Der Klang der Kriegstrommeln hallt erneut auf den Fluren der Macht in Washington wider. Trotz aller Dementis gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass die Clique im Weißen Haus ernsthaft über Luftangriffe gegen den Iran nachdenkt. Eine Analyse der US-Außenpolitik von Alan Woods.
Wir MarxistInnen haben nie an eine Invasion der USA in den Iran geglaubt. Falls die US-Amerikaner das wirklich täten, würden sie von einer erregten Bevölkerung empfangen, die ihr Leben riskieren würde, um die Invasoren aus dem Land zu vertreiben. Außerdem besitzt der Iran eine mächtige Armee, welche in der Lage wäre, es mit der US-Streitkräften aufzunehmen und ihnen ein blaues Auge verpassen könnte. Teheran hat erst kürzlich Lenkwaffen gekauft, die geeignet sind, US-Kriegsschiffe im Mittelmeer zu treffen. Ein Angriff auf den Iran würde mit unvorhersehbaren Konsequenzen behaftet sein.
Ein Bodenkrieg im Iran wird deshalb ausgeschlossen. Aber Luftangriffe sind etwas anderes. Sowohl Washington als auch Tel Aviv sind von der Aussicht auf eine iranische Armee, die mit Atomwaffen bewaffnet ist, aufgeschreckt, dies gilt noch mehr für Saudi Arabien. George Bush und die rechte Clique, die ihn berät, befürworten öffentlich einen „Erstschlag“ gegen Einrichtungen im Iran, von denen sie behaupten, dass in ihnen Nuklearwaffen hergestellt werden. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie ihre Drohungen zu einem bestimmten Zeitpunkt wahr machen, entweder direkt oder, wenn sie ungeschoren davon kommen können, indem sie die israelische Luftwaffe benutzen.
Der wahre Grund für diesen neuen Kriegszustand ist die Tatsache, dass die USA dabei sind ihren Krieg im Irak zu verlieren. Bush versucht, die Unterstützung der Aufständischen durch den Iran für seine gesamten Probleme verantwortlich zu machen. Mit oder ohne iranischem Engagement werden die Aufstände im Irak weitergehen und den US-Amerikanern Verluste zufügen.
Aus diesem Grunde spielt Ahmadinedschad ein gefährliches Spiel. Er benutzt die natürliche antiimperialistische Stimmung innerhalb der iranischen Massen, um das Mullah-Regime zu stützen, das nach 30-jähriger Machtausübung höchst unbeliebt geworden ist. Um Unterstützung zu entfachen, versucht er sich auf einen Antiamerikanismus und die Feindschaft gegen Israel zu stützen. Es war eine offene Provokation gegen Israel, eine Konferenz abzuhalten, die vorgab zu beweisen, der Holocaust sei eine Fälschung. In Israel sucht die herrschende Klasse nach einer Rechtfertigung, um den Iran zu bestrafen, um sich einen Teil des Ansehens zurückzuholen, dass sie verlor, als ihnen die Hisbollah im Libanon eine Lektion erteilte.
Ahmadinedschads Position ist jedoch nicht so stark wie es scheint. Die letzten Wahlen haben gezeigt, dass die Regierung der Hardliner an Unterstützung verloren hat und die „Reformer“ an Boden gewonnen haben. Er gerät unter den Druck der islamischen Geistlichen, die fürchten, dass er den Bogen überspannt. Sie versuchen, ihn zu „moderateren“ Positionen zu bewegen und ihn vom Rande des Abgrunds zu holen. Seine letzten Äußerungen und sein Verhalten scheinen zu bestätigen, dass er sich dem Druck beugt.
Sollte sich die Lage zuspitzen und Israel den Iran bombardieren, würde das zu einem gewaltigen Zornesausbruch im gesamten Nahen Osten und darüber hinaus kommen. Es ist jedoch nicht klar, ob die Israelis bereit sind, das schmutzige Geschäft für Washington zu erledigen (obwohl die zionistischen Falken nichts lieber täten). Sie sind nach dem Debakel im Libanon im letzten Jahr in einer schwierigen Situation. Deshalb könnte Bush keine andere Wahl bleiben, als selbst den Befehl zu geben.
Er hat widersprüchliche Aussagen gemacht. Einmal sagt er, er habe nicht die Absicht den Iran zu attackieren, dann hält er wiederum bombastische Reden, wie er den Iran und Syrien aufhalten muss. Dies widerspiegelt den Druck, der von verschiedenen Kräften in den USA auf ihn ausgeübt wird. Es bleibt aber eine Tatsache, dass er die nötige Hardware, die es ihm erlauben würde, den Iran aus der Luft anzugreifen, in die Golfregion schafft. Dieser Umstand allein zählt mehr als Hunderte verbaler Dementis von Bush. Wenn er aber den Iran bombardiert, hätte das enorme Folgen.
Die Niederlage im Irak
Wir müssen uns daran erinnern, dass die US-Armee in den Irak eindrang, als das Land bereits am Boden lag, ausgeblutet durch die jahrelangen Sanktionen war und eine Armee besaß, die äußerst geschwächt war. Aus rein militärischer Sicht wurde das Ergebnis, der von den USA geführten Invasion nie in Zweifel gezogen. Es war für die Koalitionstruppen ziemlich einfach in Bagdad einzumarschieren. Aber aus dem scheinbar relativ leichten Sieg wurde ein Albtraum für die USA. Mit 150.000 Soldaten, die mit den modernsten und technisch ausgereiftesten Waffen ausgerüstet und durch Satellitenüberwachung gesichert sind, haben die US-Streitkräfte ihr Ziel objektiv verfehlt. Der Irak befindet sich jetzt in einem chaotischen Zustand.
Die Kosten für die USA sind extrem hoch und steigen weiter. Die US-Amerikaner haben bereits mehr als 3000 Tote und Tausende Verwundete zu beklagen. Niemand weiß, wie hoch die Zahl der getöteten und verwundeten Iraker ist, aber es gibt Schätzungen, die sich auf eine halbe Millionen belaufen. Diese werden im kaltblütigen Jargon des Pentagon als „Kollateralschäden“ bezeichnet.
