Die „alt-right“ („alternative Rechte“) ist von einer obskuren Interneterscheinung zu einem der am meisten diskutierten politischen Phänomene in den USA geworden.
Die Ernennung des ehemaligen Herausgebers der weit rechts stehenden „Breitbart News“, Steve Bannon, erst als Kampagnenleiter von Donald Trump, dann als Chefstratege im Weißen Haus, wird von vielen als Einzug der „alt-right“ in den Mainstream interpretiert. Die frenetischen liberalen Medien sehen in der „alternativen Rechten“ die Sturmtruppen Donald Trumps und verbreiten das falsche Bild, er sei mithilfe einer faschistischen Bewegung an die Macht gekommen.
Während MarxistInnen zum energischen Kampf gegen Trump, und alles was er repräsentiert, aufrufen, bestehen wir nichtsdestotrotz auf einer objektiven Analyse seiner Wahl. Als Hitler die Macht ergriff, hatte die SA drei Millionen Mitglieder. Welche paramilitärischen Massenkräfte existieren heute in den USA? Angesichts der Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen weisen wir darauf hin, dass die Arbeiterklasse mühelos mit diesen reaktionären Clowns fertig werden würde, vorausgesetzt sie ist organisiert und in der Lage, eine unabhängige Position einzunehmen, und für die Überwindung des Kapitalismus zu kämpfen.
Auf der Oberfläche
Oberflächlich stellen viele Quellen fest, dass die „alt-right“ primär ein Internet-Phänomen sei, das aus Rechten unterschiedlichster Ideologie besteht. Tatsächlich soll „alternativ“ nicht nur heißen, dass sie vom konservativen Mainstream abweichen, sondern auch in sich unterschiedliche Ansichten haben. Das Spektrum derjenigen, die sich mit als „alternative Rechte“ bezeichnen, umfasst „neureaktionäre“ MonarchistInnen, Libertäre, frauenfeindliche Männerrechtler, konservative ChristInnen, AntisemitInnen und alle möglichen RassistInnen, die zum Teil leugnen, rassistisch zu sein. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner ist die „Verteidigung der westlichen Kultur/Traditionen der Weißen“ in den USA – s.g. „weißer Nationalismus“. In der Regel sind sie für einen Einwanderungsstopp, eine protektionistische Handelspolitik und eine außenpolitische Isolation der Vereinigten Staaten. Viele von ihnen interessieren sich nicht für Wirtschaft – ihre protektionistischen Ansichten basieren auf einem abstrakten Nationalismus, der Globalisierung mit Verlust von Industrie-Arbeitsplätzen gleichsetzt.
In Wirklichkeit sind diese politischen Positionen nichts Neues. Sie sind eine Wiederholung des Pat-Buchanan-Flügels, der in den 1980er Jahren in der Republikanischen Partei aufstieg. Diese kleinbürgerliche, meist aus den Südstaaten kommende Strömung wurde vom Partei-Establishment weitgehend ignoriert. Dieses bevorzugt es, Positionen des Großbürgertums einzunehmen – Austerität, Trickle-down-Ökonomie (Wirtschaftswachstum und allgemeiner Wohlstand der Reichen würden nach und nach in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickern) und imperialistische Außenpolitik.
Unter der Oberfläche
Für MarxistInnen sind die exakten ideologischen Ausdrucksformen dieser Strömung weniger von Bedeutung, als das Verständnis dafür, wie die Krise des Kapitalismus überhaupt erst zur Ausbreitung solcher Ideen führte. Nur auf dieser Basis können wir zu einer objektiven Beurteilung der wirklichen Kräfteverhältnisse der Klassen kommen – um unsere Gegner besser verstehen und bekämpfen zu können.
Weil sie sich stark auf Internetforen stützen, wird die „alt-right“ oft als Jugendbewegung charakterisiert, was allerdings impressionistisch ist und nicht durch empirische Daten belegt werden kann. Eine statistische Auswertung des Hashtags #AltRightMeans, ergab, dass eine Mehrheit der Tweets von „verheirateten Männern zwischen 40 und 60 Jahren“ (1) stammten. Eine andere Studie identifizierte einen kalifornischen Anwalt, einen Redakteur der Verschwörungsseite „InfoWars“ und den Gründer der antimuslimischen Website „ProjectPurge“ als die einflussreichsten Accounts in der Twittersphäre der „alt-right“.
