Vom Standpunkt des US-Imperialismus gesehen, hat der Irakkrieg nichts gelöst, sondern weltweit zu einer Phase größerer Instabilität geführt. Die Welt ist momentan ein noch unruhigerer, unbeständigerer und gefährlicherer Ort als vor einigen Monaten.
Wie es aussieht, hat Washington das vorteilhafteste Ergebnis erzielt. Die Kämpfe verliefen äußerst kurz und die Verluste waren – zumindest auf Seiten der Truppen der Koalition – relativ gering.
Der Zusammenbruch des irakischen Widerstands in der Endphase räumte schließlich alle Zweifel über die Kampffähigkeit des Regimes beiseite. Es wurde deutlich, dass die Kampfqualitäten der irakischen Armee schwanden, je näher sich der Krieg auf Bagdad zu bewegte, obwohl das genaue Gegenteil erwartet worden war.
Es kam zu einem unerwarteten und plötzlichen Zusammenbruch. Die Erklärung dafür liegt teilweise in der Überlegenheit der US-amerikanischen Waffensysteme und der Vorherrschaft im Luftkampf. Aber das kann nicht alles erklären. Die Amerikaner hatten große Angst vor dem Betreten Bagdads, wo sie schwere Straßenkämpfe und viele Gefallene erwarteten. Sie waren höchst erstaunt über die Geschwindigkeit, mit welcher der Widerstand zusammenbrach.
Der Sieg der Koalitionstruppen war letztendlich unvermeidlich, aber der plötzliche Zusammenbruch in Bagdad kann nicht allein mit der technologischen Überlegenheit der US-Armee und der Luftwaffe erklärt werden. Es war vielmehr eine Frage der Kampfmoral. Im entscheidenden Moment waren die meisten Iraker nicht bereit, im Kampf für Saddam Hussein zu sterben, obwohl sie die US-Imperialisten hassten.
Der Grund dafür war die innere Zersetzung des Regimes. Die Kampfbereitschaft und der Mut der irakischen Streitkräfte schwanden, je höher der militärische Rang war. Die normalen irakischen Soldaten und Fedajin kämpften im Allgemeinen tapfer. Im Gegensatz dazu führten die Mitglieder der Republikanischen Garde, des von Saddam verhätschelten Elitekorps, ihr Versprechen bis zum Tode zu kämpfen, nicht aus, sondern verschwanden einfach.
So trug die Koalition einen Sieg davon, der leichter als erwartet war. Diese Tatsache hat sicherlich politische Konsequenzen zur Folge. Ein längerer Militärfeldzug mit vielen Gefallenen hätte in den USA katastrophale Folgen gehabt. In Großbritannien hätte er Blair in eine unmögliche Position gebracht. Es ist kürzlich ans Tageslicht gekommen, dass Außenminister Jack Straw und andere prominente Kabinettsmitglieder bereit gewesen wären, zurückzutreten, falls die Zahl der Labour-Abgeordneten, die gegen den Krieg votierten, zugenommen hätte.
Die Begleitumstände des Falls von Bagdad haben sich für die rechte Clique im Weißen Haus als günstig erwiesen. Bush und Rumsfeld sind zumindest vorübergehend gestärkt daraus hervorgegangen. Zusätzlich hat die Falkenfraktion um Rumsfeld-Cheney-Wolfovitz auf Kosten von Colin Powell an Stärke gewonnen. Der Schwerpunkt innerhalb der Bush-Administration ist noch weiter nach rechts gerückt. Dies wird in der nächsten Zeit Folgen für die Innen- und vor allem die Außenpolitik der USA haben.
Es ist verblüffend, daran zu erinnern dass Bush während des Präsidentschaftswahlkampfes, das heißt bevor er durch Betrug, Einlass ins Weiße Haus erhielt, ein scharfer Verfechter des Isolationismus war. Sein Slogan war: „Zuerst Amerika“. Aber im Zeitalter des Monopolkapitalismus und Imperialismus bedeutet „Zuerst Amerika“ nicht Isolationismus sondern eine aggressive und unbändige Außenpolitik. Rumsfeld, Cheney und Wolfovitz und ihre rechten Freunde bei den Republikanern vertreten diese Politik am lautesten.
Rumsfelds Stellvertreter Paul Wolfovitz hat seit Anfang der 1990er auf die Invasion des Irak gedrängt. Wolfovitz forderte nach dem 11. September sofortige Aktionen gegen den Irak, obwohl es nicht den kleinsten Beweis für die Verbindung des Irak mit dem Angriff auf das World Trade Center gab. Einigen Quellen zufolge wurden sie teilweise durch die Intervention Tony Blairs davon abgehalten, der sie stattdessen drängte, Afghanistan anzugreifen. Aber sie gaben ihren ursprünglichen Plan, für den der 11. September und der so genannte Krieg gegen den Terror als bequeme Entschuldigung dienten, niemals auf.
Die Risse in der Administration sowohl vor dem Krieg (über die Frage der UNO) als auch während des Krieges (über die Militärpolitik) deuten darauf hin, dass eine Fraktion der herrschenden Klasse besorgt über die „irrationale Überschwänglichkeit“ der rechten Republikaner ist. Diese Gruppe wird von Powell repräsentiert. Aber durch den schnellen Sieg im Irak ist das Kräfteverhältnis gegen seine Fraktion umgeschwenkt. Die Konservativen sitzen fest im Sattel und sie werden diesen Vorteil nutzen, ihre Politik in den verschiedensten Bereichen durchzusetzen.
Der Irak
Die von der Bush-Administration verfolgte Politik im Irak entspricht den Erwartungen. Mit ungehöriger Eile haben sie sich sofort nach Beginn der Feindseligkeiten die Ölfelder unter den Nagel gerissen. Die einzigen Ministerien in Bagdad, die sie schützten, waren das Öl- und das Innenministerium.
Das gesamte Verhalten der US-Imperialisten im Irak entspricht nicht dem von Befreiern, sondern dem einer Besatzungsarmee und einer Kolonialmacht. Sie sind gierig und herrisch. Dazu kommt, dass sie grob sind. Mit Beginn der Kämpfe erklärte Bush, dass alle Verträge zum Wiederaufbau des Irak an amerikanische Firmen gehen sollten, die auch alle gleichzeitig großzügige Sponsoren der Republikanischen Partei sind“. Rechte Expertenkommissionen wie die Heritage Foundation haben detaillierte Pläne für die vollständige Privatisierung des irakischen Öls entworfen. Dies ist nach internationalem Recht illegal, aber da die Invasion des Irak nach dem gleichen Recht selbst illegal war, zucken sie nur mit den Schultern.
