Dieses Dokument über die Perspektiven des Klassenkampfs in Österreich wurde nach einem längeren Diskussionsprozess auf dem Funke-Kongress Anfang Juni verabschiedet und bildet die Grundlage, auf der wir in den nächsten Monaten den Aufbau einer starken marxistischen Strömung vorantreiben wollen.
Österreich-Perspektiven 2008
Krise des wirtschaftlichen Systems
Die letzten 5 Jahre waren von einem überdurchschnittlich hohen Wachstum der Weltwirtschaft gekennzeichnet, mit jährlichen Wachstumsraten in der Höhe von rund 5%. Mittlerweile ist jedoch offensichtlich, dass dieser Boom zu Ende geht. Alle Prognosen weisen darauf hin, dass die Konjunktur ausgehend von der Immobilien- und Finanzmarktkrise in den USA einbricht. Für eine genauere Analyse der Mechanismen dieser Krise müssen wir an dieser Stelle auf das Weltperspektiven-Dokument der IMT verweisen.
Es stellt sich die Frage, wie stark der österreichische Kapitalismus von dieser internationalen Wirtschaftskrise betroffen sein wird. Kommt es nur zu einer Konjunkturdelle oder zu einer spürbaren Rezession?
Der österreichische Imperialismus gehörte in den letzten Jahren zu jenen EU-Staaten mit dem höchsten Wirtschaftswachstum. Dies liegt vor allem an Österreichs Sonderrolle in Ost- und Südosteuropa. 2007 verzeichnete Österreich ein Wirtschaftswachstum von 3,5%. Bis vor kurzem versuchten die Bürgerlichen ein rosiges Bild zu zeichnen und so zu tun, als wäre Österreich von der Finanzmarktkrise nicht betroffen. Wurde im Jänner dieses Jahr noch heftig bestritten, dass Österreich überhaupt von der Krise in den USA betroffen sein würde, so wurden die Prognosen der „Wirtschaftsexperten“ von Woche zu Woche vorsichtiger. Für das heurige Jahr prognostizieren die Wirtschaftsinstitute WIFO und IHS bereits einen Rückgang des Wirtschaftswachstums auf 2,1 Prozent, für das kommende Jahr auf 1,7 Prozent bzw. 2,2 Prozent. Schon lassen sie sich aber ein Hintertürchen offen und sagen, dass man bisher „wenig Erfahrung mit Finanzkrisen dieses Ausmaßes“ hat. Es sei durchaus möglich, dass die Prognosen weiter nach unten revidiert werden müssten. Internationale Forschungsinstitute, wie das deutsche IFO, sehen Österreich sogar in der Gruppe jener EU-Länder, die am stärksten von der internationalen Krise betroffen sein werden. Vor allem müssen wir sehen, dass die österreichische Wirtschaft Teil einer hoch komplex integrierten Weltwirtschaft geworden ist und dementsprechend anfällig auf Schocks von außen werden könnte. Vor allem eine mögliche Immobilien- und Kreditkrise in wichtigen osteuropäischen Märkten würde das österreichische Kapital schwer treffen. Die ersten Analysen wurden bereits veröffentlicht, dass die osteuropäische Immobilienblase an ihre Grenzen gestoßen ist und Immobilien an Wert verlieren. Dazu kommt die Krise der Staatshaushalte mehrer osteuropäischer Länder.
Dazu kommt die Krise der Staatshaushalte mehrer osteuropäischer Länder. Der IWF und die Weltbank haben in ihrem kürzlich erschienen Global Financial Stability Report (GFSR) auch vor den ausufernden Leistungsbilanzen und der überhöhten Verschuldung der Privathaushalte gewarnt und prognostizieren eine harte Landung der osteuropäischen Ökonomien. So erhöhten sich die Leistungsbilanzdefizite mancher osteuropäischer Länder dramatisch:
Land 2005 2006 2007
Lettland 12,6 % 22,3 % 22,8 %
Bulgarien 12,4 % 17,8 % 21,5 %
Rumänien 8,7 % 10,3 % 13,9 %
Serbien 9,7 % 12,3 % 16,8 %
Polen 1,6 % 3,1 % 3,7 %
(in Prozent des Brutto-Inlands-Produkts (BIP))
Diese Entwicklung resultiert unter anderem aus einer übermäßigen Expansion des Kredites. So wuchs die Gesamtsumme privater Kredite allein im vergangenen Jahr in Bulgarien um 62 Prozent, in Rumänien waren es 60,4 Prozent. Im Baltikum stieg die private Verschuldung um 45 Prozent, und selbst Polen schaffte es mit seinen 39 Millionen Einwohnern, die Verbindlichkeiten der Privatverbraucher um 39,4 Prozent auszuweiten. Dieser Prozess hat allerdings seine Grenzen, wie wir es gerade in Großbritannien und Spanien erleben, wo es in den letzten zwei Quartalen bereits zu einer massiven Einschränkung bei der Vergabe von Konsum- und Hypothekarkrediten gekommen ist. Diese Kredit- und Konsumparty wird vor allem von westlichen, mitunter österreichischen Banken, finanziert. In den vergangenen Jahren haben allerdings westliche Banken (vor allem österreichische und italienische) laut GFSR viele negative Positionen aufgebaut was angesichts sich abzeichnender Liquiditätsprobleme zu einer Einschränkung der Kreditvergabe und somit zu einer harten Landung für die osteuropäischen Volkswirtschaften führen kann. Diese Situation würde zu einer Drosselung der Kreditvergabe führen und die Banken in ihrer Versuchung bestärken die variablen Zinsen zu erhöhen. Das Resultat wäre eine Zunahme uneinbringlicher Forderungen. So wollen zum Beispiel 40 Prozent der Banken in Polen ihre Gewinnspanne auf Hypothekarkredite von derzeit 15-25 % auf 40 % Prozent erhöhen. Und auch die Konsumkredite sollen teurer werden.
Ein wichtiger Indikator ist die Entwicklung der Investitionen. Nach den starken Zuwächsen im Vorjahr wollen die österreichischen Industrieunternehmen auch im Jahr 2008 ihre Investitionsausgaben weiter deutlich steigern, erwarten die heimischen Wirtschaftsforscher. Die Zunahme werde allerdings geringer ausfallen als im vergangenen Jahr, so die aktuelle Einschätzung des Wifo. Der Anteil der Industrieunternehmen, die ihre Kapazitäten ausweiten wollen, ist aber trotz allem „außergewöhnlich groß“, so das Wifo. Der Ersatz alter Anlagen und Rationalisierungen bleiben die wichtigsten Investitionsmotive.
Laut „Wifo-Investitionstest“ vom Herbst 2007 (Befragung von 750 Unternehmen) planten die Sachgütererzeuger, ihre Investitionen heuer nominell um 8,6 Prozent auszuweiten (real wären dies 7,2 Prozent), ohne Bergbau und Mineralölverarbeitung sogar um 10,3 Prozent (real 10,2 Prozent). In der Bauwirtschaft würden die Investitionen gegenüber dem Vorjahr um fünf Prozent zunehmen, nach zwölf Prozent im Vorjahr. Dies dürfte mit dem Bekanntwerden der Krise auf den Immobilienmärkten zusammenhängen, heißt es im Investitionstest. Die Lage sei aber nach wie vor „günstig“.
Die österreichischen Banken haben bis Ende März 2008 über 1 Mrd. Euro durch die Finanzkrise in den Sand gesetzt. Im internationalen Vergleich sind sie damit tatsächlich noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Bankzusammenbrüche wie in den USA, Britannien oder Deutschland sind für Österreich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erwarten. Durch ihre Ausrichtung auf Osteuropa haben sich die österreichischen Großbanken eher auf das traditionelle Bankgeschäft konzentriert und nicht in dem Ausmaß in risikoreiche Spekulationsgeschäfte investiert. Im Segment der Investmentbanken, die jetzt besonders stark betroffen sind, sind die österreichischen Banken kaum von Bedeutung. Das bedeutet aber keinesfalls, dass die österreichischen Banken im Gegensatz zu den „Heuschrecken“ auf den internationalen Finanzmärkten eine „gute Kapitalfraktion“ wären. Expansion in Osteuropa bedeutet: Aufkaufen von kleinen Konkurrenten und Marktbereinigung – massiver Personalabbau inklusive. Außerdem droht bei Platzen der Immobilienblase in Osteuropa auch für die österreichischen Banken ein Einbruch ihrer Profite.
Die großen Banken zählen heute zu den profitabelsten Unternehmen des Landes. Zu Beginn des Jahres 2008 veröffentlichte ein börsennotierter Konzern nach dem anderen seine Bilanzen für das vergangene Jahr. Die 30 ertragsstärksten Konzerne der Wiener Börse erwirtschafteten 2007 fast 10 Mrd. Euro Gewinn. Die absolute Nummer 1 ist der Öl- und Gaskonzern OMV, der alleine schon 1,5 Mrd. Euro Gewinn machte. Dahinter folgen aber schon die Geldinstitute Erste Bank und die Raiffeisen International, dann erst die VOEST. Die Top 3 profitieren allesamt in erster Linie von ihrer internationalen Expansionsstrategie, vor allem in Osteuropa. Der Trend der vergangenen Jahre, wie wir ihn in unseren Papieren skizziert haben, wurde da voll weiter geschrieben.
Diese Konzerne profitierten vom bisherigen starken Wachstum der Weltwirtschaft und vor allem jenem in Osteuropa, das immer mehr zum Hinterhof des österreichischen Imperialismus geworden ist. Während österreichische Banken noch immer vom Aufkaufen ihrer kleinen Konkurrenten in Ländern wie Ungarn, Tschechien, Kroatien usw. Auftrieb erhalten, konnten Industriebetriebe wie die VOEST, Palfinger oder Andritz den internationalen Nachfrageboom nach Metallprodukten nutzen. Durch die generelle Exportorientierung auf Deutschland und Osteuropa haben diese Industriekonzerne es geschafft die bisherigen Abwärtstendenzen der Weltwirtschaft ausgehend von der Finanzmarktkrise in den USA durchzutauchen. Dies gilt auch für den Wienerberger-Konzern, der Nummer 1 in der Baustoffindustrie, der viel stärker in Osteuropa als in den USA aktiv ist und deshalb von der dortigen Immobilienkrise bislang nicht so stark betroffen ist.
Die hohen Profite beschränken sich jedoch auf einige wenige Topkonzerne. Je kleiner und vor allem je binnenorientierter Betriebe sind desto schwieriger tun sie sich.
Die Wiener Börse hat in den letzten Monaten massive Einbußen zu verzeichnen gehabt. Trotzdem stiegen die Dividenden der Anleger der Top Ten an der Wiener Börse gegenüber dem Vorjahr um 18,2 Prozent. Diese Konzerne schütteten 2,13 Mrd. Euro an Dividenden aus.
Dazu kommt die Entwicklung der Einkommen von Spitzenmanagern. Vor allem in den staatsnahen Betrieben gibt es unvorstellbare Einkommen. Die Gehälter der Vorstände in staatlichen oder staatsnahen Unternehmen haben von 2005 auf 2006 deutlich zugelegt – im Gegensatz zu den Einkommen der Beschäftigten in diesen Betrieben. Einem Rechnungshof-Bericht zufolge verdienten 2006 die Vorstandsmitglieder von 20 Betrieben mehr als 273.600 Euro. Im Jahr davor waren es 15 Unternehmen. Durchschnittlich verdiente ein Vorstand in einem staatlichen oder staatsnahen Betrieb 2006 rund 149.000 Euro, 2005 waren es 140.600 Euro. Das Durchschnittseinkommen der Beschäftigten lag 2006 bei 39.800 Euro (2005: 38.600 Euro).
