Nachdem die letzten Jahre von unaufhörlichen Verschlechterungen im Spitalsbereich geprägt waren, erfolgte zum Jahresende ein finanzieller Paukenschlag seitens der Stadt Wien. Martin Gutlederer analysiert die Hintergründe.
Während in Österreich 2775 (Mai 2023) und in Wiens Gemeindespitälern 950 (exklusive AKH, Stand September 2023) Spitalsbetten gesperrt sind und regelmäßig Medienberichte auf eine immer schwierigere Situation im Gesundheitsbereich hinweisen, scheint es nun einen Lichtblick zu geben: 150 Millionen Euro macht die Stadt Wien locker, um das Rahmenrecht zu verbessern und finanzielle Anreize zu setzen. Unter anderem soll es eine erhöhte Vergütung von Nacht-, Sonn- und Feiertagsdiensten, Nachtgutstunden für weitere Berufsgruppen sowie eine Extraabgeltung für das Einspringen geben.
Durch den Abschluss mit 9,15% im öffentlichen Bereich und die oben genannten Verbesserungen für städtische Bedienstete in Wien wurde eine breite Streikfront im Dezember verhindert. Federführend im Verhindern dieser Streikfront war die Gewerkschaftsspitze, die sich weigerte der Wut der Beschäftigten einen kämpferischen Ausdruck zu geben. In der Metallindustrie und im Handel sind die Arbeitgeber trotz Rekordprofiten nicht gewillt, den ArbeiterInnen eine Lohnerhöhung im Ausmaß der Inflation zu gewähren. Die „konstruktive“ Haltung der Gewerkschaften ProGe und GPA im letzten Jahr wurde als Schwäche gedeutet, die weitere Aggression gegen Beschäftigte eingeleitet hat. Der Abschluss unter der rollierenden Inflation der MetallerInnen und des Handels sowie der niedrige Abschluss im SWÖ-KV trotz kampfbereiter Belegschaften ist eine klare Niederlage. Besonders der 2-Jahresabschluss des Metaller-KV schwächt die österreichische Gewerkschaftsbewegung. Uns ist bewusst, dass der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen von der gesamten Arbeiterbewegung gemeinsam gekämpft wird.
Wir machen uns dabei keine Illusionen in die Sozialpartnerschaft. Jahrelang hat die Führung der „younion“ Missstände beiseite gewischt und den Kampf für Verbesserungen, wie etwa die Möglichkeit zur Optierung in das neue Dienstrecht, als aussichtslos bezeichnet und abgelehnt. Wenn Gewerkschaftschef Christian Meidlinger das letzte Paket nun als „Beleg dafür, dass die Sozialpartnerschaft in Wien funktioniert – und (als) ein weiteres starkes Zeichen der younion“ sieht, muss man darauf antworten, dass die Probleme des Gesundheits- und Sozialbereichs das Ergebnis dieser jahrzehntelangen Sozialpartnerschaft ist.
Es war nicht die Gewerkschaftsführung, sondern das Spitalspersonal selbst, das durch Demonstrationen und Medienstatements die Öffentlichkeit auf die Missstände hingewiesen hat – teilweise unter persönlichem Risiko, Probleme mit dem Arbeitgeber zu bekommen. Der Druck auf Gewerkschaft und Stadt Wien stieg und die Unzufriedenheit wurde immer deutlicher gezeigt, wie durch den Streik der Ärzte der ZNA Klinik Ottakring, oder durch das Wählen „per Kündigung“. Allen Beteiligten musste klar sein, dass es Veränderungen braucht, um den öffentlichen Sektor zu erhalten. Darüber hinaus stehen wichtige Wahlen für die Sozialdemokratie in Österreich und Gewerkschaft an. Kurz: Die Maßnahmen der Stadt Wien sind kein Erfolg der Sozialpartnerschaft, sondern ein Ergebnis all jener, die kämpfen und des passiven Widerstands jener KollegInnen, die kündigen und ihre Stunden kürzen. Um das System vor dem Kollaps zu bewahren musste Geld fließen.
Wir begrüßen die Erhöhung unseres Einkommens durch das neue Paket, die Zulagenerhöhungen (Nacht- und Feiertag) und die Einführung einer Vergütung fürs Einspringen. Aber die Missstände im Gesundheitssystem sind damit nicht gelöst. Noch immer können hunderte Spitalsbetten nicht bespielt werden und viele KollegInnen haben den Sektor fluchtartig verlassen. Wir haben immer betont, dass mehr Gehalt für das Spitalspersonal zwar notwendig ist, um ein weiteres Abwandern zu vermeiden, aber zahlreiche andere Probleme nicht lösen wird. Wir brauchen ebenso Arbeitsbedingungen, die es ermöglichen in diesem Beruf alt zu werden. Dies ist noch immer nicht der Fall und eine signifikante Arbeitszeitverkürzung auf zu mindestens 32h bei vollem Lohn- und Personalausgleich ist notwendig.
Aber auch die finanziellen Zugeständnisse der Arbeitgeber können keinesfalls als gesichert gelten. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Gelder auf Basis politischer Entscheidungen aus dem Budget Wiens fließen und auch von diesem und dem österreichischen Staatshaushalt abhängig sind, der in Zukunft immer wieder unter Druck stehen wird. Bereits in der Vergangenheit gab es Pläne für Null-Lohnrunden wie 2013, die nur aufgrund von Widerstand zu kleineren Real-Lohnverlusten durch eine „kleine Pauschale“ abgeschwächt wurden. Angesichts der tiefer werdenden Krise, die Österreich besonders betrifft, wetzen die Bürgerlichen bereits die Messer ihrer Sparpläne und es ist absehbar, dass die SPÖ hierbei nicht dagegenhalten wird. Daher wird uns eine „Wiener Sozialpartnerschaft“ nicht schützen können, sondern nur eine breite Streikaktion der Beschäftigten der AUA, des Gesundheits- und Sozialbereich, der Metaller, usw.. Dafür setzen wir uns ein und deswegen bilden wir eine oppositionelle Strömung für kämpferische Gewerkschaften und gegen die Sozialpartnerschaft heraus. Damit das jedoch erfolgreich sein kann, brauchen wir jede einzelne Kollegin, jeden einzelnen Kollegen.