Das Ziel dieses Kriegs ist – wie bei jedem imperialistischen Krieg – einfach zu benennen: Ausplünderung. Die rechte Clique um George Bush, tönte großartig, „die Demokratie im Nahen Osten einzuführen“, ein Geschwätz, das heute süffisantes Grinsen auf den Fluren im Kongress hervorruft. In Wirklichkeit war (und ist immer) hinter dem lächelnden Antlitz der „US-amerikanischen Demokratie“ die unersättliche Gier der großen Monopole, der Ölbarone (die sowohl mit George Bush und seiner Familie als auch mit Condoleezza Rice eng verknüpft sind), der Konzerne wie Halliburton (die enge Bindungen zu Dick Cheney haben).
George W., der Hinterwäldler aus Texas, hat sich sofort mit gleich gesinnten Leuten umgeben: Erzreaktionäre wie Donald Rumsfeld und Dick Cheney. Sie hatten ein Clique von Ratgebern, rechte religiöse Eiferer und Fanatiker des freien Marktes, wie John Bolton und Paul Wolfowitz. Letzterer wurde für seine geleisteten Dienste mit dem Amt des Präsidenten der Weltbank belohnt, eine Rolle, in der er kürzlich weltweit Berühmtheit erlang, als er eine türkische Moschee mit Löchern in den Strümpfen betrat.
Das Problem mit den rechten Republikaner sind nicht die Löcher in ihren Strümpfen, sondern die Löcher in ihren Gehirnen. Von Anfang an hatte die kleine Clique rechter religiöser Fanatiker das Denken des Präsidenten fest im Griff (insoweit man diesen Begriff angemessen verwenden kann, um die Aktivitäten, die sich im Schädel von George W. Bush abspielen, zu beschreiben).
Ein Mann ohne erkennbare Bildung, dessen intellektueller Horizont nicht über die Grenzen seiner texanischen Ranch hinausgeht und dessen Kenntnisse der Weltliteratur nicht das 1. Buch Mose der Bibel überschreitet, hörte bereitwillig den makaberen Fantasien seiner Bande von Scharlatanen und Ganoven zu, vor allem, wenn sie das magische Wort Öl benutzten.
Es ist bekannt, dass diese Bande lange vor dem 11. September einen Plan zum Angriff auf den Irak ausgearbeitet hatte. Das hatte nichts mit al-Quaida (deren Mitglieder sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Irak aufhielten) oder mit Massenvernichtungswaffen (die es nicht gab) zu tun oder das Produkt eines brennenden Wunsches war, dem irakischen Volk zu helfen, die Demokratie wiederherzustellen. Hinter diesen wundervollen Phrasen steckt das nackte Eigeninteresse der großen Monopole, Besitz vom irakischen Öl zu ergreifen.
Da jedoch in der Politik die Profitgier in der Öffentlichkeit keine besondere Begeisterung hervorzurufen scheint oder den nötigen Kampfgeist, der notwendig ist um die Unterstützung beizubringen oder wenigstens die passive Duldung eines Kriegs, müssen andere motivierende Faktoren gefunden werden. Für die herrschende Clique in Washington kamen die Ereignisse des 11. September wie Manna vom Himmel. Übernacht wurde ihr die notwendige Ausrede geliefert, um die Pläne, die sie bereits hinter dem Rücken der US-amerikanischen Bevölkerung ausgebrütet hatte, in die Tat umzusetzen.
Bushs persönliche Ambitionen
Die Hauptmotivation für den brutalen Angriff war sowohl ökonomisch als auch politisch begründet: der Wunsch die riesigen irakischen Ölreserven in Beschlag zu nehmen und zu plündern und die Entscheidung, ein Regime, das nicht bereit war, bei den Bestrebungen des US-Imperialismus im strategisch bedeutenden Nahen Osten mitzuspielen, zu vernichten. Es gab jedoch zweifellos für George Bush eine zusätzliche Motivation, die mehr von persönlicher Natur war.
George W.s Vater hatte den ersten Golfkrieg angeführt, der zumindest sein direktes Ziel (den Irak aus Kuwait zu vertreiben) erreichte, nicht jedoch sein wirkliches Ziel, Saddam Hussein zu stürzen. Zu diesem Zeitpunkt zogen die Strategen des Kapitals in Washington die Möglichkeit einer Invasion in den Irak in Betracht, gingen davon aber wieder ab. Sie glaubten, die Risiken seien zu groß. Deshalb hielt die US-Armee an den Grenzen des Irak an. Sie schaute in den Abgrund und zog sich zurück. Dies wurde von den Aposteln der republikanischen Rechten als Akt unverzeihlicher Schwäche betrachtet und kam fast einem Hochverrat gleich.
Nun hatten sie einen willigen Schüler im Weißen Haus und sie wollten sich diese Chance nicht entgehen lassen. „Sei kein Schlappschwanz wie dein Vater,“ flüsterten sie George W. in sein aufmerksames Ohr. „Du kannst dort Erfolge haben, wo er versagt hat. Du schaffst es. Amerika ist groß! Gott ist auf unserer Seite. Lasst es uns anpacken!“ Und George W. hörte zu. In seiner Brust brannte ein unlöschbarer Durst nach Ruhm, um etwas großartiges für Amerika zu tun. Gottverdammt! „In den Geschichtsbüchern Erwähnung finden.“ Dieses Ziel wird er erreichen, aber nicht genau so, wie er es sich vorgestellt hatte.
Persönlich ist George Bush ein Feigling und ein Schlappschwanz. Er drückte sich während des Vietnamkriegs vor dem Militärdienst. Aber wie alle Feiglinge und Schlappschwänze mag er es, das Image eines starken Mannes abzugeben. Daher die absurde Farce als er in Militärkleidung (obwohl er ein Deserteur war) und Flakjacke (obwohl nirgendwo eine Flak zu sehen war) an Bord des US-Kriegsschiffes (konnten sie keinen passenden Landeplatz finden?) erschien, um den jubelnden Soldaten mitzuteilen: „Die Mission ist erfüllt.“
Nur vier Jahre später ist die Mission weit davon entfernt, erfüllt zu sein. Im Gegenteil, die Mission hat als schmachvoller Misserfolg geendet und Bush kämpft darum, etwas von dem Wrack zu retten, während er öffentlich ruft, dass der Sieg noch möglich sei (es ist zu bezweifeln, dass er es jetzt noch glaubt).
