times ist keine Zeitung für dich und mich. Sie ist das Zentralorgan des Kapitals. In einem heute erschienen Artikel in der Financial Times Deutschland wendet sich nun ein Zusammenschluss europäischer Banken unter Führung der Raiffeisen International, der Erste Bank und der Bank Austria – Unicredit an die „Öffentlichkeit“ um staatliche Unterstützung für ihre Institute zu erpressen. Dem österreichischen Journalismus ist diese Lobbygruppe seit ihres fünf monatigen Bestehens nicht zu Ohren gekommen. Man kann vermuten dass der „heimische“ Sparer vor Sorge um und Wut auf die österreichischen Banken verschont werden sollte. Besonders lustig wie Herbert Stepic, Chef der Raiffeisen International um staatliche Gelder für Osteuropaengagements wirbt: „Viele von uns haben 50 Jahre gekämpft, um diese Länder vom Kommunismus wegzubringen, und jetzt, da wir in der Region eine freie Marktwirtschaft haben, können wir sie nicht allein lassen, wo ein extrem rauer Wind weht.“
Der Stalinismus ist gescheitert – Raiffeisen, Erste, und Bank Austria sind die nächsten!
Wir wollen unserern LeserInnen nicht vorenthalten was unsere Bankinstitute zu sagen haben und verweisen auf folgenden Link.
Finanzkrise in Osteuropa: Die Party ist vorbei
Seit dem Zusammenbruch des Stalinismus in Osteuropa galt die gesamte Region als Investmentparadies für westliches Kapital. Österreich hat in großem Ausmaß an diesem Investmentboom in Mittel- und Osteuropa (MOEL) teilgenommen. Mitten in der tobenden globalen Finanzkrise verdichten sich auch die Widersprüche in diesen Ländern und die Region könnte sich von einem stabilen Pol in eine Quelle der Instabilität verwandeln.
In den letzten Jahren zeigte sich der österreichische Kapitalismus mit der besten ökonomischen Entwicklung in der gesamten Europäischen Union. Der entscheidende Grund für das beachtliche Wachstum in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen waren die enormen Investmentmöglichkeiten in den so genannten Wachstumsmärkten der MOEL.
Die kapitalistische Restauration Osteuropas schuf neue Investitionsfelder für die westlichen Industriestaaten. Vor allem osteuropäische Banken, Versicherungsgesellschaften und Telekommunikationsunternehmen befinden sich mittlerweile fast ausschließlich in den Händen von österreichischen oder deutschen InvestorInnen. In der tiefsten Krise der Weltökonomie seit der Wirtschaftskatastrophe von 1929 beruhigen die österreichischen Vertreter aus Politik und Wirtschaft permanent mit dem Verweis auf die starke Intervention im von der Krise verschonten Osteuropa. Doch der Schein trügt und schon bald könnte auch diese Region ein Faktor der Instabilität werden.
Die osteuropäischen Tiger ohne Zähne
Im seinem kürzlich erschienen Global Financial Stability Report (GFSR) [1], warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) vor ausufernden Leistungsbilanzdefiziten und der maßlosen Verschuldung privater Haushalte in Osteuropa. Ein Leistungsbilanzdefizit ist der finanzielle Ausdruck dafür, dass die Importe von Gütern und Dienstleistungen die Exporte übersteigen. Wenn die Leistungsbilanz negativ ausfällt, stellt dies für die Länder natürlich einen finanziellen Fehlbetrag dar und der ist in vielen osteuropäischen Staaten dramatisch angestiegen. In Bulgarien wuchs das Leistungsbilanzdefizit zwischen 2005 und 2007 von 12,4 auf 21,5 Prozent des BIP, in Rumänien von 8,7 auf 13,9 Prozent und in Serbien von 9,7 auf 16,8 Prozent. Der IWF stellte Osteuropa nach diesen Zahlen ein miserables Zeugnis aus.
