Justiz-Skandal in St. Pölten
Vier junge Kommunisten aus St. Pölten mussten am 9.9 vor Gericht und wurden für ein paar dutzend verklebter A4 Plakate mit Haftstrafe bedroht. Ein Bericht von Fritz Haider.
Kurz davor gab es eine Protestkundgebung mit Vertretern der niederösterreichischen Arbeiterbewegung. Nicht nur die Linke Plattform Niederösterreich, sondern auch die KPÖ Niederösterreich (Max Zirngast ließ sich entschuldigen) und ein Genosse von Links Wien waren vertreten. Kämpferische Reden unserer Genossen und von Stadtrat Josef Baum (Linke Plattform NÖ) rundeten das Bild ab.
Gleich am Anfang machten die Genossen von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch und bekannten sich nicht schuldig. Kern des ausschweifenden Beweisverfahren war eine Diashow von 44 Plakaten und Sticker. Auf keinem der Fotos waren die Angeklagten zu sehen. Wichtigster Anhaltspunkt des Richters: Zwei Polizeibeamte gaben an zwei der Angeklagte gesehen zu haben, wie sie an einem „Mülleimer hantieren“ – ob sie dort plakatiert hatten, konnten diese auf Nachfrage des Verteidigers nicht eindeutig sagen. Zu den 43 weiteren Plakaten fanden sich gar keine Zeugen, es wurde nicht mal nachgewiesen, dass die Auswahl an 44 Plakaten in derselben Nacht verklebt wurden.
Die zwei anderen Genossen waren überhaupt nur angeklagt, weil sie bei einer späteren Personenkontrolle zu viert am Bahnhof gewartet haben. Einer dieser Genosse wurde wegen Mittäterschaft schuldig gesprochen auf Basis von Begriffen wie „Aufpasser- und Unterstützungsdiensten“ – er hatte eine Handvoll Sticker und Plakate im Rucksack. Die andere Genossin wurde hingegen freigesprochen, weil sie „(…) keine Gegenstände (Aufkleber, Plakate, politisch motivierte Literatur und dergleichen), welche eine Tatbegehung (auch) durch die Viertangeklagte nahelegen würden, bei sich führte (…).“ Hier also Vorsicht an alle, die demnächst mit dem Kommunistischen Manifest in St. Pölten spazieren gehen wollen. Die Polytechnische Schule Blindenmarkt titelt über einen Ausflug zum Landesgericht St. Pölten mit: „Im Zweifel für den Angeklagten“. Dieser Grundsatz wird auch penibel eingehalten, wenn es um Reiche und Politiker geht, gilt aber wohl nicht für Kommunisten in Niederösterreich.
Wir – wie auch bereits andere Genossinnen & Genossen der Arbeiterbewegung – bewerten dieses Urteil und den Verlauf des Verfahrens als Justizskandal und werden Berufung einlegen. Unserer Meinung nach ist das Strafmaß – sechs Wochen Gefängnis auf Bewährung mit drei Jahren Probezeit – ein Signal, um junge Kommunisten einzuschüchtern und von weiterer Aktivität abzuhalten. Uns muss bewusst sein, dass diese Anklage weder der ersten noch der letzte Angriff auf die Arbeiterbewegung in Österreich ist. Auch soll ein niederösterreichisches Spezifikum durchgesetzt werden: Es gibt kaum ein sichtbares politisches Leben in St. Pölten und Niederösterreich und wenn es nach dem Staatsapparat rund um die Landesregierung geht soll das so bleiben.
Wir bedanken uns bei allen, die die Genossen unterstützt haben. Die Herrschenden wollen gegen den Willen der Mehrheit Sparprogramme und Aufrüstung durchpeitschen. Umso wichtiger ist die konsequente Verteidigung der demokratischen Rechte von Seiten der Arbeiterbewegung. Wir lassen uns nicht davon abhalten weiter den Aufbau der RKP in Niederösterreich voranzutreiben.