Die US-Autoindustrie stand einst für hohe Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Dies erodierte in den letzten Jahren, jetzt stehen die Arbeiter auf. Am 15. September um 00:00 begann die Streikbewegung gegen die „Big 3“ (Ford, General Motors und Stellantis).
In der Weltwirtschaftskrise von 2007 wurde die US-Autoindustrie mit staatlichen Hilfszahlungen und Verschlechterungen der kollektivvertraglich geregelten Arbeitsbedingungen „gerettet“. Die Arbeiter zahlen bis heute dafür, v.a. die sogenannten „Temps“ – die Kategorie der 2007 geschaffenen „temporär Beschäftigten“, die einen immer größeren Teil der Belegschaften ausmachen und alles andere als „temporär“ sind. Ihr Stundenlohn liegt mit 16-17 $ kaum über dem Lohnniveau der Fastfood-Ketten und rund 10 $ unter den Löhnen jener Arbeiter, die Vorkrisenverträge haben, und sie haben schlechtere Sozialleistungen (Kranken- und Pensionsversicherungen). Die automatische Anpassung der Löhne an die Inflation (Cost-of-living adjustment, COLA) wurde allgemein abgeschafft. Letzteres bedeutet, dass die Löhne in den letzten 15 Jahren 40 % ihrer Kaufkraft eingebüßt haben. Die Ausbeutung wurde enorm erhöht: Arbeitstage bis zu 12 Stunden, sechs Mal die Woche, bei gleichzeitiger Verdichtung der Arbeitszeit – 20 Minuten für die Mittagspause, 10 Minuten für eine Zwischenpause, 6 Minuten Zusatzpause für die 11. Stunde, keine außerordentlichen Klopausen. Streikende stoßen sich an der Arroganz der Schichtmanager und bezeichnen ihre Arbeit als „slaving“, also als Sklavenarbeit. Die „Big 3“ wollen nun die Bedingungen aller Arbeiter an jene der „Temps“ anpassen.
Für die Manager und Aktionäre sind diese Bedingungen hochprofitabel. Die „Big 3“ haben ihre Profite im vergangenen Jahrzehnt fast verdoppelt (plus 92%). Sie haben allein in Nordamerika seither insgesamt 250 Mrd. $ an Profiten gemacht und davon 66 Mrd. für Dividenden und Aktienrückkäufe ausgegeben. Allein im 1. Halbjahr 2023 haben die „Big 3“ 21 Mrd. $ Profit geschrieben, ein Plus von 80 % im Vergleich zum Vorjahr. Die drei Topmanager der Konzerne gehen mit durchschnittlich 25 Mio. Jahresverdienst nach Hause. Sie gönnen sich selbst den Gegenwert von 475 Jahreslöhnen eines durchschnittlichen Autoarbeiters.
Shawn Fain, der von den Mitgliedern direkt gewählte Präsident der United Auto Workers International (UAW), warf den Vertragsentwurf der Konzerne in einer Online-Mitgliederversammlung in den Papierkorb. Er steht für ein Zurück zu den Zuständen vor 2007. Außerdem fordert er eine 32-Stunden-Woche. Als historisches Vorbild bemüht die Gewerkschaft die militante Besetzungsstreikbewegung (Sit-in Strikes) von 1936/7. Damals wie heute versuchten die Arbeiter die Auswirkungen der Krise auf ihre Löhne und Arbeitsbedingungen rückgängig zu machen. Angeführt von kämpferischen Arbeitern (oft Sozialisten und Kommunisten) zwang die von der Basis geführte Massenstreikbewegung der 1930er die Bosse und ihren Staat in einer mehrmonatigen Schlacht zurück. Dies war der Beginn der UAW als Massengewerkschaft und des sozialen Aufstiegs der Autoarbeiter.
Die heutigen „Stand-up Strikes“ sind eine klare Anlehnung an die historischen „Sit-in Strikes“. Einige Methoden wurden übernommen, etwa die „Red T-Shirt-days“, an denen die Arbeiter und ihre Familien als Zeichen der Solidarität rote Leiberl tragen. Allerdings ist ein Unterschied greifbar. Die Streiks von 1936/7 lebten von ihrem spontanen Massencharakter. Auch 2023 haben 97% der Gewerkschaftsmitglieder für eine Streikbewegung gestimmt, aber es ist die Gewerkschaftszentrale, die zentral den Befehl zum Streik ausgibt. Dieses Signal ging vorerst aber nur an die Arbeiter in drei Fabriken (eine GM-Fabrik in Missouri; eine Stellantis-Fabrik in Ohio und eine Ford-Fabrik in Michigan), die in einen unbefristeten Streik getreten sind, während die anderen Ortsgruppen der Gewerkschaft aufgerufen sind, Gewehr bei Fuß zu stehen und Solidarität zu organisieren. Am 22. September folgten einige kleinere Werke.
Damit stehen momentan ca. 18.300 Arbeiter im Streik – weniger als 15% der UAW-Mitglieder. Die Gewerkschaftsführung argumentiert, dass mit dieser Strategie die Geschäftsführungen überrumpelt und die Verhandlungsmacht der UAW gestärkt werden kann. Allerdings wissen die Arbeiter nicht, wann und ob sie in den Streik eintreten sollen, die Besten fühlen sich als Verräter an ihren streikenden Brüdern und Schwestern. Aus einzelnen Fabriken wird auch berichtet, dass Manager aktuell kleinste Disziplinverstöße nützen, um unliebsame Arbeiter fristlos zu entlassen.
Dies deutet in eine Richtung: Die einzige erfolgsversprechende Taktik gegen die Gier der Aktionäre ist ein Vollstreik in der gesamten Autoindustrie und die internationale Solidarität der Klasse. Die Bosse verlangen hingegen überall „Verzicht zugunsten des Standorts“. Versuche, die Bewegung in den Grenzen des niedergehenden Kapitalismus zu halten, werden nirgends Gerechtigkeit für die Arbeiterklasse bringen. Daher – stärke die KommunistInnen, damit die Bewegung gesamthaft gestärkt wird.
(Funke Nr. 217/26.9.2023)