Ganz schlimm steht es um den Finanzhaushalt eines Landes aber, wenn nicht einmal mehr das Kapital Vertrauen in die wirtschaftliche Gesundheit hat. In Ungarn wurde im Laufe der globalen Finanzkrise die Lage als derart unsicher eingestuft, dass weder die ungarische Währung Forint noch Staatsanleihen überhaupt noch nachgefragt wurden. Nach dem massiven Wertverlust des Forint und mit dem Erliegen des Handels mit ungarischen Staatsanleihen verlor Ungarn wichtige Einnahmequellen, denn auch der Staat musste Kreditrückzahlungen an die Banken leisten. Um den Staatshaushalt vorerst vor dem Bankrott zu retten, mussten IWF, Weltbank und die EU mit einem 25 Mrd. Euro schweren Hilfspaket einschreiten. Die österreichischen Wirtschaftsvertreter konnten dem Treiben nur tatenlos zusehen und bangen – denn nach Deutschland und Holland ist das österreichische Kapital drittgrößter Auslandsinvestor in Ungarn.
Auch die bürgerliche Presse sorgt sich schon offen um die Wirtschaftsentwicklung Osteuropas. Die Tageszeitung „Die Presse“ sorgt sich vor allem um die Baltischen Staaten: „Besonders hart dürfte es, so diese Vorhersage eintrifft, das Baltikum treffen. Lettlands Wirtschaft, die im Vorjahr noch um atemberaubende 10,2 Prozent gewachsen ist, dürfte 2009 fast stagnieren. Auch die Litauer und Esten müssen sich auf magere Zeiten einstellen.“ [2] Die Region der Mittel- und osteuropäischen Länder ist also alles andere als eine sichere Investitionsmöglichkeit für das österreichische Kapital und könnte sich schon bald als instabiler ergeben, als einige heimische Bankdirektoren dies für möglich gehalten hätten.
Kreditparty im Osten – Wer räumt am nächsten Tag auf?
Die damals hohen Wachstumsraten der osteuropäischen Staaten konnten –ähnlich wie in den USA– nur durch die massive Ausweitung des billigen Kredits erreicht werden. In Bulgarien wuchs die Summe der privaten Kredite allein im letzten Jahr um 62 Prozent, in Rumänien um rund 60 Prozent. Auch in Polen stiegen die Verbindlichkeiten um knapp 40 Prozent [3]. Die Kreditparty in Osteuropa wurde hauptsächlich von österreichischen Banken finanziert. Dem GSFR zufolge haben viele dieser Institute negative Positionen aufgebaut, die zu einer harten Landung für die osteuropäischen Staaten führen könnten. Eine Einschränkung des Kreditvolumens oder steigende Zinssätze würden zu einer großen Anzahl an insolventen SchuldnerInnen und faulen Krediten führen.
Zu welchen Entwicklungen diese unverhältnismäßige Kreditvergabe führen kann, zeigt das Baltikum. Denn das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre in den Baltischen Staaten konnte nur durch den massiven Zufluss schwedischer Kredite erreicht werden. Als die Banken im Jahr 2007 ihre Kreditpolitik aufgrund der Unsicherheit überdachten und begannen, Kapital aus der Region abzuziehen, sorgten sie für eine regelrechte Kreditknappheit. Während im Baltikum agierende Banken weiter Profite schrieben, verlor die Realwirtschaft einen Motor. Diese Entwicklung werden laut aktuellen Zahlen vor allem die ArbeiterInnen in Lettland und Litauen ausbaden müssen. Im kommenden Jahr soll die Arbeitslosenrate in Lettland 8 und in Litauen 5,5 Prozent betragen.
Wie der ehemalige Finanzminister Hannes Androsch gegenüber dem ORF erklärte, haben die österreichischen Banken Kredite in einem Volumen von fast 200 Mrd. Euro nach Osteuropa vergeben. Das entspricht rund 60 Prozent des BIP. Jahrelang konnten die Banken kräftige Gewinne aus der Kreditparty beziehen, aber am Morgen nach den Feierlichkeiten, wird wohl jemand die Zeche für die ausgelassene Stimmung bezahlen müssen.