Die herrschende Klasse der USA ängstigt sich
Nicht einmal die reichste Macht der Welt kann einen so großen Blut-, Tränen- und Goldverlust tolerieren. Vier Jahre nach der Invasion sind mehr als 3000 US-Soldaten getötet und mehr als 300 Milliarden US-Dollar ausgegeben worden. Die letzten Wahlen zum US-Kongress haben gezeigt, dass die meisten US-Amerikaner die Hoffnung verloren haben und den Irak verlassen wollen. Aber George W. Bush denkt anders. Er bleibt fest überzeugt, dass der „Sieg“ kurz bevor steht und der Nahe Osten darauf bedacht ist, den Segnungen der US-amerikanischen Demokratie entgegenzusehen.
Die herrschende Klasse der USA beginnt sich zu ängstigen. Mit einem Versuch dem Procedere einige Elemente rationalen Denkens hinzuzufügen, organisierte sie die Einrichtung einer speziellen Kommission zum Irak (die „Iraq Study Group“), in der James Baker, der frühere Außenminister, einer der beiden Vorsitzenden ist. Es handelt sich hierbei um eine Kommission, die von beiden Parteien getragen und von einem ehemaligen Staatsmann geführt wird, der ein zuverlässigerer Repräsentant des US-amerikanischen Establishments ist als der gegenwärtige Amtsinhaber im Weißen Haus.
Die Empfehlungen der Iraq Study Group machen vom Standpunkt des US-Imperialismus immerhin ein wenig Sinn. In der Tat wird festgestellt: „Wir müssen die Fakten akzeptieren: Wir haben den Krieg im Irak verloren. Es ist sinnlos einen Konflikt fortzuführen, der nicht zu gewinnen ist. Lasst uns unsere Verluste senken und uns so schnell wie möglich zurückziehen. Wir können das natürlich nicht sofort tun, weil das Chaos bedeuten würde. Wir müssen eine stabile irakische Regierung, einen stabilen Staat und eine stabile Armee aufbauen. Das heißt, wir brauchen eine Koalitionsregierung. Das ist nur möglich, wenn wir auch Hilfe von Syrien und dem Iran bekommen. Deshalb müssen wir anfangen zu diesen Staaten Brücken aufzubauen.“
Vom Standpunkt des US-Imperialismus war das ein sehr gut Rat. Wie war George Bushs Reaktion? Er ignorierte die von der Iraq Study Group befürwortete Strategie von einem schrittweisen Abzug und brachte die Theorie von der Anhebung der Truppenstärke (surge) ins Gespräch, welche vom American Enterprise Institute (AEI), einer rechten Denkfabrik, vorgeschlagen wurde und vom pensionierten Viersternegeneral und früheren stellvertretenden Stabschef Jack Keane stark unterstützt wird.
General Keane war mitverantwortlich für den AEI-Bericht mit dem Titel: „Choosing Victory: A plan for Success in Iraq“, der vom Militärwissenschaftler Frederic Kagan geschrieben und am 5. Januar veröffentlicht wurde. Dieser verlangt eine zusätzliche Anhebung der Truppenzahl um weitere 35.000. Die Sicherheit, schrieb Kagan, sei die Voraussetzung für eine politische Lösung und nicht anders herum. Nur wenn die US-Amerikaner einen glaubwürdigen Schutz bieten könnten, seien sie in der Lage die Milizen zu schwächen. Aber in der Realität kann selbst bei einer dreifach höheren Zahl an Soldaten keine Sicherheit garantiert werden. Und diese rechten Strategen übersehen das kleine Detail, dass die US-Armee schon jetzt ernsthaft überfordert ist.
In einer landesweit im Fernsehen übertragenen Rede am 10. Januar verkündete der Präsident, er wolle weitere 20.000 Soldaten in den Irak schicken, um vor allen Dingen den irakischen Truppen bei ihrer neuen Kampagne zur Sicherung Bagdads zu helfen. Etwa 4000 zusätzliche Soldaten seien für die gewalttätige Provinz Anbar im Westen des Landes bestimmt. US-Amerikanische Einheiten werden bei den irakischen Formationen „eingebettet“, um Viertel zu halten, die von bewaffneten Gruppen entrissen wurden. Die neuen militärischen Anstrengungen werden durch ökonomische, politische und diplomatische Maßnahmen unterstützt. US-Amerikanische Kommandeure und Regierungsbeamte wird beim Ausgeben von Geld eine größere Befugnis erteilt, in Bagdad wird ein „Wiederaufbau-Koordinator“ ernannt und der irakische Premierminister Nuri al Maliki wird sich fest an einer Reihe politischer „Maßstäbe“ halten.
Mit anderen Worten Bush hat Baker und der Iraq Study Group die kalte Schulter gezeigt. Er hat die von beiden Parteien unterstützten Forderungen zur Erreichung eines Abkommens mit dem Iran und Syrien abgelehnt. Stattdessen hat er diese Länder beschuldigt, die Ursache für die Gewalt im Irak zu sein. Er bestätigte die Stationierung einer weiteren Flugzeugträger-Kampftruppe und von Patriot-Raketen im Nahen Osten. Diese Warnung zeigt, dass er nicht nur bereit ist den militärischen Einsatz der USA im Irak zu verstärken, sondern sich selbst die Option eines Militärschlags gegen den Iran vorbehält.
Teherans Militärprogramm
Die Rechtfertigung hierfür ist die vermutete Entwicklung von Atomwaffen durch Teheran. Es ist sehr offensichtlich, dass die Iraner versuchen, Atomtechnologie zu entwickeln. Teheran behauptet, es sei für friedliche Zwecke. Das kann sein, aber es ist schwerlich einzusehen, warum ein Land, das riesige Öl- und Gasvorkommen besitzt, Atomenergie entwickeln muss. Wenn es um die Entwicklung alternativer Energiequellen ginge, so gibt es reichlich Sonne für die Solarenergie. Aus diesem Grund muss die Beschaffung von Nuklearenergie mit militärischen Zielen in Verbindung gebracht werden.