Die Heuchelei der Imperialisten ist wirklich atemberaubend. Sie behaupten weiterhin, dass sie nicht an irakischem Öl interessiert seien, dass das irakische Öl „dem irakischen Volk gehöre“ und so weiter und sofort, während sie Pläne schmieden, um die gesamte Ölindustrie an US-Firmen und große Ölkonzerne zu übergeben. Hier jedoch gibt es für sie beträchtliche Probleme.
Erstens wird viel Geld und Zeit benötigt, um die irakischen Ölfelder wieder in Gang zu setzen. Es wird geschätzt, dass es mindestens ein Jahr dauern wird, um das Vorkriegs-Förderniveau, das schon äußerst gering war, zu erreichen, und es wird einige Milliarden Dollar kosten, da sich die irakischen Anlagen nach mehr als einem Jahrzehnt der Strafsanktionen in einem sehr schlechten Zustand befinden.
Die Probleme enden jedoch nicht damit. Der russische Ölkonzern Lukoil, der große Anteile im Irak besitzt und dem viel Geld geschuldet wird, droht mit einer Klage, falls die Amerikaner versuchen, Öl auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Die Russen und Franzosen haben eine Schlüsselrolle für die UNO beim Wiederaufbau des Irak gefordert, was in Wirklichkeit bedeutet: Wir wollen unseren Anteil an der Beute! Die Amerikaner haben mit einem freundlichen Vorschlag reagiert: die Russen und Franzosen sollten auf das gesamte Geld, dass der Irak ihnen schuldet (das ist eine ganze Menge), verzichten, dies wäre eine nette Geste, um beim irakischen Wiederaufbau zu helfen.
Moskau und Paris waren von diesem Witz nicht sonderlich begeistert und als Antwort darauf haben sie sich geweigert, es der UNO zu genehmigen, die Sanktionen aufzuheben oder das Öl-für-Nahrungsmittel-Programm wieder in Kraft zu setzen, das die USA brauchen, um mit der Produktion und dem Verkauf des Öls zu beginnen. Putin weist säuerlich darauf hin, da diese Sanktionen auferlegt wurden, weil man annahm, dass der Irak Massenvernichtungsmittel besäße, müssten die USA und Großbritannien jetzt beweisen, dass der Irak frei von solchen Waffen sei, bevor die Sanktionen aufgehoben werden können. Trotz aller Bemühungen des CIA gibt es bisher noch kein Anzeichen für die Existenz solcher Waffen.
Dies ist eine ernste Angelegenheit für die USA, weil sich die Kosten für die Besetzung und den Wiederaufbau schätzungsweise auf einhundert bis zweihundert Milliarden Dollar belaufen. Im letzten Krieg waren die USA in einer großen Koalition, die Russland, Frankreich, Deutschland und Saudi Arabien einschloss. Sie teilten sich alle Rechnungen, und die Kosten der Amerikaner beliefen sich auf null. Aber diesmal ist keiner bereit, die Rechnungen zu begleichen, das werden die Amerikaner allein übernehmen müssen. Im Weißen Haus herrscht natürlich die Meinung vor, dass die Iraker gerne bereit sein sollten, für ihre eigene Befreiung zu bezahlen und den USA ein wenig Unterstützung für ihre Bemühungen zustehe.
Leider scheinen die Menschen im Irak nicht besonders glücklich zu sein und demonstrieren täglich gegen ihre „Befreier“. Die Zahl der gewaltsamen Zwischenfälle steigt stetig und die Zahl der Toten nimmt regelmäßig zu. Der Blick in die Gesichter der amerikanischen Soldaten erzählt die wahre Geschichte. Man hat sie glauben lassen, sie würden als Befreier begrüßt werden, statt dessen werden sie mit einer wütenden und zornigen Bevölkerung konfrontiert, die wünscht sie los zu werden. Sie leben in ständiger Angst vor Heckenschützen und Selbstmordattentätern und neigen dazu, zuerst zu schießen und erst danach Fragen zu stellen. Dies ist ein perfektes Rezept für Massaker und Gräueltaten. Im Endeffekt werden dadurch die Flammen des Hasses gegen die Invasoren angeheizt und die Entwicklung eines bewaffneten Widerstandes gefördert. So hat es begonnen. Es kann über Jahre gehen.
Trotz des schnellen amerikanischen Sieges stellen sich die Dinge nicht so einfach da, wie es sich Rumsfeld vorgestellt hat. Bei dem Versuch, dem Irak eine amerikanische Marionettenregierung überzustülpen, sind ernste Schwierigkeiten aufgetreten. Der Pentagon unterstützt Ahmed Chalabi, eine offene amerikanischen Marionette mit einer düsteren Vergangenheit, die wirtschaftskriminelle Delikte einschließt, weswegen er in Jordanien immer noch polizeilich gesucht wird (letzteres ist eine gute Empfehlung, wenn man mit Leuten wie Rumsfeld und Cheney kollaboriert). Die meisten Iraker hassen Chalabi und er findet keine Unterstützung.
Die starke Ignoranz der Amerikaner für die Situation im Irak zeigt sich in ihrer Fehleinschätzung bezüglich der Schiiten im Süden. Sie nahmen an, diese würden sich gegen Saddam Hussein erheben und ihre Invasoren mit offenen Armen begrüßen. Aber nichts dergleichen geschah. Die Einwohner erinnerten sich nur zu gut wie der andere George Bush sie aufgewiegelt hatte, 1991 einen Aufstand zu machen und sie dann auf sarkastische Weise verraten und Saddam Husseins liebevollen Händen anvertraut hat.
Washington setzte seine Hoffnung auf die schiitische Marionette Abdel Majid Khoel, aber der wurde von politischen Gegnern am 10. April vor den Augen seiner amerikanischen Bodyguards getötet. Es ist momentan kein besonders ratsame Tätigkeit ein Agent Washingtons im Irak zu sein, auch wenn die Bezahlung gut ist.
Napoleon wusste eine Menge über Bajonette und fand viele Gebrauchsmöglichkeiten dafür, aber für eine kann man sie nicht benutzen, wie er ausführte, man kann nicht auf Bajonetten sitzen. Die US-Amerikaner und Briten haben keine wirkliche Massenunterstützung im Irak. Jegliche Unterstützung, die sie zu Beginn gehabt haben mögen, ist wie Wasser im Wüstensand verdampft. Eine militärische Überlegenheit ist hier nur wenig hilfreich. Ein langfristiger Guerillakrieg mit einfachen Methoden wie Schüssen aus dem Hinterhalt, Guerillaüberfällen und Selbstmordbomben können über einen längeren Zeitraum eine zerstörerische Wirkung haben, wenn sie vom Volk unterstützt werden, und genau das wird geschehen.