Dies ist ein kleines Segment derjenigen kleinbürgerlichen Individuen, die, obwohl Teil der Generation die vom Nachkriegsboom profitierte, ihr „Recht“ auf den American Dream im Niedergang des Kapitalismus verloren haben. Ohne ein Verständnis von den sozialen Prozessen, die ihr Scheitern bedingten, klammern sie sich an reaktionäre Ideen, von denen sie glauben, dass sie ihre missliche Lage erklären, und ihnen einen Sündenbock für ihren Frust liefern.
Während die verzweifelte Berichterstattung der Mainstreammedien über die „alternative Rechte“ ihnen kurzfristig mehr Zulauf verschaffen könnte, müssen wir einen Sinn für Proportionen behalten. Die Demokraten und die Wortführer der „alternativen Rechten“ versuchen sie als die treibende Kraft hinter dem Aufstieg Trumps darzustellen. Es war aber die Unzufriedenheit mit Clinton und der Demokratischen Partei, dem undemokratischen Wahlmännersystem („electoral college“), sowie das Fehlen einer ArbeiterInnenführung in Form einer Massenpartei der Arbeiterklasse, die zu Trumps Sieg führten. In absoluten Stimmen konnte Trump nur ein Viertel aller Wahlberechtigten überzeugen, zwei Millionen weniger als Clinton, und 59% der US-AmerikanerInnen stellen sein Mandat in Frage. Wenn das der Erfolg der „alternativen Rechten“ sein soll, so ist er im besten Fall kraftlos.
Es wäre deshalb falsch zu schließen, dass die Gesellschaft in den USA dramatisch nach rechts gerutscht ist, oder dass die „alt-right“ eine dominierende Strömung im Kleinbürgertum repräsentiert. Man kann schnell vergessen, dass Internet Phänomene eine verzerrte Sicht auf die realen Prozesse in der Gesellschaft liefern können.
Zur Zeit bleibt die „alternative Rechte“ hauptsächlich auf das Internet beschränkt. Sie organisiert keine Massendemonstrationen oder Angriffe auf die Organisationen Arbeiterklasse, noch wird sie von der Bourgeoisie dafür hervorgerufen. Trump stützt sich noch immer auf die bürgerliche Demokratie und den Gehorsam der ArbeiterInnenführer, wie den Führer der AFL-CIO (größter Gewerkschaftsbund) Richard Trumka, nicht auf eine faschistische Massenbewegung auf der Straße.
Welcher Umgang mit „alt-right“
Das Gezeter der bürgerlichen Medien über den Aufstieg der „alt-right“ zeigt schlussendlich nur, dass die herrschende Klasse nicht mehr wie früher regieren kann. In der kommenden Periode der sich intensivierenden kapitalistischen Krise, müssen alle möglichen plötzlichen Wendungen erwartet werden. Als MarxistInnen sollten wir nicht der Panik der Bürgerlichen hinterherlaufen, sondern der Arbeiterklasse eine präzise, wissenschaftliche Analyse bieten. Wie Lenin erklärt, müssen „[d]ie Kommunisten […] wissen, dass die Zukunft auf jeden Fall ihnen gehört, und daher können (und müssen) wir die größte Leidenschaftlichkeit in dem gewaltigen revolutionären Kampf mit möglichst kaltblütiger und nüchterner Einberechnung der Tobsuchtsanfälle der Bourgeoisie verbinden.“
Die „alternative Rechte“ kann es nur in einer Klassengesellschaft geben. Die Ideen, die sie vertreten, werden von der Kapitalistenklasse gefördert, um die ArbeiterInnen zu spalten. Nur die vereinte Arbeiterklasse kann diese Spaltung überwinden, indem sie ein revolutionäres, sozialistisches Programm vertritt, von dem alle profitieren.