Das ist der Grund für berechtigten Ärger in Washington, Paris, London und Tel Aviv. Aber die gerade genannten Nationen besitzen Atomwaffen. Deshalb kann ihre Ablehnung keine moralischen und pazifistischen Gründe haben. Sie sind prinzipiell nicht gegen Atomwaffen. Nein, sie haben nur etwas dagegen, wenn andere diese besitzen. Ihr Widerwillen gegen den Besitz von Atomwaffen anderer Länder ist so leidenschaftlich, dass George Bush und sein Schoßhund in der Downing Street No. 10 (ein streng gläubiger, religiöser Mann mit einer leidenschaftlichen Beziehung zu den britischen Atomwaffen) in den Irak, einem angeblich souveränen Staat, einmarschierten, weil sie vermuteten, dass dieser „Massenvernichtungswaffen“ beherbergen würde.
Wir wissen mittlerweile alle, dass es sich dabei um eine Lüge handelte. Der Irak besaß keine derartigen Waffen. Wenn das Land diese wirklich gehabt hätte, hätten die Aggressoren es in Fetzen gerissen und zu Schutt und Asche gemacht und zwei Mal darüber nachgedacht, bevor sie dort eindrangen. Die US-Amerikaner haben nicht versucht in Nordkorea einzudringen, das Washington gegenüber eine lange Nase macht und öffentlich mit seinem Atomarsenal prahlt. Washington grollt und stößt Drohungen aus – und tut nichts. Wie alle Tyrannen greift der US-Imperialismus nur die Schwachen an, vermeidet es aber sich ein Land vorzunehmen, das zeigt, dass es in der Lage und bereit ist, sich selbst zu verteidigen.
Diese Lektion hat natürlich auch für den Iran seine Gültigkeit. Wenn Saddam Hussein zumindest teilweise besiegt wurde, weil er die gefürchteten Massenvernichtungswaffen nicht besaß, dann wäre es nur klug, sich diese so schnell wie möglich zu besorgen. Aus moralischer Sicht mag das sehr bedauernswert sein, vom militärischen Standpunkt ist die Logik tadellos. Unglücklicherweise zeigen die letzten Erfahrungen im Irak, dass die Welt nicht nach moralischen Regeln regiert wird und Waffen beim Weltenlauf eine gewisse Rolle spielen.
Die Mehrheit der Iraker will, dass die US-Truppen abziehen
Es ist eine schlichte Tatsache, dass die US-Amerikaner im Irak nicht aufgrund einer äußeren Einmischung besiegt wurden, weder durch Syrien, dem Iran oder wen auch immer, sondern weil die Mehrheit der Iraker sie nicht im Land haben will. Das beweist jede Meinungsumfrage und jedes Interview mit den Menschen in Bagdad oder Basra. Die Antwort ist identisch, ob man einen Schiiten oder einen Sunniten fragt: „Wir wollen, dass die Invasoren abziehen.“
Jedoch hat George Bush mit seiner unendlichen Weisheit beschlossen, dass sie eigentliche Schuld für die Aufstände in Damaskus und Teheran liegt. Er verspricht „die Einmischung durch den Iran und Syrien zu beenden und ihre Netzwerke zu zerstören“, aber er äußert sich nicht zu der hässlichen Einmischung der US-Amerikaner in die inneren Angelegenheiten des Irak. Er erwähnt nicht die Tatsache, dass der Irak vier Jahre nach der brutalen Verletzung seiner Souveränität durch die USA und seiner Alliierten immer noch ein besetztes Land ist, dass keinen eigenen Willen hat und nicht selbst über sein Schicksal entscheiden kann. Die Schuld dafür liegt nicht bei Syrien oder dem Iran, sondern bei den USA, Großbritannien und den anderen so genannten „Koalitionspartnern“, das heißt bei den kriminellen Partnern.
Es ist schon unglaublich, dass Bush, anstatt seine Lektion zu lernen, dabei ist, seine ursprünglichen Fehlern in einem noch größerem Umfang zu wiederholen. Er provoziert den Iran kontinuierlich und sucht nach einem Vorwand für eine militärische Aktion. So überfielen US-amerikanischen Truppen am 11. Januar das iranische Konsulat im Norden des Irak. Erst kürzlich hat er erklärt, dass über 100 US-amerikanische Soldaten durch im Iran produzierte Waffen getötet worden seien, dafür habe er Beweise. Diese Aussagen erinnern uns stark an die wilden Behauptungen über Massenvernichtungswaffen, die benutzt wurden, um die Meinung der Weltöffentlichkeit auf die Vergewaltigung des Irak vorzubereiten.
In seiner Januar-Rede gab Bush zu, er habe Fehler gemacht (welche sagte er nicht), fuhr dann aber fort, um zu akzeptieren, dass wahrscheinlich noch mehr US-Amerikaner sterben müssten und erklärte seinen Zuhörern, sie sollten keine „Kapitulationszeremonie an Bord eines Kriegsschiffes“ erwarten. Der Krieg, sagte er, sei Teil eines „entscheidenden ideologischen Kampfes unserer Tage“. Eine Niederlage käme einer Katastrophe gleich: der Sturz der irakischen Regierung, „unvorstellbare Massentötungen „, die Stärkung des radikalen Islam im gesamten Nahen und Mittleren Osten und ein Iran, das ermutigt würde Atombomben zu bauen.
Nachdem er die Nerven der US-amerikanischen Nation derartig beruhigt hatte, fuhr der Präsident triumphierend fort, um seine Lösung zu präsentieren: Er hat beschlossen, die Kriegsanstrengungen zu verdoppeln und wird über 20.000 neue Soldaten in den Irak schicken.
Erinnerungen an Richard Nixon
Diese Art von Verhalten erinnert auffallend an Richard Nixon in den letzten Jahren seiner Präsidentschaft. Als den Strategen des Kapitals schon klar war, dass der Vietnamkrieg eine verlorene Sache war, wurde es notwendig, eine Ausstiegsstrategie zu finden. Nixon beschloss hartnäckig weiter zu kämpfen und den Krieg auf Kambodscha auszuweiten, wo die US-Streitkräfte heimlich einen Krieg gegen die „kommunistische“ Guerilla führte.
