Am vergangenen Samstag ging die Veranstaltung „Wie weiter nach den Koalitionsschock?“ in Linz über die Bühne. An die dreißig SJ-AktivistInnen, GewerkschafterInnen, BetriebsrätInnen und interessierte Studierende waren gekommen, um über die Perspektiven eines linken Projekts in ÖGB und SPÖ zu diskutieren.
In ihren Einleitungsstatements zeigten sich die VertreterInnen von SJ Oberösterreich, der Linzer „Protestsektion“, der aks Linz und der Initiative „Wir sind ÖGB“ einig, dass das Regierungsprogramm abzulehnen sei, weil es in jeder Hinsicht einen Angriff auf die Rechte von ArbeitnehmerInnen, Arbeitslosen, Lehrlingen, SchülerInnen, Studierenden usw. bedeute.
Martin Wieland, Aktivist des „Funke“ und Unterstützer der Kampagne „Wir sind ÖGB“ wies exemplarisch auf die Verschlechterungen im Bereich des Lehrlingsschutzes und der Flexibilisierung der Arbeitszeitregelungen hin: „Es ist kein Zufall, dass sich ausgerechnet der ÖGB in dem berüchtigten Sozialpartnerpapier für die jetzt im Regierungsprogramm verankerten Maßnahmen ausgesprochen hat. Insofern hängt der Protest gegen die Regierung eng mit der Frage der Ausrichtung des ÖGB zusammen. Und hier muss man den Reformprozess eindeutig negativ bilanzieren. Die sozialpartnerschaftliche Linie – d.h. das Mitverhandeln von Verschlechterungen – ist nicht in Frage gestellt worden. Das traditionelle Weltbild des ÖGB seit 1945 – dass die ArbeiterInnenbewegung davon profitiert, wenn die eigenen KapitalistInnen am Weltmarkt reüssieren und man deshalb Zugeständnisse machen müsse – ist trotz aller Skandale noch immer für die Führungskreise der Gewerkschaften selbstverständlich. Erst ein Bruch mit dieser Logik wird es ermöglichen, sich entschieden gegen die Regierungslinie zu stellen und das Gewicht der sozialistischen GewerkschafterInnen in der SPÖ zum Tragen kommen zu lassen. Ein linker Flügel wird letztlich nur dann eine Berechtigung haben, wenn er diese Fragen thematisiert. Das bedeutet: Kampf für einen Austritt aus der Koalition und programmatische Neuausrichtung der Organisationen der ArbeiterInnenbewegung.“
Klaus Baumgartner von der aks Linz zeigte auf, dass jenseits der schönen Phrasen zu Beginn des Bildungskapitels real nur Verschlechterungen im Bildungsbereich zu erwarten sind. Selbst die viel gerühmte Senkung der Klassenschülerhöchstzahl sei Augenauswischerei, weil zu wenig Budgetmittel für dieses unverbindlich formulierte Ziel vorgesehen wären.
Die Vorsitzende der SJ Linz und Mit-Initiatorin der „Protestsektion“ Rebecca Kampl berichtete, dass sich bereits 550 Menschen aus ganz Österreich gemeldet haben, die der neu gegründeten Sektion, die zum Bezirk Linz Stadt gehört, beitreten wollen. Zu je einem Drittel stammen sie aus Oberösterreich, Wien und Restösterreich. Ende Februar werde ein erstes Treffen abgehalten. Sie bekannte sich dazu, dass die neue Sektion unter dem Dach von „Wir sind SPÖ“ aktiv sein werde. Gleichzeitig nahm sie aber am Rande der Diskussionsveranstaltung davon Abstand, dass sich diese Initiative für eine Aufkündigung des Koalitionspakts aussprechen solle.
