Dieser Leserbrief von Funke-Redakteur Andreas Wolf zum Thema einer von der SPÖ geforderten Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wurde in heutigen Printausgabe von „Die Presse“ veröffentlicht.
Wenn eine Steuerentlastung wegen mangelnder sozialer Treffsicherheit abgelehnt wird…
In einem Artikel der heutigen „Presse“ (26.8.2008), der „Mit der Leberkäsesemmel in die Steuerfalle“ übertitelt ist, vertritt der Autor Gerhard Hofer die Argumentation, wonach es sich bei der von der SPÖ geforderten Mehrwertsteuersenkung um eine Maßnahme „mit wenig sozialer Treffsicherheit“ handelt. Als Zeuge wird der Steuerexperte Baumgartener herangezogen, der lt. „Presse“ wie folgt argumentiert:
„Ein einkommensschwacher Haushalt gibt im Monat im Schnitt 220 Euro für Ernährung aus, das sind 16 Prozent seines Einkommens. Durch billigere Lebensmittel würden sozial Schwache zehn Euro pro Monat sparen. Ein wohlhabender Haushalt gibt 11,5 Prozent des Einkommens – das sind 440 Euro im Monat für Ernährung aus und würde somit 20 Euro sparen.“
Aus ökonomischer und steuerlicher Hinsicht ist die gefällte Aussage zwar mathematisch richtig, aber vollkommen irrelevant. Weder der „Presse“ noch dem Steuerexperten Baumgartner würde es in allen anderen Fragen der Steuerpolitik einfallen, mit enem Vergleich der Absolutbeträge der an den Staat zu entrichtenden Abgaben zu argumentieren. Um die Frage der sozialen (Umverteilungs-)wirkung zu beleuchten, muss auf die relative (d.h. ins Verhältnis zu ihrem Einkommen und damit Lebensstandard gesetzte) Be- oder Entlastung typisierter Schichten der Bevölkerung durch steuerliche Maßnahmen abgestellt werden.
Wir wollen der Einfachheit halber die Zahlen verwenden, die der zitierte Artikel angibt. Haushalt 1 hat ein Einkommen von 1375 €, Haushalt 2 ein Einkommen von 3826 €. Daraus ergeben sich die absoluten und relativen auf den Lebensmittelkonsum aufgewendeten Einkommensteile (220 € bzw. 16% für Haushalt 1, 440 € bzw. 11,5% für Haushalt 2). Wir erhalten daher folgende Mehrwertsteuerbelastung der respektiven Haushalte beim derzeitigen USt-Satz von 10%:
Haushalt 1
Nettoausgaben für Lebensmittel 200,-
Zzgl. 10% USt 20,-
Summe 220,-
Haushalt 2
Nettoausgaben für Lebensmittel 400,-
Zzgl. 10% USt 40,-
Summe 440,-
Lebensmittel-Ust-Belastung
an Einkommen
Haushalt 1: 20/1375=1,45%
Haushalt 2: 40/3826=1,05%
Bei dem geplanten USt-Satz von 5% ergeben sich Belastungen von:
Haushalt 1
Nettoausgaben für Lebensmittel 200,-
Zzgl. 5% USt 10,-
Summe 210,-
Haushalt 2
Nettoausgaben für Lebensmittel 400,-
Zzgl. 5% USt 20,-
Summe 420,-
Lebensmittel-Ust-Belastung
an Einkommen
Haushalt 1: 10/1375=0,73%
Haushalt 2: 20/3826=0,52%
Daraus ergibt sich: Der einkommenschwache Haushalt wird mit ca. 0,72%-Punkten seines Einkommens entlastet, der einkommensstarke mit ca. 0,52%-Punkten. Die prozentuelle Differenz dieser relativen Entlastungen beträgt ca. 39% (von „unten“ gerechnet). Jeder möge sich selber sein Urteil bilden, ob diesen Fakten das Attribut „mangelnde soziale Treffsicherheit“ zugeordnet werden kann.
Die Berechnungen setzen voraus, dass der Lebensmittelhandel die Mehrwertsteuersenkung 1:1 an die Konsumenten weitergibt (tut er dies nicht, ändert dies allerdings an der sozialen Wirkung der proportional größeren USt-Entlastung für Einkommensschwächere nichts). Hier wird die „Presse“ durchaus recht behalten, wenn sie meint, dass das wohl „ein nettes Körberlgeld für Produzenten und Handel“ ergeben wird. Zumindest so lange, als die Regierung nicht Preiskontrollen für die Güter des täglichen Bedarfs einführt.