Der Schwedenbombenhersteller Niemetz steht vor dem wirtschaftlichen Aus. Doch in den letzten Tagen setzte eine ungeahnte Solidaritätswelle der KundInnen ein. Ein Kommentar von Gernot Trausmuth.
Wer hat keine positiven Kindheitserinnerungen an die Schwedenbomben? Was war ein Besuch bei den Großeltern, ohne dass einem die Oma beim Verabschieden ein Packerl Schwedenbomben zusteckte? Und wenn wir uns eine Packung teilen mussten, schaute jeder, dass er ja von seiner Lieblingssorte 2 Stück abbekam. Schwedenbomben gehören somit zum kollektiven, österreichischen Naschgedächtnis wie Manner-Schnitten, Twinni oder Dreh und Drink. Das erklärt auch, warum auf Facebook und in den Supermärkten landauf landab eine so bemerkenswerte Solidarisierung mit diesem Produkt und somit mit dem Wiener Traditionsunternehmen Niemetz entstand. Die Nachfrage ist derzeit so groß, dass die Produktion voraussichtlich weitergeführt wird.
In dieser Welle der Anteilnahme am Schicksal der Schwedenbombe schwingt kein geringes Maß an (Austro-)Patriotismus mit, der – wie kann es hierzulande anders sein – mit antideutschen Ressentiments einher geht. Gott bewahre unsere Supermarktregale vor den Dickmanns der deutschen Firma Storck, dieser billigen Kopie unserer Schwedenbomben, die nie und nimmer an das Original herankommen werden.
Aber warum steckt die Firma Niemetz, die seit 1890 in Wien Süßes produziert, in so wirtschaftlichen Problemen? 3 Millionen Euro an Schulden muss das Unternehmen derzeit begleichen. Der Stand der Passiva ist aber noch um weitere 2 Millionen größer. Der Niedergang von Niemetz ist vor allem Ergebnis der Strategie des Eigentümers. Jedes Jahr sollen laut Medienberichten mehrere 100.000 Euro aus dem Betrieb entnommen worden sein. Notwendige Investitionen wurden nicht getätigt. Die Produktpalette ist gleich wie in den 1970ern, von unternehmerischer Innovation kann also keine Rede sein. Die an einer Übernahme interessierte Konkurrenz vertritt die Meinung, dass die MitarbeiterInnen (großteils Frauen) über großes Know-how verfügen („Sie sind sicher das Wertvollste des Betriebs“), der Maschinenpark aber hoffnungslos veraltert sei. Der Standort in Wien-Landstraße wurde bereits veräußert, um Geld in die Kassa zu bringen. Der Geschäftsführer und die Eigentümerin haben es vorgezogen das Geld in einen Pferdehof als in die Fabrik zu investieren. Viel besser lässt sich die unproduktive Rolle dieser neuen Generation von KapitalistInnen, die traditionelle Industriebetriebe übernommen haben, kaum beschreiben.
Im Rahmen des harten kapitalistischen Verdrängungswettbewerbs können solche Unternehmen natürlich auf Dauer nicht bestehen. Da hilft der beste Markenname nichts. Fressen und gefressen werden, ist die Devise auch unter den Süßwarenherstellern. Den Markten teilen sich nur noch wenige Unternehmen. 2006 übernahm Heindl den Konkurrenten Pischinger. Storck hat bereits Englhofer und Heller geschluckt. Die patriotisch angehauchte Nostalgiewelle für die Schwedenbombe kann diesen Prozess nicht aufhalten.
Die Rechnung bekommen einmal mehr die ArbeiterInnen serviert. Niemetz ist bekannt für seine feindliche Haltung gegenüber der Gewerkschaft, immer wieder gab es arbeitsrechtliche Verstöße und die Betriebsratswahl wurde behindert. Lange Zeit versuchte die Unternehmensleitung die Gründung eines Betriebsrats aktiv zu verhindern. Gerade einmal, dass sie jetzt den Lohn für Dezember ausbezahlt bekommen haben. Auf den Jännerlohn warten sie noch immer. Die Angestellten bekamen erst eine Teilzahlung von 1000 Euro. Außerdem wurde die Belegschaft beim Insolvenzfonds angemeldet, der notfalls die Löhne ausbezahlen muss. Und über ihnen schwebt ständig das Damoklesschwert des Arbeitsplatzverlustes. Angesichts der allgemeinen Wirtschaftslage bedeutet das in der Regel Langzeitarbeitslosigkeit und Angst vor der dem Abrutschen in die Armut.
Im Fall Niemetz ist offensichtlich, dass der private Eigentümer und das Management Schuld an der schlechten Lage des Unternehmens haben. Gleichzeitig gibt es ein großes Bedürfnis an der Erhaltung der Produkte dieses Unternehmens. Der Kampf für die Fortführung der Produktion unter der Kontrolle der Belegschaft und die Öffnung der Geschäftsbücher, um kontrollieren zu können, wohin das von der Belegschaft erwirtschaftete Geld geflossen ist, ist heute das Gebot der Stunde.