Der US-amerikanische Imperialismus ist die mächtigste Nation in der gesamten Geschichte, aber seine Macht ist nicht absolut. Er wurde in Vietnam von einer barfüßigen Armee besiegt. Um genauer zu sein, er wurde im eigenen Land von einer Massenbewegung gegen den Krieg besiegt. Bis jetzt hat die Mehrheit der Amerikaner den Krieg unterstützt, aber das nur, weil er kurz und für Amerika relativ schmerzlos war. Aber wenn es sich herausstellt, dass die amerikanischen Soldaten für lange Zeit im Irak festsitzen und zum Gegenstand von Attacken durch eine feindselige Bevölkerung werden, wird sich die Haltung des amerikanischen Volkes ändern. Im Libanon reichte eine einzige Autobombe aus, um die US-Armee zum Rückzug zu zwingen. Ähnliche Ereignisse im Irak sind unvermeidbar. Das Endergebnis wird früher oder später das gleiche sein.
Der Nahe Osten
Die US-Imperialisten haben sich vorgestellt, dass ein militärischer Sieg im Irak für den Nahen Osten eine größere Stabilität brächte. Das Gegenteil ist der Fall. Der Appetit dieser Damen und Herren kommt beim Essen. Nachdem sie augenscheinlich den Irak mit unerwarteter Leichtigkeit erledigt haben, schauen sie sich nach neuen Zielen um. Sofort beschuldigten sie Syrien nicht nur, dass es Bagdad Militärhilfe gewährte und geflohene Führer der Baath-Partei beherberge, sondern auch Massenvernichtungswaffen besitze – die, wie wir wissen, den Amerikanern automatisch ein Recht geben, in jedes Land ihrer Wahl einzumarschieren.
Es scheint so, als ob bei diesen Leuten einiges aus dem Gleichgewicht geraten ist. Die Neokonservativen haben ein Programm entwickelt, dass, wenn es ausgeführt wird, die Welt auf den Kopf stellt und überall Chaos verursacht. Vor langer Zeit schon haben sie enge Verbindungen zum äußersten rechten Flügel der Zionisten in Israel aufgenommen und teilen deren Wunsch, die bestehenden arabischen Regimes aufzulösen und den gesamten Nahen Osten zu balkanisieren. Die Tatsache, dass ein solcher Plan die Absetzung prowestlicher Regimes in Ägypten und Saudi Arabien bedeuten und überall in der Region Chaos und Kriege verursachen würde, scheint sie nicht im Geringsten zu sorgen.
Die Sprecher dieser Richtung fordern öffentlich, dass die US-Armee nach der Niederlage des Irak sofort in Syrien, dem Iran und Saudi Arabien einmarschieren sollten. Dies wird nach ihrer festen Überzeugung einen nicht aufzuhaltenden Dominoeffekt einleiten und langfristig zur Errichtung „demokratischer“ Regimes im gesamten Nahen Osten sowie zu einem allgemeinen Frieden und Wohlstand nach den gütigen Regeln der Marktwirtschaft führen. Das Problem mit der Langfristigkeit besteht allerdings darin, wie Keynes erklärte, dass wir über kurz oder lang alle tot sind.
Es ist ein anschauliches Zeichen für den Niedergang des US-Kapitalismus, dass solche Leute überhaupt maßgebliche öffentliche Ämter besetzen können, geschweige denn das Weiße Haus. Sie haben weder Kenntnisse von der Wirklichkeit im Nahen Osten, noch von der Weltpolitik im Allgemeinen. Sie sind natürlich nicht verantwortlich für die Krise des Weltkapitalismus, aber mit ihren Aktionen werden sie diese gewiss verschlimmern und ihr einen explosiven Charakter verleihen.
Ein Krieg gegen Syrien würde Sharon gut gelegen kommen und Israel die Chance eröffnen, die gesamten Golan Höhen zu besetzen und die Nachschubwege für die Hisbollah zu unterbrechen. Aber das würde die gesamte arabische Welt erschüttern. Damit Israel in den Krieg einbezogen und Saudi Arabien und Ägypten destabilisiert. Dies würde die Risse zwischen Europa und Russland vertiefen.
Zur großen Enttäuschung Tel Avivs haben die Amerikaner deshalb den Plan, Syrien anzugreifen, zumindest für den Moment, fallen gelassen. Um ihre Enttäuschung zu lindern, üben die Israelis jetzt extremen Druck auf Damaskus aus und erpressen die Syrer schamlos und setzen sie unter Druck, das zu tun, was Washington will.
Die Palästina-Frage
Als Beschwichtigungsversuch für die öffentliche Meinung der arabischen Welt und für seinen „Freund“ Tony Blair, der verzweifelt eine Geste benötigt, um sein Ansehen im eigenen Land zu verbessern, hat Bush angedeutet, dass es möglicherweise eine Lösung des Palästinaproblems gebe. Aber in Wahrheit ist dies nur leere Propaganda. Der rechte Flügel der Republikaner bewundert Sharon und unterstützt ihn mit großer Begeisterung. Schließlich ist Israel der einzige verlässliche Verbündete der USA im Nahen Osten. Der Konflikt mit der Türkei hat diesen Standpunkt unterstrichen.
Nach dem Zusammenbruch der UdSSR empfand Washington, dass es die Dienste Israels nicht so sehr benötigte. Es wollte bessere Beziehungen zu den konservativen Regimes wie Ägypten und Saudi Arabien und übte Druck auf die Labour-Regierung in Tel Aviv aus, um den Palästinensern einige Zugeständnisse zu machen. Diese Versprechungen bedeuteten wenig und führten zur zweiten Intifada.
Die Amerikaner möchten zweifellos das Palästina-Problem lösen, aber sie sind nicht bereit, es sich dabei mit ihren israelischen Verbündeten zu verscherzen. Die jetzige Administration ist sogar weniger als Clinton geneigt, Forderungen an ihren Freund Sharon zu stellen, und Sharons Position ist ziemlich klar. Während er für die Kameras widerwillig einige „besänftigende“ Bemerkungen macht, ist seine Linie: Wir halten, was wir haben.
Die so genannte Road Map für Palästina ist ein Betrug. Sämtliche Forderungen werden an die Palästinenser gerichtet. Sharon gegenüber werden keine Forderungen erhoben. Die Palästinenserbehörde wird gezwungen, sich selbst zu „reformieren“ und setzt die amerikanische Marionette Abou Mazen (Mahmoud Abbas) auf eine Schlüsselposition und verspricht dann, als Vorbedingung für Gespräche mit den Israelis, „sämtliche Gewalt zu beenden“. Aber die Palästinenserbehörde kann nicht „sämtliche Gewalt beenden“, wie die letzten Selbstmordattentate in Israel zeigen. Deshalb wird Sharon sich nicht bewegen und die ganze Sache bleibt verfahren.