Österreichs Banken im Schlaraffenland
Der Handel zwischen Österreich und Osteuropa erreichte über das letzte Jahrzehnt ungeahnte Höhen. So wuchs beispielsweise der Handelsbilanzüberschuss mit den MOEL zwischen 2006 und 2007 um 39,7 Prozent. Während der Anteil der Importe aus Mittel- und Osteuropa 12 Prozent der gesamten Einfuhren ausmacht, betrug der Exportanteil mit 19 Prozent fast ein Fünftel [4]. Außerdem schossen die österreichischen Direktinvestitionen nach Osteuropa von de facto Null in den frühen 1990er auf fast 19 Milliarden Euro im Jahr 2004. Das entspricht ungefähr acht Prozent des Bruttoinlandsprodukt [5], wie in der Grafik des Economist ersichtlich ist. 2005 betrug der Wert schon 24,2 Milliarden Euro [6].
Der Charakter der österreichischen Investitionen hat sich in der letzten Dekade allerdings geändert. Während die früheren Geschäftsaktivitäten sich vor allem auf den Bausektor beschränkten, hält heutzutage der Finanz-, Immobilien und Dienstleistungssektor den Löwenanteil inne. Der Beitrag der Aktivitäten in den MOEL für die Profite des österreichischen Bankensektors im Jahr 2005 war beträchtlich. Eine Presseaussendung der Österreichischen Nationalbank stellt fest: „Während sich auch das Inlandsgeschäft leicht erholt hat, profitierten die österreichischen Banken vor allem von einem starken Kreditwachstum und anhaltend hohen Gewinnmargen in Zentral- und Osteuropa.“ [7]
Die in 16 osteuropäischen Staaten tätigen Austrobanken erwirtschafteten im Jahr 2005 beachtliche 42 Prozent ihrer Betriebsergebnisse in dieser Region [8]. Mit den wöchentlich gesenkten Konjunkturprognosen und der faktischen Insolvenz von Ungarn und der Ukraine wackeln die offenen Verbindlichkeiten in diesen Ländern dramatisch. Walter Rothensteiner, Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank (RZB) meinte kürzlich in einem Ö1-Mittagsjournal, dass Österreich und Osteuropa die aktuelle Finanzkrise gut überstanden hätten. Zitat Rothensteiner: „Wir leben gut mit der Krise.“[9] Nun ist die RZB aber unter den ersten Banken, die offenbar vom Hilfspaket des österreichischen Staates mitnaschen wollen.
Die aktuelle Finanzkrise zeigt, wie sich das Bankensystem am Schicksal der Werktätigen bereichert und im Heißhunger nach größeren Profiten Millionen Menschen in den Ruin stürzt. Die Alternative zu diesem anarchischen Bankenwesen kann nur ein unter der Kontrolle und im Interesse der gesamten Gesellschaft stehender Finanzsektor sein. Eine Verstaatlichung des Bankenwesens unter gesellschaftlicher Kontrolle ist das einzige Rezept gegen die Profitmacherei auf Kosten jener, die ohnehin im alltäglichen Leben auf das Geld anderer angewiesen sind, da das eigene Gehalt für ein lebenswertes Dasein nicht ausreicht.
Matthias Schnetzer, SJ Alsergrund
Verweise:
[1] International Monetary Fund (2008): Global Financial Stability Report, Containing Systemic Risks and Restoring Financial Soundness, April 2008
[2] Die Presse, 23.04.2008, “IWF: Roter Alarm fuer Osteuropa”
[3] GSFR, S. 24
[4] Außenhandelsdaten der Statistik Austria
[5] The Economist, 22.11.2007, “The sound of success”
[6] http://www.oenb.at/isaweb/report.do?lang=DE&report=950.3
[7] Presseaussendung OeNB, 20.12.2005
[8] PResseaussendung OeNB, 20.12.2005
[9] www.diepresse.com, 19.07.2008
Dieser Artikel erschien in Funke, Nr. 85