Bildung. In der Branche der Deutschlehrenden für Fremdsprachige brodelt es: Einerseits wegen der Kollektivvertragsverhandlungen für die rund 8000 Beschäftigten, andererseits weil die Schwarz-Blaue Regierung die öffentlichen Geldhähne zudreht. Ein Aktivist berichtet.
Wie jedes Jahr finden aktuell die KV-Verhandlungen statt. Wie jedes Jahr erwartet niemand große Überraschungen, die relativ schlechten Arbeitsbedingungen werden wie jedes Jahr fortgeschrieben werden. Momentan sind die Verhandlungen von Seiten der Arbeitgeber abgebrochen worden.
Um diesem Routinismus, der uns nicht von der Stelle bringt zu begegnen, hatte sich vor gut einem Jahr ein Zusammenschluss von Beschäftigten der Branche formiert, deren erklärtes Ziel es ist, durch Druck von unten bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen.
„Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung“ (DiE) ist eine solidarische Basisbewegung, die sich direkt auf die KollegInnen in den Betrieben stützt, selbstorganisiert die gesellschaftliche Relevanz der Integrationsarbeit bewusst macht, die materiellen Arbeitsbedingungen analysiert, sowie versucht sie zu verbessern. Wir bilden uns im Arbeitsrecht und diskutieren auch die breitere Perspektive unserer Lage als Lohnabhängige, halten regelmäßig Versammlungen ab und organisieren verschiedenste Aktionen.
Warum sind die Arbeitsbedingungen so, wie sie sind?
Folgendes Beispiel steht stellvertretend für viele Erfahrungen, wie die Gewerkschaft einerseits, und die Basisinitiative andererseits methodisch agiert:
DiE ist es im Vorfeld unserer Kollektivvertragsverhandlungen gelungen, in nur zwei Wochen 600 Unterschriften unter den KollegInnen der Branche zu sammeln. Wir fordern eine korrekte Einstufung in einen höheren Verwendungsbereich und eine realistische Vor- und Nachbereitungszeit des Unterrichts als bezahlte Arbeitszeit. Einfach ausgedrückt fordern wir eine deutlich höhere Entlohnung bei geringerer Arbeitszeit. Die österreichische Tradition des „Sunderns“ wurde in schwierigen Zeiten durchbrochen, die realen Probleme des Arbeitsalltages angesprochen und eine Kampfparole formuliert, die die Zustände konkret verbessern kann. So hat sich die Initiative einen Namen gemacht.
Bei der BetriebsrätInnenkonferenz zur Vorbereitung der KV-Verhandlungen im Februar ersetzten in einem schein-demokratischen Prozess unsere KV-VerhandlerInnen unsere Hauptforderungen der Petition ersatzlos mit der Forderung der 35-Stunden-Woche. Weil die Forderung grundsätzlich richtig ist, hat DiE die KV-Verhandlung auch mit Kundgebungen unterstützt.
Unsere Kritik bleibt jedoch aufrecht. Die Methoden der VertreterInnen aus Gewerkschaft und BetriebsrätInnen haben schon bei der KV-Verhandlung vor zwei Jahren ein Null-Ergebnis gebracht. Bereits damals wurde schon die 35-Stunden Woche gefordert, ohne Ergebnis. Ohne Mobilisierung, ohne Streikbereitschaft in den Betrieben wird es nicht möglich sein relevante, fortschrittliche Forderungen gegen die ArbeitgeberInnen durchsetzen zu können. Voraussetzung für soziale Fortschritte in der Branche ist eine Stärkung des Drohpotentials gegenüber den Arbeitgebern und Finanziers. Dies erreichen wir durch wochenlange, monatliche, jahrelange Vorarbeit und die Stärkung des Selbstvertrauens der Belegschaft durch geduldige Diskussionen in den Betrieben.
