Der Institution Kindergarten und damit auch den dort tätigen Elementarpädagoginnen, Betreuerinnen und Assistentinnen werden viele Wünsche entgegentragen. Er soll möglichst lange und flexible Öffnungszeiten haben, um den Eltern ein ungestörtes Berufsleben zu ermöglichen. Die Pädagoginnen sollen die Kinder optimal auf die Schule vorbereiten, damit ist im wesentlichen gemeint, dass die Kinder im Optimalfall sozio-emotional, kognitiv und motorisch so “hergerichtet” werden, dass sie in der Volksschule funktionieren. Aus der Perspektive der Kinder wiederum ist Kindergarten einfach ein Teil ihrer Lebenswelt, in dem auf ihre Bedürfnisse Rücksicht genommen werden soll und der ihnen die Möglichkeit eröffnet über ihren Alltag dort mitzuentscheiden. Aber wie sieht nun die Realität in einem Kindergarten aus? Unsere rasende Reporterin Rosa Riedl hat sich für uns umgehört und berichtet.
Als ich in den Kindergarten komme, herrscht im Eingangsbereich reges Treiben. Einige Kinder sind gerade dabei sich von ihren Eltern zu verabschieden. Das sieht so verschieden aus, wie Kinder eben verschieden sind. Manche laufen freudig in den Gruppenraum und begrüßen ihre Freunde und Freundinnen. Ein Mädchen sieht sehr verschlafen aus und kuschelt sich zur Assistentin, die gerade einer kleinen Gruppe von Kindern ein Buch vorliest. Zwei Buben können sich nicht von ihrem Vater trennen und beginnen zu weinen, als dieser sich verabschieden möchte. Pädagogin und Assistentin haben beide alle Hände voll zu tun. Es sind 25 Mädchen und Buben, die von diesen beiden Frauen den ganzen Tag über betreut werden.
Marlene, die Assistentin, liest einer Gruppe von Kindern ein Buch, möchte das nun aber beenden, um die Vormittagsjause vorzubereiten. Eines der kleineren Mädchen, denen sie gerade eben noch vorgelesen hat, ist damit allerdings gar nicht einverstanden und beginnt laut zu weinen. Fragend blickt Marlene zu ihrer Kollegin Eva. Diese nickt nur kurz. Daraufhin hebt sie das Mädchen hoch und nimmt sie mit in die Küche. Im Vorbeigehen sagt sie mir nur kurz: “Eigentlich ist das ja nicht erlaubt. Aber was willst du machen, wenn so ein Knopf an dir hängt?”
Marlene erzählt mir, dass das eben Erlebte keine Ausnahme darstellt, sondern eher die Regel ist und meint: “Ich bin eigentlich froh, dass ich Assistentin und nicht Pädagogin bin. So kann ich immer wieder mal aus der Gruppe raus, zum Essen herrichten oder Putzen, und kurz durchschnaufen.” Nicht, dass sie die Arbeit mit den Kindern nicht genieße, “aber es ist schon anstrengend auch, vor allem auch weil wir viel zu wenige Erwachsene in der Gruppe sind.” An manchen Tagen – besonders in der Eingewöhnungszeit – sei sie schon zu Mittag “total geschlaucht”. Sie und Eva würden diese Arbeitseinteilung Assistentin und Pädagogin aber ohnehin nicht so eng sehen. Da geht auch mal die Pädagogin Wäsche aufhängen oder Klo putzen und die Assistentin führt währenddessen ein neues Lied ein. Marlene weiß aber aus eigener Erfahrung, dass das nicht in allen Teams so ist. “Für manche bist du einfach eine bessere Putze”, meint sie.
