Bei Jobs in der Video-Spiel-Branche, würden die meisten meinen, handelt es sich um gut gestellte Mittelschichtberufe. Genau das Gegenteil ist der Fall. Ein Bericht von Moritz Hübler und Dan Morley.
Beispielhaft dafür ist die Aussage von Dan Houser, Mitbegründer des dominanten Spieleherstellers Rockstar Games, welcher sich in einem Interview im New York Magazine damit rühmte, dass Angestellte in der Schlussphase der Entwicklung des letzen großen Titels des Herstellers – Red Dead Redemption 2 – bis zu 100 Wochenstunden arbeiten mussten. Dieser Kommentar, welcher wohl hauptsächlich der Bewerbung des Spiels dienen sollte, zeigt den zerstörerischen Arbeitsdruck in der Branche. Überstunden gehören zum Alltag, ebenso wie Nachtschichten, welche sich zum Ende einer Deadline – der sogenannte „crunch“ – anhäufen.
Marijam Didžgalvytė von der Kampagne „Game Workers Unite“ für gewerkschaftliche Organisierung in der Spiel-Industrie meint dazu: „Prekarisierung, Null-Stunden-Verträge, Schein-Selbstständigkeit und Outsourcing kommen immer häufiger vor. Das alles ist jetzt normal. Die Rechte von ArbeiterInnen werden durchgehend beschnitten.“
Diese Arbeitsbedingungen haben natürlich extreme Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit der EntwicklerInnen. In Erzählungen über schlechte Arbeitsbedingungen schildern ArbeiterInnen immer wieder psychische Leiden von Depression bis zu suizidalen Gedanken.
Die Notwendigkeit des organisierten Kampfs
Zusätzlich erntete Rockstar Games nach dem Interview einen massiven Shitstorm. Offensichtlich sind solche Arbeitsbedingungen keine Einzelheit und viele KollegInnen – aber auch Spiel-Enthusiasten – fühlten sich angesprochen und protestierten gegen die hochnäsige Haltung der Rockstar-Geschäftsführung. Die Spiel-Industrie ist verhältnismäßig jung und wie der gesamte Bereich der Software-Entwicklung kaum gewerkschaftlich organisiert. Doch die schlechten Bedingungen sorgen dafür, dass Initiativen wie „Game Workers Unite“ großen Zuspruch finden. Die Kampagne hat ihren Ursprung in einer spontanen Aktion auf einer Konferenz für Spiel-EntwicklerInnen in San Francisco im März 2018 gefunden. Bei einer Podiumsdiskussion der International Game Developers Association mit anti-gewerkschaftlichem Inhalt stürmte der Hashtag #gameworkersunite die Twittertrends und daraufhin auch wortwörtlich die Bühne. Einige EntwicklerInnen und AktivistInnen besetzten ebendiese und setzten so den Startschuss für eine Kampagne, die jetzt Landesorganisationen in den USA, Belgien, England, Australien, Brasilien, Kanada, Frankreich und Deutschland hat.
Die Spiel-Industrie weist dabei viele Ähnlichkeiten zu anderen Branchen auf, welche lange als schwer bis nicht gewerkschaftlich organisierbar galten. Doch Prekarisierung und schlechte Arbeitsbedingungen zwingen auch die ArbeiterInnen dieser Bereiche sich zu organisieren, wie die Arbeitskämpfe der Fast-Food-ArbeiterInnen in den USA zeigen. Nun bereiten sich auch die Spiel-EntwicklerInnen auf diese Quest vor.
(Funke Nr. 170/Februar 2019)