Besonders satte Einkommenszuwächse gab es für die ÖBB-Bosse. Der Holdingvorstand verdiente um 42 Prozent mehr, dessen Angestellte aber um 4 Prozent weniger. Die Chefs des Teilbereichs ÖBB Dienstleistung bekamen gar um 84 Prozent mehr, deren Angestellte legten um 12 Prozent zu. Über satte Zugewinne dürfen sich auch die Vorstände der Elektrizitätswirtschaft (plus 21 Prozent, Angestellte: minus 17 Prozent), der AUA (plus 18 Prozent, Angestellte: plus 7 Prozent) und der Bundesforste (plus 15 Prozent, Angestellte: plus 4 Prozent) freuen.
Doch auch in der Privatwirtschaft sind die Managereinkommen in astronomischen Höhen. Im Durchschnitt belaufen sie sich auf das 40fache der Beschäftigten in den jeweiligen Betrieben.
Andreas Treichl hat als Österreichs bestverdienender Banker den Abstand zu seinen Kollegen im Land zuletzt wieder vergrößert. Vor allem dank eines 1,8 Millionen Euro schweren Sonderbonus für 2006, der mit den Bezügen für 2007 zur Auszahlung kam, erreichte die Gage des Erste-Bank-Chefs im Geschäftsjahr 2007 damit 4,420 Millionen Euro.
Wesentlicher Grund für den markanten Bezug waren dem Geschäftsbericht zufolge „erfolgsabhängige Komponenten“, die im abgelaufenen Jahr den Fixbezug von 1,239 Mio. Euro um insgesamt 2,82 Mio. Euro auffetteten.
Es sind solche Nachrichten, die zum Bestürzen der Bürgerlichen das Wort „Manager“ zum Schimpfwort des Jahres gemacht haben. Das „Wirtschaftsblatt“ titelte Anfang des Jahres besorgt, dass hier der Stammtisch die ideologische Oberhoheit bekommen hat. Die Prozesse, die wir in Deutschland sehen und die Basis für den Aufstieg der Linkspartei auch im Westen zu einer Partei mit Massenverankerung und großer Wählerbasis bilden, beginnen längst auch in Österreich zu wirken und prägen das Massenbewusstsein. Die intelligenteren Teile der Bourgeoisie verstehen dies, und versuchen mit Vorschlägen nach einem gerechteren Steuersystem dem entgegenzuwirken. Man denke nur an diesebezügliche Äußerungen von Haselsteiner (Strabag) oder Raidl (Böhler-Uddeholm). Für die molekularen Prozesse in der ArbeiterInnenklasse sind diese Entwicklungen jedenfalls zentral. Sie schärfen das Bild von einer durch Klassengegensätze geprägten Gesellschaft.
Verschärft wird dies durch die Tatsache, dass der Lebensstandard der Massen zusehends bedroht ist. Teuerungswelle (v.a. bei Produkten des täglichen Bedarfs!), kalte Steuerprogression und eine moderate Lohnpolitik sind dafür verantwortlich, dass immer größere Teile der Lohnabhängigen ihren bisherigen Lebensstandard nicht mehr halten können. Die Umverteilung von unten nach oben hat ein ungeheures Ausmaß erreicht. Nehmen wir eine Momentaufnahme. 2007 betrug die durchschnittliche Inflationsrate 2,2% (Statistik Austria), das Wirtschaftswachstum 3,4% (WKO). Wollten also die Lohnabhängigen im Jahr 2007 nur den gleichen Anteil am Gesellschaftsreichtum halten, den sie 2006 hatten, so hätten die durchschnittlichen Kollektivvertragserhöhungen 5,4% (= BIP-Wachstum + Inflation) betragen müssen. Leider waren sie weit davon entfernt. Im Vergleich von 18 KV-Abschlüssen des Vorjahres und des beginnenden Jahres 2008 (darunter MetallerInnen 3,5%, öffentlicher Dienst 2,8-3,8%, ÖBB 4,5%) ergibt sich ein Schnitt von 3,2%.
Weiters ist zu berücksichtigen, dass der Wert der offiziellen Jahresinflationsrate die Lebensrealität der Mehrheit der Bevölkerung nur ungenügend wiedergibt. So betrug die Inflationsrate für die Hauptausgabeposten eines Normal-Haushaltes, also Lebensmittel, Wohnen, Energie und Mobilität in den letzten Monaten zwischen 7 und 11%. Lohnabhängige mussten also im letzen Jahr (bzw. vor allem in den letzten Monaten) massive Reallohnverluste hinnehmen.
Doch das Jahr 2007 fällt dabei keineswegs aus dem allgemeinen Rahmen, wie eine Studie des WIFO aus dem Jahr 2003 belegt: So sank seit Ende der 1970er Jahre die (bereinigte) Lohnquote (= Anteil der Löhne am BIP) von ca. 73% auf ca. 61% im Jahre 2000. Dass dieser Trend seit 2000 nicht aufhörte, ist allgemein anerkannt: Eine Studie der Bundes-SPÖ aus dem Jahre 2005 bezifferte die Reallohnverluste zwischen 1999 und 2005 mit 1,22%.
Die Beschreibung der Schieflage ist damit jedoch noch nicht beendet, kommen ja zusätzlich die Steuern mit ins Spiel. Laut einer Untersuchung der AK aus dem Jahr 2005 blieb in Österreich das Volumen der Staatseinnahmen über die letzten Jahre hinweg in etwa bei ca. 40% des BIP konstant. Doch während der Faktor Arbeit immer mehr zur Finanzierung dieses Volumens herangezogen wurde, zog sich der Faktor Kapital immer mehr aus der Verantwortung zurück. Der Anteil der Lohnsteuer an den Gesamtsteuern stieg von 18% im Jahre 1975 auf 30,2% im Jahre 2005. Im selben Zeitraum sank der Anteil der Gewinnsteuer von 17,4% auf 13,4%. Die UnternehmerInnen und SpekulantInnen wurden in den letzten Jahrzehnten noch zusätzlich z.B. durch die Reduktion der Körperschaftssteuer von 34% auf 25% oder die steuerliche Verschonung der Privatstiftungen beschenkt. Auch die nun in Diskussion stehende Vermögenszuwachssteuer, die von Raidl & Co. eben zur Verfestigung der sozialen Kohäsion angedacht wurde, wird – wenn sie überhaupt kommen sollte (was angesichts des Widerstands der ÖVP ohnedies unwahrscheinlich ist) – die wirklich Reichen nicht sondern den „Mittelstand“ bzw. besser verdienende Lohnabhängige treffen.
Es sind diese Fakten, welche die Grundlage für den großen Unmut in der ArbeiterInnenklasse bilden. Die Wucht der Faktenlage führt in der heutigen Zeit dazu, dass allerorten jene Theorie in der ArbeiterInnenbewegung hinterfragt wird, die erst zu dieser Misere geführt hatte: Die Theorie von einer beständigen Verbesserung des Lebensstandards im Kapitalismus. Dass der Kapitalismus ohne wesentliche Krisen immer mehr mit einem menschlichem Antlitz versehen werden könnte, war sowohl in Österreich als auch international jahrzehntelang die Illusion aller führenden Persönlichkeiten von Gewerkschaft und Sozialdemokratie. Die fetten Jahre sind vorüber. Noch drückt sich der vorhandene Unmut nicht in einem Anstieg des offenen Klassenkampfs aus. Er führt aber dazu, dass das Bild von einem Österreich als der Insel der Seligen längst der Vergangenheit angehört. Österreich ist heute im Bewusstsein der Massen Kapitalismus pur. Daraus folgt der Wunsch nach einer „sozialen Wende“. Die Lohnabhängigen und selbst die fortschrittlichsten Teile der Klasse sind jedoch verunsichert und sehen noch keinen gangbaren Weg zur Verteidigung ihrer Interessen. Die hier skizzierten Änderungen im Massenbewusstsein halten wir jedoch für immens bedeutsam.
Eine genaue Prognose, wie sehr die österreichische Wirtschaft von der internationalen Krise betroffen sein wird, ist zum heutigen Zeitpunkt noch schwer zu treffen. Doch es zeichnet sich ab, dass Österreich auf eine Situation mit niedrigen bis stagnierenden Wachstumsraten und weiterhin steigender Inflation zusteuert. Dieses Phänomen der Stagflation ist für die Lohnabhängigen ein Horror. Es genügt zu sagen, dass es gängige Meinung unter den Wirtschaftsforschern ist, dass es ein Wirtschaftswachstum von 3% benötigt, um ein Anwachsen der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Ein solches Wachstum ist in weite Ferne gerückt. Rationalisierungen, Arbeitsplatzabbau usw. werden auf der Tagesordnung stehen. Bei niedrigem Wachstum werden die Unternehmen und der Staat moderate Lohn- und Gehaltsrunden einfordern. Und das bei steigender Inflation! Hier muss sich Widerspruch über Widerspruch auftürmen. Und dies wird Folgen für den Klassenkampf und die Stabilität des politischen Systems, die Beziehungen zwischen den Klassen und auf die Kräfteverhältnisse in den einzelnen Klassen und ihren Organisationen haben. Auf beiden Seiten wird es zu einer Polarisierung kommen.
Krise des politischen Systems
Die ÖVP
Nach 6 Jahren Kanzlerschaft wurde die ÖVP bei den Wahlen im Oktober 2006 abgestraft und auf die Funktion des Juniorpartners in der Regierung reduziert. Doch in Wahrheit ist das Wahlergebnis längst in sein Gegenteil verkehrt worden und spätestens seit Einigung auf das Koalitionsabkommen hat die ÖVP wieder die Zügel fest im Griff. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen konnten Grasser & Co. die Großen Koalition als Fortsetzung des Kurses von Schwarz-Blau bezeichnen.
Anfangs schien es so als würde sich die ÖVP nach der Wahlniederlage in eine Art Selbstfindungsprozess begeben um die eigene inhaltliche Ausrichtung zu diskutieren. Das Bild von zwei Flügeln wurde dabei gezeichnet: dem rechtskonservativen Schüssel-Flügel und einem liberaleren Flügel, der angeblich von Josef Pröll und Andrea Kdolsky verkörpert wird. Vor allem in ideologischen Fragen sollte sich die ÖVP teilweise öffnen.
Abgesehen von Schüssels „Rückzug“ auf die Funktion des Klubobmanns gab es in der ÖVP jedoch keinen Personal- und schon gar keinen Kurswechsel. Wolfgang Schüssel hält weiterhin die Fäden der Macht in der ÖVP in seinen Händen. Seine Leute besetzen weiterhin die Schlüsselfunktionen in der Bundes-VP. Das medial gezeichnete Bild von einem Flügelkampf ist völlig übertrieben. Zu stark wiegt noch Schüssels Verdienst als derjenige, der die ÖVP wieder mit einer Perspektive ausgestattet und auf Bundesebene stark gemacht hat. Und der Grundkonsens im bürgerlichen Lager lautet „Gegen die Roten“. Diese ideologische Klammer wiegt allemal schwerer als Meinungsdifferenzen in der Frage der Homo-Ehe. Die traditionellen Konflikte zwischen den Bünden in der ÖVP werden durch dieses einigende Band in den Hintergrund gerückt.
In der ÖVP ist heute die Bundespartei so stark wie noch nie. Opposition aus den Bundesländern gibt es de facto nicht. Die allmächtigen Landeskaiser gibt es kaum noch. Die große Ausnahme stellt Erwin Pröll in Niederösterreich dar. Mit Josef Pröll kommt der mögliche Thronfolger in der ÖVP auch aus der niederösterreichischen Landespartei, doch das wäre alles andere als eine Kursänderung. Die Prölls und die VP NÖ zeichnet ebenfalls der Hass auf „die Roten“ aus. Von liberal kann keine Rede sein, weltanschaulich vertritt dieser Teil der ÖVP völlig reaktionäre Ideen. Dazu kommt die offensive Verteidigung von Kapitalinteressen, was ohnedies der kleinste gemeinsame Nenner in der ÖVP ist. Nicht umsonst hat ein Kommentator die VP NÖ als „Mischung aus Laptop und Lederhose“ bezeichnet.