Das führte zum Anstieg des Protests in den USA und zu einer allgemeinen Radikalisierung, besonders unter den Jugendlichen und hatte revolutionäre Untertöne. Die Stimmung der Soldaten in Vietnam war offen rebellisch, oft kam es zu Befehlsverweigerungen und zur Tötung von Offizieren. Ein US-General verglich die Stimmung unter den Soldaten mit der der Garnison in Petrograd 1917.
Mit dieser Situation konfrontiert, entschloss sich die herrschende Klasse der USA Nixon los zu werden, den man für unausgeglichen und außer Kontrolle geraten hielt. Das Establishment hat Mittel und Wege dies zu tun, ohne auf Wahlen zurückgreifen zu müssen. Es wurde ein Skandal eingefädelt – der berüchtigte Watergate-Skandal – um eine Palastrevolution, und dabei handelte es sich in der Tat, durchzuführen.
Das hat nichts mit den manchmal trivialen Themen zu tun, die im Watergate-Prozess aufgeworfen wurden, der sich nur mit den kleineren Gemeinheiten beschäftigte, die sich hinter den Kulissen der US-amerikanischen Politik ständig abspielen. Nixon wurde aus weitaus wichtigeren Gründen entfernt: er wurde abgelöst, weil er ein Abenteurer war, der sich übernommen hatte und dem Establishment, das heißt den Vorständen der Banken und Monopole, die die USA eigentlich regieren, außer Kontrolle geraten war.
Genau wie Nixon steht Bush beinah allein da. Seine noch verbliebenen Unterstützer besteht aus einer Clique rechter Fanatiker im Weißen Haus. Es waren offenbar sie, die ihn dazu überredeten, die Ratschläge der Iraq Advice Group zu ignorieren (das heißt, er hat sich gegen das Establishment entschieden). Sie waren es, die ihn davon abrieten mit Syrien und dem Iran Verträge abzuschließen. John Bolton, der größte Schreihals in dieser rechten Bande, ruft jetzt aggressiv nach Aktionen gegen den Iran. Mit anderen Worten, sie bewegen die USA in Richtung Abgrund.
Dieses irrsinnige Benehmen versetzt militärische Kreise in Aufregung. General John Abizaid, der Chef des Oberkommandos, das die US-Strategie im Irak und Afghanistan überwacht, hat die Vorstellung von der Anhebung der Truppenstärke abgelehnt. Vor nur drei Monaten sagte er bei einer Anhörung im Senat, dass die Anhebung auf 20.000 nur einen „vorübergehenden Effekt“ für die Sicherheit habe. Diese Maßnahme würde aber den Tag hinausschieben, an dem die irakische Armee die Kontrolle übernehmen könne; eine Verzögerung würde die amerikanischen Bodentruppen, die bereits die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht hätten, auf unerträgliche Weise belasten.
In der Vergangenheit hatte George W. Bush stets behauptet, er würde seinen militärischen Kommandeuren den Vortritt lassen, aber diesmal hat er ihre Ratschläge nicht angenommen. Stattdessen hat er General Abizaid entlassen und sein Irak-Team mit Schlüsselfiguren umbesetzt. General John Casey, der das Kommando im Irak hat, wurde „nach oben geschubst“, um Armee-Stabschef zu werden. Der Botschafter in Bagdad Zalmay Khalizad wurde zur UNO geschickt.
Mit vorgehaltener Pistole die Herzen und Köpfe gewinnen
Bagdad, die bevölkerungsreichste Stadt des Irak mit 6 Millionen Menschen aus den verschiedensten muslimischen Glaubensrichtungen befindet sich mittlerweile in einem sektiererischen Krieg, in dem täglich Dutzende oder Hunderte unschuldige Menschen ihr Leben lassen. Es war der US-Imperialismus, der die Bedingungen für dieses Gemetzel geschaffen hat, als er sich im Kampf gegen das auf Sunniten basierte Regime Saddam Husseins auf die schiitische Bevölkerung stützte. Er schuf ein Frankenstein-Monster, das außer Kontrolle geraten ist – genau wie zuvor Bin Laden und die Taliban.
Die US-Amerikaner haben versucht, die so genannte „Oil-Spot-Strategie“ zu verfolgen, bei der Forts befestigt werden und dehnt um diese herum die Sicherheitszonen Stück für Stück aus. In einigen Städten auf dem Lande, wo die US-Streitkräfte Zugangsstraßen überwachen und wo sie die Unterstützung der Stammesfürsten mit Hilfe von Bestechung in Anspruch nehmen, kann diese Strategie erfolgreich gewesen sein. Aber auf den überfüllten Straßen und Märkten von Bagdad ist sie zum Scheitern verurteilt. Im letzten Jahr folgte der gemeinsamen Operation von US-Amerikanern und Irakern mit dem Codenamen „Together Forward“ die brutalste Mordwelle, welche die Stadt je gesehen hat.
Die Strategen der Anhebung der Truppenstärke wie General Keane versichern uns, dass es „dieses Mal ganz anders werden wird“. Wie oft haben wir schon solche Aussprüche zuvor gehört? Es ist die Psychologie des Spielers, der den letzten Cent verloren hat, aber immer noch glaubt, er kann seine Verluste wettmachen und mit dem letzten Wurf ein Vermögen gewinnen.
General Keanes Vorschläge setzen wesentlich mehr Truppen voraus – fünf weitere US-amerikanische Brigaden zu den vier, die bereits dort sind und 18 (kleinere) irakische Armee- und Polizeibrigaden. Das, sagt er, gestattet es den US-Streitkräften nicht nur die Viertel der Aufständischen zu räumen, sondern dort zu bleiben und dafür zu sorgen, dass die ökonomische Entwicklung unmittelbar folgt. Die Iraker werden durch die Anwesenheit ausländischer Soldaten, die bereit sind ihre Eingangstüren um drei Uhr morgens einzutreten, sofort beschwichtigt sein, zusätzlich kommen noch die Segnungen der unzähligen Berater und Konstrukteure, die lukrative Aufträge von Halliburton und Co haben.
