Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung (DiE) stehen auf, um bessere Arbeitsbedingungen in dieser Branche mit prekären Beschäftigungsbedingungen zu erreichen. Funke-Aktivist Markus Haunschmid ist Teil dieser Basisinitiative.
In dem seit Ende letzten Jahres reifenden Prozess formulierten und feilten DiE an gemeinsamen Forderungen für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Um die Bewegung auf breite Beine zu stellen, gilt es die Ressourcen kreativer Köpfe der Branche zu nutzen, um bisher individuelle Probleme zukünftig kollektiv zu lösen, nämlich durch die Durchsetzung von besseren Arbeitsbedingungen für alle: Das fängt bei fehlenden Supplierlehrern an und reicht bis zur Aufhebung der finanziellen Schlechterstellung gegenüber Lehrenden im öffentlichen Dienst. (wir berichteten)
In der konkreten Situation bekommen die sozialen Forderungen der Beschäftigten der Branche dahingehend weitere Relevanz, als dass der Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff) zur Erreichung der im Regierungsprogramm festgelegten 10.000 zusätzliche Deutschkurse ausschreibt. Die sozialen und arbeitsrechtlichen Bedingungen zu denen diese Anstellungen erfolgen, werden aufgrund der Anzahl der neuen Stellen die hier geschaffen werden beispielgebend für die Branche wirken.
Es ist mittlerweile gelungen, breite Teile der Branche zusammenzubringen, um sich zu vernetzen. Bei der ersten Konferenz der Branche nahmen 70 DiE-Lehrende aus 21 verschiedenen Firmen teil, ein Riesenerfolg in dieser bisher völlig individualisierten Branche. Zwei konkrete inhaltliche Forderungen wurden artikuliert: Vor- und Nachbereitungszeit für den Unterricht müssen als Arbeitszeit anerkannt werden sowie eine generelle Erhöhung der Entlohnung wird angestrebt. Dies wollen DiE prioritär gegenüber den Auftraggebern der Deutschkurse (der Politik allgemein, dem AMS und in der Folge dem waff im Besonderen) durchsetzen.
Der nächste Schritt ist es, die Ressourcen, d.h. vor allem Zeit und Engagement der KollegInnen zu organisieren. Ein Prozess der politischen Durchsetzung braucht Menschen, die für die Realisierung der gemeinsamen Interessen eine eigene gemeinsame Praxis entwickeln. Diese wird in einem demokratischen Prozess abgestimmt, in unserem Fall auf den Versammlungen der AktivistInnen. Es gilt hier auch Arbeitsteilung und Zusammenarbeit effektiv zu koordinieren und die Zeitressourcen talentierter Menschen zielorientiert einzusetzen, sowie andere zum Mitmachen zu motivieren. Dies erfordert die individuelle Motivation, Willen und Überzeugungskraft der AktivistInnen.
Die Bewegung ist so stark, wie die Aktiven und SympathisantInnen daran glauben, dass die Forderungen realistisch erreicht werden können. Dazu ist es nötig, von einer korrekten Analyse auszugehen, welche die wichtigsten, in der Branche relevanten Bedingungen berücksichtigt, um so prägnante Forderungen abzuleiten. Dieser Schritt wurde bei der ersten Konferenz im April getan.
Ein wichtiger Umstand, den wir berücksichtigen müssen, ist das aktuell herrschende gesellschaftliche Klima und die Interessen der Kapitalherrschaft im Allgemeinen. In Österreich haben in Fremden- und Asylrechtsfragen Sobotka, Kurz, Niessl und Doskozil das öffentliche Klima weit nach rechts getrieben. Ihrer Meinung nach hat das Erlernen der Sprache zur Integration neuer ÖsterreicherInnen in die Gesellschaft zwar einen gewissen Stellenwert, vor allem zur Integration in den Arbeitsmarkt, aber diese Qualifizierung muss billig sein. Das AMS und zukünftig der waff vergeben die Projekte bisher ohne Rücksicht auf die Arbeitsbedingungen, Arbeitszeitverdichtung und Selbstausbeutung der DiE. Mittel und Wege zu finden, die Situation zu verbessern, bleibt uns allein, den Beschäftigten, überlassen.
Wie wir unsere Forderungen publik machen, zeigt das Beispiel der Aktion am 1. Mai-Aufmarsch in Wien, wo die SPÖ-Spitze durch eine eigene Gesangskreation, selbstgemachte, großflächige Transparente und Sprechchöre lauthals auf die prekären Arbeitsbedingungen mit roter Handschrift aufmerksam gemacht wurde. Als Reaktion auf einen persönlich übergebenen Brief von DiE an Kern meldete sich das Rathaus. Auch dieser hier eröffnete Weg soll nicht unversucht bleiben.
Ein wahrhaft soziales, menschenfreundliches System der Erwachsenenbildung zu etablieren, welches darauf abzielt, dass sich neue ÖsterreicherInnen in der neuen Lebensumgebung willkommen, verstanden und akzeptiert fühlen, ist unter ständiger Reizüberflutung und Überlastung, welche die systemimmanenten, schleißigen Arbeitsbedingungen verursachen, nicht erreichbar.
Zu den herrschenden PolitikerInnen ist zu sagen, dass das von ihnen verwaltete System krisengeschüttelt und instabil ist. Wir leben in historischen Zeiten, gerade in diesen ist die Gesellschaft dynamisch und veränderbar. Es kommt darauf an, sie aktiv und konstruktiv verändern zu wollen und sich vor Augen zu führen, dass dies möglich und nötig ist.
Sind wir viele, kann und wird sich viel verändern, im Kleinen wie im Großen. Wir werden gemeinsam an der Realisierung arbeiten, u.a. auf der Versammlung am 10.6. An der Auseinandersetzung mit politischen Autoritäten führt kein Weg vorbei, die Frage ist, auf welche Art und Weise wir sie konfrontieren. Künftige, kollektive Arbeitskämpfe sind durch den Unmut in der Branche jedenfalls angelegt.
Die letzte Versammlung der Deutschlehrenden fand am 10. Juni, 11 Uhr im Bildungszentrum der AK Wien (Theresianumgasse 16-18) statt.