Wir dürfen nicht vergessen: Die ÖVP hat keine liberale Wurzeln, sie zeichnete sich immer schon durch ein katholisch-konservatives Weltbild aus. Entscheidend ist jedoch, dass sie das Sprachrohr der Interessen des Kapitals darstellt, was in Steuerfragen, bei Privatisierungen usw. zum Ausdruck kommt.
Hier sollten wir auch einen internationalen Vergleich heranziehen. In Ländern wie Spanien und Italien sahen wir in der jüngsten Vergangenheit eine enorme politische Polarisierung, wo sogar die rechten Parteien mit Unterstützung der Katholischen Kirche gegen sozialdemokratisch geführte Regierungen Massen mobilisierte und einen wahren Kreuzzug lancierte. In diesen Ländern kamen alle antidemokratischen Traditionen der Bürgerlichen voll zum Vorschein. In Spanien erinnerte die gesellschaftliche Auseinandersetzung an die 1930er Jahre. In Italien nahm Berlusconi einen bekannten Faschisten in sein rechtes Wahlbündnis auf. Die österreichischen Bürgerlichen haben eine ähnliche Tradition (Austrofaschismus, enge Verbindung zum Klerus). Daran hat sich nach 1945 nur wenig geändert. Dass das ominöse Dollfuss-Porträt noch immer im ÖVP-Klub hängt, sagt wohl genügend aus. Gesellschaftlicher Fortschritt war in den letzten Jahrzehnten immer nur gegen den Widerstand der ÖVP möglich. In Fragen der Bildungsreform, der Gleichstellung von Homosexuellen, der Beschneidung von Jugendrechten, in frauenpolitischen Debatten (Kinderbetreuung, Recht auf Abtreibung) sind wir tagtäglich mit diesem Widerstand der ÖVP konfrontiert. In der Opposition würde die ÖVP wohl zu einer ähnlich radikalen Oppositionspolitik schreiten wie wir das in Italien oder Spanien sehen mussten.
Das völlige Fehlen einer demokratischen Tradition im österreichischen Bürgertum und der ÖVP zeigte sich in der jüngsten Vergangenheit in einer Reihe von Fragen. Da sind einerseits die Praktiken im ÖVP-geführten Innenministerium, die Bespitzelung politischer GegnerInnen, die Weigerung parlamentarische Untersuchungsausschüsse zu installieren bzw. die Behinderung derselben durch ÖVP-Minister Platter, der viel bejubelte Auftritt von Otto Habsburg bei einer ÖVP-Gedenkveranstaltung zum Anschluss 1938, wo dieser den Opfermythos einmal mehr aufleben ließ,… Und nicht zu vergessen die Tatsache, dass noch immer das Porträt von Arbeitermörder Dollfuß die Räumlichkeiten des ÖVP-Parlamentsklubs (!) ziert.
Dabei ist zu betonen, dass die ÖVP alles andere als eine unbezwingbare Stärke darstellt. Ganz im Gegenteil. Die Widersprüche der Vergangenheit sind noch immer vorhanden. Das Beispiel der de facto-Spaltung der ÖVP in ihrer traditionellen Hochburg Tirol spricht wohl Bände. Eine offensive Strategie der ArbeiterInnenbewegung v.a. rund um die soziale Frage könnte diese Widersprüche jederzeit aufbrechen lassen.
Eine der wichtigsten Machtachsen im bürgerlichen Lager ist die sogenannte „Raika Connection“. Die Raika-Bosse Konrad und Scharinger gehören zu den einflussreichsten Bürgerlichen in diesem Land. Diese Kräfte gehörten zu jenen, die eine Große Koalition befürworteten. Wie ist dies zu erklären? Haben wir hier ein Gegenstück zu Schüssel? In der ÖVP gibt es natürlich auch Kräfte, die einem „goldenen Zeitalter“ des österreichischen Kapitalismus nachhängen. War dieses doch durch eine international fast einzigartige politische Stabilität und „sozialen Frieden“ gekennzeichnet. Dies sind doch eine der wichtigsten Elemente für das Kapital um in Ruhe die Zukunft zu planen. Natürlich hätten viele Bürgerliche diesen Idealzustand auch gerne zurück. Die negativen Erfahrungen mit der schwarz-blauen Wende bzw. dem unkontrollierbaren Charakter von Jörg Haider und seinen Kameraden aus dem „dritten Lager“ haben diese Tendenzen sicherlich bestärkt. Auch viele Bürgerliche erkennen, dass es eine alternative, stabile und arbeitsfähige Regierungsform zu einer Koalition mit dem „dritten Lager“ benötigt. Der Experimente überdrüssig sehnten sie sich nach dem gewohnten Hafen Große Koalition. Die mit der Großen Koalition verbundene Hoffnung, das Rad der Zeit zurückdrehen zu können, um die großen anstehenden Herausforderungen des „Standorts Österreich“ zu lösen, wie dies auch schon 1945, 1955 oder vor dem EU-Beitritt möglich war, wird jedoch auch in diesen Schichten derzeit schwer erschüttert.
Es wäre allerdings fatal, daraus zu schlussfolgern, dass Teile der ÖVP liberaler oder weniger gegen die ArbeiterInnenbewegung wären. Die Große Koalition wollen gewisse Teile nur, wenn sich die ArbeiterInnenbewegung ohne Wenn und Aber den Interessen der Bürgerlichen unterordnet. Wenn dies möglich ist, dann ist dies sehr wohl die beste Regierungsform für sie. Das geht heute aber auf Dauer nicht mehr. Die Spielräume sind nicht mehr gegeben für eine stabile Integration der organisierten ArbeiterInnenbewegung in das System. Mit dieser Taktik werden die SPÖ und die Gewerkschaften nur in einen Druckkessel gesteckt, in dem so viele Widerstände freiwerden, der sich in politischen Krisen entladen muss. Die Konflikte in der ÖVP Führung sind, wenn es sie gibt, ausschließlich taktischer Natur. Welche taktische Tendenz, die großkoalitionäre oder die radikale bürgerliche, sich durchsetzten wird, hängt von den Erfolgen des jeweiligen Kurses ab. Gelingt es der ÖVP alle großen Konterreformen, wie z.B. die Privatisierung der ÖBB, mit der SPÖ durchzusetzen, werden die Stimmen in der ÖVP nach Bruch der Koalition und vorgezogenen Neuwahlen in den Hintergrund treten. Wird der Druck innerhalb der SPÖ aber so groß, dass es zu einem Stillstand in der Koalition kommt. Werden die Kräfte, die für eine rein bürgerlich Regierung eintreten, Auftrieb bekommen.
FPÖ/BZÖ
Das dritte Lager schien vor einigen Jahren nach den Geschehnissen von Knittelfeld am Boden zerstört. Doch es hat trotz schwieriger Ausgangsbedingungen den Wiederaufstieg geschafft. Dies liegt weniger am Bedürfnis „der Österreicher“ nach Ruhe und Ordnung und nationaler Reinheit. Die Verantwortung trägt einzig und allein die Führung der SPÖ und des ÖGB, welche dem Populismus von Strache, Haider und Westenthaler ausreichend Spielraum lässt.
Vor allem die FPÖ hat unter Strache wieder ordentlich Boden gut gemacht. Wer hätte geglaubt, dass diese Partei auch ohne Haider ein Überleben finden könnte? Die FPÖ war nach der Abspaltung des BZÖ auf einen rechtsextremen Kern zusammengeschrumpft. Die Burschenschafter hatten plötzlich die Partei fest in ihrer Kontrolle. Strache selbst hat seit seiner Jugend ein besonderes Naheverhältnis zum rechtsextremen Rand. Die FPÖ und ihre Jugendorganisation RFJ sind heute Tummelplatz und Betätigungsfeld für die extreme Rechte und offen für echte Neonazis. Ihr Auftreten ist gekennzeichnet von Österreich-Patriotismus, Rassismus, Anti-Islam-Hetze, Anti-EU-Populismus. Mit dieser rechten Demagogie, die nicht selten in ein „soziales“ Gewand gekleidet ist, kann die FPÖ vor allem bei den rückständigsten Schichten der ArbeiterInnenklasse, die nicht organisiert und keinen engeren Bezug mehr zur organisierten ArbeiterInnenbewegung haben, punkten und bei Wahlen wieder beachtliche Ergebnisse einfahren. Die prokapitalistische Politik der SPÖ-Führung leitet das nötige Wasser auf die Mühlen der rechten Rattenfänger um.
Das BZÖ, das einst als liberales Pendant zur „ewiggestrigen“ FPÖ aus der Taufe gehoben wurde, kann nur überleben, wenn sie auf dieselbe Karte setzt wie die FPÖ. Der rechtsgerichtete Liberalismus hat in diesem Land zu wenig Nährboden, um das Überleben einer Partei jenseits der für das Mitwirken im parlamentarischen System zu überspringenden 5-Prozent-Hürde zu garantieren. Die liberale Phase des BZÖ dauerte deshalb auch nicht allzu lange. Mittlerweile versuchen die Orangen mit denselben Themen und derselben populistischen Rhetorik zu punkten wie die FPÖ. Vor allem durch ihr starkes Standbein in Kärnten scheint die orange Partie sich über Wasser halten zu können. Dies ist aber auch schon alles was vom einstigen Mythos Jörg Haider geblieben ist. Mit einer konsequenten sozialistischen Perspektive könnte die ArbeiterInnenbewegung diesem Phänomen umgehend den Garaus machen.
Es ist einzig und allein die Verantwortung von Gusenbauer, Hundstorfer & Co., dass nicht unbeträchtliche Teile der WählerInnenschaft in den reaktionären Ideologien von FPÖ und BZÖ eine Alternative sehen. Rund um die Ratifizierung des EU-Reformvertrags, der von SPÖ und ÖGB ohne Wenn und Aber akzeptiert wird, konnten diese Parteien mit Unterstützung der Kronen-Zeitung Tausende Menschen mobilisieren. Bei diesen Demos erhielten sogar Neonazi-Gruppen wie die NVP ungestört ihre Bühne. Die Neonazi-Szene findet erneut die Bedingungen sich offen zu organisieren und öffentlich aufzutreten. Auch im Konflikt um den Bau von Moscheen können sie im Fahrwasser der parlamentarischen Rechten mitschwimmen und ihre Hetzpropaganda ungestört verbreiten. Die Perspektivlosigkeit, welche die ArbeiterInnenbewegung angesichts der Krise des politischen Systems und der drohenden Wirtschaftskrise kennzeichnet, macht eine nicht unbeträchtliche Zahl von Menschen offen für diese rechte Propaganda. Dieser Trend wird in der kommenden Periode wohl noch stärker werden. Antifaschistische Arbeit gehört somit zum fixen Bestandteil unserer Aktivität. Die zentrale Aufgabe, wenn es darum geht die Rechte zu stoppen, liegt aber darin, in den Organisationen der ArbeiterInnenbewegung einen sozialistischen Kurswechsel durchzusetzen.
Die Grünen
Die Grünen streben seit geraumer Zeit auf eine Regierungsbeteiligung zu. Die einstige Protestpartei, die aus sozialen Bewegungen entstanden ist, betrachtet heute das Parlament als einziges Instrument politischer Veränderung. Vom einstigen Protestimage ist nicht mehr viel übrig. Auch wenn Alexander Van der Bellen sich bislang um das Bild einer Äquidistanz zu den beiden Großparteien bemüht, so gibt es doch einen unübersehbaren Trend dahingehend, dass die Grünen zum Mehrheitsbeschaffer der ÖVP werden. Die schwarz-grünen Koalitionen in Oberösterreich, Graz und anderen Städten sind eindeutig als Probegalopp für eine derartige Koalition auf Bundesebene zu sehen. Selbst in Wien, wo die Grünen noch ein „linkes“ Image haben, mehren sich die Anzeichen, dass eine Kooperation mit der ÖVP angestrebt wird. Das heißt, dass selbst von dieser Seite kaum noch Widerstand gegen eine solche Regierungsbeteiligung zu erwarten sein wird. Der Grund liegt darin, dass die letztlich kleinbürgerlichen Schichten, die bei den Grünen organisiert sind, der organisierten ArbeiterInnenbewegung in der gegenwärtigen Form noch weniger über den Weg trauen als der Partei des Kapitals, welche für ihre wirtschaftliche Tätigkeit in den Poren der kapitalistischen Ökonomie genügend deregulierte Spielräume schafft.. Dass die Grünen immer mehr zum Schoßhündchen der ÖVP werden (wollen) zeigt sich neben ihrer völligen Unterwürfigkeit bei der Privatisierung der Energie AG auch in einem Interview Van der Bellens in der Zeitschrift Datum, wo er offen die größeren inhaltlichen Überschneidungen mit der ÖVP und seine Präferenz für sie betonte. Eine rot-grüne Koalition würde neben der fehlenden Mehrheit also wohl von Haus aus schon am deklarierten Unwillen der Grünen scheitern.
