Der Druck am Arbeitsplatz nimmt ständig zu. Eine Genossin schildert anhand der „Sandvik Mining and Construction G.m.b.H“ Zeltweg welche Formen die verschärfte Ausbeutung konkret annimmt.
Die ehemals verstaatlichte VAB in Zeltweg wurde 1996 privatisiert und firmiert heute als Teil der „Sandvik Mining and Construction G.m.b.H“. Der Betrieb ist auf die Herstellung von Bergbau und Tunnelmaschinen spezialisiert. Die ständige „Optimierung“ des Produktionsprozesses bringt verschärfte Arbeitsbedingungen, Unsicherheit um den Arbeitsplatz und Verschlechterungen im Produktionsprozess.
„Gesundheit und Sicherheit“
Das Hauptanliegen des Sandvik Konzerns nach der Übernahme schien die Sicherheit und Gesundheit der MitarbeiterInnen zu sein. An sich lobenswert, führten die Maßnahmen aber zu diversen Einschränkungen.
Neben Aktionen wie der monatlichen „Gesunden Jause“, die den ArbeiterInnen Obst und Gemüse zur Verfügung stellt, wurden die „Raucherprivilegien“ durch die Installation der Rauchercorner beschränkt. Der Umstrukturierung zum Opfer gefallen ist auch die firmeninterne, jahrelang lukrative und beliebte Kantine, die laut Geschäftsleitung einen zu hohen Verwaltungsaufwand darstellte.
Unter dem Deckmantel der Sicherheit wurden am Außengelände, an den oben erwähnten Rauchercornern, aber auch in den Hallen, Kameras installiert, um möglichen Unfällen vorzubeugen. Zugriff auf den Viedeofeed sollte nach Angabe des Managements der sich im Dienst befindliche Portier haben. Die Rauchercorner würden ausgeblendet. Diese Angaben erwiesen sich als falsch. Nach einigen „Selbstversuchen“ betroffener ArbeiterInnen stellte sich heraus, dass nicht der Portier auf die diversen Provokationen der KollegInnen reagierte, sondern Angestellte, die keinen direkten Einblick in die Produktionshallen haben.
Mit der Sandvik kam auch die LTI – Lost Time Injury Statistik. Diese erfasst Arbeitsunfälle, die sich während eines Geschäftsjahres ereignen. Ziel ist es diese Statistik niedrig zu halten, um das geplante Budget nicht zu belasten bzw. sogar zu unterschreiten. Dafür greift die Firmenleitung zu besonderen Maßnahmen. KollegInnen schildern, dass sie am Tag ihres Arbeitsunfalles im Unfallkrankenhaus von ihrem Betriebsrat mit dem Anliegen besucht wurden, die Arbeit nach zwei bis drei Tagen wieder aufzunehmen bzw. für eine Stunde in den Betrieb zu kommen. Auf diese Art und Weise kann ein Eintrag in die Konzern-Statistik umgangen werden. Ereignen sich pro Auftrag keine Unfälle, liegt die Liefertreue bei über 90% etc., fließen einige Promille des Gewinns an die ArbeiterInnen. Diese Prämienzahlung animiert KollegInnen mittlerweile dazu Arbeitsunfälle als private Unfälle zu deklarieren. Konsequenz: höherer Selbstbehalt bei der Behandlung von (möglichen) Folgeschäden.
Outsourcing
Mit der Übernahme der Sandvik hat das Outsourcing begonnen. Bestandteile, die bis dato im Betrieb hergestellt wurden, werden aktuell von externen Erzeugern zugekauft. Die Abhängigkeit von auswärtigen Unternehmen und Lieferanten verzögert den Produktionsprozess (Teile werden nicht pünktlich geliefert, sind nicht auf Lager, etc.) wodurch die Effizienz dieses Modells in Frage gestellt werden kann.
Hire and Fire
Wie viele Unternehmen im Geschäftssegment „Kohle und Mineralien“, war auch der Standort Zeltweg 2015 von einem „substanziellen Umsatzrückgang“, wie es die Firmenleitung bezeichnete, betroffen. Es folgte eine Kündigungswelle, die rund 11 Prozent der Belegschaft traf, konkret wurden 51 MitarbeiterInnen im März 2015 beim AMS-Frühwarnsystem angemeldet.