Das wirklich Neue an dieser Doktrin ist, dass die US-Soldaten nicht länger mit dem Kampf gegen die Aufständischen beschäftigt sein werden wie vorher. Sie werden zukünftig „bewaffnete Sozialarbeit“ betreiben. Wenn sie also deine Eingangstür am frühen Morgen eingetreten, alle Männer, die alt genug sind ein Gewehr zu halten verhaftet und die Frauen und Kinder zu Tode erschreckt haben, werden sie Ausweise vorlegen, die überzeugend beweisen, dass es sich bei dem Vorfall nicht um gewalttätige Repression gehandelt hat, sondern in Wahrheit um „bewaffnete Sozialarbeit“. Das hätte wunderbares Material für einen Film der Marx Brothers geliefert, wenn das Thema nicht so ernst wäre.
Hauptaufgabe der Soldaten solle es sein, die Unterstützung und das Vertrauen der Zivilisten zu gewinnen, sagt General Keane, und dabei sollen sie die erforderlichen Informationen erhalten, die es ihnen ermöglichen den Feind zu identifizieren. Aber einen Moment bitte! Haben wir das nicht alles schon einmal gehört. Natürlich. Alle, die über ein gutes Gedächtnis verfügen, erinnern sich, dass es in Vietnam das erklärte Ziel der US-amerikanischen Besatzungstruppen war, „die Herzen und Köpfe“ der Vietnamesen zu gewinnen, um so die Unterstützung für die Aufständischen zu untergraben. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde folgende sanfte Überredungsmethoden angewandt: Ganze Ortschaften wurden mit Waffengewalt gezwungen, sich in Konzentrationslager, so genannte „bewaffnete Dörfer“ zu begeben, was zu soviel Wohlwollen gegenüber den US-Amerikanern führte, dass die Zahl der Freiwilligen, die sich den Untergrundkämpfern anschloss, immens stieg. Wir haben überhaupt keine Zweifel, dass General Keanes „bewaffnete Sozialarbeit“ den gleichen Effekt im Irak haben wird.
Auf jeden Fall ist die Vorstellung als Ganzes grotesk. In Wahrheit fehlen den US-Amerikanern die Soldaten und den Irakern die Fähigkeit, um Gebiete zu halten, geschweige denn sie wiederaufzubauen. The Economist kommentiert dies wie folgt:
„Der Kampf gegen die Aufständischen erfordert eine große Zahl Soldaten und ein großes Durchhaltevermögen in Amerika, sagt das Handbuch. Jahrzehnte nachdem man die Vorstellung von ‚kleinen Kriegen‘ nach dem Trauma von Vietnam aus ihren Lehrbüchern gelöscht hat, müssen die US-Offiziere aufs Neue Lehrgeld bezahlen.“
„Im Zentrum der Doktrin zur Bekämpfung der Aufständischen steht die Vorstellung, die nicht beteiligte ‚passive Mehrheit‘ zu gewinnen. Aber nach so vielen Morden und der Zerschlagung der Hoffnung, wird es in Bagdad nicht mehr viele Menschen geben, die sich neutral verhalten. Irakische Meinungsumfragen sind nicht zuverlässig, sie zeigen aber, einen Trend für eine wachsende Unterstützung zur Ermordung amerikanischer Soldaten. Eine Umfrage fand heraus, dass 61% der Iraker, einschließlich die Mehrzahl der Schiiten und fast alle Sunniten, Angriffe auf Koalitionstruppen befürworten.“
„Weitere US-amerikanische Soldaten können für größere Sicherheit sorgen oder auch nicht. Sie werden aber den Aufständischen weitere Ziele bieten, auf die sie schießen können und die bei vielen Irakern bestehende Ablehnung der Besatzung verstärken. Viele Zivilisten könnten getötet werden, entweder aus Versehen, durch Unachtsamkeit oder noch schlimmer … Ein britischer General mit Irak-Erfahrung glaubt, dass zusätzliche US-Soldaten das Problem nicht lösen werden. ‚Es mag ja ruhig aussehen, wenn tagsüber die Humvee-Geländefahrzeuge vorbeifahren, aber die Milizen werden nachts zurückkommen, um zu töten oder die Menschen einzuschüchtern.'“
„Das Handbuch der US-Armee zur Bekämpfung von Aufständischen empfiehlt eine so genannte Saturationsstrategie von 20-25 Sicherheitskräften auf 1000 Zivilisten: dieses Verhältnis wurde angewandt, als NATO-Truppen 1999 in das Kosovo gingen. Für ein Land wie dem Irak würde das 535.000 – 670.000 Soldaten und Polizisten bedeuten. Die von der USA angeführte Koalition drang mit weniger als 200.000 Männer und Frauen in den Irak ein. Heute befinden sich dort gerade einmal 150.000 US-amerikanische, britische und andere Soldaten.“
The Economist fährt fort: „Selbst wenn man die irakischen Sicherheitskräfte hinzuzählt und dabei ihre Schwäche ignoriert, fehlen immer noch 473.000 Soldaten. Viele irakischen Soldaten sind routinemäßig abwesend, die Armee ist nur teilweise in der Lage, ihre Aufträge auszuführen und die Polizei ist oft korrupt und von Mitgliedern der Miliz infiltriert.“
Um etwas zu bewirken benötigte Bush eine halbe Million Soldaten, die bereit wären, jede nur erdenkliche Grausamkeit gegen die Bevölkerung zu begehen. Die US-Armee ist aber im Gegenteil jetzt schon ernsthaft überfordert. Die USA haben die Rolle geerbt, die Großbritannien im 19. Jahrhundert gespielt hat. Aber das war in der Periode des Aufstiegs des Kapitalismus und Großbritannien machte attraktive Profite durch die Ausbeutung seiner Kolonien in Afrika und Asien. Jetzt liegen die Dinge anders.
Die Epoche des Zerfalls des Imperialismus
Wir befinden uns in der Epoche, in der Imperialismus in Verfall gerät. Dies drückt sich in weltweiten Turbulenzen und Instabilitäten aus. Ein Krieg folgt dem nächsten, der Terrorismus breitet sich wie eine unkontrollierbare Epidemie aus. Dies sind Symptome für die grundlegende Krankheit des Kapitalismus im Weltmaßstab. Die USA ist weit davon entfernt aus seiner wirtschaftlichen und militärischen Überlegenheit, welche die Macht des Römischen Imperiums wie ein Kinderspiel aussehen lässt, Profit zu schlagen und betrachtet stattdessen seine Rolle in der Welt als eine immer unerträglicheren Belastung.