Die Große Koalition und die Sozialdemokratie
Nach der letzten Wahl kamen mehrere Stränge zusammen, die in der ÖVP die Entscheidung Richtung Große Koalition brachten. Die parlamentarische Arithmetik ließ Wolfgang Schüssel letztlich zu dem Schluss kommen, dass die ÖVP nach dem schwarz-blauen Marsch durch die Wüste Gobi noch Mal eine kurze Etappe der Großen Koalition durchschreiten müsse, um der Sozialdemokratie den Rest zu geben. Das ganze Vorgehen der ÖVP in der Großen Koalition war vom ersten Tag darauf ausgerichtet die SPÖ zu diskreditieren.
In keiner einzigen entscheidenden politischen Frage hat sich seither die SPÖ durchgesetzt. Schulreform, Grundsicherung, Kinderbetreuung – in all diesen Fragen, wo die SPÖ eine „soziale Wende“ durchsetzen wollte, scheiterte sie am Widerstand der ÖVP. In den zentralen politischen Fragen der Innen- und Außenpolitik (Asylpolitik, Ausbau des Überwachungsstaates, Teilnahme am Tschad-Einsatz, EU-Reformvertrag) ließ sich die SPÖ vor den Karren der Bürgerlichen spannen und vertrat deren Konzepte. Echte Reformen kamen nur dort zustande, wo die „Sozialpartner“ sich im Vorfeld schon einigen konnten, wie bei der Verlängerung der Ladenöffnungszeiten und vor allem der Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Hier wurde offen auf dem Rücken der Lohnabhängigen Politik betrieben, und dies mit Zustimmung und Mittäterschaft der ÖGB-Spitze.
Im letzten großen Konflikt, jenem um die Steuerreform und einem Programm zur Sicherung des Lebensstandards angesichts der massiven Teuerungswelle, hat sich trotz lautstarkem Gepoltere der SP-Spitze letztlich wieder die ÖVP durchgesetzt. Die Steuerreform kommt – wenn überhaupt – nicht vor 2010.
Kanzler Gusenbauer und die SPÖ-Führung haben sich seit der Unterzeichnung des Koalitionsabkommens konsequent dieses „Umfaller“-Image aufgebaut. Diese Entwicklung geht schön langsam an die Substanz der Sozialdemokratie. Frustration, Enttäuschung, Unmut prägen das Bild. Niemand in der Partei glaubt noch an die Beteuerungen der Parteispitze, man könne sich in der Koalition doch noch durchsetzen. Die Mär von der „Politik mit sozialer Handschrift“ kann an der Parteibasis und unter GewerkschafterInnen nur Zynismus hervorrufen.
Die Krise der Großen Koalition ist in Wirklichkeit eine Krise der Sozialdemokratie. Wofür steht diese Sozialdemokratie? Nach der schwarz-blauen Wende wurde Alfred Gusenbauer als Parteivorsitzender eingesetzt mit der Absicht, dass die SPÖ ein Signal abgibt, dass der „Dritte Weg“ von Blair und Schröder mangels Erfolg wieder verlassen wurde. Gusenbauer kommt aus der Partei, hat sich von ganz unten (vom Sandkasten über die Spielwiese SJ) hochgedient. Er sollte die Abkehr vom 100prozentigen Neoliberalismus verkörpern. Doch was kommt laut Gusenbauer nach dem „Neoliberalismus“? Die „solidarische Hochleistungsgesellschaft“, in Wirklichkeit ist das aber nur ein anderer Begriff für das was im Bewusstsein mittlerweile großer Teile der ArbeiterInnenklasse und des Kleinbürgertums unter „Neoliberalismus“ verstanden wird und soll die prokapitalistische Politik der Sozialdemokratie verschleiern. Diese Idee besagt: Der Staat soll alle Gesellschaftsmitglieder dazu befähigen im Dienste der Gesellschaft produktiv zu sein. Chancengleichheit, Investitionen in die Bildung sind das wichtigste Credo der modernen Sozialdemokratie. Im Grunde vertritt die Sozialdemokratie aber nur eine andere Spielart wie die kapitalistische Gesellschaft verwaltet werden soll. Skurril daran ist, dass heute sogar die Idee, den Kapitalismus besser verwalten zu wollen als es die Bürgerlichen können, die von Gusenbauer vertretene Vision der „good governance“, im Angesicht der Kurzsichtigkeit und Dekadenz der Herrschenden zu einer Illusion wird.
Die sozialdemokratische Opposition gegen den Bürgerblock war nur in Teilbereichen gegeben (in wichtigen Bereichen wie der Außen- und Sicherheitspolitik, bei den unmenschlichen Fremdengesetzen, bei der Post-Privatisierung,… übte man sich bereits in großkoalitionärer Klassenkollaberation), doch wurden nie alternative Modelle präsentiert. Eine Rücknahme der schwarz-blauen Konterreformen war nie beabsichtigt. Die Forderungen nach einem Aus der Studiengebühren, nach Rücknahme der Pensionsreform usw. waren immer nur das Kleingeld, das gegen die Teilnahme an der Regierung eingetauscht werden konnte.
Trotz der moderaten Oppositionspolitik und der Tatsache, dass die SPÖ nur in einigen symbolträchtigen Punkten eine Wende angekündigt hatte, hatte sich eine gewisse Erwartungshaltung in eine SPÖ-Regierungsbeteiligung aufgebaut. Die Gewerkschaftsführung hatte nach dem Streikjahr 2003 ebenfalls die Illusion geschürt, dass ein Wahlsieg der SPÖ die Wende bringen würde. Nach sechs Jahren Bürgerblock konnte es nur besser werden, dachten viele. Dass es zumindest nicht schlechter werden könnte, dachten nahe zu alle. Diese Erwartungshaltung wurde jedoch in kürzester Zeit zerstört.
Trotz Wirtschaftsboom verschlechtert sich der Lebensstandard der Menschen, und es wurden keine nennenswerten Reformen durchgesetzt. Dies musste zu Differenzierungsprozessen in der Sozialdemokratie führen. Wir dürfen nicht vergessen, dass schon im Kampf gegen Schwarz-Blau und vor allem 2003 durch die Erfahrungen im Kampf gegen die Pensionsreform es erste wichtige Ansätze dazu gab. Mit der Ausrichtung der ArbeiterInnenbewegung auf eine Wahlperspektive wurden diese Prozesse zwar unterbrochen. Viele AktivistInnen machten wieder einen Schritt zurück und akzeptierten wieder die Logik ihrer Führung. Und zwar in der Hoffnung, dass es mit einem roten Kanzler besser werden könnte. Diese Hoffnung erwies sich als gefährliche Illusion. Die besten Teile der ArbeiterInnenbewegung werden an den Erfahrungen von 2003 aber wieder anknüpfen versuchen und eine Alternative zur Politik des Klassenkompromisses und der Sozialpartnerschaft suchen. Nicht wenige ziehen sich jetzt ins Privatleben zurück oder auf gewisse politische Spielwiesen. Doch letztlich wird es zu Versuchen kommen die vorhandenen Organisationen wieder zu Kampfinstrumenten zu machen.
In den ersten Monaten dieses Jahres haben wir auch in den SPÖ-Strukturen Formen des Ungehorsams und der offenen Kritik gesehen. Dies erreichte ein derartiges Ausmaß, dass fast ausnahmslos alle Landesparteivorsitzenden öffentlich zu Gusenbauer auf Distanz gehen mussten. Diese Welle des Unmuts ist in der Nachkriegsgeschichte der SPÖ wohl einzigartig. Wie keine andere Partei zeichnete sich die SPÖ durch absolute Loyalität zur Parteispitze und durch eine hohe innerorganisatorische Disziplin aus. Dieses Bild gehört nun der Vergangenheit an. Alleine das Beispiel, dass der steirische LH Franz Voves, den Osterkompromiss lobt während sein eigener Landesgeschäftsführer Vukan den selben Kompromiss kritisiert spricht Bände. Ebenso interessant war es, als vor Ostern Gusenbauer, die Bildungsreform als gelungene Reform bezeichnete, während Häupl eben diese als besten Beweis hinstellte, warum mit der ÖVP kein Staat zu machen sei. Das System des innerparteilichen Absolutismus scheint einem System der „bürgerlichen“ Demokratie zu weichen. Was verstehen wir darunter? Es darf jeder ungestraft auch in der Öffentlichkeit seine Meinung äußern und die Parteiführung kritisieren, solange die eigentlichen Machtverhältnisse nicht angetastet werden.
Die zentrale Rolle in diesen Differenzierungsprozessen kommt dabei dem Gewerkschaftsflügel der Sozialdemokratie zu. Dieser ist durch die BAWAG-Krise der Gewerkschaften zwar schwer geschwächt, was Gusenbauer auch zu einem Zurückdrängen des Einflusses der FSG nutzte, die potentielle Macht der FSG ist aber noch immer enorm. In der SPÖ gab es bisher noch keine ernstzunehmenden Versuche diese Macht zu brechen bzw. die organische Verbindung der Partei zu ihrem Gewerkschaftsflügel zu kappen. In der FSG herrscht großer Unmut gegenüber Gusenbauer vor. Selbst FSG-Vorsitzender Haberzettel hat dies öffentlich gesagt und drohte mit einer Abwahl Gusenbauers beim Bundesparteitag im Herbst, sollte der Einfluss der Gewerkschaften im Parteivorstand nicht massiv steigen. Die FSG spiegelt am ehesten den Druck der organisierten ArbeiterInnenschaft, wenn auch auf eine sehr vermittelte Weise, wider. Und dieser Druck wächst umso mehr, je mehr die ArbeiterInnenklasse ihrerseits unter Druck ist. Und dies ist angesichts des Konjunkturabschwungs nicht mehr aufzuhalten. Hier braut sich eine sehr explosive Stimmung zusammen.
Die öffentliche Kritik an Gusenbauer durch Erich Haider, Gaby Schaunig usw. ist Ausdruck dessen. Die Landesparteichefs sind viel sensibler auf die Stimmung an der Basis als die Bundesparteispitze, die zwischen Ballhausplatz, Parlamentsklub und Löwelstraße ein gewisses Eigenleben führt und ständig dem Druck der Bourgeoisie ausgesetzt ist. Das heißt noch lange nicht, dass diese Kritik Ausdruck eines entstehenden linken Flügels wäre. In ihren eigentlichen Verantwortungsbereichen machen die Landesparteien kaum eine andere Politik als Gusenbauer. Selbst Erich Haider aus Oberösterreich, der noch am ehesten den Druck der Basis und der organisierten oberösterreichischen Industriearbeiterschaft widerspiegelt und deshalb von den Bürgerlichen wegen seines „Populismus“ scharf kritisiert wird, hat vor wenigen Monaten der Teilprivatisierung der Energie AG letztlich nichts entgegengesetzt. Landesrat Ackerl aus Oberösterreich, der immer wieder als linkes Sprachrohr auftritt, ist verantwortlich für die geplanten Änderungskündigungen im oberösterreichischen Sozialbereich. Illusionen in diese Teile der SPÖ-Führung müssen wir politisch bekämpfen. Wo sie sich aber gegen den völligen Ausverkauf durch Gusenbauer und die Bundesparteispitze richten, werden wir sie kritisch unterstützen. Die Herausbildung eines linken Flügels wird aber nicht von ihnen ausgehen. Die politische Eigenständigkeit der MarxistInnen von solchen Kräften in der Sozialdemokratie ist in der nächsten Periode unerlässlich. Nur so sind wir glaubwürdig, wenn auch sie den Lohnabhängigen in den Rücken fallen.