Andererseits sind die an die israelischen Besatzer gestellten Forderungen nachgiebig und sanft. Sie werden nicht aufgefordert, irgendwelche Siedlungen abzubauen, sondern nur den Bau neuer einzustellen. Sie werden nicht aufgefordert, ihre Armee vollkommen aus den besetzten Gebieten, sondern sich nur aus den Städten zurückzuziehen. Selbst wenn sie das tun, bedeutet dies, dass sie sich nur wenige Kilometer zurückziehen und zurückkehren, wann immer sie wollen.
Mittlerweile stellen die Israelis eine Mauer fertig, die sie physisch von den palästinensischen Gebieten abtrennt. Dies ist als Sicherheitsmaßnahme gedacht, würde aber tatsächlich Israel in die Lage versetzen, eine eigenständige palästinensische Wirtschaft in den Würgegriff nehmen. Dies geschieht schon durch das Schließen und Öffnen der Grenze, wann immer Israel das für nötig hält, um so Palästinenser, die in Israel arbeiten, am Broterwerb zu hindern. Die Mauer verstärkt diese Macht.
Die israelischen Imperialisten werden nie die Schaffung eines lebensfähigen Palästinenserstaates an ihren Grenzen erlauben. Falls ein solcher Staat errichtet wird, kann es sich nur um einen Marionettenstaat handeln, der vollkommen von Israel abhängig ist und von dessen Agenten als Mittel zur Kontrolle der Palästinenser geführt wird. Dies wird keinen Frieden bringen, sondern nur neue Aufruhr, einschließlich blutiger innerpalästinensischer Konflikte.
Weder die Imperialisten noch die Bourgeoisie können das Palästinenserproblem lösen. Alle, die das behaupten, betrügen sich selbst und das Volk. Es wird weiter als ständige Quelle für Kriege und Konflikte im Nahen Osten bestehen bis der israelische Staat zu Fall gebracht wird. Dafür aber ist eine gemeinsame Bewegung von arabischen und jüdischen Arbeitern nötig, und dies kann nur mit einem sozialistischen Programm und sozialistischer Politik erreicht werden. Das Palästina-Problem kann auf einer kapitalistischen Grundlage nicht gelöst werden.
Das zentrale Problem im Nahen Osten ist die Schwäche der Kräfte für eine sozialistische Revolution. Das Versagen der Stalinisten in der Vergangenheit, die die so genannte Zwei-Etappen-Theorie aufgestellt und die Arbeiterklasse der nationalen Bourgeoisie untergeordnet haben, hat zur Desorientierung der Arbeiter und der Jugend beigetragen. Als Ergebnis sehen wir den Aufstieg des islamischen Fundamentalismus, der die Bewegung in eine Sackgasse geführt hat.
Auf der Grundlage des Kapitalismus gibt es für die Völker im Nahen Osten keinen Weg nach vorn. Wirtschaftliche Stagnation, Armut, Arbeitslosigkeit, Kriege sind die einzige Zukunft, die die Region erwartet. Doch besitzt sie alle Möglichkeiten, auf der Grundlage einer sozialistischen Förderation eine wohlhabende Gegend zu werden, welche die riesigen Reichtümer der Region im Interesse aller Völker zusammenbringt. Auf einer solchen Basis würden sämtliche alten Konflikte verschwinden und die Wüste würde blühen.
Dies ist die einzige Perspektive, für die es sich lohnt zu kämpfen und zu sterben. Es ist die Perspektive einer sozialistischen Revolution.
Neue Widersprüche treten hervor
Neue Widersprüche im Weltmaßstab treten ständig hervor. Überall gibt es eine riesige Instabilität, welche die Tiefe der globalen Krise des Kapitalismus widerspiegelt. Auf jeder Ebene kommt es zunehmend zu Rissen, Spalten und Klüften. Jede der nach 1945 errichteten Institutionen befindet sich momentan in der Krise: die UNO, die NATO, die EU und die Gruppe der Acht (G8). Vor allem besteht eine bedenkliche und sich ausbreitende abgrundtiefe Kluft zwischen den USA und Europa. Und es ist kaum vorstellbar, wie diese Trennlinien in naher Zukunft gelöst werden sollen.
Die amerikanischen Imperialisten blasen sich mit ihrem Machtgehabe auf. Sie benehmen sich selbst gegenüber ihren Freunden arrogant. Die britischen Imperialisten, die Washingtons Diktat sklavisch folgten, werden jetzt von ihren Verbündeten jenseits des Atlantiks auf dem Trockenen zurückgelassen. Sie werden, wie wir vorhergesagt haben, nichts oder beinahe nichts bekommen, wenn die Beute verteilt wird. Die großen amerikanischen Konzerne werden alles selbst an sich reißen.
Blair und Co. sind sich ihrer unangenehmen Lage bewusst und versuchen die Beziehungen zu Frankreich und Deutschland zu reparieren, aber sie sind damit noch nicht weit gekommen. Paris und Berlin sind zu Recht der Meinung, dass sie betrogen worden sind und dem „heimtückischen Albion“ nicht getraut werden darf. Vor nicht allzu langer Zeit planten die Briten und Franzosen bei einer europäischen Eingreiftruppe zusammenzuarbeiten, in gewissem Maße um zu versuchen, ein Gegengewicht zu Deutschland zu schaffen. Jetzt hat es innerhalb Europas eine Verlagerung gegeben. Frankreich ist von Großbritannien abgerückt und hat sich auf Deutschland zu bewegt.
Großbritannien wird in Paris und Berlin als Werkzeug des US-Imperialismus in Europa gesehen. Die Amerikaner und Briten manövrieren mit den rechtsgerichteten Regierungen von Spanien und Italien und auch mit den neuen osteuropäischen Staaten, um einen Block gegen Frankreich und Deutschland zu errichten. Als Antwort darauf bilden die Deutschen und Franzosen einen Block mit Belgien und Luxemburg. Frankreich und Deutschland haben die entscheidende Macht, so dass Großbritannien sich in Europa bald sehr isoliert wiederfinden wird, besonders weil die rechtsgerichteten Regierungen in Rom und Madrid nicht lange bestehen bleiben und Deutschland Osteuropa ökonomisch beherrschen kann.
Die viel gerühmte europäische „Einheit“ erweist sich als schwach und labil. Die französische und die deutschen Regierung waren schon zur Zeit des Kosovo-Krieges über die kolossale Macht des US-Imperialismus beunruhigt. Ihre Besorgnis ist jetzt noch stärker gewachsen. Sie haben sich entschlossen, das Projekt der europäischen Eingreiftruppe weiterzuführen, das hat aber sofort zu einer Beziehungskrise mit Großbritannien geführt, das darauf besteht, dass diese neue Truppe kein Konkurrent der NATO (das heißt der USA) sein darf. Aber das genau soll sie sein!