Abgesehen vom enormen Abzug seiner Ressourcen, bleibt die Frage der politischen Auswirkungen im eigenen Land und der Auswirkungen auf die Moral in den Streitkräften.
The Economist stößt folgende Warnung aus:
„Das Tempo bei der Rotation der Soldaten im Irak und in Afghanistan ist schon ein Bruch der Richtlinien des Pentagon: zwei Jahre zu Hause für jedes Einsatzjahr im Ausland für Berufssoldaten und sechs Jahre Entlastung für Reservesoldaten, die beinahe die Hälfte der gegenwärtigen Truppe im Irak stellen. Die Ausrüstung geht bei den Kämpfen schneller verloren oder wird schneller abgenutzt als vorhergesehen war. Eine größere Armee würde helfen, aber es dauert Jahre, um neue Kampfeinheiten zu rekrutieren und zu trainieren.“
„Niemand weiß, welche Belastungen die Bodentruppen aushalten können. Die Kommandeure sind beunruhigt über jedes Zeichen, das auf den Verlust der Moral hinweist, wie Einzelberichte über das Ansteigen der Scheidungsraten unter den Soldaten. Eine Umfrage in der Military Times im letzten Monat ergab, das die Unterstützung für den Krieg sinkt. Nur 41% stimmten der Entscheidung in den Irak zu gehen zu, gegenüber 56% im vergangenen Jahr. Im letzten Juni hat der Oberleutnant Ehren Watada sich als erster Offizier geweigert im Irak zu dienen. Er sagte, der Krieg sei ’nicht nur moralisch falsch, sondern ein schrecklicher Bruch des US-amerikanischen Rechts.'“
Trotz der oben genannten Belastungen für die Soldaten hat Bush beschlossen die Armee zu vergrößern. Die Anhebung der Truppenstärke wird durch die Ausdehnung des Dienstes im Irak, die schnellere Aufstellung der Streitkräfte, die für Ende des Jahres geplant war, und die Einberufung junger Reservisten im Jahre 2008 erreicht. General Keane glaubt, dass seine Anhebung der Zahl neuer Soldaten zwei Jahre lang aufrechterhalten werden kann. Es handelt sich hierbei um eine sehr riskante Strategie mit unvorhersehbaren Konsequenzen. Die Lage hat sich noch nicht so zugespitzt wie in Vietnam, sie bewegt sich aber in diese Richtung.
The Economist kommt zu dem Schluss: „Das Risiko besteht darin, wie in der Vergangenheit, dass die Aufständischen nur darauf warten, dass die US-Amerikaner weggehen oder in Gebieten, in denen sich weniger Soldaten aufhalten mit dem Töten weitermachen.“ Das Hauptproblem ist, dass die Aufständischen die Unterstützung der Bevölkerung haben und abtauchen und wieder auftauchen können, bevor die US-Amerikaner überhaupt eine Gelegenheit zum Handeln haben. Man kann die Aufständischen gewöhnlich nicht von den normalen Irakern unterscheiden und es gibt keine klar definierten Fronten. Das bedeutet, dass es zwangsläufig zu mehr Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung kommen wird und das wird den Hass gegen die ausländischen Invasoren weiter steigern und immer mehr Menschen werden sich den Aufständischen anschließen. Für jeden getöteten Kämpfer werden fünf, zehn oder zwanzig an seine Stelle treten.
Die Situation wird noch komplizierter durch den blutigen sektiererischen Kampf zwischen Sunniten und Schiiten. Die Flammen für diesen Albtraum wurde in erster Linie durch die US-Amerikaner angefacht. Nachdem sie die früher unterdrückten Schiiten ermutigten, sich gegen ihre sunnitischen Herren zu wenden, schufen sie eine günstige Atmosphäre für die Bildung der schiitischen Milizen. Durch die Einsetzung einer Regierung, die von ihren Alliierten, den Schiiten und den Kurden, dominiert wird, gaben sie den Sunniten das Gefühl, dass sie von der Macht ausgeschlossen und an den Rand gedrängt worden seien. Dies schuf die Grundlage für den gegenwärtigen sektiererischen Krieg.
Bush sagt, die irakischen und US-amerikanischen Truppen werden „grünes Licht“ haben, um in Bagdad überall hinzugehen. Aber selbst der leicht geistig verwirrte General Keane glaubt nicht, dass es im Moment klug wäre, Sadr City zu betreten, die Bastion von Muqtada al-Sadr, dem militanten schiitischen Geistlichen und Führer der antiamerikanischen Mahdi-Armee.
Das einzige, was die Wahlen erreicht haben, ist die Bewahrung der ethnischen Teilung des Landes in seiner Politik. Und von Tag zu Tag verlieren die USA ihre Einflussmöglichkeiten. Die unglückselige Regierung Maliki hat es bisher nicht geschafft, auch nur ein von den USA gesetztes Ziel umzusetzen: die gerechte Verteilung der Öleinnahmen, Wiederaufbaumaßnahmen in Höhe von 10 Milliarden Dollar, die Abhaltung von Provinzialwahlen, die Überarbeitung der Verfassung und den so genannten „De-Baathifizierungs-Prozess“. Dies alles ist bedeutungslos, wo doch die um die wahre Macht in den Straßen von Bagdad zwischen den US-Truppen und den Aufständischen gestritten wird.
Bush ist über die offensichtlich ausweglose Situation frustriert und versucht dem Iran für seine Probleme im Irak verantwortlich zu machen. Es ist klar, dass der Iran auf der Seite der Schiiten im Irak eingreift und diesen wahrscheinlich mit Waffen geholfen hat. Es ist genauso gewiss, dass Saudi Arabien die Sunniten mit Waffen und Geld unterstützt hat. Die reaktionäre Saudi-Monarchie befürchtet, dass der Zusammenbruch des Irak zu einem enormen Machtzuwachs des Iran in der Region führen könnte. Da aber George Bush und seine Familie gute Beziehungen zur herrschenden Clique in Saudi Arabien haben, hält er es nicht für nötig, dem Hause Saud zu drohen.