Perspektiven der Großen Koalition
Die Regierung schien kurz vor Ostern bereits am Ende, Neuwahlen nur mehr eine Frage der Zeit. Dass es nicht zum völligen Bruch kam, ist ein Produkt des Zufalls, als die Pläne der ÖVP aufgeflogen sind. Diese Regierungskrise scheint (auf den ersten Blick) mittlerweile vom Tisch. Die Steuerreform wurde doch nicht vorgezogen (ein weiterer Punktesieg der ÖVP) und die Gesundheitsreform soll entlang eines von den Sozialpartnern ausgearbeiteten Sparpakets über die Bühne gebracht werden. Als vermeintliches Zuckerl hat die ÖVP einer möglichen Vermögenszuwachssteuer zugestimmt, wenn nicht ausreichend im Gesundheitssystem eingespart werden kann.
Durch diesen „Kompromiss“ hat Gusenbauer kurzfristig den Kopf aus der Schlinge ziehen können, die sich parteiintern immer enger um seinen Hals gelegt hatte. Die Regierung kann nun weiter arbeiten. Oder besser gesagt: weiter wursteln. Stundenlang wurde im SPÖ-Präsidium über dieses mündlich von Gusenbauer einberichtete Abkommen diskutiert – ohne Abstimmung. Unmittelbar darauf gingen mehrere Präsidiumsmitglieder aber schon an die Öffentlichkeit und kritisierten den Deal. Die Widersprüche in der SPÖ sind mit Gewissheit nicht gelöst sondern bestenfalls zeitlich hinausgeschoben worden. Der Grund, warum diese SP-internen Widersprüche die Regierung noch nicht in die Luft fliegen haben lassen, ist, dass die Bürokratie in der SPÖ (auch die KritikerInnen von Gusenbauer) zum jetzigen Zeitpunkt eine Wahl fürchten. Durch Kritik an Gusenbauer die eigenen Karten für den nächsten Landtagswahlkampf erhöhen, ist die eine Sache. Ein Neuwahl und somit eine Wahlniederlage wie in Niederösterreich riskieren, eine andere. Denn Neuwahlen würde für die SPÖ eine schmerzliche Niederlage bringen. Die sozialdemokratische Bürokratie klammert sich deshalb an die letzten Strohhalme und hofft sich so möglichst lange über Wasser halten zu können.
Wenn die Regierung scheitert, dann deshalb weil in der ÖVP die Überzeugung gereift ist, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, um „den Roten“ einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Dass dies das deklarierte Ziel aller nennenswerten Kräfte in der ÖVP ist, ist unbestritten. „Die Presse“ berichtete, dass der „liberale“ Josef Pröll am Höhepunkt der Regierungskrise sogar der ärgste Scharfmacher gegen die SPÖ war. Schüssel und Molterer haben zu Ostern wohl rein aus taktischen Überlegungen gebremst. Die ÖVP will mit dieser Taktik der Sozialdemokratie einen Schlag versetzen, der sie über Jahre hinaus außer Gefecht versetzen soll. Und sie ist auf dem besten Wege, dieses Ziel zu erreichen!
Das Ende der Nachkriegsordnung
Schon die Wende von 2000 haben wir als Zäsur analysiert. Schüssel & Co haben damals in Wahrheit die politische Nachkriegsordnung basierend auf Großer Koalition, Proporzsystem und Sozialpartnerschaft aufgekündigt. Dies war möglich, weil dieses System längst seine materielle Basis verloren hat. Das menschliche Bewusstsein der Massen hinkt aber in der Regel den tatsächlichen Verhältnissen hinterher. Illusionen, die „gute, alte Zeit“ ließe sich wieder herstellen, leben weiter auch wenn sie keine materielle Basis mehr haben. In der ArbeiterInnenbewegung fehlte es in diesen Wendejahren an einer Kraft, welche die Bedeutung dieser Entwicklung unter dem Bürgerblock richtig analysieren hätte können. Viele haben instinktiv gespürt, dass Österreich in eine neue Ära eintritt und dass die Bürgerlichen keinen Stein auf dem anderen lassen wollen. Doch bei der erst besten Gelegenheit hofften sie doch, dass alles wie gehabt weitergehen könne. Dies hat Gusenbauer erst den Weg für seine Umfaller ebnen können. Unter großen Schmerzen muss jetzt die ArbeiterInnenbewegung die Lehren aus diesen politischen Schwächen und dem Fehlen einer weitsichtigeren, vorausschauenden Führung in Form einer marxistischen Massenströmung ziehen.
Was wir derzeit erleben sind die letzten Zucker der Nachkriegsordnung. Österreich, das über Jahrzehnte von enormer politischer und sozialer Stabilität gekennzeichnet war, droht nun in eine Phase höchster Instabilität einzutreten. Schon steht die Frage im Raum, ob dieser Staat in Zukunft überhaupt noch regierbar ist. Italienische Verhältnisse sind durchaus keine unwahrscheinliche Perspektive. Die von der ÖVP und der „Presse“ angeleierte Diskussion um die mögliche Einführung eines Mehrheitswahlrechts ist Ausdruck dessen. Klare politische Verhältnisse müssen durch Wahlen geschaffen werden. Sonst ist das demokratische System nur ein Hindernis bei der Verwaltung der Gesellschaft.
Bleibt das jetzige System dann muss sich die ÖVP um einen neuen Koalitionspartner umschauen. Mit der SPÖ droht der permanente Stillstand, auf die Dauer können sich die Bürgerlichen diesen Zustand nicht leisten. Schon gar nicht in Zeiten der Wirtschaftskrise. Mit dem „dritten Lager“ hat man sich die Finger bereits einmal verbrannt, auch wenn diese Option sicher nicht vom Tisch ist. Bleibt als für viele Bürgerliche sympathischste und niveauvollste Variante eine Koalition mit den Grünen.
Noch schwerer tut sich die Sozialdemokratie. Die Idee einer rot-grünen Koalition wird nach der Erfahrung mit der Großen Koalition sicher an Einfluss gewinnen. Die internationalen Erfahrungen haben aber gezeigt, dass eine solche Koalition sehr schnell in die Krise schlittern würde und dem offenen Druck des Kapitals ausgesetzt wäre. Ihr Reformismus würde am Widerstand der Bürgerlichen zerbröseln und rasch an Zustimmung verlieren. Es ist auch denkbar, dass die österreichischen Grünen von vorne herein eine SPÖ-Regierung nicht unterstützen würden. Eine Koalition mit den Blauen würde in der Sozialdemokratie einen Aufruhr auslösen und wohl zur Spaltung der Partei führen. Diese Konzeption wird zwar immer wieder zur Diskussion gestellt, löst aber im Gegenzug sofort wilde Unmutsäußerungen aus. Somit stellt sich die Frage, wie die Sozialdemokratie – will sie nicht ewig in Opposition bleiben – ohne Koalition mit einer bürgerlichen Partei regieren könnte. In diesem Zusammenhang ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass bereits nach der letzten Wahl und auch während der jüngsten Regierungskrise die Diskussion um eine SP-Minderheitsregierung geführt wurde. Die SJ und selbst prominente Parteivertreter haben dieser Idee eine Öffentlichkeit gegeben und sie so salonfähig gemacht. Eine organisierte Linke in der SPÖ, die diese Idee konsequent bewirbt, könnte ein gewaltiges Echo erlangen. Es geht uns dabei nicht um das Schüren einer Illusion in die SPÖ. Ganz im Gegenteil. Wir glauben nicht, dass eine solche Regierung sozialistische Politik machen würde. Es wäre aber – anknüpfend an die konkreten Verhältnisse in diesem Land – die Option um die SPÖ aus der Umklammerung durch die Bürgerlichen zu reißen. Eine SPÖ-Minderheitsregierung müsste sich im Kampf um die Umsetzung fortschrittlicher Reformen natürlich nicht nur auf das freie Spiel der Kräfte im Rahmen des Parlaments sondern vor allem auf die mobilisierte ArbeiterInnenschaft stützen. Eine solche Regierung würde zweifelsohne große Hoffnung in der Klasse auslösen und bei etwaigen Neuwahlen einem Erdrutschsieg der SPÖ den Weg ebnen. Unter den gegebenen Umständen handelt es sich dabei aber in erster Linie um eine Propagandalosung, die darauf abzielt, dass sich die besten Teile der Sozialdemokratie auf einen unabhängigen Klassenstandpunkt stellen und mit der bisherigen Logik ihrer Partei brechen.
Wollen wir aber nicht in den Geruch kommen, der SPÖ-Führung die linke Flankendeckung zu machen, müssen wir bei dieser Diskussion betonen, dass das Um und Auf in der unabhängigen Aktion der ArbeiterInnenklasse liegt. Die Mobilisierung der Klasse rund um ihre eigenen Losungen ist der Schlüssel zur Änderung des politischen und gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses. Kreative Parlaments- und Regierungspolitik kann dafür kein Ersatz sein!
Zusätzlich zu all dem sehen wir eine prinzipielle Krise der bürgerlichen Demokratie und der Institutionen. Der Skandal im ÖVP-geführten Innenministerium hat das mehr als deutlich gemacht. Der dazu eingesetzte U-Ausschuss im Parlament muss mittlerweile die Skandale in einer Reihe von anderen Ministerien ebenfalls unter die Lupe nehmen. Dazu kommen die Skandale bei der Polizei. All dies legt die Basis für eine schwere Legitimitätskrise der bürgerlichen Demokratie.
Gewerkschaften und Klassenkampf
Hier kommen wir zu der entscheidenden Frage für jede Perspektivdiskussion. Wie wird sich der Klassenkampf entwickeln? Wer diese Frage beantworten will, kommt nicht um eine Analyse der Gewerkschaftsbewegung umher. Die Gewerkschaften und ihre unterste Ebene, die BetriebsrätInnen, sind gegenwärtig der bedeutendste organisierte Ausdruck der österreichischen ArbeiterInnenbewegung.
Der ÖGB wurde durch den BAWAG-Skandal massiv geschwächt. Das Selbstbewusstsein einer ganzen Generation von AktivistInnen wurde durch diesen Skandal schwer angekratzt, die Gewerkschaftsbewegung in die Defensive gezwungen. Die ÖGB-Reform, die unter der völligen Kontrolle durch die Bürokratie ablief, war eine vergebene Chance auf eine Überwindung der eigentlichen Ursachen für diesen Skandal, die im organisatorischen, strukturellen und politischen Zuschnitt des ÖGB auf die Erfordernisse der Sozialpartnerschaft liegen. Mit Rudi Hundstorfer wurde der auf eine völlige Unterordnung der Interessen der Klasse unter jene des Standorts und des Staates ausgerichteten Kurs des ÖGB unter Fritz Verzetnitsch fortgesetzt. Während unter seinem Nachfolger die Sozialpartnerschaft bereits tot schien, bekam Hundstorfer mit der Bildung einer Großen Koalition aber eine zweite Chance. Und die versucht er mit allen Mitteln zu nutzen – zum größtmöglichen Schaden für die Gewerkschaftsbewegung.