Der Vorsitzende der SJ OÖ Michael Lindner begrüßte in seinem Redebeitrag die Ablehnung der oberösterreichischen VertreterInnen des Bundesparteivorstands. Gleichzeitig müsse man sich im Klaren sein, dass diese oppositionelle Haltung aus den verschiedensten Motiven heraus zu Stande kommt. So habe sich z.B. die Haltung von Franz Voves nur aus persönlichen Erwägungen ergeben. Auch Erich Haiders Beweggründe müsse man hinterfragen. Oft stehe hinter der Unzufriedenheit weniger die Einsicht, dass nur eine kämpferische, sozialistische Linie die Lösung sei, als vielmehr ein taktischer Protest gegen den Gusenbauer-Kurs. Da es ein breites Spektrum von Zugängen innerhalb der Initiative „Wir sind SPÖ“ gebe, dürften SozialistInnen dieses Bündnis nicht durch zu harte Kriterien gefährden. Man müsse sich erst ansehen, was die Erwartungen der Leute sind, die sich bei den Initiativen gemeldet haben.
Es meldeten sich auch zwei BetriebsrätInnen zu Wort. Elisabeth Neulinger, Betriebsrätin im Linzer AKH, sprach wohl vielen BasisaktivistInnen aus dem Herzen, als sie sich entsetzt über das Regierungsprogramm im allgemeinen, und um den schmachvollen Umgang mit der Jugend durch Gusenbauer im besonderen zeigte. Sie werde genau verfolgen, wie sich die Ereignisse nun weiterentwickeln. Diese kritische abwartende Haltung nehmen zurzeit wohl viele Menschen an der Basis ein.
Christian „Gigs“ Buchinger, Betriebsrat von E+E Elektronik und Bruder des frischgebackenen Sozialministers, mahnte zur Vorsicht. Nur durch eine möglichst breite Bewegung, die Druck auf die SPÖ-Regierungsmannschaft ausübt und die linken Kräfte stärkt, könne man Verbesserungen im Rahmen der Koalition erreichen. Ein Austritt aus der Koalition sei keine Lösung, weil schon die „Regeneration“ nach dem Ausscheiden im Jahr 2000 nichts grundsätzlich verändert habe. Diese Position unterstützte auch Martin Ruprechtsberger von der AK OÖ. Martin Wieland entgegnete, dass es sich mit der Forderung nach Austritt um einen Schlachtruf handle, um alle kritischen Kräfte auf einer prinzipiellen Basis zu vereinigen. Ein bloßer Austritt ohne eine programmatische Neuausrichtung sei natürlich zu wenig.
Die AktivistInnen des „Funke“ unterstrichen, dass man sehr wohl die Regierung rund um konkrete Fragen unter Druck setzen müsse. Allerdings würde eine solche Einheitsfront nicht dem widersprechen, dass die SJ und kritische Parteimitglieder innerhalb der Oppositionsinitiativen sagen müssen, was notwendig ist: Dass eine interne Opposition eine fundamentale Kritik üben und sich demokratische Strukturen für den Kampf für die Veränderung der Partei geben muss. Ansonsten würden diese Projekte Gefahr laufen, zu „linken Seilschaften“ zu verkommen, die für den Aufstieg im Parteiapparat benutzt werden würden. Wir sollten die Karriere der Ex-„Linken“ Gusenbauer, Cap und Co. als mahnendes Beispiel sehen.
Denn wer nicht die Konsequenz ziehe, dass man das Regierungsprogramm ablehnen muss, den Austritt aus der Koalition fordert und gegen die Regierung mobilisiert, läuft Gefahr zum linken Feigenblatt zu verkommen. Solche „Verbündete“ würden immer, wenn es hart auf hart kommt, vor der Parteiführung kapitulieren. Die Begründung dafür wurde auch prompt aus dem Publikum vom Vorsitzenden der aks Oberösterreich Tobias Haas gegeben: Wer die Regierung von innen stürzt, ist mit schuld an einer zukünftigen Bürgerblockregierung.