Dass wir als DiE eine breite, überbetriebliche, branchenweite Diskussion zustande bringen können, um Forderungen aufzustellen, welche von den bewusstesten Unterrichtenden selbst aufgestellt und unterstützt werden, verdeutlicht den unterschiedlichen Zugang, der unsere Initiative von dem Zugang der wortführenden KV-VertreterInnen unterscheidet. Diese setzen v.a. auf rhetorische Kampfmaßnahmen in Sonntagsreden. In unserer Branche bestimmen aber jene etablierten VertreterInnen die Verhandlungsstrategie, die allzu oft in sozialpartnerschaftlicher Weise viel mehr ein gutes Auskommen mit den VerhandlungspartnerInnen – unseren Chefs – suchen. Ihre Loyalität gilt demnach überwiegend letzteren, so werden sie im Sinne der Sozial„partner“schaft Mitverwalter der langjährigen herrschenden Verhältnisse: Wenn sie etwas ändern hätten wollen, hätten sie in den letzten Jahren perfekte Bedingungen dafür vorgefunden. Die Branche boomte und suchte händeringend Arbeitskräfte. Veränderung erfordert letztlich authentische Courage und das Risiko, mit dem herrschenden „partner“schaftlichen Verhältnis zu brechen. Gleichzeitig soll hier zum Ausdruck gebracht werden, dass DiE besonders im Aufbau wertvolle Unterstützung klassenkämpferischer BetriebsrätInnen von außerhalb der Branche erfahren hat.
Die kommenden Kürzungen
Abseits von den KV-Verhandlungen ist das große Problem, das sich gerade in der Branche der DiE auftut, jenes der Fördergelder. Wir unterrichten vermehrt Geflüchtete aus jenen Ländern, die aktuell in den Medien sind – Syrien, Irak, Afghanistan. Die Kurse werden von privaten Firmen angeboten, finanziert von öffentlichen Geldern. Die Politik bestimmt also über den Geldhahn, eine fremdenfeindliche Regierung will aktuell Gelder zur Integration Geflüchteter mit fadenscheinigen Argumenten stark beschränken. Dem begegnen wir mit dem Argument, dass die gesellschaftliche Aufgabe darin besteht, ihnen jene sprachlichen Kompetenzen zu verleihen, mit der deutschsprachigen Mehrheitsgesellschaft kommunizieren, um an ihr teilzuhaben und sich somit nicht zuletzt materiell selbst erhalten können. Ein Boykott der Integration würde wiederum bedeuten, das Kernklientel fremdenfeindlicher WählerInnen zu bedienen: Öffentliche Gelder werden vorgeschoben eingespart, die Kriminalitätsrate läuft Gefahr zu steigen, wenn Geflüchteten und Zugewanderten die Lebensgrundlage entzogen wird, was wiederum rassistische Vorurteile fördert und die nationalistische Spaltung der Gesellschaft vorantreibt. Ein Paradebeispiel einer zynischen Politik, deren Ziel es ist, auf beiden Seiten Angst und Unsicherheit zu produzieren und somit dem Klassenbewusstsein sowie der Solidarität der Arbeiterklasse entgegenzuwirken, was der eigentliche Grund für die rassistische Politik der Regierung ist.
Die Kürzung von Fördergeldern trifft die Grundlage für die Profite jener Firmen, über die wir angestellt sind. Daher ist es im Interesse der KapitalistInnen, für eine ausreichende Finanzierung ihrer Institute zu sorgen. Sie versuchen daher natürlich auch, möglichst große Finanzmittel für ihre Branche aufzustellen. Wenn wir in dieser Frage denselben Kampf mit der Regierung führen, heißt das aber nicht, dass wir unseren Chefs „helfen“ oder einen „Freunschaftsdienst“ leisten. Sie werden natürlich versuchen, möglichst viel als Profit einzubehalten, während wir für einen saftigen Abschluss bei den jetzt laufenden KV-Verhandlungen kämpfen.