Hundstorfer gehörte auch schon bei der Diskussion über das Koalitionsabkommen zu den wenigen Stützen von Gusenbauer und seiner Clique. Die gewerkschaftlichen Mobilisierungen gegen Schwarz-Blau (gegen die Umfärbung der Sozialversicherung, gegen die Pensionsreform, gegen die ÖBB-Reform) waren aus der Sicht der Gewerkschaftsbürokratie in ihrer Substanz allesamt Kämpfe zur Verteidigung der Sozialpartnerschaft und der privilegierten Stellung der Gewerkschaften in diesem System. Es darf daher nicht verwundern, dass sie das mit der Großen Koalition einhergehende Angebot zu einer Neuauflage der Sozialpartnerschaft freudig annahm. Seither lässt sich der ÖGB bereitwillig vor den Karren der Bürgerlichen spannen. Alle signifikanten Reformen (Arbeitszeitflexibilisierung, Ladenöffnungszeiten) wurden mit Unterstützung der ÖGB-Spitze ausgearbeitet. In der Gesundheitsreform spielt der ÖGB nun neuerlich dieses schmutzige Spiel.
Diese Ausrichtung auf die „Sozialpartnerschaft Neu“ wiegt wie eine Betondecke auf der ArbeiterInnenbewegung und verhindert gewerkschaftliche Protestaktionen gegen die Politik der Regierung. Der ÖGB rechtfertigt seine Linie mit den angeblichen sozialen Verbesserungen, die unter Rot-Schwarz möglich wurden. Bei genauerer Analyse erweisen sich diese „Verbesserungen“ (Zuschläge für Teilzeitarbeit, Mindestlohn 1000 Euro) als sehr löchriger Käse, der das Los der Lohnabhängigen nicht verbessern vermag.
Aus der Sicht der ArbeiterInnenklasse ist ein Ende dieser „Sozialpartnerschaft Neu“ absolut notwendig. Schon in der Vergangenheit war die Sozialpartnerschaft in erster Linie für die Kapitalseite von Vorteil. Unter den heutigen Umständen ist diese Politik der Gewerkschaften kriminell und ein offener Ausverkauf der Interessen der Lohnabhängigen.
In den Gewerkschaften herrschte in den vergangenen Monaten zweifelsohne eine abwartende Haltung vor. Rund um die Frage der Steuerreform 2009 und der Sicherung des Lebensstandards vor der Teuerungswelle kam die tatsächliche Stimmung in den Gewerkschaften wenn auch hinter den Kulissen der medial dargestellten Politik aber zum Tragen. In den FSG-Vorständen wurden Resolutionen verabschiedet, in denen die SPÖ aufgefordert wurde, den Kampf um ein Vorziehen der Steuerreform durchzuziehen. Die FSG hat durch ihren Druck maßgeblich am schärferen Auftreten Gusenbauers Anteil gehabt. In einem ersten Schritt hat die Gewerkschaft versucht also über interne Kanäle die Linie ihrer Partei in der Regierung zu beeinflussen. Damit verbunden war natürlich der Hintergedanke, dass ein Vorziehen der Steuerreform Druck von den Gewerkschaften in Hinblick auf die kommenden Kollektivvertragsverhandlungen nehmen würde. Bei den letzten Lohnrunden haben die Gewerkschaften den Ruf nach Mäßigung bereitwillig befolgt. Umso böser war die Überraschung als die Lohnabhängigen letztlich sehen mussten, dass ihre Lohnerhöhungen real von der kalten Steuerprogression und der viel höheren Inflation weg gefressen wurde. Ein völliges Stillhalten kann sich die Gewerkschaft da nicht mehr leisten. Ist dieser Bereich nach der schweren BAWAG-Krise doch die letzte Legitimation für die Gewerkschaften gegenüber den Lohnabhängigen.
In den Gewerkschaften baut sich unter der Oberfläche Druck auf. Keine Frage. Auf die Dauer kann diese Friedhofsruhe nicht aufrechterhalten werden. Die dunklen Wolken der drohenden Wirtschaftskrise brauen sich schön langsam zusammen. Eine Wirtschaftskrise würde die vorhandenen Widersprüche in den Gewerkschaften schnell an die Oberfläche treten lassen. Die sozialen Fragen, die Verteidigung des Lebensstandards werden in den kommenden Monaten auf der Tagesordnung der Gewerkschaften stehen. Bei den kommenden KV-Verhandlungen stehen sie vor dem Konflikt, dass einerseits die Inflation weiter steigt und die Kaufkraft der Lohnabhängigen beschneidet und andererseits das Wirtschaftswachstum immer schwächer wird. Die bürgerlichen „ExpertInnen“ werden kurz vor der Herbstlohnrunde mit großer Wahrscheinlichkeit vor einem Konjunktureinbruch warnen und die Gewerkschaften an ihre Verantwortung für den Standort mahnend erinnern. Eine Flexibilisierung der Kollektivverträge wird drohen, was die Klasse entlang der Wirtschaftsleistung der einzelnen Betriebe spalten würde. Gegen diese sehr gefährliche Tendenz gilt es in den Gewerkschaften mobil zu machen. Es besteht wohl kein Zweifel, dass die Gewerkschaftsführung auf die Anforderungen des Kapitals verständnisvoll reagieren wird. Die militanten Arbeitskämpfe um höhere Löhne in den meisten europäischen Staaten, vor allem auch in Deutschland, werden aber bei einer Schicht von GewerkschaftsaktivistInnen den Wunsch nach einer offensiven Lohnpolitik der Gewerkschaften fördern. Diese Bestrebungen gilt es aktiv zu unterstützen. Die Sicherung des Lebensstandards über die Lohn- und Steuerpolitik wird in den kommenden Monaten die gewerkschaftliche Diskussion prägen und in diese Debatten müssen wir eingreifen und eine klassenkämpferische Perspektive präsentieren.
Selbst unter den Bedingungen einer Konjunkturverlangsamung, von der mittlerweile alle bürgerlichen ÖkonomInnen auch für den Euro-Raum ausgehen, wird die Frage der Verteidigung von Arbeitsplätzen wieder in den Mittelpunkt rücken. Die Zeit der rückläufigen Arbeitslosigkeit ist bald wieder zu Ende. Schon in den vergangenen Wochen mehrten sich die Nachrichten über Stellenabbau in wichtigen Industriebetrieben, beginnend bei den Zeit- und LeiharbeiterInnen. Tausende Industriejobs sind in Gefahr. Umstrukturierungen prägen den Alltag in vielen Betrieben.
Diese Entwicklung birgt großen sozialen Sprengstoff in sich. Die Schließung des Forschungsstandorts von Novartis in Wien hat das Potential aufgezeigt, dass es rund um diese Frage zu Widerstand kommen könnte. Die Protesthomepage der GPA-djp spiegelte die tatsächliche Stimmung in der organisierten ArbeiterInnenschaft wider. Mehr als 5000 BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen haben dort ihre Solidarität mit der Belegschaft und ihre Ablehnung gegenüber diesem „Heuschrecken“-Kapitalismus zum Ausdruck gebracht. Eine Zeit lang gab es sogar den Plan, dass die Belegschaft das Unternehmen eingeständig weiterführen möchte. Das wäre beispielgebend für die restliche ArbeiterInnenbewegung gewesen. In den kommenden Monaten werden wir noch eine Reihe solcher Konflikte um die Zukunft von Standorten sehen. Immer mehr Unternehmen überlegen die Auslagerung von Produktionsbereichen ins Ausland. Wir müssen die sein, die vehement gegen diese Auslagerungspolitik auftreten und uns mit den betroffenen Belegschaften solidarisch zeigen und konkrete Solidaritätsarbeit in der ArbeiterInnenbewegung und der Jugend organisieren. Die Produktion muss im Land bleiben. Wenn das Kapital dazu nicht bereit ist, dann müssen diese Betriebe verstaatlicht unter ArbeiterInnenkontrolle weitergeführt werden. Im Arbeitskampf um den Erhalt des Semperit-Werkes in Traiskirchen 1996 haben wir gesehen, wie ein einzelner Arbeitskampf zum Referenzpunkt für die gesamte Gewerkschaftsbewegung werden kann. Die Erfahrungen aus diesem Arbeitskampf sind auch noch heute von größter Gültigkeit. Unter den heutigen Bedingungen könnte sich ein derartiger Arbeitskampf leicht radikalisieren und auch zu militanten Streikaktionen und einer Betriebsbesetzung führen. Die nach dem Standortwettbewerb ausgerichtete Politik der Gewerkschaften, die die kapitalistische Logik akzeptiert und für die betroffenen KollegInnen nur mehr einen Sozialplan ausverhandelt, könnte sehr schnell einer klassenkämpferischen Logik Platz machen.
Schon in der Vergangenheit haben wir gesehen, dass die Unternehmen immer aggressiver gegen die Lohnabhängigen auftreten. Auf Betriebsebene ist die Sozialpartnerschaft längst nicht mehr Normalzustand. Selbst die Bildung eines genuinen Betriebsrats wird in vielen Fällen nicht mehr geduldet. Beim Textildiskonter KIK, bei AIDA, beim Callcenter CCC oder beim TV-Sender Puls4 erlebten wir in den vergangenen Monaten überall die Kündigung von KollegInnen, die einen Betriebsrat installieren wollten bzw. die von der Geschäftsführung einseitig durchgesetzte Verschlechterung der Verträge. In all diesen Fällen gab es gewerkschaftlichen Widerstand und zumindest erste zaghafte Versuche einer Kampagne. Das Ziel war zwar immer die Durchsetzung der Sozialpartnerschaft im Betrieb. Für die in den Kampf involvierten KollegInnen war es aber mehr, nämlich der Kampf um eine ehrliche und konsequente Interessensvertretung und die Verteidigung der eigenen Rechte und Interessen. Solche Arbeitskämpfe werden in der kommenden Periode vermehrt auf der Tagesordnung stehen. MarxistInnen werden diese Kämpfe selbstredend unterstützen, auch wenn die Gewerkschaftsbürokratie dabei andere Ziele verfolgen mag als die KollegInnen.
Ein Konfliktfeld, das sich in den kommenden Monaten auftun könnte, ist der öffentliche Dienst. Hier wird die Regierung bei den Gehaltsverhandlungen Druck machen. Dazu kommen die geplanten Angriffe auf die LehrerInnen. Gerade die LehrerInnen haben in der Vergangenheit immer wieder Kampfbereitschaft gezeigt. Sollte es zu einem Arbeitskampf an den Schulen kommen, müssen wir diesen unterstützen und durch eine SchülerInnenbewegung ergänzen, die sich die Verteidigung einer öffentlichen und qualitativ hochwertigen Bildung auf ihre Fahnen schreibt.
Weiteren sozialen Sprengstoff stellt mit Sicherheit die anstehende Gesundheitsreform dar, deren drohende Kernstücke die Umwandlung des Hauptverbands der Sozialversicherungträger in eine Holding, die Ausweitung des Einflusses der Wirtschaftsvertreter, die Entmachtung der Gewerkschaften in den Krankenkassen, eine Nivellierung der Leistungen nach unten und die Schließung/Privatisierung von kasseneigenen Gesundseinrichtungen sind. Eine Verschärfung der bereitsbestehenden 2-Klassenmedizin zeichnet sich ab. Bereits mit der Präsentation dieses Plans regte sich massiver Widerstand nicht nur in der Bevölkerung, den niedergelassenen Ärzten, den Spitalsärzten, der OÖGKK und den Oppositionsparteien, sondern auch in SPÖ, ÖGB und ÖVP. Erich Haider hat bereits „breiten Widerstand“ gegen die Umwandlung angekündigt. Sollte sich der Reformvorschlag nicht ändern, so werden alle 11 OÖ-Abgeordneten im Parlament dagegen stimmen. Weiters hat er eine Verfassungsklageklage angedacht. Am wichtigsten ist jedoch der Widerstand einzuschätzen, der sich auf der Ebene der Gewerkschaften bildet. Dass gerade der VOEST Nationalrat Dietmar Keck der erste SPÖ Abgeordnete war, der androhte, entgegen dem Klubzwang im Parlament gegen die Gesundheitsreform zu stimmen, ist ein Symptom dafür, dass der Widerstand letztlich auf Druck der Kernschichten der ArbeiterInnenklasse zustandekam. Auch an der Spitze der OÖGKK, die gegen die Reform von Hundsdorfer und co kämpft, sitzt ein Metallgewerkschafter und ehemaliger VOESTler. Schlussendlich fordert jetzt der Metaller Bundessekretär der Metaller und Chef der Pensionsversicherungsanstalt Kurt Haas einen Sonderkongress des ÖGB, weil sich die Gewerkschaftsspitze von der Wirtschaft über den Tisch ziehen hätten lassen. Mehrere Gewerkschaften organisieren Informationsveranstaltungen zur Gesundheitsreform gegen den Kurs der ÖGB-Führung. Interessant ist auch die Aussage von Fritz Neugebauer, der bereits damit droht, dass auch die ÖAAB-Abgeordneten dagegen stimmen werden. Möglicherweise steht uns hier die nächste Zerreisprobe der Koalition bevor. Nebenbei sei erwähnt, dass die Ärzte für Anfang Juni (ein Tag vorm Ministerratsbeschlusses) eine Großdemo angekündigt haben. Anschließend soll sich ein Aktionskomitee um weitere Maßnahmen kümmern, deren Höhepunkt ein möglicherweise unbefristeter Streik ab 16.Juni, während der EM(!), sein könnte. Die niedergelassenen Ärzte handeln zwar auch aus Standesinteressen heraus, trotzdem ist es allgemein angebracht in die Gegen-Reform-Bewegung zu intervenieren, sie voranzutreiben bzw. sie für den Aufbau einer SP-Linken zu nutzen, da es im Kern bei der Gesundheitsreform um einen Angriff des Kapitals auf Organisationen und Interessen der arbeitenden Menschen geht.