Eine ernsthafte Krise braut sich in den USA zusammen
Früher oder später wird diese Situation zu einer ernsthaften politischen Krise in den USA führen. Der von den Demokraten beherrschte Kongress versucht schon Druck auf Bush auszuüben. Theoretisch könnte er das Geld für die Kriegsführung verweigern. Das würde aber zwangsläufig zu einer ausgewachsenen Verfassungskrise in den USA führen und die Demokraten bekommen normalerweise kalte Füße, wenn es hart auf hart kommt. Es ist klar, dass eine immer größer werdende Fraktion der herrschenden Klasse von Bushs abenteuerlicher Taktik die Nase voll hat und die langfristigen Konsequenzen für die USA fürchtet.
Der Kongress hat seine Macht, den Geldhahn zuzudrehen, in der Vergangenheit genutzt, so zum Beispiel in den letzten Jahren des Vietnamkrieges. Das birgt Gefahren. Es würde den Republikanern ermöglichen, die Demokraten des Verrats zu beschuldigen, wenn der Krieg verloren geht. Momentan ziehen sie nur eine „unverbindliche Abstimmung“ als Protest in Betracht, um mit den Worten von Senator Joseph Biden „dem Präsidenten zu demonstrieren, dass er allein dasteht.“ Sie könnten auch dazu bewogen werden, die Erhöhung der Truppenstärke im Irak zu blockieren. Sie haben darauf bestanden, dass der Präsident den Kongress befragt, bevor etwas gegen den Iran unternimmt.
Die Interessen des Großkapitals, das die USA in Wirklichkeit kontrolliert, liegen nicht bei so unbedeutenden Dingen wie der Demokratie. Normalerweise bevorzugen die Großkapitalisten eine bürgerliche parlamentarische Demokratie, weil diese für sie am ökonomischsten ist. Sie gestattet es ihnen das Land zu führen, ohne das es jemand merkt.
Die Mehrheit der US-Amerikaner lebt mit dem Irrtum, sie würden tatsächlich entscheiden, wer sie regiert, wobei aber in der Praxis die Demokraten und die Republikaner zwei Flügel derselben herrschenden Klasse sind, die den Kongress besitzt, genauso wie sie das Land, die Banken, die Großunternehmen, die Zeitungen und die Fernsehgesellschaften besitzt.
In der Regel bevorzugen die Großkapitalisten die Republikaner, die originäre Partei des Big Business und aus diesem Grunde auch die originäre Regierungspartei. Die Republikaner stehen (oder standen) für eine billige Regierung, niedrige Steuern, weniger Einmischung in die Wirtschaft, einem starken Dollar und ausgeglichenen Haushalten. Das Großkapital – besonders das Finanzkapital – liebt derartige Regierungsprogramme. Aber gelegentlich kann eine republikanische Regierung in Schwierigkeiten geraten. Dann nimmt das Großkapital die Dienste ihrer Reservepartei, die der Demokraten, in Anspruch. Es verlagert sich flink vom rechten auf den linken Fuß, ohne nur für einen einzigen Moment auch nur einziges Atom seiner Macht über die Angelegenheiten der Nation abzutreten.
Deswegen knallten zweifelsohne die Sektkorken in der Wall Street als George W. Bush (mit höchst fragwürdigen Methoden) an die Macht kam. Hier war ein Präsident nach den Vorstellungen der herrschenden Klasse: ungehobelt, ignorant, engstirnig, provinziell. Na schön, er bekommt kaum zwei Sätze richtig zusammen, aber was soll’s, er ist einer von uns. Er schlug die richtigen Töne an: er kürzte die Steuern, kriegte die Armen an die Arbeit, kürzte die unnützen Staatsausgaben (d.h. Sozialausgaben) etc. Das war Musik in ihren Ohren! Und als er die Invasion in den Irak befahl, schien das zum damaligen Zeitpunkt auch eine gute Sache zu sein, und wie jeder weiß, ist das, was für das Big Business gut ist auch gut für Amerika.
Aber jetzt haben sich die Dinge geändert. Der Krieg lief anders als geplant und er ist in den USA schon höchst unbeliebt. Viele Republikaner äußern ihre Zweifel am Krieg. Der einzige republikanische Kandidat, der die Anhebung der Truppenstärke lautstark unterstützt, ist John McCain vom rechten Flügel. Andere Kandidaten sprechen sich mehr oder wenig für den Abzug aus. Aber Bush bleibt unerbittlich. Er hat das Urteil der Iraq Study Group abgelehnt und handelt gegen die kollektiven Interessen des Großkapitals. Das wird sein Schicksal besiegeln.
Es mag sein, dass Bush nicht einmal mehr die nächsten zwei Jahre übersteht. Die herrschende Klasse wird ihn ohne Zeremonie loswerden, wenn er die USA in weitere militärische Abenteuer stürzt. Vielleicht erleidet er plötzlich nach einer spektakulären Niederlage eine „Krankheit“ oder die Presse wird einen Skandal aufdecken (es müssen sehr viele Beweise in den Akten von FBI und CIA vorliegen), in dem die führenden Republikaner verwickelt sind und zu einer Serie von Rücktritten führen, so dass es für Bush unmöglich ist, weiterzumachen. In letzter Instanz könnten sie beschließen, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Auf jedem Fall ist George W. Bush am Ende.
Der Absturz von Bush wird die Schleusentore in den USA öffnen. Schon jetzt besteht in der US-Gesellschaft eine Stimmung der Unzufriedenheit, die Reallöhne haben während eines Aufschwungs stagniert oder sind gefallen, große Teile der Jugend sind durch den Krieg radikalisiert worden, es gibt weit verbreitete Zweifel an der Regierung und das gesamte soziale System wird immer öfter in Frage gestellt.
In diesem Zusammenhang ist das Establishment bereit vom rechten Stiefel auf den linken zu wechseln. Der plötzliche Aufstieg des „radikalen“ afroamerikanischen Kandidaten Barack Obama ist dazu bestimmt um die Stimmen der Unzufriedenen zu werben und das angeschlagene Image des Zweiparteiensystems (in Wirklichkeit Einparteiensystems) wiederherzustellen. Aber dies ist wahrscheinlich das letzte Mal das sie damit ungeschoren davonkommen. Welche Fraktion der herrschenden Klasse die nächsten Wahlen auch gewinnt, es werden keine Probleme gelöst werden. Die Voraussetzungen für eine stürmische Zeit in den USA und in der Welt sind geschaffen.