Sie arbeite aber trotz der vielen Herausforderungen sehr gerne in ihrem Beruf, sie findet ihn “ehrenhaft” und die Arbeitsbedingungen um einiges besser, als bei ihrem vorherigen Job im Gastgewerbe. “Der große Vorteil ist, dass ich jetzt bei der Gemeinde arbeite, jetzt gibt es keine Diskussion mehr, wenn ich eine Überstunde habe, dann ist diese Überstunde offiziell. Ich brauche jetzt auch nicht mehr so viel Angst haben, wenn ich in Krankenstand gehe. Im Gastgewerbe werden dir Überstunden nicht ausbezahlt und wenn du länger krank bist, wirst einfach gekündigt.” Dann ist unsere Zeit zu plaudern auch schon wieder um, wir gehen mit einem Servierwagerl voller Essen und Geschirr in den Gruppenraum zurück. Dort herrscht gerade High-Life. Drei Mädchen wollen ein Spiel mit Eva spielen, ein Junge muss aufs Klo, ein anderer hat sich gerade den Kopf angeschlagen und eigentlich wollte die Pädagogin soeben einer Gruppe von Kindern ein Buch vorlesen. Erst als wieder alle beruhigt worden sind und beim Tisch sitzen, hat Eva ein bisschen Zeit, um mir von ihrer Arbeit als Elementarpädagogin zu erzählen. Ich frage sie, ob es immer so zugeht, wie gerade eben. Sie bejaht und meint: “Eigentlich ist heute eh ein ruhiger Tag, weil die Kinder recht geduldig sind und es keine großen Streitereien oder gar körperliche Auseinandersetzungen gibt.”
Plötzlich werden wir von Marlene unterbrochen: “Ich glaube Samira hat Fieber, rufst du ihre Eltern an?” “Das wird wenig Sinn haben”, meint Eva, “ihre Mutter hat mir letztens schon erzählt, dass sie sich keinen Pflegeurlaub mehr nehmen kann.” Ich frage nach, ob sie auch kranke Kinder im Kindergarten behalten dürfen. Eigentlich ist es nicht erlaubt, aber Marlene erklärt: “Zuerst nimmt die Mama zwei Wochen Pflegefreistellung, dann der Papa. Und dann brauchen sie den Urlaub auf. Die Eltern haben Angst um den Job. Und natürlich stopfen sie dann das Fieberzäpfchen rein und dann denkt man sich, du arme Wurst. Es ist die Gesellschaft nicht wirklich sehr sozial.” “Also wir rufen die Eltern im Normalfall schon an, wenn das Kind krank wird bei uns, aber wenn es bei ihnen gar nicht geht, dann behalten wir das Kind schon da.“ Eva greift den Faden von Marlene auf, dass unsere Gesellschaft nicht sehr kinderfreundlich ist: “Es ist immer so, dass man als Kindergärtnerin sehr viele sich widersprechende Anforderungen unter einen Hut bringen soll.”
Auch für sie selbst als Elementarpädagogin seien die Rahmenbedingungen schwierig, wenn sie z.B. als Pädagogin mit 36 Stunden Kinderdienst, innerhalb von vier Stunden Vorbereitungszeit die ganze Woche planen soll, inklusive Ausflüge, für die man sich auch einmal den Ort vorher anschauen sollte, inklusive Einkäufe für Basteleien erledigen, Dokumentation und Reflexion, Teambesprechungen und Elterngespräche. Dass sich das nicht ausgehen kann, ist einleuchtend. Deswegen erledigt Eva – wie ihre Kolleginnen auch – vieles davon in ihrer Freizeit.
Eines der Grundprobleme warum sich die Arbeitsbedingungen im Kindergarten nicht verbessern, sieht sie in der zu schwachen Interessensvertretung: “Also ICH habe nicht das Gefühl, dass wer da ist, der mich wirklich vertritt. Ja die Gewerkschaft, aber das ist so eine eigene Sache. Offiziell schon, aber in Wirklichkeit vertreten die uns nicht wirklich. Weil wenn uns die Gewerkschaft vertreten würde, hätten wir genauso Streiks wie die Lehrer, meiner Meinung nach. Es gibt genügend Kolleginnen, die bereit dazu wären.”