Die Amerikaner beschuldigen die Franzosen und Deutschen, bei der militärischen Planung auf sie zu verzichten. Aber genau das machten die Amerikaner sowohl im Kosovo als auch im Irak mit ihnen. Die konkurrierenden imperialistischen Gruppen sind entschlossen, ihre eigenen Interessen im Weltmaßstab zu verfolgen und diese Interessen stimmen auf keinen Fall überein. Die US-Interventionen im Nahen Osten und in Afrika sind eine direkte Bedrohung der französischen Interessen. Übrigens führen die Risse und Konflikte zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten, die Vorstellung ad absurdum, dass es eine Art vereinigten, supranationalen Weltimperialismus oder ein „Empire“ gebe.
Bei dem Versuch ein Gegengewicht zu den USA zu finden, rechnen die Franzosen und Deutschen damit, mit Moskau ins Geschäft zu kommen. Putin hat nichts für seine beschwichtigende Politik gegenüber Washington erhalten. Die Amerikaner stoßen in Russlands traditionellen Einflusssphären in Zentralasien und dem Kaukasus vor. Im Irak bedrohen sie Russlands lukratives Ölgeschäft. Folglich nahm Russland eine feindliche Position zum amerikanischen Irak-Abenteuer ein und bewegt sich jetzt auf den Block mit Frankreich und Deutschland zu.
Es ist eine andere Frage, wie fest diese Bündnisse sind. Solche Allianzen neigen dazu, mit den sich verändernden Interessen der Beteiligten zu wechseln. Die Franzosen und die Deutschen wollen Moskau auf ihrer Seite behalten und spüren wirtschaftliche Chancen. Die Amerikaner werden alles in ihrer Macht liegende unternehmen, um zu verhindern, dass Russland sich in einer Allianz mit Frankreich und Deutschland zusammenschließt. Inwieweit sie dabei Erfolg haben, hängt davon ab, wie viele Zugeständnisse sie den Russen einzuräumen bereit sind. Bisher haben sie nicht viele gewährt.
Bush schickte Blair auf eine Mission nach Moskau um herauszufinden, welche Absichten die Russen haben. Mr Blair ist der Meinung, er habe eine besondere Beziehung zu Putin und auch zu Bush. In Wirklichkeit ist seine „besondere Beziehung“ zum amerikanischen Präsidenten die eines Dieners zu seinem Herrn. Wladimir Putin ist sich dessen bewusst, und er war nicht erfreut, vom Botenjungen, statt vom Chef besucht zu werden. Er rächte sich, indem er Blair auf der Pressekonferenz öffentlich lächerlich machte und ihn fragte, wo denn nur die Massenvernichtungswaffen seien. Er bekam darauf keine Antwort.
Die Weltwirtschaft in der Krise
Letzten Endes widerspiegeln die Konflikte zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten und das Verhalten der USA im Weltmaßstab die Krise des Kapitalismus und die Stagnation der Produktivkräfte, die durch die Zwangsjacke des Privateigentums und des Nationalstaates eingeengt werden.
Das Ende des Krieges hat nicht zur Verstärkung des wirtschaftlichen Wachstums geführt, wie viele erwartet hatten. Alle Wirtschaftsprognostiker mussten ihre Vorhersagen bezüglich des Wirtschaftswachstums nach unten revidieren. Der Internationale Währungsfonds hat seine Vorhersage für das diesjährige Weltwirtschaftswachstum von 3″7 auf 3″2 Prozent gesenkt.
Es wird erwartet, dass das US-Wirtschaftwachstum bei 2″2 Prozent liegt, obwohl es im ersten Quartal dieses Jahres bezogen auf den gleichen Vorjahreszeitraum nur bei 1″6 Prozent lag. Die Zahl der Arbeitslosen in den USA steigt beständig: Im Februar stieg sie um 357.000 und im März um weitere 108.000. Der Schlüssel für das wirtschaftliche Wachstum sind immer produktive Investitionen. Die Investitionen in den USA nahmen im Zeitraum 1996-2000 um jährlich 10 Prozent zu, sanken aber 2001/2002 auf 5″5 Prozent jährlich.
Die Wirtschaft wird sich erst wieder richtig erholen, wenn die Investitionen deutlich belebt werden. Aber das ist abhängig von einer Erholung bei den Profiten, die jedoch nirgends in Sicht ist. Die Existenz einer riesigen Überproduktion („Überkapazität“) drückt Preise und Profite nach unten. Die Kapazitätsauslastung in den USA ist momentan auf einem Rekordtief.
Die wiederholten Zinssenkungen haben zu verstärkter Kreditaufnahme geführt, aber dies wird nicht von Dauer sein. Wie Marx erklärte, haben Kredite den Effekt, den Markt eine Zeitlang über seine natürlichen Grenzen auszudehnen. Aber früher oder später muss das Geld, das ausgeliehen wurde, inklusive Zinsen zurückgezahlt werden. An einem gewissen Punkt erreicht dieser Prozess seine Grenzen und fängt an zurückzufallen und erzeugt eine noch ernstere Krise.
Die Krise wird durch die Tatsache verschärft, dass während des letzten Aufschwungs das gesamte System seine Grenzen überschritten und ernsthafte Unausgeglichenheit produziert hat, die letztlich korrigiert werden müssen. Dies wird ein schmerzhafter Prozess. Gewöhnlich haben die Konzerne zum Beispiel am Ende einer Rezession einen kleinen finanziellen Überschuss erwirtschaftet. Aber momentan schreiben die US-Konzerne tiefrote Zahlen. Und das ist nicht alles. Überall in den USA sehen wir ein Bild von Defiziten und Schulden, die wie bedrohliche schwarze Wolken über der Wirtschaft hängen.
Der Staatshaushalt, der sich unter Clinton im Plus befand, ist jetzt im Defizit. Was schlägt George W. Bush vor, um dieses Problem zu lösen? Einerseits fordert er eine riesige Erhöhung bei den Militärausgaben, andererseits fordert er Steuersenkungen von 726 Milliarden Dollar. Alan Greenspan wies darauf hin, dass dies eine unhaltbare Position sei und wurde dafür mit einem bösartigen Angriff von den rechten Republikanern belohnt, der darin mündete, seine Abberufung zu fordern. Am Ende stimmte der Kongress nur Steuerkürzungen um die Hälfte des geforderten Betrages zu, aber der Sieger von Bagdad wird bald mehr fordern.