Wenn das Angebot platzt, gilt es auch nach einem möglichen Schrumpfen der Branche faire Arbeitsbedingungen zu erlangen, insofern hätte der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen Priorität.
Die Tendenz gesellschaftlicher Spaltung seitens der Regierung anhand des Flüchtlingsthemas gilt es allgemein gesellschaftlich, und in diesem Fall auf betrieblicher Ebene, entgegenzuwirken: Wir müssen uns selbst im Betrieb in Aktivistengruppen organisieren, um gegenüber den laufenden Kürzungen und rassistischen und spalterischen Angriffen mit einem fortschrittlichen Programm, das an unseren dringendsten Problemen ansetzt, eine gangbare Alternative aufzeichnen zu können und so unser Schicksal kollektiv selbst zu gestalten. Die insgeheime Hoffnung der Menschen, dass es sowieso nicht mehr schlechter kommen kann, wird durch die realen Angriffe auf unseren Lebensstandard brutal widerlegt. Die Waffe der Solidarität, aus den Betrieben, auf der Straße muss geschärft und poliert werden: Das Ziel muss eine Gesellschaft des Miteinanders, der gegenseitigen Unterstützung sein, im Umgekehrten das Verhindern der rassistischen Politik, was letztlich nur durch den Sturz der herrschenden Regierung möglich ist.
Die Erfahrungen der erfolgreichen Organisation zeigen die gute Basis, die Reichweite und das Potenzial der DiE-Basisorganisation, die als eine der Keimzellen für den Kampf um bessere Arbeitsbedingen und für internationale Solidarität dienen kann.
Die nächste Aktion der DeutschtrainerInnen findet am Sonntag dem 15.4. ab 14:00 am Schmerlingplatz statt. Hier die Einladung der VeranstalterInnen:
„Im Aufbegehren gegen soziale Kälte und Entsolidarisierung versammeln wir (Kolleg_innen aus dem (Erwachsenen)bildungs- und Sozialbereich und Freund_innen) uns ab Sonntag, den 15.4.2018, vor dem (alten)Parlament. Um 14 Uhr beginnen wir am Schmerlingplatz mit einem Frühlingsfest und starten damit unsere Protestaktion gegen die von der Regierung vorgesehenen Sparmaßnahmen im Bildungs- und Sozialbereich.
Denn die von der Regierung vorgesehen Sparpläne produzieren im (Erwachsenen)bildungs- und Sozialbereich viele tausend Arbeitslose. Betroffen sind DaZ-Unterrichtende, Trainer_innen, Adminkräfte und Sozialarbeiter_innen sowie tausende Kursteilnehmer_innen und Schüler_innen.
Erste Kündigungen wurden bereits bekannt gegeben (z.B. beim IP-Center: 199 Kolleg_innen/ beim Wiener Jugendcollege: Kürzungen um 25%/ bei Mentor: 30 Kolleg_innen) und befristete Verträge nicht verlängert (zB.: beim Projekt Integration ab Tag 1: Kürzungen von über 50%) und es werden noch viele weitere folgen.
Gegen den sozialen Kahlschlag, die stattfindenden Massenabschiebungen (so werden am 9.4. 400 Afghanen abgeschoben) und Einsparungen im Bildungsbereich erheben wir, noch bevor der Finanzminister das Budget offiziell bekannt gibt (20.4.), alle gemeinsam unsere Stimmen.
Sonntag, 15.4.2018/ ab 14 Uhr großes Picknick und Allerlei (kinderfreundlich)
ab 18 Uhr: Konzerte und Filmscreening mit Open End (genaues Programm wird noch bekanntgegeben)
…und danach schlagen wir unsere Zelte auf und folgen dem Motto „WIR BLEIBEN!“…
Kommt mit Freund_innen, Kolleg_innen, Familie, Kindern, Hunden – nehmt Decken, Zelte und Jausen mit, um vereint der Bedrohung unserer Existenz zu begegnen.“