Im zweiten Teil unserer Serie „Es geht auch anders“, in der wir über KollegInnen berichten, die es in ihrer Arbeit im Betrieb eben anders machen, stellen wir diesmal die „Plattform Pro Glanzstoff“ vor, die in den letzten Monaten gegen die Werkschließung Widerstand leistete.
Friedrich Band ist Kommandant der Betriebsfeuerwehr in der Glanzstoff, einem großen Chemiebetrieb in St. Pölten. Er und sein Team hatten zu Beginn des Jahres, als in der Glanzstoff ein verheerender Brand ausbrach, durch enormen 17-stündigen Einsatz das Werk gerettet. Der Eigentümer, die CAG-Holding des Industriellen Cornelius Grupp, hat Mitte Juli dann trotz Wiederinbetriebnahme der Produktion den Beschluss gefällt die Glanzstoff mit Jahresende zu schließen. Rund 320 ArbeiterInnen und ihre Familien wurden durch diese Entscheidung in ihrer Existenz bedroht. Die meisten dieser KollegInnen haben in der Region kaum eine Chance einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden.
Dieses Schicksal teilen sie derzeit mit vielen anderen ArbeiterInnen. Stellenabbau steht in etlichen Industriebetrieben auf der Tagesordnung (Hämmerle, Infineon, Siemens, Swarovski,…). Zukunftsängste und Frust führen dazu, dass die meisten dieser betroffenen Belegschaften mit gesenktem Kopf kampflos die Entscheidung der Unternehmensleitung akzeptieren.
Die Gründung der Plattform
Kollege Band und fünf weitere Arbeiter aus der Glanzstoff gingen einen anderen Weg. Sie gründeten die „Plattform Pro Glanzstoff“ und organisierten am 24. Juli beim Werkstor eine Kundgebung für den Erhalt des Werks. Rund 100 ArbeiterInnen und Familienangehörige folgten dem Aufruf der Plattform und versammelten sich früh am Morgen im Regen, um ihre Stimme gegen die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze zu erheben.
In der Folge sammelte die Plattform an die 2.500 Unterschriften für die Rettung des Werks. Mittels öffentlichem Druck sollte die Politik dazu gebracht werden, die Glanzstoff zu retten. Auf Initiative der Plattform wurde dann auch ein Solidaritätskomitee unter Einbeziehung der BetriebsrätInnen, der Gewerkschaft der ChemiearbeiterInnen (GdC), der SJ, des „Funke“, lokalen MigrantInnenvereinen u.a. gegründet.
Rolle von Betriebsrat und GdC
Die Ausgangsbedingungen für diesen Kampf waren von Anfang an verdammt schwer. Mit dem Argument, dass die Glanzstoff gegen bestehende Umweltauflagen verstoße, zeigten sowohl die schwarze Landesregierung wie auch die rote Stadtregierung kein Interesse am Erhalt des Werks. Die einzige Möglichkeit bestand darin, die Politik mit Massenprotesten zu einem Kurswechsel zu zwingen. Die Idee eines „Marschs durch St. Pölten“, einer Großdemonstration gegen die Werkschließung und die Vernichtung der Arbeitsplätze, wurde geboren. An der Spitze eines solchen Protests hätte natürlich die Belegschaft stehen müssen. Eine erste Bereitschaft dazu hat diese mit ihrer Teilnahme an der Kundgebung gezeigt.
Die Aufgabe bestand nun darin, den KollegInnen eine ernsthafte Perspektive zu geben, wie dieser Kampf erfolgreich geführt werden könnte.
Dieses Zeitfenster wurde aber nicht genutzt. Vor allem weil der Betriebsrat und die GdC darauf drängten, dass zuerst ein Sozialplan ausverhandelt werden müsse – erst mit dieser Absicherung in der Tasche könnte dann für die Arbeitsplätze gekämpft werden. Wichtige Zeit verstrich nun und der Glaube an eine Rettung des Werks wurde in der Belegschaft, die in einer abwartenden Position gehalten wurde, immer geringer.
Krankenstand als Protestform
Mit der Präsentation des Sozialplans war der Kampf für den Erhalt des Werks de facto gegessen – auch wenn die Plattform weiterhin hervorragende Initiativen und Aktionen in diese Richtung setzte (bei Wahlkampfveranstaltungen der SPÖ, am Volksstimmenfest). In der Belegschaft regte sich aber zusehends Unmut über die Weigerung des Eigentümers eine Sonderprämie in der Höhe von drei Monatslöhnen zu zahlen. Immerhin wollte Herr Grupp, dass die ArbeiterInnen bis Jahresende wichtige, höchst profitable Aufträge erfüllen. Mit dem Kündigungsbrief in der Tasche, ohne Zukunft waren die ArbeiterInnen aber nicht mehr bereit für den normalen Lohn weiterzumachen.
Mangels einer kollektiven Kampfperspektive setzten die meisten nun auf eine individuelle Strategie und auf passiven Widerstand. Immer größere Teile der Belegschaft gingen in den Krankenstand. Mit nicht einmal mehr der Hälfte der ArbeiterInnen war eine Aufrechterhaltung der Produktion kaum noch machbar.
Kampf bis zuletzt
Bis zuletzt versuchte die „Plattform“ den Kampf für den Erhalt des Werks zu führen und organisierte eine Demo, um die längst fällige Unterstützung durch die Gewerkschaft einzufordern. Bei strömendem Regen zogen ca. 50 KollegInnen von der Glanzstoff und dem Solidaritätskomitee zum ÖGB-Haus. Von ihrer Gewerkschaft wurden sie aber im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen gelassen. Die Weigerung der GdC, den Kampf mit einer klaren Perspektive zu führen, frustrierte letztlich die Belegschaft. „Es ist zu spät“, war der Tenor etlicher KollegInnen beim Schichtwechsel, woraufhin diese enttäuscht nach Hause gingen.
Die Aktivität der „Plattform Pro Glanzstoff“ ist trotzdem beispielgebend. Die KollegInnen sind aufgestanden und haben ein Zeichen gesetzt. Sie haben aktiv versucht, die Belegschaft, egal ob ÖsterreicherInnen oder „TürkInnen“, zusammenzubringen, mit dem Ziel gemeinsam für die Glanzstoff und die eigene Zukunft zu kämpfen. Sie wollten anderen von Stellenabbau betroffenen Belegschaften zeigen, dass es sich lohnt zu kämpfen. Aber gegen die BremserInnen im Betriebsrat und der Gewerkschaft war diese Kampfbereitschaft zu wenig.
Dieser Artikel erschien in der aktuellen Ausgabe unserer Zeitschrift „Der Funke“ (Nr. 84/Oktober 2008)