Das Niveau der privaten und Unternehmensschulden ist nicht nur beispiellos hoch, das Haushaltdefizit ist nicht nur riesig und weiter am Wachsen, sondern Amerikas Leistungsbilanzdefizit ist ebenfalls enorm. Es beträgt mittlerweile fünf Prozent des Bruttosozialprodukts, aber es dürfte bald auf sieben oder acht Prozent anwachsen. Mit anderen Worten, die USA sind dem Rest der Welt gegenüber stark verschuldet und finanzieren einen Ausgabenboom auf Kosten ausländischer Gelder und Währungen.
Diese Situation fordert die ökonomischen Gesetze der Schwerkraft heraus. Sie ist so nicht aufrechtzuerhalten. Wenn ein anderes Land solche Statistiken veröffentlichte, würde der IWF an die Tür klopfen und Kürzungen und Sparmaßnahmen verlangen. Aber dies ist nicht irgendein Land, es sind die USA. Trotzdem kann es nicht so bleiben. Früher oder später wird das ausländische Kapital, das nach Amerika hineingeeilt ist, wieder herauseilen und einen steilen Wertverfall des Dollar provozieren und die Welt in eine ernsthafte Krise stürzen.
Stephen Roach, der Chefökonom von Morgan Stanley, warnt davor, dass die Weltwirtschaft am Rande eines Zusammenbruchs stehe. Das Problem ist, dass kein anderes Land das nötige Gewicht hat, die Weltwirtschaft aus der Rezession zu ziehen. In der Vergangenheit spielten Deutschland und Japan zusammen mit den USA die Konjunkturlokomotive der Weltwirtschaft, aber momentan ist das nicht mehr der Fall.
Die Investitionen in der EU sind seit Mitte 2000 geschrumpft. Frankreich und Deutschland haben laufende Defizite, die über das hinausgehen, was durch den komischerweise falsch benannten „Pakt für Wachstum und Stabilität“ zulässig ist. Jetzt ist auch Italien dabei, ein Defizit von mehr als drei Prozent oder mehr zu erreichen. Dies macht die angestrebten Ziele der Euro-Zone zunichte, die ein Defizit von 0″3 Prozent für 2002 und 0 Prozent für 2003 anstrebte. Stattdessen lag das Gesamtdefizit 2002 bei 2″3 Prozent und jetzt heißt es, dass die Haushalte frühestens 2006 ausgeglichen sein werden.
Wie wir schon früher erklärt haben, muss der Versuch, Volkswirtschaften, die sich verschiedene Richtungen bewegten, zu vereinen, indem man sie zwingt, rigide Währungssysteme zu akzeptieren, zwangsläufig zu einer Katastrophe führen, und das gilt besonders während einer Rezession. Das wird jetzt demonstriert. Sie können in einer Rezession nicht die Zinssätze senken, was sie jetzt eigentlich tun müssten, und gleichzeitig kürzen sie die Ausgaben und erhöhen die Steuern – das ist genau das Gegenteil von dem, was sie gemäß der alten ökonomischen Rezepte tun sollten.
Folglich warnt die Europäische Kommission, dass die wirtschaftlichen Aussichten „kurzfristig trostlos bleiben“. Die deutsche Wirtschaft hat sogar schlechtere Wachstumsraten als die japanische. Es wird angenommen, dass sie nur um 0″5 Prozent wächst, im Vergleich dazu Japan 0″8 Prozent und Italien 1 Prozent, Frankreich 1″7 Prozent und Großbritannien 2″2 Prozent. Schröder fordert tiefe Einschnitte bei den Sozialausgaben und wird damit innerhalb der SPD Konflikte auslösen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 4 Millionen mit steigender Tendenz. Die Gewinne der Banken sind schwach, Unternehmen gehen Konkurs und die Aktienkurse sinken.
In der Rezession von 1990-91 wurde der Sturz durch das Wachstum der asiatischen „Tiger“ abgefedert, aber das ist jetzt vorbei. Asien wuchs im vergangenen Jahr um sechs Prozent, aber die Aussichten sind nach unten korrigiert worden, teilweise als Ergebnis des Ausbruchs der SARS-Epidemie, aber auch wegen der ungewissen Aussichten für die gesamte Weltwirtschaft. Morgan Stanley nahm für dieses Jahr ursprünglich eine Wachstumsrate für Asien von 5 Prozent an, hat diese Zahl aber jetzt auf 4″5 Prozent zurückgeschraubt.
Durch den Zusammenbruch des Tourismus – und damit verwandter Branchen wie der Hotelbranche und der Fluglinien sind die Aussichten weiter düster. Teilweise wurde dies durch den Krieg, den Terrorismus und die SARS-Epidemie. verursacht, es spiegelt aber auch eine allgemeine Stimmung der Untersicherheit und des Rückgangs wirtschaftlicher Aktivitäten wider. Gerade in den letzten Wochen meldete die australische Fluggesellschaft Qantas den Verlust von 1000 Arbeitsplätzen und Cathay Pacific verkündete den Rückgang ihrer Flüge um 23 Prozent. Bei den US-Fluggesellschaften gab es noch größere Verluste.
In einem solchen Zusammenhang von Überproduktion, sinkender Nachfrage und dem Fehlen von Märkten verstärkt sich der Widerspruch zwischen den verschiedenen kapitalistischen Volkswirtschaften und Wirtschaftsblöcken. Es kommt zu heftigen Kämpfen um den kleinsten Markt, wie auch um Rohstoffe und Einflusssphären. Der Widerspruch zwischen den USA und Europa ist besonders scharf.
Im Falle einer weltweiten tiefen Wirtschaftskrise, eines steilen Kursverfalls des Dollar und eines daraus folgenden Durcheinanders auf den Geldmärkten der Welt, wird das gebrechliche Gebäude des Welthandels unter einem ernsthaften Druck geraten. Das beunruhigt die Strategen des Kapitals am meisten. Sie begreifen, dass die Weltwirtschaftskrise von 1930 durch protektionistische Maßnahmen verursacht wurde, die sich in einem hektischen Wettlauf von vom Konkurrenzdenken geprägter Abwertungen zeigten.
Der Aufschwung des Welthandels seit dem Ende des II. Weltkriegs war das Geheimnis für das Überleben des kapitalistischen Systems über eine gesamte historische Periode. Die Globalisierung hat zweifelsfrei als wichtiger Antrieb für die Weltwirtschaft gedient, aber es ist falsch zu glauben, dieser Prozess könne nicht rückgängig gemacht werden. Er wurde in der Zeit zwischen den Weltkriegen rückgängig gemacht, und es gibt absolut keinen Grund zu glauben, dies könne sich in der nächsten Epoche nicht wiederholen.