Was wir heute sehen ist ein verstärktes Auseinanderklaffen zwischen der sozialpartnerschaftlichen Ausrichtung der Gewerkschaftsführung und dem Wunsch einer wachsenden Zahl von BetriebsrätInnen und KollegInnen nach einer kämpferischen und demokratischen Gewerkschaft, die wieder als Kampfinstrument dient. Unsere Aufgabe besteht in der Vernetzung der klassenbewusstesten Teile in den Gewerkschaften. Exemplarisch über die Etablierung von Betriebsgruppen und gewerkschaftlichen Vernetzungen müssen wir diesen KollegInnen, die eine Alternative zur Sozialpartnerschaft und zur Standortlogik suchen, einen möglichen Weg zeigen, wie eine klassenkämpferische Gewerkschaftsarbeit ausschauen könnte. Die Kritik an der sozialpartnerschaftlichen Orientierung der ÖGB-Spitze kann dabei nur ein Element sein, vielmehr geht es aber darum zu zeigen, wie im eigenen Wirkungsbereich (Betrieb, Branche) eine Alternative zur Sozialpartnerschaft aussehen könnte. Denn selbst viele fortschrittliche BetriebsrätInnen sind im eigenen Betrieb noch immer einer sozialpartnerschaftlichen Logik verhaftet oder zu einer solchen gezwungen, weil sie mangels einer mobilisierten Basis in den Grenzen der Stellvertreterpolitik aktiv sein müssen.
Der gewerkschaftliche Kampf allein muss aber ergänzt werden durch eine politische Perspektive. Die Wiederaneignung der Gewerkschaften durch die ArbeiterInnen muss Hand in Hand gehen mit dem Aufbau einer linken, sozialistischen Strömung in den politischen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung. Kämpferische BetriebsrätInnen sind der Schlüssel zum Aufbau einer starken Linken in der Sozialdemokratie.
Die Linke in der SPÖ
Es stellt sich die Frage, ob es eine solche gibt bzw. welchen Charakter sie hat. Die Sozialdemokratie ist eine Partei, in der seit dem Einigungsparteitag von Hainfeld 1888/9 die Einheit immer enorm groß geschrieben wurde. Doch die widersprüchliche Rolle der Sozialdemokratie als einer Partei, die einerseits den politischen Ausdruck der ArbeiterInnenbewegung darstellt und andererseits in den bürgerlichen Staatsapparat und das System fest integriert ist, hat in den letzten 100 Jahren immer wieder zur Herausbildung linker Strömungen geführt, die in Opposition zur eigenen Parteiführung standen.
Das große Manko, das alle bisherigen Projekte einer SP-Linken auszeichneten, war deren Unfähigkeit zu einer wissenschaftlichen Analyse des Charakters der Sozialdemokratie und daraus folgernd ihre Weigerung sich in der Sozialdemokratie eigenständig zu organisieren. All diesen Projekten fehlte es letztlich an einem Verständnis, was der Reformismus bzw. die Bürokratie in der ArbeiterInnenbewegung tatsächlich darstellen. Die Ursachen für das Versagen der Parteiführung im Kampf gegen den imperialistischen Krieg 1914, gegen den Aufstieg des Faschismus, gegen die Teilhabe am kapitalistischen Wiederaufbau nach 1945 in Form einer Großen Koalition und der Sozialpartnerschaft, gegen den politischen Rechtsruck in den letzten drei Jahrzehnten wurden weniger im reformistischen Charakter der Sozialdemokratie als in den Fehlern einzelner Parteiführer oder an der Verwässerung einzelner Bereiche des „sozialistischen“ Programms festgemacht. Letztlich blieben all diese Projekte in einem linksreformistischen Fahrwasser stecken und kamen über Halbheiten nicht hinaus. Sie waren allesamt unfähig ein tatsächlich alternatives politisches Projekt zur Parteiführung aufzubauen. Oft begnügten sie sich mit Schulungsarbeit, welche sich auf die Vermittlung des ABC des Marxismus beschränkte, und auf die Bewahrung von Traditionen (Gedenken an antifaschistischen Widerstand usw.). Dies alles erklärt auch, warum sich die SP-Linken nie dazu durchringen konnten, sich als Strömung zu organisieren. Meist blieb es bei mehr oder weniger losen Netzwerken, welche darauf abzielten die Partei von innen zu verändern, indem linke Ideen in die bestehenden Gremien eingebracht werden sollten. Nach außen wurde in der Regel kein eigenständiges Profil aufgebaut. Eigene politische Kampagnen, mit denen versucht werden hätte können, Lohnabhängige rund um ein sozialistisches Programm zu organisieren, unterblieben in der Regel.
Eine wichtige Stütze der SP-Linken nach 1945 bildeten natürlich die sozialdemokratischen Jugendorganisationen (SJÖ, aber auch VSStÖ oder einst der VSM). Diese genossen dank einer relativen Freiheit vom Parteiapparat immer ein gewisses politisches Eigenleben. Dies nutzten die Jugendorganisationen in ihren besten Phasen auch immer zur Herausbildung eines eigenen politischen, linkssozialistischen Profils. Durch Kampagnen bzw. die Teilnahme an sozialen Bewegungen wurden sie auch zum Attraktionspol für viele Jugendliche, die eine linke Alternative suchten. Dies erklärt auch, warum es in den Jugendorganisationen unter bestimmten objektiven Bedingungen auch immer wieder zur Herausbildung revolutionärer Strömungen kam. Dies war sowohl im VSM, im VSStÖ wie auch in der SJÖ der Fall.
Letztlich konnten die Jugendorganisationen die Beschränkungen, die sich aus ihrer austromarxistischen Ausrichtung ergaben, aber niemals überwinden. Was für die Einschätzung der restlichen SP-Linken gilt, gilt in abgeschwächter Form auch für die Jugendorganisationen. Sie versuchten nie eine organisierte Opposition aufzubauen sondern beschränkten sich auf die Bildung linker Netzwerke, über die in der Partei Mehrheiten für linke Ideen gesucht werden sollten und Druck erzeugt werden sollte. Diese Taktik erklärt auch, warum die führenden VertreterInnen aus den Jugendorganisationen dann letztlich auch immer vom Parteiapparat aufgesogen wurden. Einmal mit Posten versorgt, wurden die linken Ideen rasch über Bord geworfen. Das beste Beispiel ist Josef Cap. Wer zu diesem Schritt nicht bereit war, bekam den repressiven Charakter des Parteiapparats zu spüren, mal direkter mal indirekter.
In diesem Zusammenhang muss festgestellt werden, dass die Entwicklung einer starken Parteilinken, und deren tatsächlicher oder möglicher Aufstieg an die Parteispitze, unter Otto Bauer 1917/8 und dann rund um den Parteitag von 1933 im Angesicht der faschistischen Gefahr jedes Mal eine Situation schuf in der eine organisierte linke Strömung einer gewissen kritischen Größe zu einer Massenpartei werden hätte können, oder sogar wie 1933 die Mehrheit der SPÖ erobern hätte können. Die Geschichte der Parteilinken in der Nachkriegszeit ist mit den Prozessen der Zwischenkriegszeit nicht vergleichbar. Unter den Bedingungen einer funktionierenden Sozialpartnerschaft konnte die Parteilinke nicht zu einem echten Faktor in den Klassenauseinandersetzungen werden. Die Zukunft der SPÖ wird jedoch eher der Zwischenkriegszeit ähneln als der Nachkriegszeit. Eine zentrale Lehre, die wir aus der Zwischenkriegszeit ziehen können, ist, dass die Partei immer erst dann wirklich auf den Druck von unten reagierte bzw. von oben nach links rückte, wenn sich eine unabhängige Organisierung der Parteilinken bzw. von Teilen der Klasse bereits merklich abzeichnete. Ein Linksruck von oben kann zwar einer unabhängigen Organisierung möglicherweise unmittelbar zuvorkommen, er ruft aber neue Illusionen, Kampfgeist und Aktivismus hervor, Geister, die die Parteiführung später umso schwerer wieder unter Kontrolle bekommt. Letztlich werden aber die Dynamik und der Verlauf der kommenden Klassenkämpfe entscheidend sein im Hinblick auf den Formierungsprozess einer organisierten Parteilinken und dessen Wechselwirkung mit Teilen der Führung.
Linkspartei?
Die Gründung einer Linkspartei hat in Deutschland massiv die politischen Kräfteverhältnisse nach links verschoben. Auch in Österreich wird dieses Projekt einer Partei links der Sozialdemokratie von vielen AktivistInnen nicht nur in der Linken sondern auch in der SPÖ und den Gewerkschaften mit großem Interesse verfolgt. Hierzulande fehlen jedoch alle Voraussetzungen, die das Entstehen einer Linkspartei in Deutschland möglich machten (Existenz der PDS im Osten, Persönlichkeiten wie v.a. Oskar Lafontaine, Abspaltung einer Schicht von GewerkschaftsfunktionärInnen).
Gegenwärtig ist die moralische Entrüstung einiger Linker, welche nicht viel mehr als sich selbst repräsentieren, die einzige Triebfeder zur Errichtung einer österreichischen Linkspartei. Das heißt nicht, dass eine solche Partei im hiesigen Parteienspektrum nicht erfolgreich sein könnte. Abgesehen von einer linken KernwählerInnenschicht, die sicher größer wäre als die Ergebnisse der KPÖ vermuten lassen, wären gewiss Teile der sozialdemokratischen Kernschichten nach der Erfahrung mit der Großen Koalition unter Alfred Gusenbauer bereit „etwas Neues auszuprobieren“. Das allein ist aber zu wenig. Zum Entstehen einer Linkspartei bräuchte es einen sozialen Träger. Das wären im österreichischen Kontext vor allem BetriebsrätInnen, GewerkschaftsfunktionärInnen bzw. signifikante Teile der Jugendorganisationen, die mit der Sozialdemokratie brechen müssten. Dies ist für die Zukunft durchaus nicht ausgeschlossen, doch setzt es aus unserer Sicht konkrete Erfahrungen im Klassenkampf voraus, wo diese Schichten in offenen Konflikt mit der Parteispitze geraten und deshalb in einer organisatorischen Alternative den letzten Ausweg sehen. Dabei ist jedoch zu sagen, dass die österreichische Sozialdemokratie traditionell viel elastischer auf oppositionelle Entwicklungen in ihren Reihen zu reagieren versteht, der Einheitsgedanken hier viel stärker ausgeprägt ist als in Deutschland und durch die viel stärkere Zentralisierung der Gewerkschaftsbewegung es vor allem BasisfunktionärInnen wohl noch schwerer fällt als in Deutschland diesen Bruch mit ihrer traditionellen Partei zu wagen.
