Palästina: Der Völkermord hat System

Gaza ist die Hölle auf Erden für die etwa 2 Millionen Palästinenser, die dort leben. Das Morden können nur die Massen stoppen. Von Florian Keller
Seitdem Israel Mitte März die vorherige zweimonatige Waffenruhe gebrochen hat, finden die intensivsten Angriffe seit langem statt. Jeden Tag werden dutzende Menschen in Gaza getötet. Zuletzt sorgte ein Video vom Mord an 15 Sanitätern und Krankenpflegern, das von der New York Times veröffentlicht wurde, für Entsetzen.
Die Netanjahu-Regierung versucht mit allen Mitteln, den Krieg weiterzuführen, um selbst an der Macht zu bleiben. Das Ziel ist eine vollständige Kapitulation der Hamas und, wenn möglich, die Annexion des Gazastreifens oder zumindest größerer Teile davon. Auch im Westjordanland intensivieren sich die Übergriffe von israelischen Siedlern, gedeckt durch die Armee.
Doch die Kriegsmüdigkeit in Israel steigt. Verschiedenen Schätzungen nach folgen nur noch zwischen 50 und 80 % der Reservisten einer Einberufung in die Armee – der niedrigste Wert seit dem Libanonkrieg 1982. Um einsatzfähig zu bleiben, versucht die israelische Armee, direkten Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Sie erobert vor allem dünn besiedelte Gebiete, isoliert die großen Städte voneinander und bombadiert sie in Grund und Boden. Dadurch tritt der völkermörderische Charakter des Krieges gegen die Zivilbevölkerung nur noch mehr zu Tage.
Damit einher geht eine vollständige Hungerblockade. Anfang März, noch vor dem offiziellen Bruch des Waffenstillstandes, hat Israel alle Hilfslieferungen und die Versorgung mit Treibstoff und Strom, Anfang April auch die Wasserversorgung komplett abgeschnitten. Die Krankenhausinfrastruktur ist zerstört und es gibt kaum noch Medikamente, was dazu führt, dass immer mehr Menschen mit relativ leichten Wunden oder Krankheiten sterben. Tausende Kinder werden mit Symptomen der akuten Unterernährung in Krankenhäuser gebracht, wo die Ärzte und Pfleger aber immer weniger für sie tun können.
Die Strategie der Hamas – militärischer Kampf kombiniert mit diplomatischen Offerten an den Westen und die korrupten arabischen Regimes – ist gescheitert. Immer weniger Palästinenser im Gazastreifen sehen sie als besten Ausdruck der palästinensischen Interessen. Mittlerweile hat die Hamas Zugeständnisse bei den kommenden Verhandlungen angekündigt, indem sie vorschlägt, dass sie die Macht im Gazastreifen an „lokale Technokraten“ abgeben wird. Inwieweit sich das realisieren wird, steht in den Sternen – aber es zeigt die Sackgasse auf, in die sie den Widerstandswillen der Palästinenser manövriert haben.
Die Beziehung zwischen Israel und den USA ist seit dem Amtsantritt von Donald Trump enger geworden. Währenddessen sind kritischere Stimmen aus der EU gegenüber Israel zu hören – selbst aus Deutschland, wo die scheidende Außenministerin Baerbock den oben beschriebenen Mord an den Sanitätern verurteilte. Doch wir dürfen uns nichts vormachen: Das ist pure Heuchelei. Die EU-Länder fürchten, dass eine weitere Eskalation im Nahen Osten die wichtigen Handelswege nach Asien und die Versorgung mit Öl und Gas noch mehr unter Druck bringen könnte. Doch sie sind untereinander uneinig und abhängig von den USA – und so decken sie in der Praxis den Völkermord weiter.
In Österreich vermeidet es die Bundesregierung komplett, sich zu äußern. Zu viel haben „unsere“ Herrschenden in die politische Linie der Unterstützung Israels investiert, um jetzt eine auch nur eine sanfte rhetorische Kehrtwende leicht vollziehen zu können. Die rassistische Hetzkampagne gegen Flüchtlinge, Muslime und gegen alle, die sich gegen die Unterdrückung der Palästinenser gestellt haben, wurde genutzt, um hierzulande Ruhe zu halten und die Arbeiterbewegung zu schwächen. Das ist auch weiter das Ziel.
Das Scheitern des Waffenstillstandes zeigt, dass die Hoffnung auf imperialistische Diplomatie eine Sackgasse ist. Der Krieg in Gaza ist nur der sichtbarste Ausdruck des Kampfes um die Kontrolle des Nahen Ostens, einer Weltregion, die von zentraler strategischer Bedeutung im immer stärker werdenden Kampf zwischen den imperialistischen Großmächten (USA, China, die europäischen Länder, Russland) ist. Eine Mischung aus Druck und Appellen an die Herrschenden, wie sie die BDS-Bewegung (Boycott, Divest, Sanction) fordert und versucht zu organisieren, bewirkt in so einer Situation rein gar nichts – außer Verwirrung bei denjenigen zu stiften, die für die Befreiung der Palästinenser kämpfen.
Der Schlüssel zur Situation ist der revolutionäre Kampf der Massen. Insbesondere in den arabischen Ländern sind die Regimes in ihrer korrupten Komplizenschaft mit Israel und dem Westen bei gleichzeitig weiter steigender Armut tief verhasst. Notwendig ist der Sturz der Kriegsverbrecher und der Milliardäre, die sie finanzieren – egal ob in Israel, den USA, Europa oder den arabischen Staaten durch die Arbeiterklasse und die Unterdrückten. Nur durch eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens werden die Palästinenser, so wie alle Völker und Religionen, ein Heimatland haben, in dem Elend, Krieg und Ausbeutung Geschichte sind.