Europa und Amerika
Die Spannungen zwischen Europa und Amerika und auch die zwischen Japan, Europa und Amerika verschärfen sich täglich. In einer anderen Epoche hätte dies zum Krieg geführt haben. Aber momentan kann das wegen der militärischen und technologischen Überlegenheit des US-Imperialismus ausgeschlossen werden. Den europäischen Kapitalisten bliebt wenigstens momentan nichts übrig, als in ohnmächtiger Wut über die Raubzüge der amerikanischen Imperialisten mit den Zähnen zu knirschen.
Ein Krieg zwischen Europa und den USA ist ausgeschlossen, nicht aber ein Handelskrieg. Als Folge einer ernsthaften Wirtschaftskrise können die Widersprüchen zwischen Europa und in den USA, die sich schon bei einer Reihe von Konflikten über Stahl, landwirtschaftliche Produkte und anderer Güter gezeigt haben, zu der Forderung nach Importbeschränkungen und anderen protektionistischen Maßnahmen führen. Diese hätte katastrophale Folgen für den Welthandel. Es würde die Rückkehr zu einer Wirtschaftspolitik drohen, wie sie vor 1945 existierte, bei der derjenige alles gewinnt, der zum Schluss alle Karten in der Hand hält.
Ein Zeichen für den Ernst des Interessenskonflikts ist die Art, wie Deutschland und Frankreich sich auf eine europäische Eingreiftruppe zu bewegen. Sie trauen Washington bei der Verfolgung ihrer Interessen nicht über den Weg und betreiben ihre eigenen Vorbereitungen. Daran ist nicht Fortschrittliches. Hier ist nur die Rede von einer Gruppe imperialistische Gangster, die mit einer anderen zusammenstößt. Die Verlierer dabei sind wie immer die arbeitenden Menschen in allen Ländern.
Es ist überall die gleiche Geschichte: „Kanonen statt Butter“. Das neue Stadium der Krise des Weltkapitalismus wird durch ständige Umwälzungen auf einem Kontinent und in einem Land nach dem anderen charakterisiert. Ein Krieg folgt auf den anderen. Die unvermeidliche Konsequenz aus diesen Erschütterungen wird weltweit ein unveränderlicher Trend zur Militarisierung sein.
Welche Schlüsse sollen die Nationen aus dem Krieg im Irak ziehen? Nur die eine: dass es notwendig ist, sich möglichst bald Nuklearwaffen und andere Massenvernichtungswaffen zu beschaffen. Diesen Schluss kann man aus dem Verhalten Nord-Koreas ziehen und bisher hat ihnen das ganz gut geholfen. Die Nordkoreaner sagen: nur durch die Entwicklung unserer Nuklearwaffen werden wir in der Lage sein, uns vor dem elenden Schicksal des irakischen Volkes zu schützen.
Darin besteht eine gewisse Logik. Sicherlich scheinen die US-Imperialisten, die Syrien und dem Iran drohen, keine Eile zu haben, Nord-Korea anzugreifen! Sie werden vielleicht zu einer Art Kompromiss kommen, der die Zahlung einer großen Geldsumme einschließt, was ihnen billiger kommt als ein Krieg mit einem Gegner, der nicht nur Nuklearwaffen besitzt, sondern auch die Möglichkeiten, sie nach Süd Korea, Japan oder vielleicht sogar an die Westküste der USA zu befördern.
Israel besitzt bereits Nuklearwaffen (aber es ist besser nicht darüber zu sprechen), Indien und Pakistan ebenfalls. Es ist möglich, dass der Iran mit Hilfe Russlands, dabei ist, welche zu entwickeln. Es ist nur eine Frage der Zeit bis Japan sich genötigt fühlt, sich eine eigene kleine Nuklearversicherung zu beschaffen. Ganz Asien ist ein zukünftiges Schlachtfeld, auf dem die großen Mächte – die USA, Japan, China – um die Vorherrschaft kämpfen werden. Die Konsequenzen für die Menschheit werden furchtbar sein.
Die Kosten für diesen neuen Rüstungswettlauf werden der Arbeiterklasse aufgebürdet. Eine europäische Eingreiftruppe muss zum Beispiel, wenn sie effektiv sein soll, ein vergleichbares technologisches Niveau haben wie die US-Armee. Das wird sehr teuer werden. Die Rechnung wird in Form von höheren Steuern und unsozialen Ausgabenkürzungen bei Bildung, Wohnungsbau und Gesundheitswesen weitergereicht werden. Die Bourgeoisie sagt, sie habe kein Geld für solche Dinge, aber sie hat genug Geld für neue Spielsachen für die Generale.
Die Kapitalisten in allen Ländern teilen uns mit, sie hätten kein Geld, um für die Massen höhere Löhne zu zahlen und anständige Arbeitsbedingungen zu schaffen. Aber die Arbeiterklasse kann sich keine weiteren Kürzungen und Steuern leisten. Man hat ihr das schon in der gesamten letzten Zeit zugemutet. Es gibt eine Geduldsgrenze für die Arbeiterklasse und diese ist bald überall erreicht.
Die Massendemonstrationen, die noch vor Beginn des Krieges die Straßen von London, Madrid und Rom füllten, waren ein Zeichen dafür, dass sich in der Gesellschaft etwas ändert. Woher kamen diese Millionen? Für jemanden, der die marxistische Dialektik nicht versteht, schien dies wie ein Blitz aus heiterem Himmel zu sein. Aber das war nicht der Fall.
Es war das Ergebnis der gesamten vorangegangenen Zeitspanne, in der sich die Unzufriedenheit der Massen in den tiefsten Niederungen der Gesellschaft angesammelt hat. Das Problem war, dass diese Unzufriedenheit keine Mittel hatte, sich selbst auszudrücken. Die offiziellen Parteien der Arbeiterklasse und die Gewerkschaften sind in der letzten Zeit stark nach rechts gerückt und haben sich dem Druck der Herrschenden gebeugt, so dass sich die Arbeiter und die Jugend von ihnen entfremdet haben und es so den Führern ermöglichten, noch weiter nach rechts zu gehen. Aber jeder Prozess hat seine Grenzen und dieser ist keine Ausnahme.
Die Explosion des Zorns der Massen über diesen Krieg zeigt nur, wie tief der Prozess war. Quantität schlug in Qualität um. Die Massendemonstrationen waren nur ein erster Hinweis auf die Radikalisierung, die in nächster Zeit von einem Land zum anderen um sich greifen wird. Es ist eine Erscheinung, die ihre Wurzeln in der vorherigen Epoche hat. Die Massen, die kürzlich zum politischen Leben erwacht sind, sagen dem alten politischen Establishment: Wir haben genug! Bis hier her und nicht weiter!