Als MarxistInnen sollten wir auf alle Fälle vor einem solchen Parteiprojekt warnen, weil es in Wirklichkeit nur die fortgeschrittensten Teile der Bewegung vom Rest der Klasse isolieren würde. Doch unsere Argumentation muss so formuliert sein, dass wir nicht in den Geruch kommen, dass wir Gusenbauer & Co die linke Flanke abdecken wollen. Wir stimmen mit diesen ungeduldigen Teilen überein, dass es eine POLITISCHE Alternative zur Sozialdemokratie braucht, dass die ArbeiterInnenklasse ein Sprachrohr, ein Kampfinstrument braucht, dass die SPÖ nicht sein kann. Doch wir müssen einen realistischen Weg aufzeigen, wie dies möglich sein kann. Aus unserer Sicht geht dies nur über den Aufbau einer organisierten Linken in der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften.
Die Sozialistische Jugend
Neben den Differenzierungsprozessen unter BetriebsrätInnen haben die MarxistInnen in den vergangenen Jahren vor allem in der Linksentwicklung der Sozialistischen Jugend den wichtigsten Pol zur Herausbildung einer starken Linken in diesem Land gesehen. Die Polarisierungen im Zuge der schwarz-blauen Wende und die Protestbewegungen gegen die kapitalistische Globalisierung und den Irakkrieg haben zu einem regen Zustrom zur SJ geführt. Wir haben immer betont, dass das Ende des Bürgerblocks eine Zäsur für die SJ darstellen wird. Von den Wahlen bis zur Regierungsbildung ging die SJ konsequent den von den MarxistInnen vorgeschlagenen Weg (Minderheitsregierung, offene Proteste gegen Große Koalition, Initiative zur Formierung der SP-Linken).
Genau beim letzten Schritt verließ die SJ-Führung jedoch die eigene Courage. Die Organisierung eines linken Flügels hätte einen fundamentalen Bruch mit ihrer bisherigen Logik (Bildung von „linken“ Netzwerken zur Beeinflussung der Partei über die Teilhabe an der Gremienarbeit) bedeutet und sie in offene Konfrontation mit der Parteiführung, von der man finanziell weitgehend abhängig ist, gebracht. Dieser Schritt, so richtig er in den Augen der AktivistInnen auch erschien, wäre eins zuviel gewesen. Deshalb Vollbremsung und Rückwärtsgang einlegen. Dies ging einher mit einer frontalen Attacke auf die marxistische Strömung in den eigenen Reihen, die wesentlichen Anteil am Linksruck der SJ in den vergangenen Jahren hatte. Die Organisation könne nur dann zur Ruhe kommen, wenn der angebliche Fremdkörper in Form der Funke-Strömung entfernt wird. Das war die Logik der antitrotzkistischen Hardliner in der SJ-Führung.
Die Folgen dieser Entscheidungen waren fatal und haben – wie abzusehen war – den Weg in eine schwere Krise der SJ geebnet. Im letzten Jahr hat die SJ massiv an Mobilisierungspotential und AktivistInnen eingebüßt. Die Organisation ist entleert und kein Attraktionspol für linke Jugendliche mehr. Bei den diversen Protestbewegungen (gegen die Abschiebung von Arigona Zogaj, gegen den EU-Reformvertrag) hat die SJ es nicht geschafft eine nennenswerte Mobilisierung zu organisieren. Viele AktivistInnen sind demoralisiert und ziehen sich zurück. Die derzeitige SJ-Führung ist unfähig auf die veränderte Situation zu reagieren und die Organisation weiterzuentwickeln. Die besten Teile unter den SJ-AktivistInnen werden unter diesen Umständen die Politik ihrer eigenen Führung kritisch hinterfragen und eine Alternative suchen. Die Existenz einer tatkräftigen marxistischen Strömung in der SJ kann verhindern, dass sich diese AktivistInnen in linksradikale Abenteuer stürzen. Aus dieser Schicht von GenossInnen werden die Stützen einer künftigen organisierten Linken in der ArbeiterInnenbewegung werden. In Vorarlberg haben die MarxistInnen die einzigartige Möglichkeit vorzuzeigen, welche Rolle eine marxistische SJ spielen könnte. Die Arbeit der SJ Vorarlberg kann für die restliche SJ wie auch für Linke in der SPÖ zu einem wichtigen Referenzpunkt werden. Spätestens durch den Landtagswahlkampf 2009 könnte sie zu einem bundespolitischen Faktor werden.
Dies ist aber keineswegs die Todeskrise der SJ. Die ganze politische Situation ist extrem instabil. Bei einem Auseinanderbrechen der Großen Koalition, die auch für die SJ wie ein Befreiungsschlag wirken würde (ein Befreiungsschlag, den die SJ-Führung selbst nicht wagt, weil sie dadurch in Widerspruch zur Parteiführung käme), würde die SJ wieder für viele linke Jugendliche attraktiv machen. Die politische Linksentwicklung in der SJ ist längst nicht rückgängig gemacht worden. Anders als zu Beginn der 1990er Jahre ist das austromarxistische Zentrum weiter fest im Sattel und bewahrt die linke Programmatik, auch wenn die Kluft zwischen Theorie und Praxis immer größer wird. In ihrem Selbstverständnis ist diese Generation von SJ-AktivistInnen jedoch weiterhin linken Ideen verpflichtet. Unter veränderten Umständen (z.B. einer Bürgerblockregierung) wird die SJ wieder eine zentrale Rolle in Jugendprotesten spielen. Die marxistische Strömung wird dann zur Speerspitze der SJ gehören und für die Hegemonie marxistischer Theorie und Methodik sorgen, mit denen die SJ die Führung in der Jugendbewegung übernehmen kann.
Jugendprotestbewegungen
In den letzten 5 Jahren gab es kaum nennenswerte Jugendproteste. Die Gründe dafür haben wir in früheren Dokumenten analysiert. Dies heißt aber nicht, dass die Jugend unpolitisch ist. Jugendliche bekommen wahrscheinlich mehr als alle anderen gesellschaftlichen Schichten den Charakter des Kapitalismus als eines Systems im Niedergang mit. Soziale Perspektivlosigkeit, vermehrte Ausbeutungsverhältnisse auch für Jugendliche mit einer höheren Bildung, Krise der herrschenden Moral, die Kommerzialisierung aller Lebensbereiche usw. prägen den Alltag der heutigen Jugend und ihr Bewusstsein. Die These von der unpolitischen Jugend lehnen wir ab. Auch in diesem Bereich wirkt sich aber aus, dass in den letzten Jahren keine politische Kraft existierte, die dem vorhandenen Unmut in der Jugend einen politischen Ausdruck verliehen hätte. Mit dem (vorübergehenden) Wegfall der SJ als Sprachrohr jugendlichen Protests wird dies den Spielraum für andere linke Formationen eröffnen solche Proteste zu organisieren. Teilweise können wir dies beim Zulauf zu linksradikalen, autonomen Gruppierungen und Konzepten erkennen. Sie scheinen mit ihren Aktionen das Bedürfnis, den politischen Gegner herauszufordern, kurzfristig zu befriedigen. Eng damit verbunden sind auch gewisse Konzepte, die in der so genannten „Uni –Linken“ vorherrschen, zu sehen. Mangels einer längerfristigen Perspektive können solche linksradikalen Kampfformen jedoch bestenfalls nur eine erste neu beginnende Politisierung ausdrücken und müssen spätestens beim Auftauchen von Jugendbewegungen (Schulstreiks, Großdemos) und Klassenkämpfen eine Krise erleben. Im universitären und schulischen Bereich sind Proteste gegen Missstände im Bildungssystem durchaus wahrscheinlich. Der Kampf gegen Rassismus und Faschismus ist ein weiteres Feld, wo es immer wieder zu Protesten kommen kann. Hier gilt es im gegebenen Fall mit unseren Traditionen und dem Instrument von Aktionskomitees als marxistische Strömung initiativ zu werden.
Die marxistische Strömung
Das vergangene Jahr war für die marxistische Strömung kein leichtes. Die politischen Auswirkungen der Großen Koalition auf die ArbeiterInnenbewegung waren fatal, wie wir oben dargelegt haben. Die anfänglichen Illusionen verbunden mit der schockähnlichen Lähmung, die die Umfallerpolitik zuerst bewirkte, verschaffte der Regierung eine Zeit der Flitterwochen, die zwar gleich mit einem, permanenten Ehekrieg begannen, aber zumindest von außen nicht gestört wurden. In den Organisationen der ArbeiterInnenbewegung wurde die Luft dünner, in der SJ kam es zu einem ernsthaften politischen Angriff auf unsere Strömung. Das eigentliche Ziel dieses Angriffes, uns aus der SJ zu vertreiben, wurde jedoch verfehlt. Wir sind immer noch da. Trotz widriger Umstände haben wir weiterhin in der SPÖ und den Gewerkschaften interveniert und marxistische Ideen und Perspektiven verbreitet.
Die Betondecke, die im vergangenen Jahr über der ArbeiterInnenbewegung lag, hat jedoch schon erste Risse bekommen. Die Lage ist extrem instabil und es kann sehr schnell zu politischen Erschütterungen kommen, die diese Betondecke knacken werden. Dann werden sehr rasch wieder die ersten zarten Pflanzen einer klassenkämpferischen Linken zu wachsen beginnen. Wo immer diese zum Vorschein kommen, werden wir sie unterstützen – egal ob in den Gewerkschaften, der SPÖ oder in der Jugend. Wo immer sich die Linke formiert wird sie unmittelbar für marxistische Ideen offen sein. Die sonstigen Konzepte in der Linken haben sich im vergangenen Jahr diskreditiert, Strömungen wie das austromarxistische Zentrum sind derzeit politisch paralysiert.
Die marxistische Strömung kann in der kommenden Periode eine wichtige Rolle bei der Herausbildung einer organisierten Linken in der ArbeiterInnenbewegung spielen. Die Vorarbeiten dazu müssen mit größter Ernsthaftigkeit betrieben werden. Unsere Strömung hat keine von den Interessen des ganzen Proletariats getrennten Interessen. Unsere Aufgaben sind in den Worten des Kommunistischen Manifests folgendermaßen festgelegt: Die MarxistInnen „unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, dass sie einerseits in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, andrerseits dadurch, daß sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten.“ MarxistInnen „sind also praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.“
Unsere Arbeit besteht also darin, die ArbeiterInnenbewegung einen Schritt weiterzubringen auf ihrem Weg sich zur Verteidigung ihrer Interessen und zum Kampf für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu organisieren.
Der Aufbau einer Linken in SJ, Gewerkschaft und Partei muss verknüpft werden mit unabhängigen Initiativen zur Gewinnung und Vernetzung der kämpferischsten Schichten der SchülerInnen, ArbeiterInnen und StudentInnen. Gerade in diesen drei Bereichen gelang es im letzten Jahr erste Wurzeln zu schlagen, die in der Zukunft eine bedeutende Rolle spielen können. Die Krise der SJ schafft gepaart mit der Krise der Kommunistischen Jugend und der radikalen Linken eine Situation, wo eine marxistische Strömung mit Wurzeln in Schule und Uni und einer beginnenden Gewerkschaftsarbeit im Gesundheits- und Sozialbereich zu einem bedeutenden Attraktionspol für all jene werden kann, die eine sozialistische Gesellschaftsordnung anstreben und sich als links sehen.
Dort wo die MarxistInnen selbst ein subjektiver Faktor sind, müssen sie dementsprechend handeln und die Bewegung von unten mit den eigenen Ideen und Methoden aufbauen. Der Aufbau einer starken marxistischen Strömung in den Schulen, Unis und Betrieben, in der SJ und den Gewerkschaften ist der Schlüssel für die kommende Periode.
Wien, 7. Juni