Am 6. Juni findet zum zweiten Mal der österreichweite „Aktionstag Bildung“ statt. Aktivistinnen und Aktivisten an der Basis wollen damit auf die Missstände im Bildungsbereich hinweisen und Druck auf die Gewerkschaft machen. Von Yola Kipcak.
Allein in Wien gingen im vergangenen Jahr beim Aktionstag der gleichen Initiative etwa 10.000 Menschen auf die Straße. Lehrpersonen aus verschiedenen Bereichen (Pflichtschule, Freizeitpädagogik, AHS, Elementarpädagogik …) beteiligten sich. „GÖD (Gewerkschaft für öffentlichen Dienst) sei nicht feig, es ist Zeit für einen Streik!“ war einer der Hauptslogans auf der Wiener Demo. Und das nicht ohne Grund.
Im gesamten Bildungsbereich herrscht dramatischer Ressourcen- und Personalmangel. Bis 2030 wird in Österreich ca. ein Drittel der Lehrenden pensioniert. Vor Beginn des diesjährigen Sommersemesters waren 6.800 Stellen unbesetzt; ein Drittel der Schulleitungen berichtet von „erheblichen“, nicht kompensierten Über- und Mehrstunden. Das Bildungsministerium mobilisiert Pensionisten, Quereinsteiger, und Lehramtsstudierende, die oft ohne jegliche Vorbereitung ins kalte Wasser geschmissen werden. 2022 besuchten 58% der Schülerinnen und Schüler Standorte mit zu wenigen Sekretariatskräften, Schulsozialarbeitern oder -psychologen (Quelle: Pisa-Zusatzbefragung).
Anstelle massiver Investitionen im Bildungssystem gibt es Einsparungen. Das Bildungsbudget für 2024 sieht eine Steigerung von nur 4,3% vor, was weit unter der Jahresinflation liegt.
Der „Aktionstag Bildung“ wird von einer großen Zahl von Organisationen und Parteien unterstützt, doch insbesondere Lehrpersonen an der Basis haben in den vergangenen Jahren begonnen, sich zu vernetzen, um für ein besseres Bildungssystem zu kämpfen. Sie schüren keine Hoffnung in die Politik, sondern zeigen sich streikbereit. Das größte Hindernis ist hierbei die eigene Gewerkschaftsführung. Einer der Initiatoren erklärte letztes Jahr in einem Interview mit uns:
„Die Gewerkschaft spielt oft die Rolle eines Verwalters oder eines Ausgleichs in einem System, das – für die ArbeiterInnen – zutiefst undemokratisch und ungerecht ist. Und deswegen ist es wichtig, dass wir uns von unten organisieren und uns selbst zu wehren lernen. Wir selber müssen aktiv werden, um diese konservative Rolle der Gewerkschaften zu durchbrechen.“
Zu diesem Zweck startete die Vernetzung „Schule brennt“ im Herbst eine Petition an die Gewerkschaftsspitze mit dem Titel „GÖD muss Streiks vorbereiten!“, die binnen kurzer Zeit über 5.000 Unterschriften generierte – von der Führung aber geflissentlich übergangen wurde. Nun appelliert die Initiative „Bildung brennt“, Dienststellenversammlungen – also Treffen während der Arbeitszeit – abzuhalten und dafür Unterschriften zu sammeln. Derartige Versammlungen können von 1/3 der Belegschaft eingefordert werden. Das zeigt einen Weg nach vorne auf; es braucht eine systematische Ausweitung der Organisierung von unten und kollektiven Druck auf die Gewerkschaft.
Angesichts der tiefen Krise des österreichischen Kapitals schmieden bürgerliche Strategen schon jetzt Pläne für den Sozialabbau durch die kommende Regierung. Die Verteidigung von Arbeits- und Bildungsbedingungen können nur mit kollektiven Mitteln gesichert werden – durch solidarische und demokratische, von unten kontrollierte Arbeitskämpfe. Der Aktionstag muss der Startschuss sein für eine breite Bildungsbewegung im neuen Schuljahr.
(Funke Nr. 224/30.05.2024)