Im Dezember 1999 die überfraktionelle „Steuerinitiative im ÖGB“ gegründet. Sie hat sich zur Aufgabe gestellt, die Umverteilungsfrage innerhalb des ÖGB wie auch gesamtgesellschaftlich zu thematisieren. Prinzipiell also eine begrüßenswerte Initiative. Für die Gewerkschaftsbewegung stellt sich nun die Frage, ob die vorgeschlagenen Lösungsansätze ein taugliches Mittel sind, um aus der Defensive heraus zu kommen.
Die Initiative fordert vor allem eine Umstellung des Steuersystems:
1. Einführung einer Wertschöpfungsabgabe bei gleichzeitiger Senkung der Lohnnebenkosten
2. Einführung von Energieabgaben (bei sozialem Ausgleich)
3. (Europaweite) Einführung der Tobin-Steuer auf Finanzspekulationen zur Förderung des produktiven Kapitals
Durchgesetzt werden sollen die Forderungen über den Weg einer Volksabstimmung.
Hoffen auf eine Mehrheit im Parlament
Bevor wir die inhaltlichen Forderungen genauer unter die Lupe nehmen, zur Frage der Volksabstimmung. Laut Gesetz muss eine Volksabstimmung von der Mehrheit der Abgeordneten im Nationalrat beschlossen werden. Durch eine von einem Netzwerk verschiedener sozialer Organisationen getragene Kampagne will man soviel politischen Druck erzeugen, dass neben der Opposition auch Abgeordnete von ÖVP und FPÖ mitstimmen, um im Parlament eine Mehrheit zu bekommen. Diese Strategie wurde vom ÖGB bereits bei der Abstimmung über die Pensionsreform erprobt ? bekanntlich ohne Erfolg. Mit guten Argumenten wird man die Bürgerblockregierung aber nicht überzeugen oder zu Konzessionen zwingen können. Dazu wird es schon ein wirklich ernst zu nehmendes Druckmittel, wie Mobilisierungen in den Betrieben bis hin zu Streiks, benötigen.
Ein Weg aus der Defensive?
Die anvisierte Kampagne kann aber natürlich allein schon zwecks gesellschaftlicher Sensibilisierung trotzdem sinnvoll sein – vorausgesetzt die Forderungen machen Sinn.
Die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe ist sicher unterstützenswert. Die Steuerinitiative fällt allerdings mit dem Zusatz der gleichzeitigen Senkung der Lohnnebenkosten sogar hinter die offizielle ÖGB-Forderung zurück. Der Ruf nach einer Energieabgabe (auch Ökosteuer genannt) klingt gut, schließlich geht es um den Schutz unseres Lebensraumes. Die konkrete Praxis (z.B. in Deutschland) zeigt aber, dass diese Art der Besteuerung letztlich nur eine neue Massensteuer ist. Die Steuerinitiative versucht diesen Effekt durch die Forderung nach einer „sozial ausgewogenen“ Einführung zu unterlaufen. Aufgabe der Politik sei es „für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen“ administrierbare Regelungen zu finden?.
Auf die Regelung, die die schwarz-blaue Regierung in diesem Zusammenhang finden wird, dürfen wir gespannt sein. Und schlimmer noch: dem Kapital soll die Energiebesteuerung durch eine Senkung der Lohnnebenkosten versüßt werden („Damit die Wirtschaft des Landes konkurrenzfähig bleiben kann…“). Kapital und Lohnabhängige werden durch diese Regelung zu gleichen Teilen für Umweltzerstörung und räuberischen Umgang mit natürlichen Ressourcen verantwortlich gemacht. Als ob unsereins frei darüber entscheiden könnte, ob er umweltfreundlich handelt oder nicht.
Die Gewerkschaft sollte sich besser mit der Frage beschäftigen, wie man die Verursacher der Umweltzerstörung „die Industrie“ zur Verantwortung ziehen und die Zerschlagung der Bahn verhindern könnte.
Fazit: Mit diesem Programm (zur Tobin-Tax siehe Artikel S. 10f.) wird es der Gewerkschaftsbewegung kaum gelingen aus der Defensive zu kommen.
„Aus dieser umfassenden Defensive werden wir nicht heraus kommen, indem wir uns einfach vornehmen, in den Betrieben stärker aufzutreten.“, schreibt die Steuerinitiative. Das stimmt solange die Gewerkschaft an einer sozialpartnerschaftlichen Politik festhält und permanent vor den Forderungen der UnternehmerInnen zurückweicht. Allein mit einer noch so guten Steuerpolitik kann aber die fortlaufende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in den Betrieben nicht gestoppt werden. Im Gegenteil, die Einführung der 35-Stunden-Woche in Frankreich zeigte, dass sich das Kapital ohne unsere betriebliche Gegenwehr die Kosten jeder sozialpolitischen Maßnahme auf Betriebsebene von uns doppelt und dreifach zurückholt.
Es ist die gewerkschaftliche Stärke in den Betrieben, die uns in die Lage versetzen kann, weitreichende Forderungen auf politischer Ebene durchzusetzen. Der umgekehrte Weg mag für manche bequemer sein – zielführend ist er allerdings nicht.
Herbert Bartik, Aktion Handeln