Aber die Antikriegsbewegung bewies auch die Schwächen und Grenzen spontaner Massenaktionen. Die Millionen von Demonstranten konnten ihre gemeinsame Stärke fühlen und neues Selbstbewusstsein gewinnen. Aber sie konnten auch feststellen, dass Demonstrationen allein nichts lösen. Es ist nötig, über Demonstrationen hinaus- zu bewusster politischer Aktion überzugehen.
Ein ähnlicher Prozess ist auch im industriellen Sektor festzustellen. Die Massenstreiks in Spanien, Italien, Griechenland und Portugal, die fortgesetzte Streikwelle in Frankreich, die großen Streiks der IG Metall und anderer Gewerkschaften in Deutschland und die Unruhe in den britischen Gewerkschaften, die bei einem Gewerkschaftskongress nach dem anderen zu Niederlagen für den rechten Flügel führte, zeigen, dass sich in der Arbeiterklasse und ihren Organisationen etwas ändert. So zeichnet sich ab, was die Zukunft bringen wird.
Alle diese Symptome zeigen die grundlegende Stimmung in der Gesellschaft. Die Menschen sind nicht glücklich und zufrieden. Es entsteht Unruhe und Gärung und eine neue kritische Stimmung. Es gibt sie selbst in den USA und sie wird in der nächsten Zeit zunehmen, wenn die Menschen feststellen, dass die wohlhabenden Eliten, die ihr Leben beherrschen, sie nicht repräsentieren und nicht in der Lage sind, dies zu tun. Eine weltweite Explosion des Klassenkampfes steht bevor.
Vor dem II. Weltkrieg sagte Leo Trotzki vorher, dass die USA siegreich aus dem Krieg hervortreten und die wichtigste imperialistische Macht werden würden, aber er fügte hinzu, dass in ihr Fundament Dynamit eingebaut sei. Das ist nun im wahrsten Sinne des Wortes der Fall. George W. Bush versichert dem amerikanischen Volk, dass der Krieg jetzt vorbei sei. Aber in Wirklichkeit hat der Krieg gerade erst begonnen. Ein Schock wird dem nächsten folgen und früher oder später wird dies das Bewusstsein von Millionen Menschen – auch in den USA – beeinflussen.
Wir sind weltweit in eine entscheidende Epoche des Kampfes eingetreten. Wohin wir auch schauen, von Südamerika bis in den Nahen Osten, von Europa bis Asien, befindet sich der Kapitalismus in einer tiefen Krise. Die Arbeiterklasse und die Jugend sind im Begriff aufzuwachen. Diese Bewegung braucht jetzt ein Programm und eine Politik, sich durchsetzen zu können. Wir werden alles in unserer Macht stehende unternehmen, dies zu erreichen. In der Zwischenzeit haben wir das Recht den Schluss zu ziehen: Die Bewegung in Richtung Weltrevolution hat begonnen.
Das soll nicht bedeuten, dass die Revolution überall sofort auf der Tagesordnung steht. Nach einer langen Phase, in der der Klassenkampf sich in den entwickelten kapitalistischen Ländern auf einem sehr niedrigen Niveau bewegt hat, braucht die Arbeiterklasse Zeit, die Glieder zu strecken. Die neue Generation ist unerfahren und muss eine Reihe von Teilkämpfen durchlaufen, um das notwendige Verständnis für die von der Geschichte aufgeworfenen Aufgaben zu bekommen.
Das wird keine einfache Zeit werden. Es wird Siege und Niederlagen geben. Auf Perioden großer Fortschritte folgen Perioden der Ermattung, Enttäuschung und sogar der teilweisen Reaktion. Aber jeder Rückschritt wird den Weg für einen noch größere Zunahme des Klassenkampfes bahnen. Der Grund dafür ist, dass der Kapitalismus in dieser Epoche nicht mehr in der Lage ist, die Art von Reformen und leichten Zugeständnisse zu gewähren, die noch in der Phase des langen wirtschaftlichen Aufschwungs nach 1945 möglich waren. Jeder Fortschritt wird hart erkämpft werden müssen. Jede Lohnerhöhung oder Reform bedeutet einen erbitterten Kampf zwischen Lohnarbeit und Kapital.
Die Arbeiterklasse wird, beginnend mit ihrem fortschrittlichsten Teil, allmählich, langsam, schmerzhaft anfangen, revolutionäre Schlüsse zu ziehen. Der Prozess der Bewusstseinsentwicklung bei den Massen kann nur aus der Erfahrung erwachsen, besonders aus der Erfahrung großer Ereignisse. In einem gewissen Stadium müssen diese Ereignisse einen Ausdruck in den Massenorganisationen finden.
Die Arbeitermassenorganisationen, allen voran die Gewerkschaften, werden von oben bis unten erschüttert werden. Die Fähigkeit der Marxisten, Zuspruch bei den Massen zu gewinnen, wird durch unsere Fähigkeit bestimmt, uns entscheidend in diesen unvermeidbaren Prozess einzumischen.
Früher oder später wird in dem einen oder anderen Land die Machtfrage gestellt. Die Entwicklung der Weltwirtschaft in der letzten Zeit hat dazu geführt, dass der Klassenkampf weltweit in einem gewissen Ausmaß miteinander verbunden ist, das man sich in der Vergangenheit nicht hätte vorstellen können.
Die Revolutionen von 1848-49 beschränkten sich eigentlich nur auf Europa. Die Russische Revolution von 1917 hatte eine große Auswirkung nicht nur auf Europa, sondern auch auf Asien und den Nahen Osten. Es waren die „zehn Tage, die die Welt erschütterten“. Aber unter den gegenwärtigen Bedingungen wird nur eine einzige erfolgreiche Revolution, besonders in einem Schlüsselland, weltweit viel größere Auswirkungen haben.
Der Erfolg der sozialistischen Revolution wäre leichter, wenn es eine in den Massenorganisationen verankerte marxistische Strömung und eine klare revolutionäre Perspektive gäbe. Die Stärkung der marxistischen Strömung auf internationaler Ebene ist die dringendste Aufgabe. Die Erfahrungen der Arbeiter und der Jugend kombiniert mit dem notwendigen Verständnis für Taktik, Strategie, Theorie und Perspektive ist eine ausreichende Garantie für den Sieg.
Die Arbeiterklasse und die Jugend sind bereits dabei, aus ihren eigenen Erfahrungen zu lernen. Aber das ist nicht genug. Es ist unsere Aufgabe, ihnen zu helfen, die nötigen Schlüsse zu ziehen und Schulter an Schulter mit ihnen an jedem einzelnen Kampf teilzunehmen und die nötige Strategie zu entwickeln, den Kampf zu Ende zu führen.