Ehemalige betroffene MitarbeiterInnen verglichen die Vorgehensweise mit einem Schlachthaus. Wie Schlachtvieh wurde einer nach dem anderen in die Büros der Vorgesetzten gerufen, musste teilweise durch ihre Hallen an KollegInnen vorbei und kam mit gebrochenem Blick zurück, um den Spind zu räumen.
Viele beteuern auch, dass der Arbeiterbetriebsrat an diesen Tagen von ihnen nicht erreicht werden konnte und bei den Kündigungen durch Abwesenheit glänzte.
Die Firma ihrerseits entschied sich für eine elegante Lösung, denn niemand wurde gekündigt, sondern alle einvernehmlich entlassen. Den KollegInnen wurden folgende Optionen unterbreitet – Übertritt in eine andere Firma (Stahl Judenburg), Eintritt in die Stahlstiftung oder Pensionsantritt über die noch geltende Hacklerregelung. Sollten derartige Lösungen nicht angenommen werden, wäre die individuelle Prämie nicht ausgezahlt worden.
Die meisten Entlassenen waren gut ausgebildete Fachkräfte, die im Betrieb gelernt haben, die Produktionsabläufe, Maschinen und Abteilungen kennen und durchlaufen haben (Härterei, Dreherei etc.).
Die übrige Belegschaft war durch die Kündigungen von großer Unsicherheit betroffen, dies führte zu erhöhtem Leistungsdruck und stärkeren Konkurrenzdenken. „Die Stimmung ist ein großes Problem, die Angst geht um.“ Über Monate werde über den Abbau spekuliert, halb Zeltweg habe Bescheid gewusst. „Nur vom Betriebsrat ist nichts gekommen, bis heute keine Betriebsversammlung. Man fühlt sich im Stich gelassen.“ (B. Oberrainer und S. Ruckhofer, Kleine Zeitung, 12.03.2015)
Geschäftsführer Hubmann will „genau nach Kommunikationsplan“ vorgegangen sein, die Information lief parallel „nach innen und außen“. Dazu äußert sich die Betriebsratsopposition, die ÜLZ kritisch, da auch ihnen Informationen zu spät und zu undetailliert weiter gegeben wurden.
Bereits im Juli des selben Jahres 2015 trat die Firma an die Ende März entlassenen ArbeiterInnen mit dem Angebot heran, sie über eine Leiharbeiterfirma für die Dauer der neuen Großaufträge wieder in den Betrieb zu holen. Einige der Betroffenen nahmen dieses Angebot an, um nach drei Monaten wieder entlassen zu werden. Dazu der Vorsitzende des Arbeiterbetriebsrates zu lokalen Medien: „Wir können wieder durchatmen, die Unsicherheit in der Belegschaft fällt weg. (…) Unser Personal ist derzeit voll ausgelastet.“ Mit Neuaufnahmen ist das Unternehmen noch vorsichtig, es ist aber möglich, dass ab Herbst zumindest wieder Leiharbeiter aufgenommen werden“. Paul Part von der Gewerkschaft Pro-Ge: „Wie es jetzt ausschaut, geht es aufwärts.“ (U. Groß, Kleine Zeitung, 11.07.2015)
Hoffnungsträger 2017 ist die Neuentwicklung des „MX650 Rapid Mine Delevelopment System“, die Sandvik-intern als derzeit wichtigste Weichenstellung zugunsten der Eroberung neuer Märkte betrachtet wird.
Aktuell ist auch ein Großauftrag mit russischen Kunden in Verhandlung. Die KollegInnen berichten von einem sehr engen Zeitplan und Terminstress dieses Jahr. Sollte der Auftrag durchgehen, sieht sich die Belegschaft mit akutem Fachkräftemangel konfrontiert. Viele artikulieren mittlerweile, dass die Kündigungen 2015 vermeidbar gewesen wären, hätte sich die Firmenleitung stärker um neue Aufträge gekümmert oder den kurzfristigen Einbruch der Auftragslage anders bewältigt.