Liebe Kongressteilnehmerinnen und Kongressteilnehmer,
ich habe die Aufgabe zugesprochen bekommen, heute zusammen mit Jan diesen Kongress abzuschließen. Und ich will es in einem Wort zusammenfassen: dieser Kongress war großartig!
Drei Tage lang haben Menschen, jung und alt, in Workshops und Podien diskutiert und in den Veranstaltungen und drum herum tausende Gespräche geführt.
Dafür möchte ich mich schon mal bei allen bedanken, die dabei waren. Bei allen Teilnehmenden, den Rednerinnen und Rednern, bei allen, die an der Organisation des Kongresses beteiligt waren und nicht zuletzt besonders bei den unzähligen Helferinnen und Helfern, die so ein Kongress braucht.
Ich denke, dass wir mit Stolz sagen können: Wir haben unseren Beitrag im Kampf um die Deutung von 1968 gemacht.
Doch nun geht es darum, was wir mit nach Hause, in die Universität, in die Schule und in den Betrieb nehmen. Welche Lehren ziehen wir für die Zukunft?
Der große Marsch durch die Institutionen, begleitet von großen Hoffnungen auf einen wirklichen Politikwechsel, hat viele Kämpferinnen und Kämpfer von 1968 in die Sackgasse Bundestag und Bundesregierung gebracht. Wenige Monate später beteiligten sie sich an einem NATO-Angriffskrieg und setzten die Politik der Umverteilung von unten nach oben zielstrebig fort.
Andere 68er wollten nicht lange auf die Revolution warten und setzten nicht auf politische Überzeugungsarbeit, sondern auf individuellen Terrorismus, auf Entführungen und Attentate. Lasst mich euch eine traurige Erkenntnis mitteilen: Auf dem Weg zur Veränderung der Gesellschaft gibt es keine Abkürzungen.
Doch dann gibt es noch diejenigen 68er, die sich selbst und ihren Zielen treu geblieben sind. Etliche von ihnen sind hier. Die stärksten kämpfen ein Leben lang, sie sind unentbehrlich.
Und noch etwas können wir von 1968 lernen. Dass eine Bewegung der Studierenden und der Jugend allein die Gesellschaft beeinflussen, aber nicht verändern kann. Das passiert nur, wo die Kämpfe der Jugend mit denen der Werktätigen verbunden werden können. Das zeigen uns die Erfahrungen der beiden Länder, wo die Revolution am weitesten fortgeschritten war: Frankreich und Pakistan.
Eine große Stärke des Kongresses war, dass sehr aktuell diskutiert wurde. Wir haben uns nicht am Lagerfeuer versammelt und in Revolutionsromantik geschwelgt, sondern auch die aktuelle Situation diskutiert. Und ich denke, dass diese Diskussionen den Schluss zulassen, dass die letzte Schlacht noch nicht geschlagen ist, dass es immer noch eine revolutionäre Veränderung dieser Gesellschaft braucht.
Und so möchte ich kurz darauf eingehen, welche Punkte ich in der aktuellen Situation zentral finde: Oskar Lafontaine sprach kürzlich von der Wiederverstaatlichung von Post, Bahn und Telekom. Das finde ich richtig. Die Grundversorgung muss voll in öffentlichem Besitz sein und unter die Kontrolle der Beschäftigten kommen.
Das darf aber keine Parole bleiben! Das muss in die Tat umgesetzt werden. Und dabei dürfen wir nicht stehen bleiben. Die gesamten Schaltzentralen der Wirtschaft müssen vergesellschaftet und unter die demokratische Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden. Das ist der Ausgangspunkt des Sozialismus des 21. Jahrhunderts.
Und noch eins, in dieser Woche standen in Berlin so einige Räder still. Denn die Beschäftigten der BVG mussten sich die Einigung, die erzielt wurde, hart erkämpfen. Und das, obwohl in Berlin DIE LINKE in der Regierung sitzt und den Streik eigentlich unterstützen sollte.
Das bringt mich zu einem enorm wichtigen Punkt: DIE LINKE ist Bezugspunkt für viele, die sich heute einen wirklichen Politikwechsel erhoffen. Einige, mit denen ich aber auf diesem Kongress diskutiert habe, sagen mit Blick auf Berlin: Wer eine revolutionäre Politik machen will, kann das nicht mit der Partei DIE LINKE machen. Aber ich sage euch: die einzige Kraft, die sich an die Spitze all dieser Kämpfe der Werktätigen und der Jugend stellen und diese zusammenführen kann, ist DIE LINKE. Es ist sogar ihre Verantwortung, genau das zu tun. Und es wird unsere Verantwortung sein, dafür zu sorgen, dass sie es tut!
Eins ist uns seit 1968 geblieben: Die Diskussion darum, wie wir diese Welt tatsächlich verändern können. Dabei sind wir auch nicht alle einer Meinung. Und dieser Kongress konnte einige Fragen beantworten, aber noch viele mehr aufwerfen. Der Kongress war ein Angebot zur Diskussion, dem ihr so zahlreich gefolgt seid.
Und dieses Angebot besteht auch weiterhin, im Jugendverband Linksjugend [’solid] und im Studierendenverband Die Linke.SDS. Denn es ist unsere Aufgabe, die revolutionären Ideen in die Tat umzusetzen!
Das bringt mich zum Schluss zu der Frage, die Gisela Notz in ihrer Eröffnungsrede mit Blick auf das Transparent über mir gestellt hat: Wer sind wir überhaupt? Ich beantworte euch diese Frage gerne: Wir, dass seid Ihr, die ihr hier sitzt. Ihr, die ich euch als Konsequenz dieses Kongresses auffordere, aktiv zu werden im Jugendverband Linksjugend [’solid] und im Studierendenverband Die Linke.SDS. Denn es ist an der Jugend, mit revolutionären Ideen die Linke stark zu machen.
Vielen Dank.