Die AktivistInnen des „Funke“ hielten dem entgegen, dass sich eine solche „Opposition“ am Ende des Tages immer hinter Gusenbauer stellen müsse, der aber wiederum ÖVP-Politik betreibe. Wenn auch unter anderen Rahmenbedingungen, würde „Wir sind SPÖ“ das gleiche Schicksal erleiden wie etwa die Rifundazione Comunista in Italien, die „eigentlich“ das Programm Prodis ablehnt, aber mehrheitlich nicht am Scheitern der Mitte-Links-Koalition verantwortlich sein möchte – was zum Vertrauensverlust in die Partei durch die ArbeitnehmerInnen und letztlich zur Zerstörung der Partei selbst führe. Was uns eine Warnung sein solle: Die Angriffe auf den Lebensstandard und auf die Arbeitsbedingungen der Massen der Prodi-Regierung seien viel härter als unter der Regierung Berlusconis.
Bilanz
Die Veranstaltung war ein wichtiger erster Schritt, um den Diskussionsprozess innerhalb der Linken in Oberösterreich in Gang zu bringen. Wir hoffen, dass weitere Veranstaltungen wie diese folgen werden. Wir begrüßen alle Initiativen, die unzufriedenen GenossInnen und KollegInnen ein Forum geben, um sich über die weitere Vorgangsweise abzusprechen. Die beste Variante sind Aktionskonferenzen, zu der alle KollegInnen, die sich bei „Wir sind SPÖ“ eingetragen haben oder der Protestsektion angehören, eingeladen werden. Wir begrüßen auch das baldige Gründungstreffen der Protestsektion, der auch UnterstützerInnen des „Funke“ beigetreten sind. Wir werden uns mit aller Kraft bei der Protestsektion einbringen. Es ist zu begrüßen, dass hier demokratische Treffen abgehalten werden sollen.
Die SJ Oberösterreich sollte sich daran ein Beispiel nehmen und ebenfalls versuchen eine öffentliche Veranstaltung zu organisieren. Leider war es nicht möglich gewesen, von der SJ OÖ die „Wir sind SPÖ“-Adressen aus Oberösterreich zur Bewerbung unserer Veranstaltung zu bekommen. Michael Lindner hatte dies mit der Begründung verweigert, dass nur die Initiatoren der Initiative die Daten verwenden dürfen. Leider gab es aber auch keinerlei Versuch seitens der SJ OÖ, um diese Daten auch nur anzufragen. Die in Oberösterreich selbst gesammelten Unterschriften blieben unter Verschluss. Mit diesem Schrebergartendenken kann niemandem gedient sein. Für zukünftige Veranstaltungen müssen die Adressen herangezogen werden!
Wir vertreten den Standpunkt, dass es eine politische Alternative zur jetzigen Ausrichtung der SPÖ- und Gewerkschaftsführung braucht. Rund um welche Ausrichtung soll sich nun die Linke organisieren? Es gibt nicht wenige, die auf die von der SJ losgetretene Protestwelle aufgesprungen sind, nur um den Unmut zu kanalisieren und die Initiativen wie „Wir sind SPÖ“ auf ein linkes Feigenblatt für die SPÖ reduzieren wollen. Indem solche Kanäle geöffnet werden, wo die Basis Dampf ablassen kann, soll die Einheit der Sozialdemokratie einmal mehr aufrechterhalten werden. Eine derartige „Opposition“ braucht es aber nicht.
Jetzt braucht es eine prinzipielle Kritik am Gusenbauer-Kurs. Eine Parteilinke muss sagen, was ist: In einer Koalition mit der ÖVP ist keine grundlegende Verbesserung der Lage der ArbeitnehmerInnen möglich. Diese Position sollte die SJ in die Initiativen „Wir sind SPÖ“ und in die Protestsektion einbringen. Es stellt sich die Frage, wie wir den Kampf gegen weitere Angriffe (z.B. Ladenöffnungszeiten, Arbeitszeitverlängerung,…) und für die Wahlversprechen der SPÖ (Abschaffung der Studiengebühren, Abbestellung der Eurofighter usw.) führen können. Um diese Frage beantworten zu können, muss die Vernetzung, die sich die Plattform „Wir sind SPÖ“ zum Ziel gesetzt hat, konkrete Formen annehmen. Es braucht eine Konferenz der Parteilinken, wo diese Fragen diskutiert werden und wo konkrete Schritte und Aktionen beschlossen werden.
Harald Lindner
SJ Römerberg/Linz